Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 30.04.2004, Az.: 6 A 3610/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 30.04.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 3610/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 43479
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2004:0430.6A3610.02.0A
Amtlicher Leitsatz
Es ist weder verfassungsrechtlich noch beamtenrechtlich zu beanstanden, wenn ein Dienstherr sich weigert, die monatlichen Kosten einer Privatversicherung des Beamten zu übernehmen, die dieser wegen des Wegfalls der Beihilfefähigkeit der Wahlleistungen abeschlossen hat.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Beihilfe für Kosten, die aufgrund einer Änderung von beihilferechtlichen Regelungen bei ihm angefallen sind.
Der im ... geborene Kläger ist verheiratet und Vater eines im ... geborenen Sohnes. Er ist Beamter auf Lebenszeit im Dienste des Landes Niedersachsen und wurde mit Wirkung vom 1. April 1995 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhezeit versetzt. Er erhält seitdem Versorgungsbezüge und Leistungen aus der Beihilfe.
Nachdem dem Kläger durch mit den Bezügemitteilungen versandten Merkblättern des Beklagten mitgeteilt worden war, dass in Zukunft gesondert berechnete wahlärztliche Leistungen und eine gesondert berechnete Unterkunft bei stationärer Behandlung nicht mehr beihilfefähig seien, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2002 bei dem Beklagten, ihm monatlich als Ausgleich für die nunmehr von ihm zusätzlich abgeschlossene Versicherung wegen des Wegfalls der Wahlleistungen einen Betrag von monatlich 35,62 Euro zu gewähren. Zur Begründung wies er darauf hin, dass es aus Gründen der Besitzstandswahrung für ihn geboten sei, sich entsprechend zu versichern. Es entspreche der Fürsorgepflicht des Beklagten, diese zusätzlichen Belastungen des im Ruhestand befindlichen Bediensteten zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11. März 2002 lehnte der Beklagte die Übernahme der beantragten Leistungen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Neuregelungen des Niedersächsischen Beihilferechts ab dem 1. Januar 2002 keinen Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums darstellten, weil Wahlleistungen nicht zum anerkannten Beihilfestandard gehörten. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15. März 2002 Widerspruch ein und wies zur Begründung auf die seiner Meinung nach gegebene Verfassungswidrigkeit des Gesetzes hin. Denn damit werde gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoßen. Zudem rügte er die Ungleichbehandlung gegenüber den Pensionären, die das 65igste Lebensjahr im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits vollendet hätten; es könne ihm nicht angelastet werden, dass er aus Gesundheitsgründen in einem jüngeren Lebensalter dienstunfähig geworden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 - zugestellt am 16. August 2002 - wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er machte geltend, dass das Haushaltsbegleitgesetz 2002 verfassungsgemäß sei.
Am 27. August 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Da das Haushaltsbegleitgesetz 2002 des niedersächsischen Gesetzgebers gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums und das Gebot der Gleichbehandlung verstoße, habe er einen Anspruch darauf, dass der Beklagte aus Mitteln der Beihilfe direkt die monatlichen Kosten von ihm übernehme, die durch die Versicherung des bislang nicht zur Eindeckung nötig gewordenen Risikos anfielen. Durch die zusätzlichen Versicherungskosten sei ihm ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen, den er als Versorgungsempfänger nicht aufbringen könne. Insbesondere stelle es eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, wenn den jüngeren Versorgungsempfängern angesonnen werde, das betreffende Risiko zu eigenen wirtschaftlichen Lasten zu versichern, während den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über 65-jährigen Versorgungsempfängern diese Last nicht aufgebürdet würde. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar, so dass er auch im Wege des Schadensersatzes Anspruch auf die begehrte Leistung habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 11. März 2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn beginnend ab dem 1. Januar 2002 monatlich als Ersatz für zusätzliche Krankenversicherungskosten den Betrag von 35,69 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Gründe
II.
Die zulässige Klage, die durch Beschluss der Kammer vom 16. Juni 2003 dem Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen wurde und über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm monatliche Leistungen für die Versicherung von sogenannten Wahlleistungen zahlt.
Dazu im einzelnen:
Gemäß § 87 c Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der Fassung vom 19. Februar 2001 (Nds. GVBl. Seite 33, geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2001, Nds. GVBl. Seite 806) stehen dem Kläger nach den für die Beamten des Bundes geltenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen im Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) grundsätzlich Beihilfen zu. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 b BhV (vgl. Runderlass des Finanzministers vom 10. Januar 2002, Nds. MBl. 2002, 145, 147 - Anlage 1) sind Aufwendungen für gesonderte berechnete wahlärztliche Leistungen und eine gesondert berechnete Unterkunft bei stationärer Behandlung (Wahlleistungen) beihilfefähig. Dies gilt allerdings nicht für Beamte des Landes Niedersachsen, denn § 87 c Abs. 3 Satz 1 NBG schließt die Beihilfefähigkeit dieser Wahlleistungen ausdrücklich grundsätzlich aus. Diese Regelung gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht für Beihilfeberechtigte und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die entweder vor dem 1. Januar 2002 das 65igste Lebensjahr vollendet haben oder am 31. Dezember 2001 mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 behindert sind (Schwerbehinderte), solange diese andauert. Diese gesetzliche Regelung, die durch Art. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 vom 18. Dezember 2001 (Nds. GVBl. Seite 806) mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in das Gesetz eingefügt wurde, begegnet entgegen der Ansicht des Klägers keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) und auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamten (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 NBG) gebieten nicht, einem Beamten als Krankenversorgung mehr zu gewährleisten als das, was den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend dem Inhalt ihrer versicherungsrechtlichen Ansprüche als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird. Deswegen steht die Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen zur Disposition des jeweiligen Landesgesetzgebers und es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Leistungen eingeschränkt oder den Beamten nicht mehr als beihilfefähig anerkannt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. November 2002 - 2 BvF 3/99 - ZBR 2003, 245, [BVerfG 07.11.2002 - 2 BvF 3/99] Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1035/98 - ZBR 2003, 203, [BVerfG 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98]Beschluss vom 9. Juli 1999 - 2 BvR 1207/99 - ZBR 1999, 381). Auch kann nicht mehr davon ausgegangen werden - wie noch das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 28. November 1991 meinte (BVerwGE 89, 207 [BVerwG 28.11.1991 - BVerwG 2 N 1.89]) - Wahlleistungen gehörten zum bundeseinheitlichen Beihilfestandard. Denn dies ist durch die Rechtsentwicklung in den Bundesländern überholt, da zahlreiche Bundesländer die Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen nunmehr ausgeschlossen haben (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 23. April 2002 - 2 LB 3476/01 - Nds. VBl. 2003, 20).
