Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.12.1996, Az.: 18 L 4072/94
Mitbestimmungsrecht des Gesamtpersonalrats bei der Eingruppierung von Arbeitnehmern; Erledigung des Verfahrens durch Auflösung des Antragstellers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.12.1996
- Aktenzeichen
- 18 L 4072/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 18681
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1996:1218.18L4072.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 08.06.1994 - AZ: 7 A 6/93
Rechtsgrundlagen
- § 81 Abs. 3 ArbGG
- § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG
- § 121 Abs. 1 Nds. PersVG
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung bei der Eingruppierung von Angestellten
Redaktioneller Leitsatz
Ein Antrag des Gesamtpersonalrats einer Universität auf Feststellung des Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung der Arbeitnehmer ist erledigt, wenn es aufgrund einer Neuwahl von Personalvertretungen an der Universität einen Gesamtpersonalrat und damit den Antragsteller nicht mehr gibt, da ein Antragstellerwechsel zwar stets zulässig ist, wenn es sich um eine bloße Berichtigung der Bezeichnung eines tatsächlich von Anfang an auftretenden Antragstellers handelt, nicht aber bei einem Wechsel der Person.
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
- Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat am 18. Dezember 1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen und
die Richterin am Verwaltungsgericht Wendlandt-Stratmann sowie
die ehrenamtlichen Richter Bruns und Hattendorf
ohne mündliche Anhörung
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren ist erledigt und wird eingestellt.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Göttingen - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 8. Juni 1994 wird für wirkungslos erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei einer Eingruppierung.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1992 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur Einstellung einer unter 29 Bewerbern ausgewählten Verwaltungsangestellten im Dekanat des Fachbereichs ... zum nächstmöglichen Zeitpunkt und zur Eingruppierung nach VergGr VIII, Fallgruppe 1 a, BAT. Dem Antrag war eine fünfseitige Tätigkeitsdarstellung vom 22. Juni 1992 beigefügt. Nach Erlangung der spezifischen Fachkenntnisse in einer Einarbeitungsphase solle die vollständige Übertragung der Aufgaben nach der Tätigkeitsdarstellung, verbunden mit einer Eingruppierung nach VergGr VI b, Fallgruppe 1 a, BAT erfolgen. Am 14. Juli 1992 stimmte der Antragsteller der Einstellung zu, lehnte jedoch die Eingruppierung mit der Begründung ab, die Einzustellende erscheine nach der Auswahlbegründung den hohen Anforderungen der nach BAT VI b ausgeschriebenen Stelle gewachsen; die auszuübende Tätigkeit entspreche den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe. Eine Einarbeitungszeit sehe die Vergütungsordnung zum BAT für diese Arbeiten nicht vor, weshalb die Eingruppierung von Anfang an nach VergGr VI b vorzunehmen sei.
Am 19. August 1992 beantragte der Beteiligte die Zustimmung des Antragstellers zur Eingruppierung der Verwaltungsangestellten in die VergGr VII, Fallgruppe 1 b, BAT. Dem Antrag war eine Tätigkeitsdarstellung vom 18. August 1992 beigefügt, die derjenigen vom 22. Juni 1992 entsprach. Am 25. August 1992 verweigerte der Antragsteller die Zustimmung auch zu dieser Eingruppierung, da sich die neu vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung von der vorherigen nicht unterscheide. Danach sei die Verwaltungsangestellte, dauerhaft überwiegend selbständig tätig. Die von ihr dauerhaft ausgeübte Tätigkeit entspreche deshalb der VergGr VI b.
Zum 1. September 1992 stellte der Beteiligte die Verwaltungsangestellte unter Eingruppierung in VergGr VII BAT ein, was er dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. September 1992 mitteilte.
