Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.02.2005, Az.: 6 A 524/04
Widerruf der Festellung zum Bestehen eines Abschiebeverbots; Gefahr einer gebietsweiten Verfolgung im Kosovo für Angehörige der albanischen Bevölkerungsgruppe; Zulässigkeit besonderer Regelungen in einem späteren Gesetz ("lex posterior") über die Anwendung eines neuen Rechts für einen Übergangszeitraum; Rechtsbegriff der "zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe"
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 17.02.2005
- Aktenzeichen
- 6 A 524/04
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32109
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0217.6A524.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs. 1 AufenthG
- § 73 AsylVfG
- § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG
- § 51 Abs. 1 AuslG
- Art. 16a Abs. 1 GG
Fundstellen
- NVwZ-RR 2005, 573-574 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ-RR 2005, 574-575 (Volltext mit amtl. LS)
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Baumgarten als Einzelrichter
für Rechterkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind serbisch-montenegrinische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Sie wenden sich dagegen, dass die Beklagte die Feststellung, es bestehe ein Abschiebungsverbot, widerrufen hat.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der minderjährigen Kläger zu 2. und 3. Die Kläger reisten nach eigenen Angaben im Jahre 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten zusammen mit dem Ehemann der Klägerin zu 1. - dem Vater der Kläger zu 2. und 3. - Asylanträge. Mit Urteil vom 18. Februar 1994 verpflichtete die 7. Kammer des erkennenden Gerichts die Beklagte dazu, den Ehemann bzw. Vater als Asylberechtigten anzuerkennen und für die Kläger festzustellen, dass die Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Mit Bescheid vom 15. Juli 1994 traf die Beklagte für die Kläger die entsprechenden Feststellungen.
Im Oktober 2004 teilte die Ausländerbehörde der Beklagten mit, der Ehemann bzw. Vater der Kläger halte sich in Serbien und Montenegro auf und habe in Pristina einen Visumantrag zur Wiedereinreise in das Bundesgebiet gestellt. Unter dem 19. Oktober 2004 gab die Beklagte den Klägern Gelegenheit, zum eingeleiteten Widerrufsverfahren Stellung zu nehmen. Die Kläger machten daraufhin im Wesentlichen geltend, nach Auskunft des UNHCR vom August 2004 sei die Lage im Kosovo sehr schwierig; die Kinder seien im Bundesgebiet aufgewachsen und hier integriert, sie hätten im Kosovo keine Überlebenschance.
Mit Bescheid vom 19. November 2004 widerrief die Beklagte die Feststellung zu § 51 AuslG und stellte fest, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen nicht vor.
Am 1. Dezember 2004 haben die Kläger Klage erhoben. Sie machen geltend, eine Rückführung der Kinder sei unmöglich, weil diese nur geringe Kenntnisse der albanischen Sprache hätten und sich seit über 10 Jahren in Deutschland aufhielten.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid.
Das Gericht hat die Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für den mit dem Bescheid ausgesprochenen Widerruf ist die Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der Fassung, die diese Bestimmung durch das insoweit am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. S. 1950) erhalten hat (vgl. § 77 Abs. 1Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG). Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG) erfüllt sind, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen. Dies ist der Fall, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse erheblich geändert haben und die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG deshalb nunmehr ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, NVwZ 2001, 335 [BVerwG 19.09.2000 - BVerwG 9 C 12/00] m.w.N.). Hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in eigener Verantwortung einen Bescheid über die Asylberechtigung oder die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG erlassen, so muss die Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Ergehen des Bescheides eingetreten sein (BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, a.a.O..). Ist dagegen das Bundesamt - wie hier - durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil zum Erlass eines solchen Bescheides verpflichtet worden, kommt es darauf an, ob sich die für die Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Erlass des Verpflichtungsurteils erheblich verändert haben (BVerwG, Urt. vom 18.09.2001, NVwZ 2002, 355; Urt. vom 24.11.1998, BVerwGE 108, 30; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 03.05.2001, 13 A 1619/01; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 23.11.1999, DVBl. 2000, 435; Urt. vom 19.09.2002 - A 14 457/02 - <juris>; Hessischer VGH, Urt. vom 02.04.1993, DVBl. 1993, 1026; a. A. Bayerischer VGH, Beschl. vom 16.11.2000, AuAS 201, 23). Das ist hier der Fall.
