Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.12.1996, Az.: 18 L 985/95
Nichtberücksichtigung eines Beamtenvertreters im Rahmen der Auswahlentscheidung des Personalrats zur Freistellung; Zulässige Umstellung des Feststellungsantrags nach Erledigung auf weiterhin offene streitige Rechtsfragen; Sinn und Zweck der Freistellung von Personalratsmitgliedern; Einschränkung des Auswahlermessens durch das zwingende Gebot der angemessenen Gruppenberücksichtigung; Unbeachtlichkeit der besonderen Beanspruchung von Personalratsmitgliedern in konkreten Einzelfällen für die Regel-Freistellung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.12.1996
- Aktenzeichen
- 18 L 985/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 18815
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1996:1218.18L985.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 20.12.1994 - AZ: 7 A 47/94
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Freistellung von Personalratsmitgliedern
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Das Gebot der angemessenen Berücksichtigung der im jeweiligen Personalrat vertretenen Gruppen bei der Verteilung zur Verfügung stehender Freistellungen gemäß § 39 Abs. 4 Nds. PersVG (Niedersächsisches Persnonalvertretungsgesetz) ist zwingend und lässt jedenfalls dann keinen Raum für eine abweichende Verteilung, wenn ausreichende Kapazitäten für Freistellungen zur Verfügung stehen.
- 2.
Bei der Entscheidung über die Verteilung der Regel-Freistellungen nach § 39 Abs.4 Nds. PersvG ist allein auf die allgemeine Aufgabenerfüllung durch Personalratsmitglieder abzustellen und nicht auf deren besondere Beanspruchung in konkreten Einzelfällen, für die gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 Nds. PersVG (im erforderlichen Umfange) Anspruch auf Dienstbefreiung besteht.
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen -
hat auf die mündliche Anhörung vom 18. Dezember 1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen und
die Richterin am Verwaltungsgericht Wendlandt-Stratmann sowie
die ehrenamtlichen Richter Bruns und Hattendorf
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Göttingen - 7. Kammer - vom 20. Dezember 1994 geändert.
Es wird festgestellt, daß ein aus sieben Angestellten, sechs Arbeiter- und zwei Beamtenvertretern bestehender Gesamtpersonalrat, dem aufgrund der Beschäftigtenzahl insgesamt fünf hälftige Freistellungen zustehen, jedenfalls dann, wenn der Vorsitzende, der nicht Beamtenvertreter ist, auf eine hälftige Freistellung verzichtet, verpflichtet ist, grundsätzlich einen dazu bereiten Beamtenvertreter gegenüber der Dienststelle zur hälftigen Freistellung vorzuschlagen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteiler begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nicht-Berücksichtigung eines Beamtenvertreters im Rahmen der zur Freistellung zu treffenden Auswahlentscheidung des Personalrats.
Er ist Beamter der Stadt ... und Mitglied der "Gewerkschaft Kommunaler Beamter und Arbeitnehmer" (KOMBA). Bis zum Ablauf der vorigen Wahlperiode (30.4.1996, § 122 Abs. 1 NdsPersVG) war er als Vertreter der Gruppe der Beamten Mitglied des Vorstandes des Gesamtpersonalrats der Stadt ... (Beteiligter zu 1). Insgesamt bestand der Gesamtpersonalrat aus 15 Mitgliedern. Davon vertraten sieben die Gruppe der Angestellten, sechs die der Arbeiter und zwei die der Beamten. Dem jetzigen Gesamtpersonalrat, der sich in gleicher Weise zusammensetzt, gehört der Antragsteller nicht an; er ist jedoch Ersatzmitglied.
