Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.11.2003, Az.: 3 B 457/03
Eingliederungshilfe; vorläufige Leistungen; Weiterleitung; Zuleitung; Zuständigkeitsstreit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 13.11.2003
- Aktenzeichen
- 3 B 457/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48324
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 44 BSHG
- § 43 Abs 1 SGB 1
- § 41 SGB 8
- § 14 SGB 9
- § 123 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die spezielle Zuständigkeitsvorschrift des § 14 SGB IX geht der Regelung des § 43 Abs. 1 SGB I bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren Sozialleistungsträgern regelmäßig vor (zu den Ausnahmen vgl. B. d. Kammer v. 12.06.2003 - 3 B 268/03).
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden für nicht erstattungsfähig erklärt.
Gründe
I. Die am 22.07.1977 geborene Antragstellerin leidet nach einem Gutachten der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik B. vom 17.06.2002 nach einer erlebten Traumatisierung an verschiedenen psychischen Störungen. Aufgrund dessen wurde sie langjährig, seit dem 18. Lebensjahr, von der Einrichtung „Kinder- und Jugendhilfe C.“ der Diakonischen Heime D. betreut, wobei die Kosten hierfür bis zum 26.03.2002 von dem beigeladenen Landkreis, in dem die Antragstellerin zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, gemäß § 41 i. V. m. § 35a KJHG übernommen wurden. In der Zeit vom 26. März 2002 bis zum 18.06.2002 befand sich die Antragstellerin zum zweiten Mal in der Medizinisch-Psychosomatischen Klink B. in stationärer Langzeitbehandlung. Zuvor bewohnte sie eine von den Diakonischen Heimen in D. angemietete Wohnung und wurde hierin von der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe C. betreut, wobei von dem beigeladenen Landkreis als Jugendhilfeträger für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis zum 26.03.2002 gemäß Bescheid vom 27.03.2002 die Kosten für eine „ambulante Betreuung“ von bis zu 18 Stunden monatlich sowie die Kosten für den Lebensunterhalt, Miete und Taschengeld aus Jugendhilfemitteln übernommen wurden. Den Antrag der Antragstellerin vom 15.04.2002 auf weitere Finanzierung der Wohnung und des Taschengeldes für die Dauer ihres Klinikaufenthaltes in B. lehnte der beigeladene Landkreis mit Bescheid vom 16.05.2002 mit der Begründung ab, dass es sich bei den beantragten Leistungen um rein wirtschaftliche Hilfen handele. Gegen die Bescheide des beigeladenen Landkreises legte die Antragstellerin keinen Widerspruch ein.
Am 17.07.2002 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe für ihre weitere Betreuung in der Wohnung der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe C. mit einer Betreuung im ähnlichen Stundenumfang gemäß § 39 BSHG unter Hinweis darauf, dass sie bisher vom Jugendamt des beigeladenen Landkreises nach § 35a KJHG finanziert worden sei. Diesen Antrag leitete der Antragsgegner mit Schreiben vom 18.07.2002 an den beigeladenen Landkreis unter Hinweis auf § 41 i. V. m. § 35a KJHG weiter mit der Begründung, dass die Jugendhilfe ggf. bis zum 27. Lebensjahr zu gewähren sei und es sich bei der gewährten Hilfe eindeutig um Jugendhilfe handele sowie mit dem weiteren Hinweis, dass auch die Zuständigkeit nach dem Bundessozialhilfegesetz bei dem Beigeladenen liege, da die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in „C.“ in dem Bereich des Beigeladenen begründet hatte. Diesen Antrag reichte der Beigeladene an den Antragsgegner mit der Begründung zurück, dass Jugendhilfemaßnahmen bestandskräftig abgelehnt seien und auch erneute Jugendhilfemaßnahmen aufgrund des Alters der Antragstellerin nicht in Betracht kämen. Im Übrigen sei wegen der Unterbrechung der Hilfegewährung für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten – tatsächlich befand sich die Antragstellerin weniger als diese Monate in der Klinik - die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers gemäß § 86a KJHG nicht mehr gegeben. Die Antragstellerin sei darüber hinaus dem Personenkreis nach §§ 39, 40 BSHG zuzurechnen, da sie nicht nur vorübergehend seelisch behindert sei. Eine der in der Vereinbarung über „Abgrenzungsfragen, Jugendhilfe und Sozialhilfe“ des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben beschriebenen Ausnahmen sei im Falle der Antragstellerin nicht gegeben. Mit Schreiben vom 02.08.2002 reichte der Antragsgegner den Antrag wiederum an den beigeladenen Landkreis zurück mit der Begründung, dass dessen Zuständigkeit auch nach § 97 Abs. 2 BSHG gegeben sei, da die Antragstellerin fortlaufend in stationärer Behandlung gewesen und nach der stationären Krankenhausbehandlung in der Klinik B. in die betreuende Einrichtung nach C. zurückgekehrt sei. Eine Hilfegewährung nach § 43 SGB I komme nicht in Betracht, zumal der Antrag rechtzeitig unter Einhaltung der 14tägigen Frist in § 14 SGB IX an den beigeladenen Landkreis weitergereicht worden sei.
