Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 04.11.2003, Az.: 5 A 308/03

Doppelehe; Einbürgerung; Einbürgerungsurkunde; Ermessen; Pakistan; Rücknahme; Staatenlos; Zwangsgeld

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
04.11.2003
Aktenzeichen
5 A 308/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48364
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Rücknahme der Einbürgerung eines vormals pakistanischen Staatsangehörigen, der bei Einbürgerungsantragstellung nicht angegeben hat, neben seinen deutschen "Ehefrauen" auch eine pakistanische Ehefrau mit drei Kindern zu haben.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.

2

Er wurde am B. in C. /Pakistan als pakistanischer Staatsangehöriger geboren und hat angegeben, islamischen Glaubens zu sein.

3

Im November 1977 reiste er erstmals nach Deutschland und meldete sich als asylsuchend. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid vom 29. November 1979 abgelehnt. Dieser Bescheid wurde mit rechtskräftigem Verfahrensabschluss beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin im Februar 1982 bestandskräftig. Während seines Aufenthalts in Deutschland wurde der Kläger Vater seines nichtehelich geborenen Sohnes mit Namen D., geboren im Februar E., und zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Der Kläger reiste nach Aktenlage im März 1982 wieder nach Pakistan zurück.

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Wie sich nachfolgend herausstellte, heiratete der Kläger (nach islamischen Ritus) am F. in Pakistan die G. geborene H.. Aus dieser Ehe soll der im August I. Sohn J. hervorgegangen sein; die in Pakistan hierüber vorgelegte Geburtsurkunde wurde jedoch verspätet ausgestellt.

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Im November 1985 reiste der Kläger erneut nach Deutschland ein und stellte einen Asylfolgeantrag, in dem er sich als ledig bezeichnete. Der Folgeantrag wurde im Dezember 1985 vom Beklagten für unbeachtlich angesehen. Der Bescheid wurde nach Rücknahme der dagegen gerichteten Klage im Februar 1986 bestandskräftig. Im selben Monat gab der Kläger an, Frau K., die Mutter seines Sohnes L., heiraten zu wollen. In diesem Zusammenhang legte der Kläger unter anderem eine - angeblich - von seinem Vater stammende Erklärung vor, wonach er unverheiratet sei ( „still unmarried“). Im Juni 1986 erklärte Frau M., dass sie den Kläger nicht mehr heiraten wolle. Einen Tag später beantragte der Kläger beim Standesamt in Helmstedt die Bestellung eines Aufgebots zur Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen N.. Sie würden sich bereits seit längerer Zeit kennen und wollten heiraten. Der zuständige Standesbeamte lehnte die Eheschließung wegen des Verdachts auf eine Scheinehe ab. Der Kläger reiste daraufhin im Juli 1986 nach Pakistan aus. Im August 1986 wurde er (in Abwesenheit) wegen Verletzung seiner Unterhaltspflicht hinsichtlich seines Sohnes D. vom Amtsgericht Warendorf zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

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Im September 1986 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er gab dabei an, seit dem O. mit Frau P. verheiratet zu sein. Die Eheschließung soll durch einen Mitarbeiter der „orthodoxen Kirche von Pakistan in Q.“ erfolgt sein; nach dem Vermerk auf dem Stempel der Deutschen Botschaft zur Legalisation dieser Urkunde sollen die „Eheleute“ der Botschaft einige Tage zuvor eine Heiratsurkunde über eine vor einem Mullah geschlossene Ehe vorgelegt haben. Der Kläger erhielt zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im November 1986 eine zunächst befristete Aufenthaltserlaubnis. Nach den Angaben von Frau R. im Scheidungsverfahren trennte sie sich Ende Juli 1989 vom Kläger und zog aus der Ehewohnung aus. Am 21. August 1989 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Er gab dabei an, seit August 1986 verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 16 der Beiakte G Bezug genommen. Daraufhin erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 27. August 1989 soll in C. /Pakistan die von dem Kläger später als seine weitere Tochter bezeichnete S. geboren worden sein; hinsichtlich der Bedenken gegen die Gültigkeit der insoweit ausgestellten Geburtsurkunde wird auf den Bericht des Vertrauensanwaltes der Deutschen Botschaft vom 2.5.2001 Bezug genommen. Am T. wurde der Sohn U. aus der Verbindung des Klägers mit Frau R. geboren. Die „vor der Orthodoxen Kirche von Pakistan geschlossene Ehe“ zwischen dem Kläger und Frau R. wurde mit Urteil vom Juni 1991 „geschieden“, rechtskräftig seit dem 23. 7. 1991. Die elterliche Sorge für U. wurde Frau R. übertragen. Kurz vor der (rechtskräftigen) Ehescheidung, am 15. Juli 1991, hatte der Kläger noch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gestellt, den er nach Hinweis auf die nach der Ehescheidung nicht mehr gegebenen Voraussetzungen zurücknahm.