Am 4. Dezember 1992 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht, die Eingruppierung in VergGr VII BAT für die Dauer der Einarbeitungszeit verletze sein Mitbestimmungsrecht. Der - inzwischen nach VergGr VI b eingruppierten - Verwaltungsangestellten sei aufgrund ihrer Zeugnisse das tarifliche Merkmal der "gründlichen Fachkenntnisse" zugestanden worden. Die Aufgaben nach der Tätigkeitsdarstellung seien ihr ab dem 1. September 1992 übertragen worden. Die Tarifautomatik des § 22 BAT dürfe nicht dadurch umgangen werden, daß bestimmte Tätigkeiten nicht von Anfang an ausgeübt würden. Entscheidend sei vielmehr, welche Tätigkeiten nach der Arbeitsplatzbeschreibung übertragen worden seien; ohnehin sei die Verwaltungsangestellte mangels entsprechender Mitarbeiter nicht eingearbeitet worden, sondern habe ihren Aufgabenbereich von Anfang an selbständig wahrgenommen.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß die Nichtfortführung des Mitbestimmungsverfahrens rechtswidrig ist, wenn der Personalrat die Zustimmung zu einer beabsichtigten Eingruppierung einer Angestellten mit der Begründung verweigert, die Eingruppierung in eine niedrigere Vergütungsgruppe während der - vorübergehenden - Einarbeitungszeit verstoße gegen die Tarifautomatik des § 22 Abs. 2 BAT.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und gemeint, die Verweigerung der Zustimmung sei unbeachtlich gewesen. Ohne den Erwerb spezifischer Kenntnisse während einer Einarbeitungsphase habe die Verwaltungsangestellte im Rahmen der Studentenberatung selbständige Leistungen nicht erbringen können. Deswegen sollten ihr nicht von Anfang an alle in der Tätigkeitsdarstellung genannten Aufgaben, sondern diejenigen, für deren Ausfüllung spezifische Fachkenntnisse erworben werden müßten, erst nach und nach übertragen werden; dies habe der Antragsteller auch erkennen können. Welche Tätigkeiten einem Beschäftigten übertragen würden, unterliege allein dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Mithin habe sich der Antragsteller nicht auf eine Kontrolle beschränkt, ob der Beteiligte die Eingruppierung rechtlich zutreffend vorgenommen habe.
Mit Beschluß vom 8. Juni 1994 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Antragsteller habe weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der erstrebten Feststellung. Er sei auch die zuständige Personalvertretung, weil die personalrechtlichen Kompetenzen dem Beteiligten und nicht dem Dekan zuständen. Der Antrag sei auch begründet. Der Beteiligte habe das Mitbestimmungsverfahren nicht abbrechen dürfen. Denn die vom Antragsteller aufgeführten Gründe hätten nicht offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 NdsPersVG a. F. gelegen und damit den Anforderungen des § 72 Abs. 2 Satz 6 NdsPersVG a. F. genügt.
Gegen den ihm am 13. Juni 1994 zugestellten Beschluß hat der Beteiligte am 8. Juli 1994 Beschwerde eingelegt und diese am 27. Juli 1994 begründet. Dazu hat er sein erstinstanzlichen Vorbringen vertieft, die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers sei unbeachtlich gewesen, weil der Angestellten nach der vorgelegten Tätigkeitsdarstellung in der Zeit vom 1. September 1992 bis zum 11. Juli 1993 tatsächlich nur Aufgaben nach BAT VII übertragen gewesen seien.
Der Antragsteller hat den angefochtenen Beschluß verteidigt.
Nachdem die Amtszeit des Antragstellers am 30. April 1996 endete und mit Wirkung vom 1. Mai 1996 ein neuer Personalrat für die medizinische Fakultät und die Kliniken amtiert, hat der Beteiligte das Verfahren für erledigt erklärt. Demgegenüber hat der Personal rat der medizinischen Fakultät und der Kliniken beschlossen, das Verfahren als Rechtsnachfolger des Antragstellers fortzuführen, und sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 83 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 87 Abs. 2 S. 9 ArbGG).
Da es im vorliegenden Fall an einer übereinstimmenden Erledigungserklärung fehlt, ist § 83, a i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zwar nicht unmittelbar anwendbar. Gleichwohl ist entsprechend der Erklärung des Beteiligten festzustellen, daß das Verfahren erledigt ist, und der in ihm ergangene Beschluß des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (vgl. BAG, Beschluß vom 26.4.1990 - 1 ABR 79/89 -, BAGE 65, 105; Beschluß vom 27.8.1996 - 3 ABR 21/95 -).