Außer dem Antragsteiler gehörten dem Vorstand des früheren Gesamtpersonalrats jeweils zwei Vertreter der Angestellten und der Arbeiter an, die alle Mitglied der Gewerkschaft öTV waren. Vorsitzende war die Angestellten-Vertreterin, Frau .... Mit Ausnahme des Antragstellers waren sämtliche Vorstandsmitglieder von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt, die Vorsitzende ganz, die übrigen (drei) je zur Hälfte. Weil die Vorsitzende zum 1. August 1994 eine halbe Stelle in der "Verwaltungsstelle ..." antreten sollte und aus diesem Grunde eine hälftige Freistellung "zurückgab", hatte der Beteiligte zu 1) über die Vergabe dieser Freistellung neu zu befinden. Das geschah am 5. Juli 1994 (Tagesordnungspunkt Nr. 9), wobei sich der Antragsteller um die (hälftige) Freistellung bewarb. Mehrheitlich (11:4) wurde aber beschlossen, die Freistellung der Angestellten ... zu beantragen, die Vorsitzende des örtlichen Personalrats "Altenheime" (und öTV-Mitglied) war. Daraufhin wurde diese unter dem 12. Juli 1994 vom Beteiligten zu 2) mit der Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt (gleichfalls Frau ...). Nach der Neuwahl des Gesamtpersonalrats sind die 2,5 Freistellungen in der Weise aufgeteilt, daß die Vorsitzende (Heide M.) ganz und weitere zwei Angestellten - sowie ein Arbeitervertreter je mit der Hälfte der Arbeitszeit freigestellt sind. Die beiden Beamten-Vertreter sind bei der Freistellung wiederum unberücksichtigt geblieben.
Am 14. Juli 1994 hat der Antragsteller die Fachkammer angerufen mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit des genannten Personalratsbeschlusses vom 5. Juli 1994 festzustellen. Zur Begründung hat er geltend gemacht, der Beteiligte zu 1) habe mit der Auswahl der (nicht dem Vorstand angehörenden) Frau Sw.-M. zur Freistellung gegen § 39 Abs. 4 NdsPersVG verstoßen. Danach seien bei Freistellungen die Gruppen angemessen zu berücksichtigen, was seine (hälftige) Freistellung erfordert hätte. Er sei vielfach mit der personalvertretungsrechtlichen Betreuung der Beamten beschäftigt. Sämtliche Beamtenstellen würden (nach dem KGSt-Gutachten von 1986) einer neuerlichen Dienstpostenbewertung unterzogen. Da er der Bewertungskommission angehöre, werde er vermehrt auch mit personalvertretungsrechtlichen Fragestellungen konfrontiert werden. Demgegenüber stamme die in einem Altenheim angestellte Frau Sw.-M. aus einem Bereich, der bei der Stadt ... "allmählich rückläufig" sei. Der Beschluß vom 4. Juli 1994 verfolge zudem gewerkschaftliche Interessen. Er bezwecke, nur die Mitglieder freizustellen, die in der öTV organisiert seien, während er als Mitglied der KOMBA-Gewerkschaft davon ausgenommen werde. Eine Freistellungsentscheidung, die ausschlaggebend auf die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft abstelle, sei sachwidrig. Schließlich seien in der Regel Vorstandsmitglieder zur Freistellung vorzuschlagen. - Im Anhörungstermin vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller zusätzlich die Feststellung beantragt, daß der Beteiligte zu 1) verpflichtet sei, ihn zur Freistellung vorzuschlagen, solange die Vorsitzende auf eine volle Freistellung verzichte.
Der Beteiligte zu 1) hat demgegenüber geltend gemacht, daß sich die Absicht der Bevorzugung von öTV-Mitgliedern dem Protokoll vom 5. Juli 1994 nicht entnehmen lasse. Die "angemessene" Berücksichtigung der einzelnen Gruppen bei der Freistellung sei nicht im Sinne einer strengen Bindung zu verstehen. Würden die fünf hälftigen Freistellungen nach dem d'Hondt'schen Höchstzahlverfahren auf die drei im Gesamtpersonalrat vertretenen Gruppen verteilt, entfiele davon auf die Gruppe der Beamten nicht eine. Auch eine vorrangige Berücksichtigung von Vorstandsmitgliedern (nach dem Vorsitzenden) sei gesetzlich nicht vorgesehen. Wegen seiner Tätigkeit in der Bewertungskommission werde der Antragsteller von der dienstlichen Tätigkeit "selbstverständlich" freigestellt. Eine weitere Befreiung sei nicht erforderlich. Dagegen sei die Freistellung der Frau Sw.-M. deshalb notwendig, weil im "Bereich Altenheime" dringend eine neue Konzeption entwickelt werden müsse, nachdem die Stadt bereits einige Heime "abgegeben" habe und die Schließung weiterer jedenfalls nicht auszuschließen sei. Schließlich sei bei der Auswahl der freizustellenden Personen auch auf die "Frauenquote" abgestellt worden. Bei der Stadt ... seien 50 v.H. der Bediensteten Frauen, so daß kaum zu beanstanden sei, wenn von den 2,5 Freistellungen eine auf ein weibliches Personalratsmitglied entfalle.
