Sozialgericht Stade
v. 13.07.2005, Az.: S 19 SO 22/05

Darlehen; Fahrtkosten; Regelbedarf

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
13.07.2005
Aktenzeichen
S 19 SO 22/05
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2005, 50852
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Berücksichtigung von Fahrtkosten neben dem Regelbedarf.

Tenor:

Der Bescheid vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2005 wird aufgehoben, der Bescheid vom 8. Dezember 2004 wird abgeändert.

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, der Klägerin zu 2. monatlich 35,02 EUR ab 1. Januar 2005 darlehensweise zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte zu 2. erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten des Klägers zu 1. sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin zu 2. bezieht für sich und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Söhne ... und ... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Alg II), der Kläger zu 1. bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Den Eltern entstehen monatliche Kosten von 51,80 EUR für Fahrten des Sohnes E. zum Gymnasium in F.. Ihre Anträge, diese Fahrkosten zusätzlich zu den Regelleistungen nach §§ 20, 28 SGB II bzw 28 SGB XII zu erstatten, lehnten die Beklagten mit der Begründung ab, Fahrkosten seien grundsätzlich durch die Regelsätze pauschal abgegolten, eine Erstattung sei daher ausgeschlossen.

2

Der Kläger zu 1. beantragt,

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die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihm 51,80 EUR monatlich seit 1. Januar 2005 zu zahlen.

4

Die Klägerin zu 2. beantragt,

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den Bescheid vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 8. Dezember 2004 abzuändern und die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihr 51,80 EUR monatlich seit Januar 2005 zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klagen abzuweisen.

8

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise unzulässig, teilweise begründet.

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Die Klage des Klägers zu 1. ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1. richtet, weil dieser rechtsmittelfähige Bescheide über den geltend gemachten Anspruch nicht erlassen hat. Soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2. richtet, ist sie unbegründet, da es um einen Anspruch des Sohnes E. auf Erhöhung des Sozialgeldes geht und ein derartiger Anspruch nur von der Klägerin zu 2. als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft (vgl § 38 SGB II) geltend gemacht werden kann.

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Die Klage der Klägerin zu 2. ist teilweise begründet. Nach §§ 20, 28 SGB II umfassen die Regelleistungen/Sozialgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Nach allgemeiner übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur umfasst die Regelleistung auch die Aufwendungen für Verkehr, und zwar in Anlehnung an die Durchführungshinweise der Bundesagentur zu § 20 SGB II in Höhe von etwa 6 % des Regelbedarfs. Dies entspricht beim Sozialgeld des Sohnes E. von 276,00 EUR einem Betrag von 16,65 EUR. Die tatsächlichen Aufwendungen für die Schülermonatskarte für die Fahrten zum Gymnasium in F. liegen mit 51, 80 EUR erheblich darüber und werden von dem für Verkehrsaufwendungen bezweckten Teil des Sozialgeldes bei weitem nicht abgesichert. Für diesen Fall bestimmt § 23 Abs 1 S 1 SGB II, dass dem Hilfebedürftigen in Höhe des nicht gedeckten Bedarfes ein entsprechendes Darlehen zu gewähren ist. Die Beklagte zu 2. ist deshalb verpflichtet, den Differenzbetrag von 35,02 EUR (51,80 EUR abzüglich 16.56 EUR) ab Beginn des Leistungsanspruches am 1. Januar 2005 monatlich als Darlehen an die Klägerin zu 2. als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft nach § 38 SGB II zu zahlen. Für die nach Wegfall des zusätzlichen Bedarfs von der Beklagten zu 2. nach § 23 Abs 1 S 2 SGB II zu treffenden Entscheidung, ob und in welcher Höhe das Darlehen zu tilgen ist, wird § 44 SGB II zu beachten sein, wonach Ansprüche vom Leistungsträger zu erlassen sind, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

12

Soweit die Klägerin zu 2. eine volle Übernahme der Kosten für die Schülermonatskarte von 51,80 EUR begehrt, ist die Klage unbegründet, denn dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. § 23 Abs 3 SGB II zählt abschließend Leistungen für Bedarfe auf, die nicht durch die Regelsätze bzw das Sozialgeld abgedeckt sind. Darunter fallen die geltend gemachten Fahrkosten nicht. Ansprüche nach dem Niedersächsischen Schulgesetz bestehen ebenfalls nicht, wie der Beklagte zu 1. in seinem Schriftsatz vom 29. April 2005 überzeugend dargelegt hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

14

Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung gem § 144 SGG zugelassen worden.