Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.02.2005, Az.: 6 B 66/05

Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) als Mangel zur Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen; Vorläufiger Rechtschutz gegen die sofortige Anordnung des Entzugs der Fahrerlaubnis; Berücksichtigung der vom Antragsteller angekündigten Nachweise zu seiner Einstellungsänderung und Verhaltensänderung erst in einem Verfahren auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis; Einmalige Einnahme von Kokain als Rechtfertigung des Entzugs der Fahrerlaubnis; Nicht vorhergesehene Ausfallerscheinungen und Selbstüberschätzungen als Folge des Konsums von Betäubungsmitteln (Kokain)

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
23.02.2005
Aktenzeichen
6 B 66/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 32681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0223.6B66.05.0A

Fundstellen

  • Blutalkohol 2006, 516-519
  • NJW 2005, 1816-1818 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 2005, 1223 (amtl. Leitsatz)
  • NZV 2005, 435-437 (Volltext mit amtl. LS)
  • SVR 2005, 352

Verfahrensgegenstand

Entziehung der Fahrerlaubnis
- hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -

Redaktioneller Leitsatz

Schon die einmalige Einnahme von Kokain rechtfertigt die Annahme, dass die konsumierende Person zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet (geworden) ist, so dass der Entzug der Fahrerlaubnis die regelmäßige Folge ist.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
am 23. Februar 2005
durch
den Einzelrichter
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz dagegen, dass die Antragsgegnerin ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

2

Die Antragsgegnerin erteilte dem im Jahre 1957 geborenen Antragsteller im April 1993 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).

3

Mit Schreiben vom 01.12.2004 erfuhr die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller bei einer Verkehrskontrolle am 07.11.2004 aufgefallen sei, weil er sein Kraftfahrzeug unter dem Einfuß von Kokain geführt habe, was anhand eines Drogenschnelltests und des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg vom 10.12.2004 nachgewiesen worden sei.

4

Daraufhin entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 19.01.2005 die Fahrerlaubnis, da er sich infolge des Konsums von Kokain als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung dieses Bescheides im Wesentlichen mit der Begründung an, im öffentlichen Interesse könne zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit auch vorübergehend nicht hingenommen werden, dass ein infolge der Einnahme von Rauschmitteln nicht geeigneter Kraftfahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme.

5

Dagegen hat der Antragsteller am 11.02.2005 Klage erhoben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt mit dem er im Wesentlichen geltend macht:

6

Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass bei der Fahrt Wirkstoffe des vor längerer Zeit genommenen Kokains noch in seinem Blut gewesen seien. Er habe sofort fachliche Hilfe in Anspruch genommen und werde eine entsprechende Bescheinigung nachreichen. Die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis sei ermessenfehlerhaft; bei bestehenden Eignungsbedenken hätte zuvor ein Gutachten angeordnet werden müssen, dem er sich auch gestellt hätte.

7

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.01.2005 wiederherzustellen.

8

Der Antragsgegner verteidigt seine Entscheidung und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und des Klageverfahrens (Az.: 6 A 65/05) sowie auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

10

II.

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, über den nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom heutigen Tag durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden wird, hat keinen Erfolg.

11

Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 19.01.2005 verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig angeordnet; die Klage, über die nach dem Sach- und Rechtsstand bei Erlass des angefochtenen Bescheides zu entscheiden sein wird, so dass neue Umstände und insbesondere auch die vom Antragsteller angekündigten Nachweise zu seiner Einstellungs- und Verhaltensänderung erst in einem Verfahren auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis werden berücksichtigt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1992 - BVerwG 11 C 29.92 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 14.08.2002 - 12 ME 566/02 - m. w. Nw.), wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.

12

Die Anordnung sofortiger Vollziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Die Antragsgegnerin hat insbesondere in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

13

Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Klage wiederherzustellen.