Der Beteiligte zu 2) hat darauf hingewiesen, daß die Auswahl freizustellender Mitglieder Sache des Personalrats sei, auch wenn die Dienststelle im Einvernehmen mit diesem darüber entscheide. Der Freistellung von Frau Sw.-M. stünden unabweisbare dienstliche Belange nicht entgegen.
Mit Beschluß vom 20. Dezember 1994 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Nach § 49 Abs. 2 i.V.m. § 39 Abs. 4 NdsPersVG habe zunächst der Vorsitzende Anspruch auf eine Freistellung. Danach verbleibende "Freistellungsstellen" seien auf die Vertreter der Gruppen der Arbeiter. Angestellten und Beamten "angemessen" zu verteilen. Die Auswahl der freizustellenden Mitglieder liege im Ermessen des Personalrats, wobei er sich am Sinngehalt des § 39 Abs. 3 Satz 1 NdsPersVG ausrichten müsse. Dabei könne der Personalrat auch eine Aufgabenverteilung innerhalb des Gremiums in Betracht ziehen, etwa eine besondere Zuweisung bestimmter Sachverhalte an ein Mitglied, wobei er auch auf besondere Kenntnisse oder Erfahrungen bezüglich eines "problematischen" Teiles der Dienststelle abstellen dürfe. Zwar sei die Berücksichtigung von Vorstandsmitgliedern nicht zwingend vorgeschrieben. Für die Auswahl eines Nicht-Vorstandsmitgliedes müßten aber stichhaltige Gründe vorliegen. Hier habe sich der Personalrat bei seiner Auswahlentscheidung zu Gunsten von Frau Sw.-M. von sachlichen und beachtenswerten Erwägungen leiten lassen. Er habe (mehrheitlich) darauf abgestellt, daß ein Schwerpunktbereich in der kommenden Arbeit des Gesamtpersonalrats in den Verhandlungen mit der Dienststelle bezüglich der Neustrukturierung der städtischen Altenheime liegen solle. Auch der Gesichtspunkt der "Frauenförderung" sei nicht zu beanstanden (§ 10 Abs. 3 und § 15 NdsPersVG). Daß der Antragsteller aufgrund seiner Zugehörigkeit zur "Bewertungskommission für die Beamtenstellen" vermehrt personalvertretungsrechtliche Belange wahrzunehmen habe, sei nicht zwingend zu berücksichtigen gewesen, weil er insoweit einen individuellen Befreiungsanspruch nach § 39 Abs. 2 Satz 1 NdsPersVG habe. Nicht ersichtlich sei schließlich, daß er ohne die streitige Freistellung seine Aufgaben als Gesamtpersonalrats-Vorstandsmitglied nicht ausreichend wahrnehmen könne.
Gegen diesen, ihm am 16. Januar 1995 zugestellten Beschluß richtet sich die am 15. Februar 1995 eingelegte und am 14. März 1995 begründete Beschwerde des Antragstellers. Er meint, daß das Verwaltungsgericht dem aus § 39 Abs. 4 NdsPersVG folgenden Gebot der angemessenen Gruppenberücksichtigung nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Dieses habe seine Freistellung erfordert. Denn nach dem Personalratsvorsitzenden seien diejenigen Gruppen angemessen zu berücksichtigen, der dieser nicht angehöre. Demgegenüber sei die Frage, welches Gruppenmitglied im einzelnen freigestellt werden solle, sekundär. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Grundsatz des Vorranges der Berücksichtigung von Vorstandsmitgliedern zurückgestellt und den Grundsatz der Frauenförderung gebilligt. Letztlich verfange auch der Hinweis auf einen individuellen Freistellungsanspruch nicht, da ein solcher Frau Sw.-M. ebenso zugestanden habe.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und festzustellen, daß ein aus sieben Angestellten-, sechs Arbeiter- und zwei Beamtenvertretern bestehender Gesamtpersonalrat, dem aufgrund der Beschäftigtenzahl insgesamt fünf hälftige Freistellungen zustehen, jedenfalls dann, wenn der Vorsitzende, der nicht Beamtenvertreter ist, auf eine hälftige Freistellung verzichtet, verpflichtet ist, grundsätzlich einen dazu bereiten Beamten-Vertreter gegenüber der Dienststelle zur hälftigen Freistellung vorzuschlagen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er meint, daß im Rahmen des § 39 Abs. 4 NdsPersVG weder die Freistellung von Gruppenangehörigen noch die Berücksichtigung von Vorstandsmitgliedern zwingend vorgeschrieben sei. Dem Antragsteller stehe überdies auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht zur Seite.