Die dem widerrufenen Bescheid zu Grunde liegende Sachlage hat sich nach der im Jahre 1994 ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts wesentlich geändert. Nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die für die Schutzansprüche aus Art. 16 a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderliche Gefahr politischer Verfolgung für Albaner aus dem Kosovo nicht gegeben oder zu erwarten ist. Seit der Beendigung des Kosovo-Konflikts im Juni 1999 auf Grund des am 9. Juni 1999 unterzeichneten Militärabkommens zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien sowie der UN-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 und nach dem Abzug der letzten serbischen Einheiten aus dem Kosovo sowie der Übernahme der alleinigen Gebietsgewalt durch die KFOR-Truppen findet im Kosovo eine staatliche oder staatsähnliche Verfolgung (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG) nicht mehr statt. (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 21.02.2002 - 8 LB 13/02 -; Urt. vom 12.06.2001 - 8 L 516/97 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 30.10.2001 - 7 A 11967/98.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 28.12.2001 - 13 A 4338/94 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 19.02.2002 - A 3 S 673/98 -; Thüringer OVG, Urt. vom 25.04.2002 -3 KO 264/01 -; Bayerischer VGH, Urt. vom 22.10.2002 - 22 B 01.30735 -).
Auch die Voraussetzungen der durch das Zuwanderungsgesetz eingeführten Regelung in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG sind nicht erfüllt. Nach der Erkenntnislage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die KFOR-Truppen, die UNMIK und die sonstigen Sicherheitskräfte erwiesenermaßen nicht willens oder nicht in der Lage sind, den im Kosovo lebenden albanischen Volkszugehörigen Schutz zu gewähren. Auch die Unruhen vom März 2004 geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Diese Übergriffe richteten sich vor allem gegen Angehörige der serbischen Minderheit; albanische Volkszugehörige waren in Gebieten betroffen, in denen sie die ethnische Minderheit darstellen. Dass sich aus den Ereignissen, die auf einen kurzen Zeitraum beschränkt waren, für Angehörige der albanischen Bevölkerungsgruppe in Zukunft die Gefahr einer gebietsweiten Verfolgung im Kosovo ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Situation im Kosovo hat sich inzwischen jedenfalls wieder beruhigt und ist so weit unter Kontrolle, dass es seit den Unruhen zu keinen weiteren nennenswerten Zwischenfällen gekommen ist (VG Braunschweig, Urt. vom 08.02.2005 - 6 A 541/04 - m.w.N.). Die Nato hat eine Verstärkung der Truppenpräsenz um mehrere tausend Mann angeordnet und eingeleitet; auch die Präsenz der KFOR-UNMIK-Police wurde verstärkt. Darüber hinaus haben Strafverfolgungsmaßnahmen eingesetzt, in deren Rahmen zahlreiche Personen wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Unruhen festgenommen wurden und die in einigen Fällen bereits zu Verurteilungen geführt haben (VG Braunschweig, a.a.O..). Den serbisch dominierten Gebieten, in denen es nach wie vor zu Übergriffen auf die dort lebende albanische Minderheit kommen kann, können sich albanische Volkszugehörige in zumutbarer Weise durch Ausweichen in andere Gebiete des Kosovo entziehen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 21.02.2002 - 8 LB 13/02 -).
Ob der Widerruf nach Eintritt erheblicher Veränderungen "unverzüglich" erfolgt, braucht im Widerrufsrechtsstreit nicht beurteilt zu werden, da diese Verpflichtung ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht und subjektive Rechte der vom Widerruf Betroffenen insoweit nicht verletzt sein können (BVerwG, Beschl. vom 27.06.1997, NVwZ-RR 1997, 741 [BVerwG 27.06.1997 - BVerwG 9 B 280/97]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10.01.97 -1 L 3062/96 -; Beschl. vom 26.09.2003 - 13 LA 365/03 -; Hamburgisches OVG, Beschl. vom 30.09.1997 - Bf IV 49/97 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.05.1996 -19 A 1770196.A -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.11.1996, VBlBW 1997, 151; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 20.01.2000, InfAuslR 2000, 468; a.A. VG Frankfurt/M. Urt. vom 20.03.2000, InfAuslR 2000, 469; VG Stuttgart, Urt. vom 07.01.2003, AuAS 2003, 82). Die Einfügung des Verfahrensgebots der Unverzüglichkeit begründete der Regierungsentwurf zur geltenden Vorschrift unter dem Eindruck steigender Zahlen der Asylbewerber mit der Notwendigkeit einer Verfahrensbeschleunigung: "Die erhebliche Zunahme der Zahl der Asylbewerber im Bundesgebiet macht es erforderlich, alle legislatorischen und administrativen Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung auszuschöpfen" (BT-Drucks. 12/2062, S. 1). Die individuelle Rechtsposition der vom Widerruf betroffenen Person sollte damit nicht gestärkt werden, zumal bereits die Vorgängervorschrift des § 16 AsylVfG i.d.F. des Gesetzes vom 09.07.1990 (BGBl. I S. 1354) abweichend von § 49 VwVfG eine Pflicht zum Widerruf begründet hatte, die in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt war. Es ist auch unter grundrechtlichen Gesichtpunkten nicht ersichtlich, dass den von dem Widerruf betroffenen Personen ein rechtserheblicher Nachteil dadurch entstanden sein könnte, dass sie einige Jahre länger eine gesicherte Rechtsposition in Deutschland besessen haben, die sie zudem freiwillig hätten aufgeben können. Soweit das VG Stuttgart im Urteil vom 07.01.2003 (a.a.O..) meint, die "Auffangfunktion" des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleiste auch die Freiheit, die einmal gewährte Rechtsposition beibehalten zu dürfen, sofern sie nicht dem objektiven Recht gemäß unverzüglich widerrufen werde, kann dem nicht gefolgt werden. Der Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG darf eine rechtskreiserweiternde Bedeutung nicht zugeschrieben werden, sofern sie dem geltenden Recht widerspricht, das zwischen objektivem und subjektivem Recht unterscheidet (vgl. auch § 113 Abs. 1 VwGO). Art. 2 Abs. 1 GG garantiert die allgemeine Handlungsfreiheit nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und lässt ihre Einschränkung insbesondere durch oder auf Grund förmlicher Gesetze zu. Der Erlass von Rechtsvorschriften, die lediglich öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt sind, wird durch Art. 2 Abs. 1 GG nicht gehindert.
Hieran hat sich auch durch die mit dem Zuwanderungsgesetz eingeführte Regelung in § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG nichts geändert. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall im Übrigen nicht anwendbar. Nach der genannten Neuregelung hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Die Regelung gilt jedoch nicht für diejenigen Verfahren, in denen die Aufhebung eines vom Bundesamt vor dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes, d.h. vor dem 1. Januar 2005 erlassenen Widerrufsbescheides begehrt wird. Das ergibt sich schon aus dem Zweck der Vorschrift und der Übergangsregelung in Art. 15 Abs. 3 des Zuwanderungsgesetzes. Der Gesetzgeber hat mit dem § 73 Abs. 2 a AsylVfG eine obligatorische Pflicht des Bundesamtes zur Überprüfung von Anerkennungs- und Feststellungsentscheidungen eingeführt, weil die Widerrufsregelungen seiner Auffassung nach in der Praxis weitgehend leergelaufen waren. Mit der Neuregelung sollte erreicht werden, dass die Vorschriften an Bedeutung gewinnen (s. die Begründung des insoweit unverändert gebliebenen Regierungsentwurfs, Bundestags-Drucksache 15/420, S. 112). Es handelt sich also um eine Regelung, die sich im öffentlichen Interesse an einer regelmäßigen Überprüfung an das Bundesamt richtet. Der gesetzgeberischen Zielsetzung würde es jedenfalls nicht entsprechen, die Vorschrift bereits auf diejenigen Entscheidungen des Bundesamtes anzuwenden, in denen die Bestimmung noch nicht in Kraft war und von der Behörde daher noch gar nicht berücksichtigt werden konnte. Die Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG steht dem nicht entgegen. Es steht im Ermessen des Gesetzgebers, in einem späteren Gesetz ("lex posterior") besondere Regelungen über die Anwendung des neuen Rechts für einen Übergangszeitraum zu treffen und insoweit von dem im Übrigen weiter geltenden Grundsatz des für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts abzuweichen. So ist er auch hier verfahren.
Unabhängig davon würde auch die Verletzung der sich aus dem neuen § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG ergebenden Verpflichtung des Bundesamtes nicht dazu führen, dass der Klage stattzugeben wäre. Auch diese Regelung steht - wie das Kriterium der "Unverzüglichkeit" in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - nach dem dargelegten Sinn und Zweck der Gesetzesergänzung ausschließlich im öffentlichen Interesse. Hält sich das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung nicht an die Vorschrift, so können subjektive Rechte des von dem Widerruf Betroffenen daher nicht verletzt sein; die Aufhebung des Widerrufsbescheides kann der Betroffene mit dem Hinweis auf die Fristverletzung nicht verlangen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht kann für das vorliegende Verfahren offen lassen, ob die Drei-Jahres-Frist anzuwenden und wie sie gegebenenfalls zu berechnen ist, wenn die zu widerrufende Entscheidung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden, die Frist aber noch nicht abgelaufen ist und das Bundesamt erst nach dem In-Kraft-Treten der Regelung entscheidet.
Die nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht für den Widerruf von Verwaltungsakten geltende Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kommt entgegen einer in Teilen der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. dazu etwa VG Stuttgart, Urt. vom 19.03.2003 - A 3 K 13507/02 - <juris>) im Falle eines Widerrufs nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht zur Anwendung, weil diese Vorschrift insoweit eine abschließende Regelung trifft (ebenso z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 18.04.2002, AuAS 2002, 141; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 12.08.2003, AuAS 2003, 274 f, OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 20.01.2000, InfAuslR 2000, 468; jew. zit. nach juris und m.w.N.; VG Braunschweig, Urt. vom 12.09.2003 - 5 A 329/03 -). Im Übrigen wäre die Frist eingehalten. Die in § 49 Abs. 2 Satz 2 und § 48 Abs. 4 VwVfG bestimmte Jahresfrist hätte frühestens nach der Anhörung der Betroffenen mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zu laufen begonnen (vgl. BVerwG, Urt. vom 08.05.2003, DVBl. 2003, 1280, Urt. vom 20.09.2001, NVwZ 2002, 485; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 10.02.2004 - 8 LA 11/04 -). Danach wäre der Bescheid über den Widerruf hier jedenfalls innerhalb der Jahresfrist erlassen worden.
Der Widerruf scheitert auch nicht an § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Mit dieser Regelung, die dem Art. 1 C Nrn. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention nachgebildet ist und den Regelungsgehalt dieser Vorschriften in sich aufnimmt, wird die gesetzliche Pflicht zum Widerruf durchbrochen. Der unbestimmte, gerichtlich voll überprüfbare Rechtsbegriff der "zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe" lässt die Berücksichtigung humanitärer Gründe zu. In Betracht kommen ausschließlich Gründe, die ihre Ursache in einer früheren Verfolgung haben. Damit soll der psychischen Sondersituation Rechnung getragen werden, in der sich ein Asylbewerber befindet, der ein besonders schwer wiegendes, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und dem es deshalb selbst lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. vom 28.06.2002 - 8 LB 10/02 -; Hessischer VGH, Beschl. vom 28.05.2003, InfAuslR 2003, 400; Marx, AsylVfG, 5. Aufl., § 73 Rn.109; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2004, § 73 AsylVfG, Rn. 29, 32; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 73 AsylVfG Rn. 10; ebenso bereits zum inhaltsgleichen § 16 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F.: VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 12.02.1986, NVwZ 1986, 957). Ob dem Widerruf daneben oder als Unterfall humanitärer Unzumutbarkeitserwägungen auch wirtschaftliche Gründe entgegenstehen können, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Denn auch die Befürworter der Berücksichtigungsfähigkeit wirtschaftlicher Gründe (etwa Marx, a.a.O.., Rn. 108 unter Bezugnahme auf VG Frankfurt a. M., Urt. vom 22.02.2002, InfAuslR 2002, 371) stellen insoweit allein auf individuelle Gründe ab, die sich von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung des Herkunftsstaates abheben. Das entspricht der grundsätzlich