14

Die Anordnung sofortiger Vollziehung ist rechtmäßig, wenn das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen überwiegt. Das ist der Fall, wenn sich die Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen so weit verdichtet haben, dass die dringende Besorgnis besteht, der Betroffene werde andere Verkehrsteilnehmer bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ernsthaft gefährden (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn 1273 m. w. Nw.), oder wenn schon bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Prüfung die Rechtmäßigkeit des Fahrerlaubnisentzuges bei der formell ordnungsgemäßen Anordnung der sofortigen Vollziehung eindeutig zu erkennen ist (st. Rspr. des Nds. Oberverwaltungsgerichts, Beschl. vom 03.06.1993 - 12 M 2023/93 -, OVGE 44, 327; Beschl. vom 01.06.1999 - 12 M 2308/99). Diese Voraussetzungen sind (beide) gegeben.

15

Die Prüfung der Sachlage anhand des Akteninhalts ergibt, dass die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis ersichtlich zu Recht entzogen hat. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hat die Straßenverkehrsbehörde die Fahrerlaubnis (zwingend) zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat. Von einer fehlenden Fahreignung ist insbesondere dann auszugehen, wenn ein Mangel nach den Anlagen 4 oder 5 zu den §§ 11,13 und 14 FeV vorliegt, durch den die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV). Ein solcher Mangel entsteht regelmäßig mit der Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG); Besonderheiten gelten insoweit nur für die Einnahme von Cannabis (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV).

16

Auf dieser Grundlage ist die Fahrerlaubnis des Antragstellers rechtmäßig entzogen worden. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Antragsteller, wie er selbst eingeräumt hat, Kokain (Cocain, Benzoylecgoninmethylester) eingenommen hat, also ein Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 BtmG i.V.m. der Anlage 3 zu diesem Gesetz.

17

In der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer ist geklärt, dass regelmäßig (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 Satz 1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) schon die einmalige Einnahme von Kokain oder eines anderen von der Regelung in Nr. 9.1 der genannten Anlage 4 erfassten Betäubungsmittels die Annahme rechtfertigt, dass die konsumierende Person zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet (geworden) ist; insoweit ist nicht erforderlich, dass der Fahrerlaubnisinhaber unter der Wirkung des Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug geführt hat (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 16.06.2003 - 12 ME 172/03, DAR 2003, 432; 14.08.2002 - 12 ME 566/02, DAR 2002, 471 f; 17.05.2001 - 12 LA 352/02; VG Braunschweig, Urteile vom 28.01.2004 - 6 A 175/03-, 28.02.2002 - 6 A 230/01 -; Beschlüsse vom 30.12.2004 - 6 B 512/04, 19.03.2004 - 6 B 173/04 -, 21.01.2004 - 6 B 500/03 - und 28.06.2002 - 6 B 86/02; vgl. ferner OVG Thüringen, Beschl. vom 30.04.2002 - 2 EO 87/02 - <juris>; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.05.2000 - 7 A 12289/99 - <juris>, Beschwerde zurückgewiesen durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.2001 - 3 B 144/00 - <juris>; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.11.2000 - 7 B 11967/00 -, DAR 2001, 183; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. vom 15.05.2002, - 10 S 2699/01 -, NZV 2003, 56; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 2 StVG Rn. 17; anderer Ansicht insofern Hess. VGH, Beschl. vom 14.01.2002 - 2 TG 3008/01 - <juris>; Bode in: Bode/ Winkler, Fahrerlaubnis, 3. Aufl., § 3 Rn 180 f.).