Der Beteiligte zu 2), der einen Antrag nicht stellt, trägt vor, daß sich aus dem Beschwerdevorbringen nichts ergebe, was auf ein nicht rechtmäßiges Vorgehen der Dienststelle hindeute.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde mit dem jetzt gestellten Antrag ist zulässig und begründet.
1.
Da der Antrag auf den Beschluß des Gesamtpersonalrats vom 5. Juli 1994 abzielte, der bei der Freistellung von Mitgliedern in der inzwischen abgelaufenen Wahlperiode den Antragsteller überging, hat sich das ursprüngliche Begehren des Antragstellers durch Zeitablauf erledigt. Nicht erledigt hat sich indessen die dahinter stehende Rechtsfrage, die der Antragsteller mit dem umgestellten Antrag damit weiterhin der gerichtlichen Klärung zuführen kann.
Der Antragsteller meinte, daß im Rahmen des § 39 Abs. 4 NdsPersVG zum einen ein Vorstandsmitglied gegenüber einem einfachen Mitglied vorrangig zu berücksichtigen sei und daß zum anderen Gruppen-Vertreter nicht übergangen werden dürften. Unter Berufung auf das gegenteilige Verhalten des Gesamtpersonalrats kann er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 29.1.1995 - 6 P 45.93 -, PersR 1996, 361) seinen Antrag im Hinblick auf weiterhin offene (streitige) Rechtsfragen umstellen. Wenn ihm auch eine Entscheidung über den bestimmten (erledigten) Vorgang als solchen verwehrt ist, so kann er doch die dahinter stehende Rechtsfrage, sofern sie auch für die Zukunft noch Bedeutung hat, klären lassen. Dazu reicht ein lediglich auf die Vergangenheit bezogener reiner Feststellungsantrag (Fortsetzungsfeststellung) nicht aus. Nach dem jetzt gestellten Antrag geht es dem Antragsteller indessen um die abstrakte Rechtsfrage der Notwendigkeit der Berücksichtigung eines Beamten-Vertreters im Rahmen zur Verfügung stehender Freistellungen, bezogen auf die derzeitigen Verhältnisse des Beteiligten zu 1) und unter Berücksichtigung einer nur hälftigen Freistellung seiner Vorsitzenden. Diese Frage hatte sich bei Einleitung des personalvertretungsrechtlichen gerichtlichen Verfahrens gestellt und kann sich beim Beteiligten zu 1) durchaus wieder stellen, so daß der entsprechende Antrag zulässig ist.
