Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.1997, Az.: V 343/96
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.05.1997
- Aktenzeichen
- V 343/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27913
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0529.V343.96.0A
Tenor:
Unter Abänderung des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 1996 vom 21. Mai 1996 und des Einspruchsbescheides vom 2. Juli 1996 wird die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 1996 auf minus 1.028,25 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Tatbestand:
Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 11. April 1995 das Grundstück ... in ... zu einem Kaufpreis von 535.000,00 DM. Auf dem ca. 741 m2 großen Grundstück befand sich ein 450 m2 großes, als Supermarkt genutztes Gebäude. In § 3 des notariell beurkundeten Kaufvertrages war die Übergabe des Grundstücks zum 1. Januar 1996 vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den in Kopie zu den Steuerakten gelangten Kaufvertrag Bezug genommen. Der Verkäufer hatte das Grundstück zuvor bis zum 10. Dezember 1995 an die (...) vermietet. H. hatte an der Nutzung des Grundstücks bis zum Mietende kein Interesse und übergab der Klägerin die Schlüssel bereits Anfang Juli 1995.
Die Klägerin hatte bereits am 31. Mai 1995 der ... auf dem Grundstück einen Pkw-Stellplatz zu einem Mietzins von 100,00 DM pro Monat vermietet. Mit Vertrag vom 5. Oktober 1995 vermietete die Klägerin das Gebäude an die (...) für die Zeit vom 15. Oktober 1995 bis 30. November 1995. Mit Vertrag vom 27. Oktober 1995 vermietete die Klägerin das Gebäude für die Zeit vom 25. Oktober 1995 bis 30. Juni 1996 an die (...) für 7.762,50 DM monatlich. Wegen der Einzelheiten der in den einzelnen Mietverträgen getroffenen Vereinbarungen wird auf die zu den Steuerakten gelangten Verträge Bezug genommen.
Mit ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 1996 machte die Klägerin die in der Rechnung des Grundstücksverkäufers vom 13. Dezember 1995 gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuern i.H.v. 80.250,00 DM als Vorsteuern geltend. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern unterwarf im Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung Januar 1996 vom 21. Mai 1996 lediglich die Vermietungsumsätze der Klägerin aus der Vermietung des Pkw-Stellplatzes der Umsatzsteuer und ließ die aus dem Grundstückserwerb geltend gemachten Vorsteuern i.H.v. 80.250,00 DM nicht zum Abzug zu.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr stehe der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Grundstücks zu. Sie, die Klägerin, habe die Verfügungsmacht an dem Grundstück bereits Mitte 1995 mit Schlüsselübergabe durch die ... erlangt. Die erstmalige Nutzung des Grundstücks sei durch die steuerpflichtig gestaltete Vermietung an die ... erfolgt. Die Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug seien damit erfüllt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 1996 unter Anerkennung weiterer Vorsteuern i.H.v. ... DM auf minus 77.116,00 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Klägerin habe die Verfügungsmacht an dem Grundstück erst zum 1. Januar 1996 erlangt. Tatsächlich habe bis Mitte Dezember 1995 der Mietvertrag zwischen dem Alteigentümer und der ... Bestand gehabt. Der Umstand, daß ... das Grundstück tatsächlich nicht mehr genutzt habe, spiele insoweit keine Rolle. Entscheidend sei, daß die Klägerin die rechtliche Verfügungsmacht vor dem 1. Januar 1996 noch nicht erlangt habe. Zu diesem Zeitpunkt aber sei das Grundstück an die ... vermietet gewesen. Die erstmalige Nutzung nach Erlangung der Verfügungsmacht sei damit steuerfrei gewesen. Die Klägerin habe diese Vermietung auch nicht durch Option steuerpflichtig gestalten können, weil die Nord/LB im wesentlichen steuerfreie Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG) ausführe. Die Voraussetzungen für eine Option nach § 9 Abs. 2 UStG seien damit nicht gewährleistet gewesen.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuernummer ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug aus dem Grundstückserwerb im wesentlichen nicht zu. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug besteht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG u.a. nicht, wenn der Leistungsbezug zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet worden ist. Entscheidend ist dabei die erstmalige Nutzung nach Erlangung der Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Das ist die gemäß § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Vermietung des Grundstücks an die ... gewesen. Für diese Umsätze hat die Klägerin auch nicht nach § 9 Abs. 2 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten können, weil die ... ihrerseits das Grundstück zur Ausführung steuerfreier Umsätze (§ 4 Nr. 8 UStG) verwendet hat.
Die Klägerin hat die Verfügungsmacht an dem Grundstück auch nicht vor dem 1. Januar 1996 erlangt. Verfügungsmacht ist gemäß § 3 Abs. 1 UStG die Befähigung, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Der Grundstückskaufvertrag sieht in § 3 ausdrücklich den Übergang des Besitzes und die mit dem Grundstückseigentum verbundenen Rechte und Pflichten für den 1. Januar 1996 vor. Rechtlich hat die Klägerin damit keine Möglichkeit gehabt, über das Grundstück zu verfügen. Der Umstand, daß sie das Grundstück aufgrund des fehlenden Nutzungsinteresses der ... gleichwohl früher hat nutzen können, ist für die Frage des Zeitpunkts der Erlangung der Verfügungsmacht ohne Bedeutung.
Die Klage hat nur insoweit Erfolg, als das Grundstück im Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht am 1. Januar 1996 zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwandt worden ist. Das betrifft die steuerpflichtige Vermietung des Pkw-Stellplatzes an .... Der darauf entfallende Anteil der geltend gemachten Vorsteuern ist gemäß § 15 Abs. 1 UStG anzuerkennen. Es handelt sich um einen Anteil von ca. 1,3 v.H., d.h. 1.043,25 DM. Der Anteil von 1,3 v.H. ergibt sich dabei sowohl, wenn man die steuerpflichtigen Umsätze ins Verhältnis zu den steuerfreien Umsätzen setzt, als auch aus dem Verhältnis einer geschätzten Stellplatzgröße von 10 m2 zur Gesamtfläche von 741 m2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO).