Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.2004, Az.: 4 K 339/98
Doppelte Haushaltsführung; Wegzug; Zweitwohnsitz
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.04.2004
- Aktenzeichen
- 4 K 339/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 44155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0421.4K339.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.03.2009 - AZ: VI R 54/05
Rechtsgrundlagen
- EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 Abs. 3 Nr. 5
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Begründung der doppelten Haushaltsführung muss beruflich veranlasst sein.
- 2.
Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung ist zu verneinen, wenn der Stpfl. die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hat und weiterhin von der am Beschäftigungsort begründeten oder beibehaltenen Zweitwohnung seiner bisherigen Beschäftigung nachgeht.
- 3.
Das gilt auch, wenn die Einrichtung der Zweitwohnung wegen der großen Entfernung der neuen Familienwohnung zum Beschäftigungsort erforderlich wird.
Tatbestand
Streitig ist insbesondere, ob Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abzugsfähig sind.
Der Kläger wohnte ab November 1992 in K, wo er als Bediensteter des dortigen Finanzamtes tätig war. Ab November 1994 wurde er mit dem Ziel der Versetzung an das Finanzamt L abgeordnet, im Januar 1995 endgültig dorthin versetzt. Den Weg von K nach L (85 km) fuhr er arbeitstäglich. Im Oktober 1995 und Januar 1996 beantragte er seine Versetzung in das Bundesland B bzw. in das Bundesland C. Zur Begründung gab er jeweils an, mit seiner Verlobten zusammenziehen zu wollen. Mit Vertrag vom Oktober 1996 mieteten beide ab 1. Januar 1997 eine gemeinsame Wohnung in V an, die sie am 2. Januar 1997 gemeinsam bezogen. Ab 1. Januar 1997 mietete der Kläger zugleich ein Zimmer in M (8 km von L entfernt). Für die Monate Januar und Februar 1997 legte er Belege über Mietzahlungen (jeweils"DM) vor. Die Wohnung in K kündigte er zum 31. Januar 1997. Am 7. November 1997 wurde er mit Wirkung ab 1. Dezember 1997 an das Finanzamt W (69 km und ca. 70 Minuten mit dem Auto von V entfernt) versetzt.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 machte er u.a. Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung für 11 Monate ab 1. Januar 1997 und für seinen Umzug nach V als Werbungskosten geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid für 1997 vom"lehnte das beklagte Finanzamt die Anerkennung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und für den Umzug ab und berücksichtigte die geltend gemachten Familienheimfahrten (328 km x 0,70 DM x 40 Fahrten) als Fahrten zwischen Lebensmittelpunkt (V) und Arbeitsort (L).
Hiergegen legte der Kläger am"Einspruch ein. Mit Einspruchsbescheid vom ..., zugestellt am ..., setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 1997 von"DM auf"DM herab, indem es nun 41 statt bisher 40 Fahrten anerkannte und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am"hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vom 1. Januar 1997 bis zum 30. November 1997 gegeben seien. Aufgrund eines am 19. September 1996 mit dem zuständigen Personalreferenten der OFD Z geführten Telefonats sei er davon ausgegangen, dass er im Streitjahr vom Bundesland A in das Bundesland C (OFD-Bezirk Z, Bereich ...) versetzt werde. Es handele sich daher zugleich um eine nachträgliche Begründung als auch um eine vorträgliche Beibehaltung einer doppelten Haushaltsführung. Die berufliche Veranlassung sei unabhängig davon zu bejahen, welche Gründe zur Versetzung geführt hätten. Belege für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis 30. November 1997 könne er nicht mehr vorlegen, die Namen der Vermieter wolle er nicht angeben. Außerdem macht er weitere Sonderausgaben in Höhe von"DM (... DM x 6 Monate) für eine private Rentenversicherung ab Juli 1997 geltend.