Mit Schreiben vom 19.08.2002 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner erneut die Gewährung von Eingliederungshilfe und vorläufige Leistungen gemäß § 43 SGB I unter Hinweis darauf, dass der beigeladene Landkreis ihre Anträge vom 09.04. und vom 30.07.2002 abschlägig beschieden habe. Auch diesen Antrag leitete der Antragsgegner an den beigeladenen Landkreis weiter, der daraufhin mit Schreiben vom 16.10.2002 die Auffassung vertrat, seine örtliche Zuständigkeit habe geendet, da die der Antragstellerin ab 01.12.2001 gewährte Hilfe nicht im Rahmen einer stationären Unterbringung erfolgt sei, sondern in einer ambulanten Hilfeform, in die die Antragstellerin zum 01.12.2001 gewechselt sei. Nach seiner durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2002 bestätigten Rechtsauffassung habe mit dem Wechsel von stationärer zu ambulanter Hilfe die örtliche Zuständigkeit nach § 97 Abs. 2 BSHG geendet. Sie sei nach § 97 Abs. 1 BSHG neu zu bestimmen.
Zu einer Entscheidung über den Hilfeantrag der Antragstellerin kam es wegen der fortbestehenden Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen dem Antragsgegner und dem beigeladenen Landkreis nicht, wobei der Antragsgegner unter Hinweis auf entsprechende frühere Entscheidungen, u. a. des Bundesverwaltungsgerichts, bei der Auffassung verblieb, die der Antragstellerin durch die Jugendhilfeeinrichtung „C.“ gewährte Hilfe stelle eine stationäre Hilfe in einer Einrichtung dar. Nachdem offenbar am 19.05.2003 eine persönliche Vorsprache der Antragstellerin und eines Mitarbeiters der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe C. bei dem Antragsgegner stattgefunden hatte, verdeutlichte der Antragsgegner in einem Schreiben an den beigeladenen Landkreis seine Rechtsauffassung nochmals unter Hinweis darauf, dass die Antragstellerin nach wie vor stationär betreut werde, da die Wohnung der Antragstellerin von der Einrichtung angemietet sei. Eine Unterbrechung der stationären Hilfe habe auch während des Klinikaufenthaltes der Antragstellerin vom 26.03.2002 bis 18.06.2002 nicht stattgefunden. Im Übrigen habe der beigeladene Landkreis im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Leistung an die Antragstellerin erbringen müssen.