Nach dem jetzigen Antragsbegehren ist die Frage der Berücksichtigung von "Vorstandsmitgliedern" zu Recht nicht mehr entscheidungserheblich. Der Vorgänger des Beteiligten zu 1) hatte gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 3 NdsPersVG noch einen nach § 40 NdsPersVG a.F. gebildeten Vorstand, der aus mehreren Mitgliedern bestand. Ein Vorstand ist nun gesetzlich aber nicht mehr vorgesehen, vielmehr hat der Gesamtpersonalrat nur noch einen Vorsitzenden sowie Stellvertreter (§ 49 Abs. 2 i.V.m. § 28 NdsPersVG). Um eine Berücksichtigung von Vorstandsmitgliedern kann es danach im Rahmen des § 39 Abs. 4 NdsPersVG nicht mehr gehen. Dagegen stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung von Vertretern der einzelnen Gruppen, die auch im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 3 NdsPersVG weiterhin angesprochen sind, nach wie vor. Bezüglich der Auswahl der freizustellenden Mitglieder des Gesamtpersonalrats im Hinblick auf die Berücksichtigung von Vertretern der einzelnen Gruppen liegt demnach eine für die Zukunft noch bedeutsame Rechtsfrage vor, die der Antragsteller der gerichtlichen Prüfung zuführen kann. Diese Frage kann sich auch im Hinblick auf die derzeitige Zusammensetzung des Beteiligten zu 1) stellen. Denn auch von den beiden derzeitigen Beamten-Vertretern ist keiner zur Freistellung vorgeschlagen worden, und es ist nicht auszuschließen, daß die Vorsitzende des Beteiligten zu 1) erneut auf eine halbe Freistellung verzichtet, so daß die zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Rechtsfrage sich dann konkret stellt. Daß der Antragsteller derzeit nicht Mitglied des Beteiligten zu 1) ist, muß als unschädlich angesehen werden. Denn er ist jedenfalls Ersatzmitglied, und kann damit jederzeit in den Gesamtpersonalrat aufrücken. Darum stellte sich auch für ihn die Frage nach der Berücksichtigung eines Vertreters der Gruppe der Beamten. An der allgemeinen Klärung dieser Frage besteht auch insofern ein erhebliches Interesse, als die jetzige Unterscheidung zwischen dem individuellen Anspruch auf Dienstbefreiung (§ 39 Abs. 2 Satz 1 NdsPersVG) einerseits und der generellen Freistellung (§ 39 Abs. 3 Satz 1 NdsPersVG) nach einem bestimmten Kontingent andererseits ("Freistellungsstaffel", § 39 Abs. 3 Satz 3 bzw. - für den Gesamtpersonalrat - § 48 Abs. 3 Satz 3 NdsPersVG) - Regelfreistellung - im niedersächsischen Personalvertretungsrecht in dieser Konstellation ebenso neu ist wie die Vorgabe des § 39 Abs. 4 NdsPersVG und infolgedessen Rechtsfragen zur Auswahl der freizustellenden Mitglieder des Personalrats nach dieser Vorschrift gerichtlich noch nicht geklärt sind.
2.
Der Antrag ist auch begründet. Nach der ihm zugrunde liegenden Konstellation (derzeitige Zusammensetzung des Beteiligten zu 1) und nur hälftige Freistellung der Vorsitzenden) wäre ein dazu bereiter Beamten-Vertreter im Gesamtpersonalrat der Stadt ... zwingend mit der Hälfte seiner Arbeitszeit freizustellen.
Nach § 49 Abs. 2 NdsPersVG gilt für die Geschäftsführung des Gesamtpersonalrats u. a. § 39 NdsPersVG entsprechend, ausgenommen dessen Abs. 3 Satz 3. Danach sind Mitglieder des Gesamtpersonalrats auf dessen Antrag von ihrer dienstlichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit dies nach Umfang und Art. der Dienststelle zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 39 Abs. 3 Satz 1 NdsPersVG). Über den Umfang der Freistellung entscheidet die Dienststelle im Einvernehmen mit dem Personalrat (§ 39 Abs. 3 Satz 2 NdsPersVG). Die Zahl der Freistellungen (Regel-Freistellung), die sich bei einem Gesamtpersonalrat nicht nach § 39 Abs. 3 Satz 3 NdspersVG richtet, sondern nach dem entsprechend heranzuziehenden (§ 49 Abs. 2 NdsPersVG) § 48 Abs. 1 Satz 2 NdsPersVG, bestimmt sich im Grundsatz danach, was insoweit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist (§ 39 Abs. 3 Satz 1 NdsPersVG). Mit der danach gebotenen Freistellung von Personalratsmitgliedern soll sichergestellt werden, daß die außerhalb von Sitzungen anfallenden Geschäfte ordnungs- und sachgemäß wahrgenommen werden, um eine wirksame Erfüllung der der Personalvertretung zustehenden Aufgaben und Befugnisse zu gewährleisten (Grabendorff u. a., BPersVG, 8. Aufl., § 46 RdNr. 13). Die Zahl der Freistellungen ist nunmehr in Form von "Regel-Freistellungen" pauschal geregelt (§ 39 Abs. 3 Satz 3 und § 48 Abs. 1 Satz 2 NdsPersVG). Bei der Freistellung geht es nur um die allgemeine Tätigkeit der Personalratsmitglieder, d. h. deren regelmäßig anfallende, nach Umfang und Zeitaufwand im voraus einschätzbare Aufgaben als Mitglieder des Personalrates (vgl. auch die amtliche Begründung, Landtagsdrucks. 12/4370, S. 122 ff.).
