Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.05.1997, Az.: XII 304/96
Abgeltung aller gewöhnlichen mit einem Kraftfahrzeug verbundenen Aufwendungen durch den Pauschbetrag gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG); Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs aus beruflichen Gründen; Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten; Absetzungen für Abnutzung im Sinne des§ 7 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für ein Kraftfahrzeug; Möglichkeit der Pauschalierung aussergewöhnlicher Aufwendungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.05.1997
- Aktenzeichen
- XII 304/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 15988
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0521.XII304.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG
- § 7 Abs. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Kilometerpauschbetrag
Einkommensteuer 1994
Amtlicher Leitsatz
Mit dem Pauschbetrag gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG sind alle gewöhnlichen mit Kfz. verbundenen Aufwendungen abgegolten.
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 21. Mai 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Gewerkschaftssekretär
ehrenamtlicher Richter ... Prokurist
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
Streitjahr ist das Jahr 1994. Die Kläger werden als Eheleute gemäß §§ 26, 26 b EStG gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA-) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten für die Fahrten mit dem eigenen KFZ zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe der Kilometerpauschbeträge gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Das FA ging dabei entsprechend der Erklärung der Kläger von 224 Tagen und einer einfachen Entfernung zwischen der Wohnung der Kläger und der Arbeitsstätte des Klägers in H. von 72 km aus.
Gegen diese Entscheidung haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Zur Begründung führen Sie an, daß der Kläger aus beruflichen Gründen auf das private KFZ angewiesen sei, da er mit öffentlichen Verkehrsmitteln seine Arbeitsstätte von der Wohnung aus nicht rechtzeitig erreichen könne. Sein Arbeitszeitbeginn in H. sei vom Arbeitgeber auf 6.00 Uhr morgens festgelegt worden. Es sei ihm nicht möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dieser Zeit die Arbeitsstätte zu erreichen. Aus diesem Grund seien die tatsächlich entstandenen KFZ-Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Wegen der rein beruflichen Nutzung seien die Anschaffungskosten des KFZ auf eine vierjährige Nutzungsdauer verteilt abzuschreiben und die Fahrtkosten mit 0,65 DM je gefahrenen Kilometer als Werbungskosten anzusetzen. Das entsprechende KFZ sei seinerzeit als Zweit-PKW allein für berufliche Zwecke angeschafft worden und werde auch ausschließlich für Fahrten zwischen der Wohnung der Kläger und der Arbeitsstätte des Klägers genutzt. Im übrigen verweist der Kläger, daß selbständig Tätige die tatsächlich entstandenen KFZ-Kosten absetzen könnten, während für Arbeitnehmer eine entsprechende Möglichkeit in § 9 EStG nicht vorgesehen sei. Hierin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 25.04.1996 die Einkommensteuer 1994 neu festzusetzen und bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der Werbungskosten die Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen KFZ zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,65 DM je gefahrenen Kilometer anzusetzen und für dieses KFZ Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 1.237,50 DM anzuerkennen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist weiterhin der Auffassung, eine über den Kilometer-Pauschbetrag gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in Höhe von 0,70 DM je Entfernungskilometer hinausgehende Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen KFZ zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten sei nicht möglich, da hier Ausnahmetatbestände nach § 9 Abs. 2 EStG oder nach Abschnitt 38 Abs. 5 der Lohnsteuerrichtlinien nicht erfüllt seien. Mit dem Pauschbetrag sei auch die AfA für dieses KFZ abgegolten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ist eine über den Kilometerpauschbetrag des§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in Höhe von 0,70 DM je Entfernungskilometer hinausgehende Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen KFZ zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten nicht möglich. Mit diesem Pauschbetrag sind auch die Absetzungen für Abnutzung im Sinne des§ 7 Abs. 1 EStG für das KFZ abgegolten.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie müssen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Definition erfaßt grundsätzlich auch Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen KFZ zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte. Für die Abzugsfähigkeit solcher Fahrtkosten stellt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG jedoch eine ausschließliche Sonderregelung dar, wonach statt der tatsächlichen Aufwendungen nur die dort genannten Kilometerpauschbeträge je Entfernungskilometer abzugsfähig sind, soweit keine Behinderung des steuerpflichtigen Arbeitnehmers vorliegt (§ 9 Abs. 2 EStG) und die Aufwendungen nicht als Reisekosten im Sinne des Abschnitts 38 Abs. 5 der Lohnsteuerrichtlinien zu behandeln sind (vgl. BFH, BStBl II 1992, 84). Diese Regelung beruht auf Gründen der Verwaltungsvereinfachung und auch auf fiskalpolitischen Erwägungen (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, EStG, 15. Aufl. 1996, § 9 Rdz. 115 mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus verfolgte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auch den Zweck, durch Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Verlagerung des Individualverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel durch eine gleichmäßig eingeschränkte steuerliche Berücksichtigung der KFZ-Kosten von Arbeitnehmern zu erreichen. Daß dadurch im Einzelfall, wie z.B. für den Kläger, Nachteile entstehen, ist im Interesse einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Arbeitnehmer hinzunehmen.
Auch für den Fall, daß die tatsächlichen Aufwendungen die Pauschsätze übersteigen, ist die Pauschalierung nach§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG verfassungsgemäß (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht - Beschluß vom 02.10.1969, BStBl II 1970, 10).
Mit dem Kilometerpauschbetrag sind auch die normalen, mit der Benutzung eines KFZ regelmäßig verbundenen Aufwendungen abgegolten. Neben den Aufwendungen für Kraftstoff, KFZ-Steuer, Versicherung und normale Reparaturen fällt insbesondere die Abschreibung (AfA) unter die abgegoltenen Aufwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.1979, BStBl 1980 Teil II, 138). Nur solche Aufwendungen sind nicht abgegolten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich und nicht vorhersehbar sind. Derartige Kosten können nicht pauschaliert werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30.01.1979, a.a.O.). Als außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Aufwendungen sind vor allem PKW-Unfallkosten zusätzlich neben dem Pauschbetrag als abzugsfähig anerkannt worden (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.1978, BStBl II 1978, 30). Um derartige außergewöhnliche Aufwendungen geht es jedoch im Streitfall nicht. Dementsprechend können die Kläger für das betreffende KFZ über den bereits anerkannten Kilometer-Pauschbetrag im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG hinaus keine gesonderten Aufwendungen als Werbungskosten steuermindernd geltend machen.
Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.