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Nach einem von ihm vorgelegten „Trauschein“ „heiratete“ der Kläger daraufhin im Juli 1994 in Dänemark die deutsche Staatsangehörige V. und stellte erneut den Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung. Diese wurde ihm dann im September 1994 (ohne Nebenbestimmungen) erteilt. Aus der Verbindung mit W. ging im August 1995 das Kind X. hervor.

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Im April 1995 beantragte der Kläger erstmals seine Einbürgerung und gab dabei an, seit Juli 1994 verheiratet zu sein und zuvor von 1986 bis 1991mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet gewesen zu sein. Als Kinder gab er U. und X. an. Sein Lebenslauf enthielt keine Hinweise auf sein nichteheliches Kind in Deutschland, seine „Kinder“ in Pakistan sowie die dortige Eheschließung. Der Kläger wurde im Mai 1995 von dem Beklagten darauf hingewiesen, dass er die für eine Einbürgerung gemäß § 86 AuslG a. F. erforderlichen 15 Jahre Aufenthaltsdauer in Deutschland noch nicht erreicht habe und frühestens im Folgejahr nach § 8 bzw. § 9 RuStAG eingebürgert werden könne. Er erklärte sich damit einverstanden, dass sein Antrag bis dahin ruhe. Das Antragsverfahren wurde dementsprechend im Oktober 1996 von dem Beklagten wieder aufgenommen und die Akten im April 1997 an die damals insoweit noch zuständige Bezirksregierung Braunschweig weiter geleitet. Wie der Kläger nunmehr angibt, ging im Februar bzw. Ende April 1997 aus seiner Ehe mit Frau Y. das Kind Z. hervor; wegen der Bedenken gegen die Gültigkeit der in Pakistan ausgestellten Geburtsurkunde wird nochmals auf den o.a. Bericht des Vertrauensanwaltes der Deutschen Botschaft Bezug genommen. Ende Mai 1997 erhielt der Kläger von der Bezirksregierung Braunschweig eine Einbürgerungszusicherung. Er stellte damit einen Antrag auf Entlassung aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit. Dabei bezeichnete er sich als verheiratet, gab aber den Namen seiner Ehefrau(-en) nicht an. Danach wurde er im Oktober 1997 aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit entlassen und am 12. Januar 1998 in Deutschland eingebürgert.

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Im Januar 1999 trennte er sich von Frau W.. Die „Ehe“ wurde im Oktober 2000 geschieden. Nach Aktenlage sollte die (gemeinsame) „elterliche“ Sorge nach der „Scheidung“ fortbestehen. Im Rahmen dieses Verfahrens gab der Kläger an, arbeitslos zu sein und auf die Rente zu warten; wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte C Bezug genommen.

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Im Januar 2001 stellte Frau AA. in Pakistan mit den drei vorbenannten Kindern J., S. und AB. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in Form des Visums zum Zweck der „Familienzusammenführung“ zum „Ehemann“ bzw. „Vater“, dem Kläger. Nach Überprüfung kam der Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in Pakistan zu dem Ergebnis, dass die o.a. vermeintliche Heiratsurkunde der orthodoxen Kirche von Pakistan in Q. eine Fälschung sei; eine entsprechende Kirche gebe es in Pakistan nicht. Die vorgelegten Geburtsurkunden der „Kinder“ des Klägers seien aus den unterschiedlichen Gründen ungültig. Gültig sei hingegen die nach islamischen Recht erfolgte Eheschließung mit Frau H..