individuellen Konzeption des Asylrechts (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 334 ff.). Dementsprechend kann es auch bei § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG grundsätzlich nur um individuelle Gründe und nicht generell darum gehen, die im Allgemeinen schlechte wirtschaftliche Lage für die Bevölkerung und Probleme bei der Unterbringung im Heimatstaat als hinreichenden Grund für eine Rückkehrverweigerung anzuerkennen; der Wiederaufbau einer wirtschaftlichen Existenz im Heimatland ist nicht von vornherein unzumutbar (so zutreffend Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 73 AsylVfG Rn. 13). Ob ausnahmsweise etwas anderes anzunehmen wäre, wenn von vornherein feststünde, dass die wirtschaftlichen Mindestbedingungen für ein Überleben nicht gesichert wären, mithin die aus Verfassungsgründen beachtliche Grenze zu einer extremen Bedrohung (auch im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) überschritten wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage ist im Kosovo nicht derart existenziell ungesichert, dass es gleichsam jedem unzumutbar wäre, dorthin zurückzukehren. Die internationale Verwaltung und zahlreiche Hilfsorganisationen sind zudem nach wie vor um eine weitere Verbesserung der Existenzgrundlagen und der Unterbringungsmöglichkeiten der Bevölkerung bemüht.
Besondere Gründe in der Person der Kläger, die die Annahme eines besonders schwer wiegenden, nachhaltig wirkenden und zur Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Kosovo führenden Verfolgungsschicksals rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Dafür genügt nicht, dass der Ehemann der Klägerin zu 1. nach den Angaben im ersten Asylverfahren vor der Ausreise wiederholt von der Polizei vernommen und auch die Klägerin zu 1. mehrfach von der Polizei nach ihrem Mann gefragt worden ist. Serbische Polizei gibt es im Kosovo nicht mehr. Eine Konfrontation mit Elementen der nach dem Klägervortrag fluchtauslösenden Strukturen ist daher objektiv von vornherein nicht mehr zu befürchten. Darüber hinaus teilen die Kläger das dargestellte Verfolgungsschicksal mit einer Vielzahl anderer Kosovoflüchtlinge, sodass sie sich objektiv nicht in einer besonderen Situation befinden. Dass bei ihnen gleichwohl wegen der vorgetragenen Ausreisegründe besondere psychische Belastungen fortbestehen, ist nicht ersichtlich. Die von den Klägern geltend gemachten Schwierigkeiten einer Reintegration im Falle einer Rückkehr in das Kosovo stehen dem Widerruf nicht entgegen. Diese Schwierigkeiten beruhen nicht auf einem besonders schwer wiegenden Verfolgungsschicksal und erfüllen daher nicht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG(VG Braunschweig, Urt. vom 08.12.2003 - 6 A 144/03 -).
Das Asylgrundrecht und die Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG gewähren auch keinen Vertrauensschutz, der sich allein auf die nun widerrufene Asylanerkennung oder die Gewährung des Flüchtlingsstatus gründet (vgl. dazu BVerwG, Beschl. vom 17.08.1988, Buchholz 402.25§ 16 AsylVfG Nr. 1; Urt. vom 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 12.02.1986 - A 13 S 77/85 -). Für den Schutz der sich aus dem längeren Aufenthalt in Deutschland herleitenden individuellen Belange der Kläger ist Raum im ausländerrechtlichen Verfahren, in dem regelmäßig nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG (vormals § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) darüber zu entscheiden ist, ob die auf Grund der nun widerrufenen asylrechtlichen Entscheidung gewährte Aufenthaltsgenehmigung zu widerrufen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 20.02.2003, EzAR 019, Nr. 19).
Auch mit dem Hilfsantrag hat die Klage keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Absätze 2 bis 7 AufenthG. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid zu den entsprechenden Vorschriften des § 53 AuslG verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch die Ereignisse vom März 2004 für die albanische Bevölkerungsmehrheit keine extreme Gefahrenlage begründen, die dazu führen würde, dass die Kläger bei einer Rückkehr gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wären und einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG hätten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO und des § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 711, 708 Nr. 11 ZPO.