18

Dafür, dass nach dem Willen des Normgebers bereits der einmalige Konsum von Kokain die Fahreignung ausschließt, spricht bereits der Wortlaut der Regelung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV, der allein von der "Einnahme" eines Betäubungsmittels im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes spricht und damit einen Begriff verwendet, der auch den einmaligen Konsum eines der genannten Rauschmittel umfasst. Dies wird durch die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt (siehe Begründung zum Verordnungsentwurf, Bundesrats-Drucksache 443/98, S. 262 f.). Auch die Systematik der Regelung zeigt, dass der Eignungsausschluss in Nr. 9.1 zur Anlage 4 - anders als in den nachfolgenden Vorschriften - allein an die Einnahme eines Betäubungsmittels geknüpft und damit - anders als bei anderen Substanzen - eine die Fahreignung ausschließende Verhaltensweise oder ein missbräuchlicher, regelmäßiger bzw. mehrmaliger Konsum gerade nicht verlangt wird. Der Verordnungsgeber hat damit ein "Stufensystem" geschaffen, in dem der Erfahrungssatz zum Ausdruck gekommen ist, dass Betäubungsmittel wie Kokain oder die anderen so genannten harten Drogen in besonderem Maße die Fahreignung beeinträchtigen und der Konsum dieser verbotenen Stoffe auf eine im Straßenverkehr nicht hinnehmbare Risikobereitschaft oder Unbesorgtheit des Konsumenten schließen lässt. Ihr Konsum gibt deshalb regelmäßig auch Anlass zu der Befürchtung, dass der Konsument am Straßenverkehr teilnehmen wird, obwohl er noch den Wirkungen des Drogenkonsums ausgesetzt ist (vgl. hierzu Abschnitt 3.12 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Stand Februar 2000, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 115). Dies betrifft nicht nur die akuten Rauschfolgen, sondern auch mögliche Langzeitwirkungen zumindest eines regelmäßigen Konsums harter Drogen, die aber selbst bei einem erstmaligen Substanzgebrauch für den Konsumenten kaum zuverlässig abzuschätzen sind. Da sich Betäubungsmittel, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen - mit Ausnahme von Cannabis, bei dem es auf weitere Umstände des Konsums ankommt -, als besonders gefährlich erwiesen haben (vgl. dazu auch Brenner-Hartmann, Löhr-Schwaab; Bedacht und Eisenmenger in: Schubert/Schneider/ Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung - Kommentar, 2002, Kapitel 3.12), bestehen auch unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel keine Bedenken insbesondere gegen die Verhältnismäßigkeit der Regelungen, auf die der Antragsgegner die Entziehung der Fahrerlaubnis gestützt hat. Der Verordnungsgeber wollte dadurch, dass er auf den klaren Begriff der "Einnahme" abstellt, zu Gunsten der Verkehrssicherheit schließlich auch verhindern, dass die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte in jedem Einzelfall prüfen müssen, inwieweit das jeweilige Betäubungsmittel beim jeweiligen Fahrerlaubnisinhaber wirksam war. Die darin zum Ausdruck kommende normative Strenge ist durch die besondere Gefährlichkeit der hier in Rede stehenden harten Drogen, die sich nicht zuletzt in ihrer Aufnahme in den Katalog des Betäubungsmittelgesetzes ausdrückt, gerechtfertigt (vgl. dazu insbes. Nds. OVG, a.a.O., OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.) und nicht zuletzt auf Grund europäischen Rechts vorgegeben (vgl. dazu Nr. 15. der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 über den Führerschein, Amtsblatt Nr. 1 237 vom 24.08.1991 S. 0001 - 0024).

19

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedurfte es keiner Anordnung eines Gutachtens oder sonstiger Maßnahmen nach § 14 FeV, die der Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf den Konsum von Betäubungs- und Arzneimitteln dienen, weil die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne der §§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV bereits feststand.

20

Aus der Vorbemerkung Nr. 2 zur Anlage 4 der FeV ergibt sich etwas anderes nicht. Allerdings heißt es in dieser Bestimmung, Grundlage der Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, sei "in der Regel" ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4). Diese Bestimmung ist jedoch - wie sich aus dem normativen Gesamtzusammenhang ergibt - auf die Anwendungsfälle der §§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV beschränkt, in denen Tatsachen bekannt geworden sind, die Bedenken gegen die Eignung begründen, aber noch nicht eindeutig feststeht, ob die in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten (oder sonstige) Mängel vorliegen, oder nicht. Die Unsicherheiten können sich beispielsweise auch auf die Frage erstrecken, ob und ggf. in welchem Umfang Drogen konsumiert worden sind. In den Fällen hingegen, in denen der in Anlage 4 beschriebene Mangel (hier der Konsum sog. harter Drogen) bereits im Sinne der §§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV feststeht, hat sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ist ihm - wie die zuletzt genannten Vorschriften ausdrücklich vorschreiben - die Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Gutachtenbeibringung zu entziehen (in diesem Sinne ausdrücklich auch Nds. OVG im Beschluss vom 16.06.2003 - 12 ME 172/03 -, a.a.O., vgl. ferner: Thüringer OVG, Beschl. vom 11.05.2004 - 2 EO 190/04 -, VerkMitt 2004, Nr. 69 <juris>; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. vom 19.03. 2004 - 1 M 2/04 - <juris>; VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 07.03.2003 - 10 S 323/03 -, DAR 2003, 236). Auch die Antragsgegnerin durfte auf Grund des hinreichend geklärten Kokainkonsums ohne weiteres auf die Nichteignung des Antragstellers schließen.

