Sozialgericht Stade
Urt. v. 12.09.2005, Az.: S 8 AS 6/05

Berücksichtigungsfähigkeit eines PKW als verwertbares Vermögen bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); Berurteilung der Angemessenheit eines Fahrzeugs in Bezug auf die Lebensumstände des Hilfebedürftigen; Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung der Mobilität eines Beziehers von staatlichen Fürsorgeleistungen

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
12.09.2005
Aktenzeichen
S 8 AS 6/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 33844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2005:0912.S8AS6.05.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Beklagte (ARGE Jobcenter E.) lehnte in den angefochtenen Bescheiden den Antrag des Klägers vom 16. November 2004, ihn und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (Alg II) ab 1. Januar 2005 zu zahlen, mit der Begründung ab, das auf den Bedarf anzurechende Vermögen der Bedarfsgemeinschaft übersteige den Freibetrag iHv 8.214,98 EUR, sodass kein Leistungsanspruch gegeben sei.

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Demgegenüber macht der Kläger geltend: Zu unrecht habe die Beklagte einen 2004 aus einer Lebensversicherung entnommenen Betrag von 17.300.- EUR als anrechenbares Vermögen angesehen, denn dieses Vermögen sei für seine Altersvorsorge bestimmt und deshalb gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II von der Verwertung ausgeschlossen. Darüber hinaus sei zu Unrecht der Pkw VW-Passat (Erstzulassung am 2. September 2003, Halterin: Ehefrau) mit seinem aktuellen Händlereinkaufswert iHv 14.428,- EUR als verwertbares Vermögen, soweit der Wert einen Freibetrag von 5.000,- EUR überschreitet, berücksichtigt worden, denn es handle sich bei dem Pkw um ein angemessenes und damit von der Verwertung ausgeschlossenes Kraftfahrzeug i.S. des § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II.

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Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm und seiner Ehefrau ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden, denn der Kläger und seine Ehefrau haben keinen Anspruch auf Alg ab 1. Januar 2005.

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Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig nur, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person (hier: die Ehefrau) nicht aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern kann. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sind nach § 12 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Dazu gehören auch Lebensversicherungen bzw. Beträge, die aus der Auszahlung einer Lebensversicherung resultieren. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB III sind allerdings geldwerte Ansprüche, die der Altersversorgung dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch 13.000,- EUR nicht übersteigt, von der Verwertung ausgeschlossen. Diese Voraussetzungen liegen hier bei dem vom Kläger im Dezember 2004 aufgelösten Lebensversicherungsvertrag nicht vor. Das Geld wurde auf das Girokonto des Klägers gezahlt und stand somit am 1. Januar 2005, dem Zeitpunkt des geltend gemachten Anspruchs, ohne jede Verwertungsbeschränkung zur Verfügung.

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Die Beklagte hat aucu den Pkw-Passat bei der Bedürftigkeitsprüfung zu Recht als verwertbares Vermögen mitberücksichtigt. Zwar ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Erwerbstätigen Hilfsbedürftigen. Dazu zählt der Pkw VW-Passat, der unstrittig zum Zeitpunkt der Antragstellung einen aktuellen Händlereinkaufswert inklusive Mehrwertsteuer von 14.428,- EUR hatte, nicht. Nach § 12 Abs. 3 S 2 SGB II sind für die Beurteilung der Angemessenheit die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen für Grundsicherung für Arbeitssuchende maßgebend. Dies bedeutet, bezogen auf einen Pkw, dass nur ein Fahrzeug angemessen ist, dass üblicherweise von Beziehern staatlicher Fürsorgeleistung gefahren wird. Dazu gehört entgegen der Auffassung des Klägers ein Mittelklassewagen in Wert von etwa 14.400,- EUR nicht mehr. Es kann offen bleiben, ob mit dem von der Beklagten angenommen Richtwert von 5.000,- EUR ein für die

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Aufrechterhaltung der Mobilität geeignetes sicheres und nicht reparaturträchtiges Fahrzeug gehalten oder erworben werden kann. Angesichts der Tatsache, dass derzeitig preisgünstige Neuwagen im Bereich der Kleinwagen, die für die Aufrechterhaltung der Mobilität eines Beziehers von staatlichen Fürsorgeleistungen ausreichend sind, zu einem Kaufpreis von unter 10.000,- EUR zu bekommen sind, ist jedenfalls ein Fahrzeug mit einem Händlereinkaufswert von über 10.000,- EUR nicht mehr angemessen i.S. des § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Selbst wenn man daher einen Höchstbetrag von etwa 10.000,- EUR für ein angemessenes Kraftfahrzeug bei der Vermögensberechnung berücksichtigt, bleibt ein das geschützte Vermögen übersteigender Betrag von etwas über 3.000,- EUR, sodass keine Bedürftigkeit i.S. des § 9 SGB II vorliegt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.