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Der Beklagte hörte den Kläger deshalb im August 2001 zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an. Die anwaltlich angekündigte Stellungnahme hierzu erfolgt nicht. Daraufhin nahm der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2001, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, gestützt auf § 48 VwVfG kostenpflichtig die Einbürgerung des Klägers wegen arglistiger Täuschung über die Einbürgerungsvoraussetzungen mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2.000 DM zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde binnen zwei Wochen nach „Rechtskraft“ des Bescheides auf. Die aufgrund der „Eheschließung“ mit einer Deutschen nach §§ 8,9 RuStAG erfolgte Einbürgerung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da es sich um Nicht- bzw. Doppelehen gehandelt und der Kläger sich damit jedenfalls nicht - wie für eine Einbürgerung erforderlich - in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet habe. Artikel 16 Abs. 1 GG stehe auch bei Annahme der Staatenlosigkeit des Klägers im Falle der Rücknahme seiner Einbürgerung dieser nicht entgegen. Denn der Kläger habe die Möglichkeit, auf die Wiedererlangung der pakistanischen Staatsangehörigkeit hinzuwirken. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers stehe der Einbürgerungsrücknahme nicht entgegen, da er arglistig seine Ehe mit der pakistanischen Staatsangehörigen und die daraus hervorgegangenen Kinder verschwiegen habe.

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Der Bescheid wurde dem (vormaligen) Bevollmächtigten des Klägers nach dessen Angaben am 19.11.2001 übersandt. Er legte am 19.12.2001 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde auf den zwischenzeitlich „16-jährigen rechtmäßigen Aufenthalt“ des Klägers in Deutschland und die „zweifellos gegebene soziale Integration“ hingewiesen, obschon „nach traditioneller deutscher Betrachtungsweise möglicherweise atypische Familienverhältnisse vorlägen“. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen Bigamie (wegen Verjährung) eingestellt worden ist, sodass nichts Verwertbares dafür hätte beigebracht werden können, „dass die von Herrn AC. in Deutschland geschlossenen Ehen ernsthafter Natur waren und schützenswert waren ...“.

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Die Bezirksregierung Braunschweig wies mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2003, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Widerspruch des Kläger zurück. Die Voraussetzungen des auch auf die Rücknahme der Einbürgerung anwendbaren § 48 VwVfG seien gegeben. Der Kläger habe durch Nichtangabe der weiteren „Eheschließung“ bewusst über seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse als Einbürgerungsvoraussetzung getäuscht, sodass kein schutzwürdiges Vertrauen seinerseits gegeben sei. Die zutreffende Ermessenentscheidung falle deshalb zu seinem Nachteil aus. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, nunmehr einen Einbürgerungsanspruch zu besitzen. Mit Schreiben vom 11.7.2003 verwies die Bezirksregierung Braunschweig den Beklagten ergänzend auf die Prüfung, ob die dem Kläger erteilten Aufenthaltsgenehmigungen aufzuheben sind.

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Der Kläger hatte bereits zuvor am 20. Juni 2003 - ursprünglich als Untätigkeitsklage - den Verwaltungsrechtsweg beschritten und dazu ursprünglich vorgetragen, dass § 48 VwVfG auf die Rücknahme der Einbürgerung unanwendbar sei. Er habe ein unverzügliches Klärungsinteresse, weil von seinen staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnissen der Nachzug der „Ehefrau und der Kinder“ abhänge. Mit Schreiben von Oktober 2003 ist ergänzend behauptet worden, dass es im Widerspruchsschreiben richtig habe heißen müssen, dass die vom Kläger geschlossenen Ehen in Deutschland ernsthafter Natur und schützenswert gewesen wären. Die von ihm vorgelegte „Heiratsurkunde“ vom August 1986 sei echt. Selbst wenn man die Rücknahmemöglichkeit nach § 48 VwVfG bejahe, bleibe es bei einer Ermessensentscheidung. Die Entscheidung des Beklagten sei jedoch ermessensfehlerhaft. Die im Fall der Rücknahme eintretende Staatenlosigkeit sei nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen habe der Kläger nunmehr einen Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 85 AuslG.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 13. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 11. Juli 2003 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Über die Begründung des angefochtenen Bescheides hinaus weist er ergänzend darauf hin, dass im Einvernehmen mit der Bezirksregierung Braunschweig die im Ausgangsbescheid enthaltenen Ausführungen zur Staatenlosigkeit des Klägers im Falle der Einbürgerungsrücknahme auch Gegenstand des Widerspruchsbescheides seien sollen (vgl. Schriftsatz v. 20. Oktober 2003).

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der weiterhin beigezogenen zivilgerichtlichen Ehescheidungsverfahrensakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die - nach Erlass des in das Verfahren einbezogenen Widerspruchsbescheides (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 75, Rdn. 21, 26) nunmehr als normale Anfechtungsklage - zulässige Klage ist unbegründet.

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Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist § 48 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit - wie hier erfolgt - zurückgenommen werden.

