Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.2004, Az.: 4 K 480/98
Ermittlung eines einheitlichen Satzes für Abschreibungen für Abnutzungen bei auf einem einheitlichen Grundstück gelegener Garage und Wohnhaus; Erfordernis einer bautechnischen Verbindung zwischen mehreren Baulichkeiten auf einem Grundstück; Übertragung der Rechtsprechung zum einheitlichen Nutzungszusammenhang und Funktionszusammenhang bei Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern auf Mehrfamilienhäuser; Garagen als übliche Nebengebäude auf Grundstücken; Beseitigung eines "negativen Gepräges" einer Wohnanlage durch die nachträgliche Errichtung von Garagen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.04.2004
- Aktenzeichen
- 4 K 480/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 23350
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0421.4K480.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 22.09.2005 - AZ: IX R 26/04
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 EStG
- § 7 Abs. 4 EStG
Fundstellen
- DStR 2005, VI Heft 10 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 382-383 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2005, 271-272 (Volltext mit red. LS)
- StuB 2005, 413
Tatbestand
Streitig ist die Abschreibung von nachträglich errichteten Garagen auf 3 Mietwohngrundstücken.
Die Klägerin ist Eigentümerin von Mietwohngrundstücken in Z. Auf diesen Grundstücken, die mit Mehrfamilienhäusern bebaut sind, errichtete sie im Streitjahr 15 freistehende Garagen. Zahlenmäßig ergibt sich folgende Übersicht:
Mietwohngrundstück | A.-Str. Nr. 5/7 | B.-Str. Nr. 1/3 | C.-Str. Nr. 4, 6 u. 8 |
---|---|---|---|
Baujahr der Wohnhäuser | 1963 | 1963 | 1970 |
Wohneinheiten | 49 | 27 | 27 |
vorhandene Garagen | 4 | 0 | 7 |
neu errichtete Garagen | 8 | 4 | 3 |
davon an Nichtwohnungsmieter vermietet | 4 | 0 | 1 |
Die Klägerin beantragte in ihrer Steuererklärung für 1995 die neu errichteten Garagen gesondert vom Gebäude nach § 7 Abs. 5 EStG mit 5 % der Herstellungskosten abzuschreiben.
In dem Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... versagte der Beklagte die erhöhte Absetzung für Abnutzung. Die Kosten der Garagen wurden als nachträgliche Anschaffungskosten der Mehrfamilienhäuser behandelt und mit diesen zusammen abgeschrieben.
Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben. Die nachträglich errichteten Garagen bildeten als selbständige Baukörper kein einheitliches Wirtschaftsgut mit dem jeweiligen Gebäude des Mehrfamilienhauses. Entgegen der Auffassung des Beklagten werde der Funktionszusammenhang vorliegend durchbrochen. Ein Bezug zur Errichtung der Mehrfamilienhäuser (1967 bzw. 1970) habe bei der Herstellung der Garagengebäude im Jahr 1995 nicht mehr bestanden. Auf dem Grundstück in der A.-Straße seien die Garagen zudem von dem Mietwohngebäude durch ein 2 m hohes, abschließbares Eisentor getrennt, für das nur Wohnungsmieter, die auch eine Garage hätten, einen Schlüssel erhielten. Darüber hinaus würden die neu geschaffenen Garagenplätze auch wechselnd an Pkw-Besitzer vergeben, die nicht Wohnungsmieter des entsprechenden Mietwohngrundstücks seien.
Die Klägerin beantragt,
die mit Bescheid vom ... festgesetzte Einkommensteuer für 1995 unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom ... auf ... DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die in dem Urteil des BFH vom 28.06.1983 (BStBl. 1984 II, S. 196) niedergelegten Grundsätze, die auch auf Garagen eines Mehrfamilienhauses anzuwenden seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid vom ... und die Schriftsätze der Klägerin vom ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Beklagte hat zutreffend die Bemessungsgrundlage jeweils für das Wohnhaus und die auf dem selben Grundstück gelegenen Garagen zusammengefasst und einen einheitlichen AfA-Satz gemäß § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) gebildet. Als Nebengebäude zu dem Wohnhaus stellen die Garagen trotz ihrer nachträglichen Errichtung keine selbstständig abschreibungsfähigen Wirtschaftsgüter dar.
§ 7 Abs. 1 und Abs. 4 EStG kann entnommen werden, dass Abschreibungsobjekt im Sinne der Vorschrift das einzelne Wirtschaftsgut "Gebäude" ist, das grundsätzlich mit allen seinen Teilen die Bemessungsgrundlage für die AfA bildet. Getrennt - d.h. ohne bautechnische Verbindung - auf einem Grundstück stehende Baulichkeiten sind zwar regelmäßig gesonderte Wirtschaftsgüter (BFH, Urteil vom 18.10.1989 - , mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, wenn bei fehlender baulicher Verbindung eine Baulichkeit oder eine sonstige Einrichtung dem auf dem gleichen Grundstück stehenden Hauptgebäude derart dient, dass dieses ohne die Einrichtung als unvollständig erscheint (vgl. für eine Grundstücksumzäunung BFH, Urteil vom 15.12.1977 - V III R 121/73, BStBl 1978, 210). Auch hat die höchstrichterliche Rechtsprechung speziell für Garagen auf einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück einen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Begründung angenommen, dass der Garagenbau ein übliches Nebengebäude mit dienender Funktion für das Wohnhaus - in diesem Falle ein Zweifamilienhaus - als Hauptgebäude sei; denn nach heutigen Wohnvorstellungen sei eine Wohnung ohne Garage oder Stellplatz unvollständig (BFH, Urteil vom 28.06.1983 - , ).
