Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.05.1997, Az.: VI 690/94
Anforderungen an die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen; Einbringung von Anteilen in eine Kapitalgesellschaft ohne Vereinbarung einer Gegenleistung; Vorliegen einer verdeckten Einlage; Bewertung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Einlage in das Betriebsvermögen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.05.1997
- Aktenzeichen
- VI 690/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 17877
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0521.VI690.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG
- § 8 Abs. 1 KStG
Fundstellen
- GmbHR 1998, 250 (amtl. Leitsatz)
- SteuerBriefe 1998, 387-388
Verfahrensgegenstand
Körperschaftsteuer 1991 ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 37 Abs. 1 KStG zum 31.12.1991
Amtlicher Leitsatz
Bringt eine natürliche Person Anteile an einer Kapitalgesellschaft, deren beherrschende Gesellschafterin sie ist, in eine Kapitalgesellschaft ohne Vereinbarung einer Gegenleistung ein, so stellt die Einbringung eine verdeckte Einlage dar. Diese ist gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten.
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 21. Mai 1997,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Redakteurin
ehrenamtlicher Richter ... Kaufmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Einlage in das Betriebsvermögen der Klägerin.
Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 16. Oktober 1991 in der Rechtsform einer GmbH errichtet und am 24. Oktober 1991 in das Handelsregister eingetragen. Zur alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin ist Frau M. (M.) bestellt.
Zum damaligen Zeitpunkt war M. ebenfalls zu 100 v. H. an der t Rechenzentrum Gesellschaft mbH (t-GmbH) beteiligt. Die t-GmbH hat ein Stammkapital in Höhe von 50.000 DM. M. hielt die Beteiligung im Privatvermögen.
Mit notariellem Vertrag vom 4. November 1991 übertrug M. ihre Anteile an der t-GmbH ohne Vereinbarung einer Gegenleistung auf die Klägerin. Diese behandelte die Übertragung der Anteile in ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember 1991 als verdeckte Einlage. Sie stellte in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1991 der aktiven Beteiligung eine Kapitalrücklage gegenüber, deren Wert sie nach dem "Stuttgarter-Verfahren" mit 792.500 DM ermittelte.
Das Finanzamt (FA) erteilte am 22. September 1993 einen Körperschaftsteuerbescheid für 1991 sowie einen Feststellungsbescheid gemäß § 47 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zum 31. Dezember 1991, in denen es der Auffassung der Klägerin folgte und den Erwerb der Beteiligung als verdeckte Einlage behandelte: die Bescheide ergingen gemäß § 164 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In der Zeit vom 23. September bis 21. Oktober 1993 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Im Rahmen der Außenprüfung gelangte der Außenprüfer zu der Auffassung, daß die Beteiligung an der t-GmbH mit den ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile in Höhe von 50.000 DM zu bewerten sei. Er ermittelte den gemeinen Wert der Anteile mit dem Betrag von 671.500 DM.
Das FA erteilte am 29. Juni 1994 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide, denen es die Auffassung des Außenprüfers zugrunde legte. Es stellte das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1991 in der Weise fest, daß es das EK 50 mit dem Betrag von 9.288 DM und das EK 04 mit dem Betrag von 50.000 DM ansetzte.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, die Anteile an der t-GmbH seien gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) mit dem - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Wert von 671.500 DM anzusetzen. Die Bewertung der Einlage mit den ursprünglichen Anschaffungskosten von 50.000 DM sei unzutreffend. Entgegen der Auffassung des FA gelte die Sonderregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 b EStG nicht für Einlagen in Kapitalgesellschaften. Diese Vorschrift sei ihrem Wortlaut und ihrem Sinngehalt nach nur anzuwenden, wenn Wirtschaftsgüter aus dem Privatvermögen eines Steuerpflichtigen in das Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen eingelegt würden. Zwar entfalle damit die Besteuerung der stillen Reserven, dies sei aber unmaßgeblich, da die Einbringung einer wesentlichen Beteiligung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einkommensteuerlich nicht als entgeltliche Veräußerung anzusehen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1988 I R 147/83, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1989, 271).
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1991 und des Feststellungsbescheides gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1991 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28. November 1994 die Einlage der Anteile an der t-GmbH mit 671.500 DM zu bewerten bzw. das EK 04 auf 671.500 DM zu erhöhen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß die Anteile an der t-GmbH mit den ursprünglichen Anschaffungskosten von 50.000 DM zu aktivieren seien. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG. wonach die Einkommensermittlung sich nach den Vorschriften des EStG bestimme, finde § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG Anwendung. Danach sei eine Einlage in Gestalt eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft mit den Anschaffungskosten zu bewerten, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft wesentlich beteiligt im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 sei, wenn auch § 6 Satz 1 Nr. 5 b EStG seinem Wortlaut nach nur für die Einlagen aus Privatvermögen eines Steuerpflichtigen in das Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen gelte, so sei er für den Bereich einer Körperschaft dahingehend auszulegen, daß der nichtbetriebliche Bereich und der betriebliche Bereich durch die Beziehung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft gekennzeichnet sei.
Erfolge die Aktivierung der Anteile an der t-GmbH mit dem Teilwert, so gingen die im Zeitpunkt der Anteilsübertragung erwirtschafteten stillen Reserven der Besteuerung verloren. Dies widerspreche den Prinzipien der Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat die Anteile an der t-GmbH in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1991 mit den Anschaffungskosten in Höhe von 50.000 DM zu bilanzieren und das EK 04 zum 31. Dezember 1991 mit dem Betrag von 50.000 DM zu ermitteln.
1.