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1. Nach § 48 Abs. 5 VwVfG entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 VwVfG zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Wie im Ausgangsbescheid zutreffend ausgeführt worden ist, war daher der Beklagte, der auf Grund der Verordnung vom 1.12.1999 (Nds. GVBl. S. 400) seit dem 1.1.2000 für die „Aufgaben nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz und den einbürgerungsrechtlichen Vorschriften des Ausländergesetzes“ gemäß § 2 Nr. 2 Allg.ZustVO-Kom zuständig ist, gemäß § 48 Abs. 5, § 3 VwVfG auch zuständige Behörde für die Rücknahme der - von der bis dahin für (Ermessens-)Einbürgerungen zuständigen Bezirksregierung Braunschweig im Januar 1998 ausgesprochenen - Einbürgerung des Klägers.

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2. Jedenfalls eine durch bewusste Täuschung erwirkte Einbürgerung kann nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes gemäß § 48 VwVfG zurückgenommen werden. Insoweit enthält das Staatsangehörigkeitsrecht, das abgesehen von dem in § 24 StAngRegG normierten Sonderfall keine Bestimmungen über die Folgen einer fehlerhaften Einbürgerung kennt, keine - die Anwendbarkeit von § 48 VwVfG nach § 1 Abs. 1 VwVfG ausschließende - „entgegenstehende“ Regelung. Dies kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil kein Grund dafür ersichtlich ist, warum nach §§ 6, 8, 9, 11 und 12 StAngRegG erfolgte Einbürgerungen gemäß § 24 StAngRegG schon bei fahrlässig falschen Angaben über der Einbürgerung „entgegenstehende Tatsachen“ grundsätzlich „unwirksam“ sind, Einbürgerungen u.a. nach §§ 8 und 9 (Ru)StAG hingegen selbst bei arglistiger Täuschung nicht aufhebbar sein sollten. § 48 VwVfG stellt insoweit auch eine „rechtsstaatlich unbedenkliche, insbesondere hinreichend bestimmte Rücknahmevorschrift“ dar, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3. Juni 2003 (- 1 C 19.02 -) zur Anwendbarkeit von § 48 VwVfG auf die Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung zutreffend ausgeführt hat. Mit weiterer Entscheidung vom 9.9.2003 (- 1 C 6.03 - zit. nach der Pressemitteilung Nr. 39/2003 des Bundesverwaltungsgerichts) zur Einbürgerungsrücknahme nach Scheinehe hat es die Anwendbarkeit des § 48 VwVfG auf die Einbürgerungsrücknahme bei Täuschung noch einmal bestätigt. Soweit die Kammer in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 23. März 1999 - 5 A 5290/98 -) Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 48 VwVfG auf eine solche Konstellation geäußert hat (vgl. ergänzend Urteil des OVG Lüneburg v. 22.10.1996 - 13 L 7223/94 - Nds. Rechtspflege 1997, 95), wird daran nicht mehr festgehalten.

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3. Das verfassungsrechtliche Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit nach Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 GG bewahrt nicht vor der Rücknahme einer derart erschlichenen Einbürgerung. Dies gilt auch für den Fall des Eintritts von Staatenlosigkeit nach Rücknahme der Einbürgerung; die verfassungsrechtliche Wertentscheidung nach Artikel 16 Abs. 1 S. 2 GG, den Eintritt von Staatenlosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern, ist allerdings in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme einer Einbürgerung einzustellen und gegen das öffentliche Interesse an der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen (Leitsätze 2 und 3 des o.a. Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 3.6.2003).

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4. „Rechtswidrig“ im Sinne von § 48 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, wenn bei seinem Erlass gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoßen worden ist oder bei Ermessensentscheidungen ein Ermessensfehler i.S.v. § 114 VwGO vorgelegen hat, weil etwa die Behörde bei ihrer Entscheidung von in Wahrheit nicht vorliegenden, wesentlichen Tatsachen ausgegangen ist (vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl., § 48, Rdn. 28 ff, 31 mwN). Hieran gemessen war die Einbürgerung des Klägers im Januar 1998 rechtswidrig, weil die Bezirksregierung Braunschweig dabei von seinen unzutreffenden und aus den nachfolgenden Gründen auch wesentlichen Angaben über seine Ehe- und Familienverhältnisse ausgegangen, die Einbürgerung also zumindest ermessensfehlerhaft gewesen ist.

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4.1 Nach § 85 AuslG vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354), zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970), = AuslG a.F., galten erleichterte Einbürgerungsvoraussetzungen für Ausländer bis zum 23. Lebensjahr. Diese Voraussetzungen trafen auf den 1959 geborenen Kläger im Januar 1998 nicht mehr zu.