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 1997 vom"und den Einspruchsbescheid vom"unter Anerkennung der folgenden Aufwendungen zu ändern: Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung für die ersten 5 Monate des Jahres 1997 in Höhe von monatlich"DM (zusammen"DM), von Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate des Jahres 1997 in Höhe von"DM, von Fahrtkosten der ersten und letzten Fahrt zur Zweitwohnung in Höhe von"DM statt bisher"DM sowie von Vorsorgeaufwendungen in Höhe von"DM.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er geltend, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung lägen schon dem Grunde nach nicht vor, da die Begründung eines zweiten Wohnsitzes nicht beruflich veranlasst gewesen sei. Im Übrigen sei dem Kläger die Versetzung erst im Juni 1997 schriftlich zugesagt worden. Die nachträglich geltend gemachten Versicherungsbeiträge in Höhe von"DM seien grundsätzlich als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Im Rahmen der Höchstbetragsberechnung seien davon... DM abziehbar. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Fahrten zwischen der Wohnung in M und der Arbeitsstätte in L nur für 100 statt bisher 199 Tage anzuerkennen seien, da die Nebenwohnung in M zum 31. Mai 1997 abgemeldet worden sei und der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er danach bis zum 30. November 1997 eine weitere Zweitwohnung in M unterhalten habe.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Das beklagte Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zu Recht nicht als Werbungskosten anerkannt. Werbungskosten sind nach der gesetzlichen Definition des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zu den Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auch die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Danach muss die Begründung der doppelten Haushaltsführung, mithin die Aufsplitterung des ursprünglich einheitlichen Hausstandes auf zwei Haushalte, beruflich veranlasst sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dem der Senat insoweit folgt, ist eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hat und weiterhin von der am Beschäftigungsort begründeten oder beibehaltenen Zweitwohnung seiner bisherigen Beschäftigung nachgeht; es genügt nicht, dass die Einrichtung oder Beibehaltung der Zweitwohnung am Beschäftigungsort für sich gesehen aus beruflichen Gründen erforderlich ist ( BFH, Urteil vom 10.11.1978, VI R 21/76, BStBl II 1979, 219; Urteil vom 02.12.1981, VI R 22/80, BStBl II 1982, 323; Urteil vom 22.09.1988, VI R 14/86, BStBl II 1989, 94: Urteil vom 11.05.1995, IV R 4/96, BFH/NV 1995, 1057 [BFH 11.05.1995 - IV R 6/94]). Diese Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige durch Verlegung seines Familienwohnsitzes die Entfernung zum Beschäftigungsort erheblich erhöht und erst dieser Umzug die Veranlassung für die Anmietung der Wohnung am Beschäftigungsort gibt ( FG Münster, Urteil vom 09.08.1990, VII 6903/86 E, EFG 1991, 316; bestätigt durch BFH, Beschluss vom 22.11.1994, VI R 105/90 n.v. ...; ebenso FG München, Urteil vom 21.03. 2002, 8 K 1186/98, EFG 2002, 902).
Gemessen daran war die Anmietung eines Zimmers am oder in der Nähe des Beschäftigungsortes im Streitfall nicht beruflich, sondern privat veranlasst gewesen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verlegung des Familienwohnsitzes von K in das 328 km vom Beschäftigungsort des Klägers entfernte V und dem gleichzeitigen Hinzug zum Beschäftigungsort. Der Kläger wollte was zwischen den Beteiligten unstreitig ist zusammen mit seiner Verlobten eine gemeinsame Wohnung beziehen. Hierzu verlegte er seinen Wohnsitz von K nach V. Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung ist aber zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung so wie hier aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hat und die Einrichtung der Zweitwohnung wegen der großen Entfernung der neuen Familienwohnung zum Beschäftigungsort erforderlich wird. Der Kläger hat seine Versetzungsgesuche ausdrücklich damit begründet, mit seiner im Bundesland B wohnenden Verlobten zusammenziehen zu wollen. Berufliche Gründe für sein Versetzungsgesuch dagegen hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche Gründe sonst ersichtlich. Die Aufsplitterung des einheitlichen Haushalts war vielmehr die (zwangsläufige) Folge des privat veranlassten Wegzugs nach V.
Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist auch nicht deshalb anzuerkennen, weil der Kläger bereits vor seinem Umzug nach V eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung hätte aufnehmen können. Die Entfernung zwischen der Wohnung in K und dem Beschäftigungsort L betrug 85 km. Bei dieser Entfernung wäre die Anmietung eines Zimmers am Arbeitsort beruflich veranlasst gewesen. Zu Recht weist der Kläger insoweit darauf hin, dass ein Steuerpflichtiger nicht gehindert ist, sich eine Unterkunft am Beschäftigungsort erst zu nehmen, nachdem er jahrelang täglich zum Wohnort zurückgekehrt war. Durch den Umzug des Klägers nach V ist die Sachlage jedoch verändert worden, weil der Umzug privat veranlasst war und sich dadurch die Entfernung nach L auf 324 km vergrößerte. Für die Anerkennung von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung kommt es aber, wie bereits ausgeführt, darauf an, ob die tatsächlich durchgeführte Begründung des doppelten Haushalts beruflich veranlasst war, was hier nicht der Fall war. Hypothetische Kausalverläufe sind steuerlich unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des BVerfG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger am 7. November 1997 mit Wirkung zum 1. Dezember 1997 von L im Bundesland A nach W im Bundesland C versetzt wurde. Abgesehen davon, dass ihm die Versetzung ohnehin erst im Juni 1997 schriftlich zugesagt worden war, waren wie bereits dargelegt auch für die Versetzung private und nicht berufliche Gründe ausschlaggebend. Zwar bewirkt eine Versetzungsverfügung des Dienstherrn eine auch berufliche Veranlassung des Wechsels an einen anderen Dienstort. Ist die Versetzung des Steuerpflichtigen jedoch auf dessen Wunsch zurückzuführen, so wird der berufliche Veranlassungszusammenhang durch ein privates Motiv überlagert, das für den Werbungskostenabzug schädlich ist, wenn nicht ausschließlich berufliche Gründe für den Versetzungswunsch ausschlaggebend sind (FG Niedersachsen, Urteil vom 25.09.2001, DStRE 2002, 411 [FG Niedersachsen 25.09.2001 - 1 K 271/00]). Solche hat der Kläger indes zu keiner Zeit geltend gemacht. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr beruhte die Versetzung auch nach der eigenen Begründung des Klägers ausschließlich darauf, mit seiner Verlobten zusammenziehen zu wollen.
Da die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung im Streitfall nicht vorliegen, hat das beklagte Finanzamt zu Recht auch die geltend gemachten Aufwendungen für Verpflegungsmehraufwand und die höheren Fahrtkosten der ersten und letzten Fahrt zur Zweitwohnung nicht als Werbungskosten anerkannt, ohne dass es hinsichtlich des geltend gemachten Verpflegungsmehraufwands für die ersten drei Monate seit Begründung der doppelten Haushaltsführung noch darauf ankäme, ob dem Kläger vorliegend überhaupt ein entsprechender Mehraufwand entstanden ist.
Die Klage hat auch insoweit keinen Erfolg, als sich der Kläger zu ihrer Begründung auf die erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen in Höhe von... DM beruft. Zwar sind diese gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich zu berücksichtigen, sie werden aber gemäß § 177 Abs. 2 AO kompensiert, da Fahrtkosten für die Fahrten zwischen der Wohnung in M und der Arbeitsstätte in L nur für 100 statt bisher 199 Tage (statt bisher 199 x 8 km x 0,70 DM/km ="DM nur 100 x 8 km x 0,70 DM/km ="DM) anzuerkennen sind. Die Nebenwohnung in M wurde zum 31. Mai 1997 vom Kläger abgemeldet. Einen Nachweis darüber, auch noch nach dem 31. Mai 1997 in M oder einem anderen Ort als L gewohnt und von dort den Weg zur Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben, hat der Kläger nicht vorgelegt. Vielmehr erklärte er, Namen von Vermietern nicht angeben zu wollen. Es bleibt deshalb nicht feststellbar und zweifelhaft, ob der Kläger die Aufwendungen gehabt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).