Sozialgericht Stade
Beschl. v. 14.04.2005, Az.: S 8 AS 23/05 ER

Eigenheimzulage als zu berücksichtigendes Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft bei Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
14.04.2005
Aktenzeichen
S 8 AS 23/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 36617
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2005:0414.S8AS23.05ER.0A

Tenor:

Der Antrag vom 8. März 2005 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Antragsgegnerin (AG) gewährt dem Antragsteller (AS) seit 20. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Alg II). Dabei rechnet sie auf den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft u.a. monatlich 1/12 der jährlichen Eigenheimzulage (7.925,02 EUR) in Höhe von 660,42 EUR abzüglich eines Freibetrages nach § 3 Nr. 1 Alg II-V von 30,00 EUR an. Dagegen richtet sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der AS macht geltend, die Eigenheimzulage dürfe nicht als anrechenbares Einkommen berücksichtigt werden, denn sie sei an die Sparkasse L. im Rahmen der Finanzierung seiner Eigentumswohnung abgetreten worden. Sie stehe deshalb zur Deckung des monatlichen Bedarfs nicht zur Verfügung.

2

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des AS vereitelt oder wesentlich erschwert wird; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für eine derartige Anordnung ist ein Anordnungsanspruch i.S. eines materiell rechtlichen Anspruchs sowie ein Anordnungsgrund i.S. einer besonderen Eilbedürftigkeit.

3

Ein Anordnungsanspruch liegt hier nicht vor, denn die AG hat die Eigenheimzulage zu Recht als nach § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen auf den Bedarf des AS und der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Die Eigenheimzulage ist eine Einnahme in Geld i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II und die Zulage fällt auch nicht unter Abs. 3 der Vorschrift. Danach ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen eine Einnahme, soweit sie als zweckbestimmte Einnahme einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dient. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II dienen der Sicherung des Lebensunterhalts, § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II. Die Eigenheimzulage dient keinem anderen Zweck i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, insbesondere ist sie nicht eine lediglich für den Wohnungsbau zweckbestimmte Leistung. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2003 5 C 41/02 (DVBl 2004, 54 ff) ausführlich dargelegt, dass in keiner der Vorschriften des Eigenheimzulagengesetzes eine bestimmte Zweckbestimmung ausdrücklich genannt wird, es dem Leistungsempfänger freisteht, ob bzw. in welchem Umfang er die Zulage tatsächlich zur Finanzierung eines Eigenheims verwendet und der Anspruch auf die Zulage auch dann nicht entfällt, wenn sie nachweislich nicht zur Deckung der mit dem Erwerb oder der Fertigstellung des Hauses verbundenen Aufwendungen eingesetzt wird und die subjektive Zweckbestimmung durch den Empfänger und eine tatsächliche Verwendung der Eigenheimzulage zur Herstellung oder Anschaffung selbst genutzten Wohneigentums die fehlende Zweckbestimmung durch das Gesetz nicht ersetzen kann. Die Kammer hält diese Entscheidung für überzeugend und schließt sich ihr deshalb an.

4

Unerheblich ist, dass die Eigenheimzulage für 2005 am 30. Dezember 2004 zur Sicherheit an die das Wohneigentum finanzierende Sparkasse L. abgetreten worden ist. Das BVerwG hat bereits in seinem Urteil vom 13. Januar 1983 5 C 114/81 (DVBl 1983, 849 ff) entschieden, dass Abtretungen bei der Bedarfsberechnung außer Betracht zu bleiben haben, weil sie der Tilgung von Schulden dienen, was nicht Aufgabe der Sozialhilfe sei. Als Einkommen ist nach dieser Entscheidung ein Betrag nur dann nicht anzusetzen, der dem Hilfesuchenden von vornherein aus einem Grund nicht zufließt, der ihm aufgezwungen ist, wie das z.B. bei einer Pfändung der Fall ist. Anders ist es bei einer Abtretung, die auf einer freiwilligen Disposition des Empfängers beruht. Es gilt deshalb der Grundsatz, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage bzw. für seinen Lebensunterhalt für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außer Stand setzt, anderweit bestehende Verpflichtungen (hier: die Tilgungsverpflichtung gegenüber der Sparkasse) zu erfüllen.

5

Im übrigen ergibt sicht aus der an das Finanzamt M. übermittelten Abtretungsanzeige, dass die Eigenheimzulage auf das Konto des Klägers N. bei der Sparkasse überwiesen worden ist. Zwar handelt es sich hierbei offensichtlich um das im Rahmen der Finanzierung errichtete Baukonto des AS, dennoch hat der AS als Kontoinhaber Zugriff auf den Geldbetrag und kann ihn deshalb auch tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhaltes verwenden. Soweit durch die Verpflichtung, die Eigenheimzulage zur Deckung des Lebensbedarfes zu verbrauchen, die Finanzierung des Wohneigentums und damit sein Erhalt (vgl § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) gefährdet werden könnte, wär dies durch eine entsprechende Anwendung des § 22, insbesondere Abs. 5 SGB II zu verhindern. Ob und in welchem Umfang derartige Leistungen in näherer oder fernerer Zukunft bei einer möglicherweise drohenden Beeinträchtigung des Tilgungsplanes durch eine Anrechnung der Eigenheimzulage zu erbringen sind, kann jedenfalls im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht dazu führen, die grundsätzlich gebotene Anrechnung entfallen zu lassen.

6

Nach § 2 Abs. 2 der aufgrund des § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) sind laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen (hier: Eigenheimzulage in jährlichen Zeitabständen) oder in unterschiedlicher Höhe zufließen, nach Abs. 3 der Vorschrift zu berücksichtigen. Danach hätte die im März ausgezahlte Eigenheimzulage richtigerweise bereits im März berücksichtigt werden müssen mit der Folge, dass für die Zeit ab Auszahlung der Eigenheimzulage kein Anspruch auf Alg II für einen Zeitraum beständen hätte, für den die Eigenheimzulage zur Deckung des gesamten Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft bis zum vollständigen Verbrauch zur Verfügung gestanden hätte - die Berechnung des Zeitraumes im Einzelnen wird durch § 2 Abs. 3 der Verordnung geregelt. Allerdings hat die AG zugunsten des AS die Eigenheimzulage nicht sofort in voller Höhe angerechnet mit der Folge eines zeitweisen Wegfalls des Leistungsanspruches, sondern monatlich nur 1/12 der Zulage angerechnet, um damit einen durchgehenden Leistungsbezug und eine damit einhergehende Rentenversicherungspflicht des AS nach § 3 S 1 Nr. 3a SGB VI sicherzustellen. Dies ist nicht zu beanstanden, denn die Bestimmung stellt in ihrer Ausgestaltung als Regelsollvorschrift klar, dass die Verwaltung in begründeten Einzelfällen von der in § 2 Abs. 3 der Verordnung vorgeschriebenen Berechnung abweichen kann, wenn die als Regelfall vorgeschriebene Anrechnungsweise eine besondere Härte für den Hilfebedürftigen (hier: zeitweiser Wegfall der Rentenversicherung) bedeuten würde.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.