Entgegen der Ansicht des Klägers stellt es auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar, dass die vor Erreichen der normalen Altersgrenze von 65 Jahren in den Ruhestand getretenen Beamten (sei aus Gründen der Dienstunfähigkeit, sei es auf Grund einer besonderen, an die betreffende Laufbahn anknüpfenden Dienstaltersgrenze) nicht mit denjenigen Versorgungsempfängern gleich behandelt werden, die vor dem 1. Januar 2002 das 65igste Lebensjahr vollendet haben. Zu Unrecht stellt in diesem Zusammenhang der Kläger darauf ab, dass es eine ungleiche Behandlung zwischen den "normalen" Pensionären und denjenigen Pensionären gebe, die etwa aufgrund einer Dienstunfähigkeit vorzeitig in Ruhestand getreten sind. Vielmehr handelt es sich bei der Regelung in § 87 c Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 NBG nur um eine schlichte zeitliche Übergangsregelung, die für einen bestimmten Personenkreis, der sich faktisch ständig verkleinert, eine Wahrung eines bislang erreichten Besitzstandes sichern will. Denn auch diejenigen "normalen" Pensionäre, die nach dem 1. Januar 2002 das 65igste Lebensjahr erst vollenden, werden ebenso wie der Kläger durch die Norm gleich behandelt. Gerade bei der Gestaltung von Übergangsvorschriften ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er eine günstige Rechtsfolge anknüpft. Ob die Auswahl sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, innerhalb derer dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum politischen Ermessens zusteht. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Er kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfGE 103, 310, 319 [BVerfG 04.04.2001 - 2 BvL 7/98] m.w.N.).
Derartige Grenzen wurden mit dem vorliegenden Gesetz nicht überschritten. Der Gesetzgeber war erkennbar von dem Gedanken bewegt, zum Stichtag 1. Januar 20002 nur einen sehr kleinen Kreis von Pensionären oder Schwerbehinderten in den Genuß der früheren Beihilferegelung kommen zu lassen. Soweit es im vorliegenden Falle den jüngeren, nicht schwerbehinderten Kläger betrifft, fällt es ersichtlich diesem Personenkreis, dem der Kläger zugehört, leichter, sich auf die gesetzlichen Änderungen bei der Beihilfe einzustellen. Insbesondere besteht ja keine Pflicht des Klägers, die von ihm geltend gemachte Versicherung abzuschließen. Denn auch sonst wird durch die neuen Beihilferegelungen ein sachgerechter Standard erreicht, ohne dass der Kläger gezwungen wäre, die von ihm behauptete Zusatzversicherung abzuschließen.
Hinzu kommt im vorliegenden Falle, dass er zwischen der vom Kläger im Wege des Schadensersatzes geforderten Übernahme der monatlichen Versicherungskosten und der Beihilfe nur eine indirekte Verbindung besteht. Grundsätzlich wird der Dienstherr dadurch seiner Fürsorgepflicht gerecht, dass er nach den Regelungen des Beihilferechtes Beihilfe zu einzelnen Krankheitsvorfällen bzw. den bei ihnen entstandenen Kosten Beihilfen leistet. Das führt dazu, dass der Dienstherr dann weniger Aufwendungen hat, wenn der betreffende Beamte und seine Familie gesund sind. Hier verlangt der Kläger hingegen, dass der Dienstherr ihm monatlich einen bestimmten Betrag bezahlt, ohne dass der Eintritt des Krankheitsfalles gewiss ist. Zwar mag es sein, dass nach der Lebenserfahrung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch der Kläger und seine Ehefrau möglicherweise einmal erkranken, so dass sie Versicherungsleistungen ihrer Privatversicherung in Anspruch nehmen, die gerade durch den vom Kläger abgeschlossen Vertrag abgedeckt sind. Indessen kann diese bloße Möglichkeit nicht ausreichen, eine regelmäßige Zahlungspflicht des Beklagten für die monatlich anfallenden Versicherungsprämien auszulösen.
Soweit es das Schadensersatzbegehren des Klägers betrifft, fehlt es auch an einem Verschulden der Bediensteten des Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - RiA 2002, 147).