Nachdem sich die Antragstellerin danach wiederum längerfristig in klinischer Betreuung in der Klinik in B. befand, stellte sie, nunmehr anwaltlich vertreten, am 2. September 2003 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Kostenübernahme für ihre vollstationäre Betreuung in der Einrichtung „Jugendwohnung e. V.“ in E. unter Hinweis darauf, dass nach der Therapie in der Psychosomatischen Klinik, die voraussichtlich bis Mitte September dauere, ein nahtlos anschließender Übergang in eine stationäre betreute Wohnform unbedingt erforderlich sei. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das Sozialamt des Antragsgegners gemäß § 97 Abs. 2 BSHG zuständig sein könnte. Diesen Antrag leitete der Antragsgegner am 08.09.2003 unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX mit der Bitte um Entscheidung an den beigeladenen Landkreis weiter. Dieser vertiefte daraufhin mit Schreiben vom 17.09.2003 seine Auffassung und reichte den Antrag zurück mit dem Bemerken, offensichtlich sei die Frage der Zuständigkeit nicht unstreitig zu klären. Daraufhin leitete der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG an die beigeladene Stadt weiter, die mit Schreiben vom 15.10.2003 ebenfalls ihre Zuständigkeit verneinte. Die vom beigeladenen Landkreis weitergeleiteten Anträge auf Hilfeleistung für die therapeutische Wohngemeinschaft der Jugendwohnung e. V., in der sich die Antragstellerin seit dem 10.09.2003 aufhält, wurden vom Antragsgegner nicht beglichen. Ein erneuter Antrag gemäß § 43 SGB I an den Antragsgegner zur vorläufigen Kostenübernahme wurde vom Antragsgegner unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach gegebene vorläufige Zuständigkeit der beigeladenen Gebietskörperschaften nach § 14 SGB IX abgelehnt. Nachdem die Einrichtung die Kündigung des Betreuungsplatzes zum 15.11.2003 ausgesprochen hatte, beantragte die Antragstellerin am 29.10.2003 den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig die Kosten für den stationären Aufenthalt der Antragstellerin in der Einrichtung „Jugendwohnung e. V.“ E. zu übernehmen.
Nach Auffassung der Antragstellerin ergibt sich die vorläufige Zuständigkeit des Antragsgegners jedenfalls aus § 43 Abs. 1 SGB I, der wegen der geschilderten Streitigkeiten über die Zuständigkeit auch Vorrang vor einer Zuständigkeit gemäß § 14 SGB IX habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er beruft sich zur Begründung auf seine im Verwaltungsverfahren geäußerte Rechtsauffassung.
Die Beigeladenen berufen sich ebenfalls unter Wiederholung ihrer im Verwaltungsverfahren geäußerten Rechtsauffassung darauf, dass sie für die Hilfegewährung nicht zuständig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, vorläufig die Kosten der stationären Unterbringung der Antragstellerin in der stationären Einrichtung „Jugendwohnung e. V.“ gemäß § 43 SGB I zu übernehmen, ist nicht begründet. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen und zulässigen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr aus § 43 Abs. 1 SGB I ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte Maßnahme gegen den Antragsgegner zusteht.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da nach Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Zahlung und Übernahme von Geldleistungen, wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird, im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Regel nur ausgesprochen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht sind und weiterhin glaubhaft gemacht wird, dass die begehrte Hilfe aus existenzsichernden Gründen so dringend notwendig ist, dass der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe sofort befriedigt werden muss und es deshalb nicht zumutbar ist, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).
Ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Gewährung der begehrten Hilfe im Wege vorläufiger Leistungen gegen den Antragsgegner folgt entgegen ihrer Ansicht nicht aus § 43 Abs. 1 SGB I, da dieser Regelung die Zuständigkeitsregelung nach § 14 SGB – 9. Buch – (SGB IX) (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 – BGBl. I, S. 1046) grundsätzlich vorgeht mit der Folge, dass im vorliegenden Fall auch für die Gewährung vorläufiger Leistungen an die Antragstellerin der Beigeladene zu 2) zuständig ist.
Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin durch Vorlage von Bescheinigungen der behandelnden Klinik glaubhaft gemacht, dass bei ihr eine Behinderung vorliegt, die spezielle Maßnahmen der Teilhabe im Sinne von § 5 SGB IX erforderlich macht. Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass hierfür die Betreuung der Antragstellerin in der Einrichtung „Jugendwohnung e. V.“ eine geeignete und erforderliche Sozialleistung darstellt. Streit zwischen den angegangenen Trägern der Sozialhilfe bzw. Jugendhilfe besteht allein hinsichtlich der jeweiligen Zuständigkeit. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin folgt die Zuständigkeit für die von ihr erstrebte vorläufige Leistungsgewährung aber nicht aus § 43 SGB I, sondern ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX. Der Antragsgegner hat den Antrag der Antragstellerin auf Hilfegewährung, der sich als Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe im Sinne von § 5 SGB IX darstellt, entsprechend der Regelung des § 14 SGB IX wirksam an den beigeladenen Landkreis weitergeleitet. Die Vorschrift des § 14 SGB IX hat als Zuständigkeitsvorschrift, mit der auch die vorläufige Zuständigkeit geregelt wird, für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen für die Rehabilitationsträger grundsätzlich abschließenden Charakter, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im 1. Buch Sozialgesetzbuch und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht (vgl. VGH München, B. v. 17.09.2002 – 12 CE 02.688 – unter Ziff . 2 A der Entscheidungsgründe in FEVS 54, S. 264 ff., VG Oldenburg, B. v. 22.03.2002 – 3 B 1971/02 -, OVG Lüneburg, B. v. 22.04.2002 – 12 ME 346/02 -, mit dem das Oberverwaltungsgericht die Überlegungen des VG Oldenburg zum Verhältnis von § 14 SGB IX zu § 43 SGB I billigt, Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti – HK-SGB IX, § 14 Rz. 3 und Haines in LPK, SGB IX, § 14 Rz. 12). Mit der Vorschrift des § 14 SGB IX soll dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, im Interesse von Behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 95, 120) sollen damit Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage einschließlich der vorläufigen Leistungserbringung bei ungeklärter Zuständigkeit oder bei Eilbedürftigkeit nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen. Das Verwaltungsverfahren soll durch rasche Zuständigkeitsklärung deutlich verkürzt werden, damit die Berechtigten die erforderlichen Leistungen schnellstmöglich erhalten. Die Vorschrift soll für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen eine für die Rehabilitationsträger abschließende Regelung enthalten, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im 1. Buch und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgehen und die Fälle der Feststellung der Leistungszuständigkeit erfassen. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmt zur Zuständigkeit Folgendes:
„Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistungen zuständig ist, ... Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistungen nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu.“
Mit dieser Zuleitung wird die vorläufige Zuständigkeit des zweiten Rehabilitationsträgers gesetzlich bestimmt (vgl. Haines in LPK-SGB IX, § 14 Rz. 11). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine gesetzliche Zuständigkeitsbestimmung dahingehend, dass der beigeladene Landkreis als Rehabilitationsträger, an den der Antrag vom zuerst angegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet wurde, gegeben. Denn der Antragsgegner hat den Antrag vom 1. September 2003 am 9. September 2003 und damit innerhalb der 2-Wochenfrist des § 14 SGB IX unverzüglich unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an den beigeladenen Landkreis übersandt, wobei er auf die zwischen dem Antragsgegner und dem beigeladenen Landkreis bekannten unterschiedlichen Auffassungen hingewiesen hat. Grundsätzlich ist bei der Weiterleitung gemäß § 14 SGB IX zu verlangen, dass der zuerst angegangene Rehabilitationsträger tatsächlich eine Prüfung seiner Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit vornimmt und bei einer Weiterleitung seine Unzuständigkeit begründet und dokumentiert sowie explizit auf die geprüften Regelungen Bezug nimmt, um den anderen Träger von der Rechtslage in Kenntnis zu setzen. Zweifel an der eigenen Zuständigkeit genügen für eine Weiterleitung danach nicht (vgl. Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX: § 14 Rn. 24 sowie B. d. Kammer v. 12.06.2003 – 3 B 268/03 -, bestätigt durch Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, B. v. 23.07.2003 – 12 ME 297/03 -). Diese Voraussetzungen erfüllt die von dem Antragsgegner vorgenommene Weiterleitung des Antrags vom 1. September 2003 im Zusammenhang mit der jeweils ausführlich aus dem vergangenen Schriftwechsel ersichtlichen Prüfung und Verneinung der eigenen Zuständigkeit für die begehrte Hilfeleistung. Ein Fall, in dem der Leistungsträger seine Zuständigkeit nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen klären kann oder in dem bloße Zweifel des Leistungsträgers an seiner Zuständigkeit bestanden, die innerhalb der 2-Wochenfrist nicht geklärt werden konnten (vgl. hierzu B. d. Kammer v. 12.06.2003), liegt vorliegend nicht vor.