Die Übertragung dieser vom erkennenden Senat für zutreffend erachteten Grundsätze der vorzitierten Rechtsprechung auf den Streitfall führt zur Klageabweisung. Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass diese BFH-Rechtsprechung die Sonderfälle von Garagen für Ein- und Zweifamilienhäuser betreffe, vorliegend aber der Sachverhalt für ein Mehrfamilienhaus zu beurteilen sei. Auch wenn zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen würde, dass im Zeitpunkt der Errichtung der Wohnhäuser, also 1963 bzw. 1970, das Fehlen von Garagen oder Pkw-Einstellplätzen objektiv keinen Nachteil der Wohnungen darstellte und die Gebäude deshalb ihre Zweckbestimmung zunächst auch ohne zugehörige Parkfläche uneingeschränkt erfüllen konnten, kann diese Wertung jedoch für den Zeitpunkt der Errichtung der Garagen, also für das Streitjahr 1995, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Aufgrund der über mehrere Jahrzehnte hinweg fortgeschrittenen Motorisierung der Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt in weiten Bevölkerungskreisen die Nutzung eines Pkw pro Haushalt üblich, je nach Haushaltsgröße auch mehrerer Kraftfahrzeuge. Dies ist nicht nur für Haushalte in Ein- und Zweifamilienhäusern, sondern auch für Haushalte in Mehrfamilienhäusern festzustellen. Der Gesetzgeber hat dieser gesellschaftlichen Entwicklung für den Wohnungsbau dadurch Rechnung getragen, dass er in den Landesbauordnungen den Kommunen ein Satzungsrecht eingeräumt hat, durch das Bauherren zur Einrichtung von notwendigen Stellplätzen und Garagen für z.B. auch Mieter in Mehrfamilienhäusern verpflichtet werden können. Die Verpflichtung der Bauherren durch die Kommunen zur Einrichtung von Pkw-Einstellplätzen oder Garagen geht regelmäßig einher mit einer entsprechenden Nachfrage der Mieter, die gerade in städtischen Bereichen und Ballungsgebieten nicht auf das oft unzureichende Parkraumangebot auf öffentlichen Verkehrsflächen angewiesen sein wollen. Die Nutzungsmöglichkeit zumindest eines privaten Stellplatzes wird seit mindestens einem Jahrzehnt als regelmäßiger Wohnkomfort einer Mietwohnung erwartet. Demnach kann ohne weiteres eine Verkehrsanschauung des Inhalts festgestellt werden, wonach jedenfalls ab 1995 Garagen auf einem Mietwohngrundstück als übliche Nebengebäude des Mehrfamilienhauses anzusehen sind (ebenso bereits FG Köln, Urteil vom 14.07.2000 - 15 K 2702/94, EFG 2000, 990).
Diese Qualifizierung der Garagen erfährt keine Änderung durch den besonderen Umstand, dass die Garagen im Streitfalle erst etwa 32 bzw. 25 Jahre nach Fertigstellung des Wohnhauses errichtet worden sind. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen einem Haupt- und einem Nebengebäude auch erst bei dem späteren Bau des Nebengebäudes hergestellt werden. In solchen Fällen stellt sich der später errichtete Gebäudeteil als eine nachträglich für notwendig erkannte Ergänzung der Bebauung dar, die ähnlich einem zweiten Bauabschnitt einen unselbständigen Charakter aufweist. Deshalb kann die nachträgliche Errichtung zunächst fehlender Garagen für ein Miethaus durchaus den Zweck haben, das durch das Fehlen der Garagen im Laufe der Zeit eingetretene "negative Gepräge" für das Gebäude zu beseitigen (FG Köln, Urteil vom 14.07.2000 - 15 K 2702/94, EFG 2000, 990; vgl. auch FG Brandenburg, Urteil vom 17.02.2000 - , ; bestätigt durch BFH, Urteil vom 05.11.2003 - X R 16/01, BFH/NV 2004, 485; a. A. noch Finanzgericht Bremen, Urteil vom 21.12.1979 - , für das Streitjahr 1976; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 22. Aufl. 2003, § 7 Rn 18, ohne weitere Begründung). Nach Ansicht des Gerichts muss dies jedenfalls dann gelten, wenn die Zahl der nachträglich errichteten Garagen unter der Zahl der Wohneinheiten in dem Wohnhaus liegt (ebenso Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt-Kommentar, § 7 Anm 397); zumal nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass freiwerdende Garagen bevorzugt den Mietern des betreffenden Wohnhauses angeboten werden. Unerheblich ist es deshalb auch, dass im Fall des Mietwohngrundstücks in der A.-Straße 5/7 die Garagen von dem Wohnhaus durch ein 2 m hohes Eisentor getrennt sind, für das die Wohnungsmieter, die zugleich eine Garage mieten, auch einen Schlüssel erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zur Klärung der Frage zuzulassen, ob die im BFH-Urteil vom 28.06.1983 - , aufgestellten Grundsätze - entgegen den zitierten Stimmen in Rechtsprechung und Literatur - auch für Garagen auf einem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Mietwohngrundstück Geltung haben.