Die Erledigung ergibt sich zum einen daraus, daß der Antragsteller mit Ablauf des 30. April 1996 nicht mehr existiert. Denn aufgrund der Neuwahl der Personalvertretungen an der Universität ... gibt es dort einen Gesamtpersonalrat nicht mehr, sondern nur noch den "Personalrat der Universitätskliniken und Medizinischen Fakultät" sowie den allgemeinen Personalrat der Universität. Inwieweit der neue Personalrat der Universitätskliniken und Medizinischen Fakultät Rechts- bzw. Funktionsnachfolger des früheren Gesamtpersonalrats und des früheren örtlichen Personalrats der Universitätskliniken geworden ist, bedarf hier keiner Klärung.
Denn jedenfalls ist der Personalrat der Universitätskliniken und Medizinischen Fakultät nicht automatisch an Stelle des untergegangenen Gesamtpersonalrats als Antragsteller in das Beschwerdeverfahren eingetreten. Ein Antragstellerwechsel ist zwar stets zulässig, wenn es sich um eine bloße Berichtigung der Bezeichnung eines tatsächlich von Anfang an auftretenden Antragstellers handelt, nicht aber bei einem Wechsel der Person (Lorenzen u. a., BPersVG, § 83 Rn. 45). Selbst wenn der Wechsel des Antragstellers entsprechend §§ 81 Abs. 3, 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG wie eine Antragsänderung behandelt wird (so BVerwG, Beschl. v. 21.3.1985 - 6 P 18.82 -, Buchholz 238.37 § 72 Nr. 9), würde er hier voraussetzen, daß der Beteiligte ihm zugestimmt hat oder das Gericht ihn für sachdienlich hält. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Beteiligte hat seine Zustimmung nicht erteilt, sondern das Verfahren für erledigt erklärt.
Eine Auswechselung des früheren Gesamtpersonalrats durch den Personalrat der Universitätskliniken und Medizinischen Fakultät als neuen Antragsteller wäre im Beschwerdeverfahren auch nicht sachdienlich. Denn entsprechend müßte dann auf der Seite des Beteiligten der Präsident - als bisheriger Beteiligter - auch durch die Verwaltungsdirektorin ersetzt werden, die dem neuen Personalrat der Universitätskliniken und Medizinischen Fakultät für die in diesem Verfahren umstrittene Eingruppierung als Dienststellenleitung zugeordnet ist. Dies würde aber in der Beschwerdeinstanz zu einem Streit mit beiderseits völlig neuen Beteiligten führen. Im übrigen könnte die Entscheidung über die Beschwerde nicht in die personalvertretungsrechtliche Rechtsstellung des an die Stelle des Gesamtpersonalrats getretenen neuen Personalrats eingreifen, so daß dieser deshalb nicht noch in der Beschwerdeinstanz beteiligt werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluß vom 13.2.1985 - 6 P 1.83 - Buchholz 238.35 § 61 Nr. 2).
Davon abgesehen ist das Verfahren auch deshalb erledigt, weil nach der Übergangsvorschrift des § 121 Abs. 1 Nds. PersVG die materielle Frage der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Antragstellers vom 25. August 1992 hier auch im Beschwerdeverfahren noch gemäß § 72 Abs. 2 Satz 6 Nds.PersVG a.F. zu entscheiden wäre, an einer weiteren Klärung dieser seit fast drei Jahren außer Kraft getretenen Vorschrift aber ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse nicht mehr besteht.
Mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad künftig vergleichbare Fälle bei Eingruppierungen noch auftreten können, kann hier dahinstehen. Jedenfalls würde sich die Frage, ob dann eine entsprechend begründete Zustimmungsverweigerung des zuständigen Personalrats die Zustimmungsfiktion auslöst oder nicht, jetzt nach § 68 Abs. 2 Satz 6 Nds.PersVG beurteilen, der im vorliegenden Verfahren gemäß § 121 Abs. 1 Nds.PersVG noch nicht anwendbar ist.
Dr. Uffhausen,
Wendlandt-Stratmann,
Bruns,
Hattendorf