Als spezielle Zuständigkeitsvorschrift geht die Regelung des § 14 SGB IX der Regelung des § 43 Abs. 1 SGB I auch in den Fällen wie dem vorliegenden vor, in denen der Leistungsträger, an den der Antrag weitergeleitet wird, seinerseits seine Zuständigkeit bestreitet. Zwar findet sich insbesondere in der Kommentierung von Mrozynski, SGB I, § 43 Rz. 6 ff., eine beachtliche Kritik an der Geeignetheit der Regelung, die vielfältigen, in der Regel zu Lasten der Hilfesuchenden und hier der behinderten Menschen gehenden Streitigkeiten der Leistungsträger untereinander über die Zuständigkeit zu beheben. Zuzustimmen ist auch der Auffassung von Mrozynski, dass bei der Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die Vorleistung darauf zu achten ist, dass derjenigen Auslegung der Vorzug gegeben wird, die den einfachsten Zugang zu den Sozialleistungen ermöglicht. Die Kammer folgert daraus aber nicht, dass in all den Fällen, in denen sowohl der erstangegangene Rehabilitationsträger als auch der Rehabilitationsträger, an den gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX dieser nach Prüfung seiner Zuständigkeit den Antrag weiterleitet, seine Zuständigkeit bestreiten, wiederum die Vorschrift des § 43 SGB I Anwendung finden soll. Denn damit würde der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX für den Betroffenen auf die Fälle verkürzt, in denen der zweitangegangene Leistungsträger in Anwendung dieser Vorschrift tatsächlich leistet und tätig wird mit der Folge, dass sich der behinderte Mensch ggf. wieder auf die Regelung des § 43 SGB I verweisen lassen müsste, die gegenüber der spezielleren Vorschrift des § 14 SGB IX mit der in § 43 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. SGB I vorgesehenen Monatsfrist, die nach Eingang des Antrages auf vorläufige Leistungen beginnt, dem Sozialleistungsträger längere Fristen für den Beginn der Hilfeleistung lässt als § 14 SGB IX für erforderliche Rehabilitationsleistungen. Die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX wird im vorliegenden Fall auch nicht durch speziellere Zuständigkeitsregelungen im BSHG verdrängt. Die für die hier begehrte Eingliederungshilfe in § 44 BSHG geregelte vorläufige Hilfeleistung ist nur anzuwenden, wenn unklar ist, ob der Träger der Sozialhilfe oder ein anderer Sozialleistungsträger zur Hilfe verpflichtet ist. Bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren Trägern der Sozialhilfe, wie er hier vorliegt, lässt sich aus § 44 BSHG eine vorläufige Leistung nicht begründen (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 44 Rz. 10). Ebenso wenig liegt ein Fall des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG vor. Zum einen ist § 14 SGB IX auch gegenüber der Zuständigkeitsregelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 vorrangig (vgl. Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, § 14 Rz. 3). Zum anderen ist im vorliegenden Fall nicht streitig, wo der gewöhnliche Aufenthalt der Antragstellerin war, sondern es ist streitig, ob sie während ihres Aufenthaltes im Bereich des Antragsgegners stationär untergebracht war oder nicht. Eine Zuständigkeit der beigeladenen Stadt kommt daher nach dieser Vorschrift nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 i. V. m. § 188 Satz 2 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen eigenen Antrag gestellt haben. Dem beigeladenen Landkreis konnten die Kosten deswegen auch nicht gemäß § 154 Abs. 3 VwGO auferlegt werden.