Die Übertragung der Anteile an der t-GmbH durch M. auf die Klägerin stellt eine verdeckte Einlage dar.
Auch in eine Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich Einlagen möglich, d.h. Vermögensmehrungen ohne gewinnerhöhenden Charakter, wobei Leistungen von den Gesellschaftern ohne jede Gegenleistung seitens der Kapitalgesellschaft an diese erbracht werden (vgl. Streck, Kommentar zum KStG, 3. Aufl., § 8 Anm. 32; Mössner/Seeger. Körperschaftsteuerkommentar, § 8 Anm. 55 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Gesetzliche Grundlage für die Behandlung der Einlage bei einer Kapitalgesellschaft ist § 8 Abs. 1 KStG, der ohne Einschränkung hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft auf die Bestimmungen des EStG Bezug nimmt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG sind Einlagen alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat. Wenn nach den Vorschriften des EStG, so z.B. § 5 Abs. 1 Satz 5 EStG, eine Einlage an sich voraussetzt, daß diese nur aus dem Privatvermögen eines Steuerpflichtigen in das Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen erfolgen kann, so ist durch die uneingeschränkte Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG der Einlagebegriff für den Bereich der Kapitalgesellschaft dahingehend zu verstehen, daß der Anteilseigner als ein Rechtssubjekt Einlegender in das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft als einem anderen Rechtssubjekt sein kann.
Es kann sich dabei um offene Einlagen handeln, d.h. solche, die auf gesellschaftsrechtlicher oder handelsrechtlicher Vorschrift beruhen, oder um eine verdeckte Einlage. Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein Gesellschafter oder einer dem Gesellschafter nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist (Urteil des BFH vom 18. Dezember 1990, VIII R 17/85, BStBl II 1991, 512 m.w.N.).
Nach der notariellen Vereinbarung vom 4. November 1991 erhielt die Gesellschafterin M. für ihre Übertragung der Anteile an der t-GmbH keine Vergütung, insbesondere keine neuen Gesellschaftsrechte an der Klägerin. Die Übertragung der Anteile beruhte auf dem Umstand, daß M. Alleingesellschafterin der Klägerin ist; ein fremder Dritter hätte einer Übertragung der Gesellschaftsanteile an der t-GmbH, die im Zeitpunkt der Übertragung unstreitig einen Wert von 671.500 DM hatten, nicht ohne Beanspruchung einer Gegenleistungsvereinbarung und vollzogen.
2.
Die Anteile an der t-GmbH sind in der Bilanz der Klägerin nicht mit dem Teilwert, sondern nur mit den der Alleingesellschafterin der Klägerin M. entstandenen Anschaffungskosten von 50.000 DM entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 b EStG anzusetzen.
Wie bei einer verdeckten Einlage in Gestalt von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft die Einlage bei der empfangenen Kapitalgesellschaft, hier der Klägerin, zu bewerten ist, ist für Veranlagungszeiträume vor 1992 umstritten. Nach dem. Urteil des BFH vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77, BStBl II 1980, 494 galt die unentgeltliche Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft aus dem Privatvermögen auf eine Kapitalgesellschaft als Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, so daß sich die Frage der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG nicht stellte. Diese Rechtsprechung hat der BFH durch Urteil vom 27. Juli 1988 I R 147/83, a.a.O. aufgegeben. Die verdeckte Einlage wurde nicht als Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG angesehen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297) ist die auf der früheren Rechtsprechung beruhende Behandlung, wonach die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft einer Veräußerung gleichstand, als gesetzliche Vorschrift wieder eingeführt worden. Die umstrittene Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG bezieht sich auf den Zeitraum zwischen Ergehen des Urteils vom 27. Juli 1988 I R 147/83, a.a.O. und der Gesetzesänderung des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG ist eine Einlage in Gestalt eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt ist. Für eine Anwendung der Vorschrift sprechen sich z.B. Schmidt. Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 6 Aufl. 1992; Groh. Anschaffungskosten aus Sacheinlagen in Finanzrundschau 1990, 528, 531; Hermann-Heuer, Kommentar zum EStG, § 6 Anm. 1229 aus, gegen eine Anwendung unter Hinweis auf eine unzulässige Analogie Wassermeyer, "Tausch und Einlage von Anteilen an Kapitalgesellschaften über die Grenze" in Der Betrieb 1990, 855, 859.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung, die die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG befürwortet, an. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die Besteuerung stiller Reserven bei Einlage wesentlicher Beteiligungen durch die Fortführung der Anschaffungskosten der Beteiligung sicherzustellen. Dieser Zweck wird nicht nur verwirklicht, wenn ein Steuerpflichtiger eine wesentliche Beteiligung aus seinem Privatvermögen in sein Betriebsvermögen einlegt, sondern auch wenn ein Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft als nahestehende Person eine wesentliche Beteiligung in eine Kapitalgesellschaft einlegt. Denn wenn - wie oben ausgeführt - die Einlage eines Wirtschaftsgutes einer natürlichen Person in eine Kapitalgesellschaft auf der gesetzlichen Grundlage des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG erfolgen kann, so ist kein Grund ersichtlich, warum sich die Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG zur Einkommensermittlung der Körperschaft nicht auch auf die Bewertungsregelungen des § 6 EStG erstrecken soll.
Aus alledem folgt, daß das FA die Beteiligung an der t-GmbH zu Recht mit den Anschaffungskosten in Höhe von 50.000 DM aktiviert bzw. in das EK 04 eingestellt hat. Die Klage war folglich abzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Auslegung des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG kommt für Sachverhalte der vorliegenden Gestaltung grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; die Klägerin ist die unterlegene Beteiligte.