Vorliegend sind dem Beteiligten zu 1) insgesamt 2,5 Freistellungen zuerkannt worden, wobei auch Freistellungen mit der Hälfte der Dienst-/Arbeitszeit zugelassen sind (jetzt § 49 Abs. 2 i.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 4 bzw. § 48 Abs. 1 Satz 4 NdsPersVG). Diese sind indessen am 5. Juli 1994 fehlerhaft auf die Mitglieder des Beteiligten zu 1) verteilt worden, indem den Angestellten-Vertretern (einschließlich Vorsitzender) - weiterhin - drei hälftige Freistellungen, den Arbeiter-Vertretern zwei, den Beamten-Vertretern aber keine zuerkannt worden sind. Vielmehr hätte unter den gegebenen Verhältnissen eine hälftige Freistellung auch einem Beamten-Vertreter zugutekommen müssen, wie der Antragsteller es jetzt - ausgerichtet auf eine gleiche künftige Situation - festgestellt haben möchte.
Für die Freistellung hat das NdsPersVG 1994 erstmals zugleich Auswahlkriterien festgelegt, die bei dem Beschluß des Beteiligten zu 1) nicht hinreichend beachtet worden sind. Denn danach sind bei der Auswahl nach dem Vorsitzenden "die Gruppen angemessen zu berücksichtigen" (§ 39 Abs. 4 NdsPersVG, für einen Gesamtpersonalrat anwendbar über § 49 Abs. 2 NdsPersVG). Diese Vorschrift schränkt das Ermessen des Personalrats bei der Auswahl der dem Dienstherrn zur Freistellung vorzuschlagenden Mitglieder ein, indem zunächst die/der Vorsitzende, dann die Gruppen (angemessen) zu berücksichtigen sind, wobei auch die Zugehörigkeit des Vorsitzenden zu einer der im Personalrat vertretenen Gruppe zu beachten ist. Diese Einschränkung des Ermessens, auf die die Fachkammer zu Unrecht nicht weiter eingegangen ist, entspricht einer vom Bundesverwaltungsgericht schon aus dem "Gruppenprinzip" hergeleiteten Forderung (vgl. z. B. BVerwGE 31, 192/196; 55, 17/19 ff.). Die danach auch in Niedersachsen nunmehr ausdrücklich vorgeschriebene angemessene Berücksichtigung der im jeweiligen Personalrat vertretenen Gruppen bei der Verteilung zur Verfügung stehender Freistellungen ist zwingend und läßt jedenfalls dann keinen Raum für eine abweichende Verteilung, wenn wie hier ausreichende Kapazitäten für Freistellungen zur Verfügung stehen (Bieler/Müller-Fritsche/Spohn, NdsPersVG, 6. Aufl., § 39 RdNr. 19). Sie erfordert in einem solchen Fall zunächst die Berücksichtigung der einzelnen Gruppen überhaupt, während sich die Frage der Angemessenheit dann auf den Umfang der Berücksichtigung (Umfang der Freistellung) bezieht. Hiernach mußte und muß der Beteiligte zu 1) bei gleichartigen Verhältnissen bei der Auswahl der freizustellenden Mitglieder auch die Gruppe der Beamten berücksichtigen. Er mußte den seinerzeit dazu bereiten Antragsteiler zur Freistellung vorschlagen und muß auch künftig einen Beamten-Vertreter dafür vorsehen, wenn dieser dazu bereit ist, so lange die Vorsitzende nur zur Hälfte freigestellt werden möchte, so daß auf die Angestellten- und Arbeiter-Vertreter jeweils (nur) eine volle Freistellung entfällt.