21

Zwar entfällt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auch bei einem Konsum harter Drogen nur im Regelfall (Vorbemerkung Nr. 3 Satz 1 der Anlage 4 zur FeV); von einer fortbestehenden Fahreignung kann indes nur dann ausgegangen werden, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, die entgegen den in Nr. 9.1 der Anl. 4 zur FeV zum Ausdruck gekommenen wissenschaftlich abgesicherten Erfahrungssätzen ausnahmsweise die Annahme rechtfertigen, dass der Fahrerlaubnisinhaber trotz des Drogenkonsums (wieder) zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Auch in den Fällen, in denen eine Abhängigkeit im medizinischen Sinne nicht bestanden hat, kann die - entfallene - Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen regelmäßig erst wieder angenommen werden, wenn nach einer längeren Phase der Abstinenz hinreichend gewiss ist, dass auch künftig auf die Einnahme harter Drogen verzichtet wird (Nds. OVG, Beschl. vom 19.02.2001 - 12 MA 751/01; VG Braunschweig, Beschlüsse vom 19.03.2004 - 6 B 173/04 - und 28.02.2002 - 6 A 230/01).

22

Nach diesen Grundsätzen weist der vorliegende Fall Besonderheiten im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 Satz 1 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV nicht auf. Weder die Umstände des eingeräumten Konsums noch eine seither eingehaltene Abstinenz geben Anlass, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt anzunehmen, der Antragsteller könnte schon wieder fahrgeeignet sein. Demgegenüber verfängt auch die Beteuerung des Antragstellers nicht, er habe nicht vorgehabt, unter Drogeneinfluss mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilzunehmen. Es liegt in der Natur von Rauschmitteln, insbesondere auch von Kokain, dass es zu nicht vorhergesehenen Ausfallerscheinungen und zu Selbstüberschätzungen kommt, die sich erfahrungsgemäß nicht selten - und sei es infolge nicht bemerkter Fahruntüchtigkeit in der Zeit nach dem Abklingen des unmittelbaren Rauschstadiums (vgl. dazu Brenner-Hartmann u.a., a.a.O., S. 112) - im Straßenverkehr auswirken. Eine besondere Ausnahmesituation, die sich nach praktischem Ermessen nicht wiederholen wird, hat der Antragsteller jedenfalls nicht dargelegt, so dass auch dahingestellt bleiben kann, ob er tatsächlich bereits "längere Zeit" vor Fahrtantritt, oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Fahrt Kokain konsumiert hat, wie die Polizeibeamten anhand der in einer CD-Hülle im Fahrzeug aufgefundenen Kokainreste vermutet haben.

23

Ob der Antragsteller nunmehr drogenabstinent lebt, ist (noch) unerheblich. Auf den Nachweis einer Drogenabstinenz wird es grundsätzlich - wie auch hier - erst im Rahmen eines Verfahrens zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis ankommen, wenn zu klären ist, ob hinreichend zuverlässig angenommen werden kann, dass der Antragsteller nunmehr so gefestigt ist, dass ein erneuter Rückfall eher unwahrscheinlich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 14.08.2002 - 12 ME 566/02 - m. w. Nw.).

24

Angesichts der aus seinem Drogenkonsum resultierenden erheblichen Gefahren für den Straßenverkehr muss der Antragsteller die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen Beeinträchtigungen grundrechtlicher Freiheiten, insbesondere auch etwaige Folgen für seine Berufsausübung, hinnehmen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 -, NZV 2002, 422).

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an dem Wert, der nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327, hier Nr. 46.3) für die Entziehung einer Fahrerlaubnis der genannten Klasse angemessen ist, wobei das Gericht wegen der Vorläufigkeit einer Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den für ein Hauptsacheverfahren festzusetzenden Wert halbiert.

Wagner