Bis zum 5. Juli 1994 hatte der Beteiligte zu 1) die fünf hälftigen Freistellungen so verteilt, daß davon auf die Gruppe der Angestellten (sieben Personen) drei (Vorsitzende und weiterer Angestellten-Vertreter) Freistellungen entfielen, auf die Gruppe der Arbeiter (sechs Personen) zwei, auf die Gruppe der Beamten (zwei Personen) dagegen keine. An der Nichtberücksichtigung der Gruppe der Beamten bei der Freistellung änderte sich auch durch den Beschluß vom 5. Juli 1994 nichts, was rechtswidrig war. Denn die zum 1. August 1994 frei gewordene hälftige Freistellung hätte der Gruppe der Beamten zukommen müssen, damit auch diese, wie es § 39 Abs. 4 NdsPersVG vorschreibt, bei den zur Verfügung stehenden Freistellungen berücksichtigt würde. Diese Verwendung einer hälftigen Freistellung zugunsten eines Beamten-Vertreters hätte die Gruppe der Beamten bei der Freistellung berücksichtigt und damit deren Tätigkeit im Rahmen ihrer (allgemeinen) Personalratsarbeit. Das wäre auch nicht unangemessen viel gewesen - und würde dies auch künftig nicht sein -, da auf die Beamten-Vertreter ein Fünftel der Freistellung entfiele, was ihrem Anteil unter den Bediensteten der Stadt ... entspricht, und im übrigen den (stärkeren) beiden anderen Gruppen immer noch eine doppelt so große Freistellung verblieb bzw. verbleiben würde. Demgegenüber durfte und darf der Beteiligte zu 1) im Rahmen der Regel-Freistellung die augenblickliche personalvertretungsrechtliche Situation einzelner Personalratsmitglieder nicht entscheidend berücksichtigen, erst recht nicht, auf solche Aufgaben abstellen, die wie es hier hinsichtlich der für Frau Sw.-M. zugrunde gelegten Aufgaben im "Altenheimbereich" offenbar der Fall war, nicht Aufgaben sind, die dem zur Freistellung vorgesehenen Mitglied als Mitglied des Gesamtpersonalrats obliegen, sondern als Mitglied (Vorsitzende) des örtlichen Personalrats. Denn die generelle Freistellung des § 39 Abs. 3 NdsPersVG, um deren Verteilung es in § 39 Abs. 4 NdsPersVG allein geht, dient nur der allgemeinen Aufgabenerfüllung durch Personalratsmitglieder, nicht deren besonderer Beanspruchung in konkreten Einzelfällen, für die gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 NdsPersVG (im erforderlichen Umfange) Anspruch auf Dienstbefreiung besteht.
Muß der Beteiligte zu 1) bei seiner derzeitigen Zusammensetzung und einer nur hälftigen Freistellung seiner Vorsitzenden bei Auswahl der zur Freistellung vorzuschlagenden Mitglieder danach einen dazu bereiten Vertreter der Gruppe der Beamten berücksichtigen, so ist dies - unter Änderung des angefochtenen Beschlusses - auf die Beschwerde des Antragsteilers nach allem mithin festzustellen. Nur am Rande sei bemerkt, daß es fraglos rechtswidrig gewesen wäre, wenn der Beteiligte zu 1) den Antragsteller deswegen unberücksichtigt gelassen hätte, weil er nicht der öTV angehört (vgl. dazu nur BVerwG, Beschl. v. 22.12.1994 - 6 P 12.93 -, PersR 1995, 131). Ebensowenig wäre es zulässig, im Rahmen des § 39 Abs. 4 NdsPersVG in der Weise "Frauenförderung" zu betreiben, daß allein auf das Geschlecht abgestellt wird.
Nicht zu entscheiden ist dagegen die Frage, weicher von mehreren ggf. dazu bereiten Beamten-Vertretern (nach welchen Kriterien) von dem Beteiligten zu 1) ggf. zur (hälftigen) Freistellung vorzuschlagen wäre.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 83 Abs. 2 NdsPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Dr. Uffhausen,
Wendlandt-Stratmann,
Bruns,
Hattendorf