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4.2 Ein Einbürgerungsanspruch nach § 86 AuslG a.F. setzte einen seit 15 Jahren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus, die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit, die fehlende Verurteilung wegen einer Straftat und die Fähigkeit, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten zu können. Außerdem durfte nach § 88 Abs. 3 AuslG gegen den Einbürgerungsbewerber nicht strafrechtlich ermittelt werden.

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4.2.1.1 Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG a.F. war zwar für die Einbürgerung die Verurteilung des Kläger zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Unterhaltspflichtverletzung unerheblich. Danach blieben nämlich insoweit Verurteilungen zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten außer Betracht, die zur Bewährung ausgesetzt und - wie hier - nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden waren.

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4.2.1.2 Nach Ansicht der Kammer hätte der Einbürgerung im Januar 1998 bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts aber § 88 Abs. 3 Satz 1 AuslG (a.F.) entgegengestanden. Danach gilt: „Wird gegen den Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen.“

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Zwar wurde gegen den Kläger im Januar 1998 nicht strafrechtlich ermittelt. Wenn aber bereits damals bekannt gewesen wäre, dass der Kläger - nach seinen Angaben - zweimal „doppelt“ verheiratet gewesen ist, so wäre - wie dies nach Kenntnis im Jahr 2001 tatsächlich erfolgt ist - gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, vor dessen Abschluss er nicht hätte eingebürgert werden können. Denn gegen den Kläger besteht bzw. bestand jedenfalls der Verdacht, sich wegen einer solchen „Doppelehe“ mit Frau AD. gemäß § 172 StGB strafbar gemacht zu haben, sowie der Anfangsverdacht für einen Verstoß gegen § 267 StGB (Urkundenfälschung) - durch die Vorlage der vermeintlichen Heiratsurkunde der nicht existenten orthodoxen Kirche von Pakistan - und § 271 StGB (mittelbare Falschbeurkundung) - durch Eintragung von U. und X. als seine (ehelich) in Deutschland geborenen Kinder in das Geburtenbuch -.

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Soweit der Kläger behauptet, dass es eine solche „Kirche“ gebe, war dieser nicht näher unter Beweis gestellten Behauptung nicht weiter nachzugehen. Denn der Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in Pakistan, an dessen Seriosität nach der bereits im Verwaltungsverfahren ergänzend eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft in Pakistan vom 25.2.2002 auch für die Kammer keine Zweifel bestehen, hat nach Rückfrage mit christlichen Stellen in Pakistan nachvollziehbar dargelegt, dass eine solche orthodoxe Kirche nicht existiert. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, entspricht dies weiterhin den Erkenntnismitteln der Kammer - die auch für Asylstreitigkeiten von pakistanischen Staatsangehörigen zuständig ist - über (christliche) Religionsgesellschaften in Pakistan. Hinweise auf eine „orthodoxe“ Kirche finden sich darin nämlich nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, um welche orthodoxe christliche Kirche es sich insoweit gehandelt und wie der Kläger als Moslem dort wirksam geheiratet haben soll. Da der Kläger mindestens bei seiner dritten Einreise in das Bundesgebiet 1986, ggf. aber auch noch 1994 diese Urkunde vorgelegt hat, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen, bestünde insoweit darüber hinaus der Verdacht einer Straftat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Deshalb hätte vor einer Einbürgerung des Klägers strafrechtlich ermittelt und bis zum Abschluss dieses strafrechtlichen Verfahrens das Einbürgerungsverfahren ausgesetzt werden müssen. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, wie es sich ausgewirkt hätte, wenn bereits damals das Ermittlungsverfahren ganz oder teilweise wegen eingetretener Strafverfolgungsverjährung eingestellt worden wäre. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass schon damals kein hinreichender Tatverdacht vorgelegen hätte, wie sich aus der (späteren) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom Dezember 2001 ergebe. Denn dieser Verfügung lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der o.a. Sachverhalt umfassend strafrechtlich gewürdigt worden ist. Außerdem wäre danach jedenfalls ein Verstoß gegen § 172 StGB im Januar 1998 noch nicht verjährt gewesen.

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4.2.2 Ob der Kläger darüber hinaus in der Lage gewesen wäre, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe zu bestreiten, ist unklar. Auch dies hätte bei vollständiger Kenntnis des Sachverhaltes näher ermittelt werden müssen, bevor der Kläger im Januar 1998 hätte eingebürgert werden können. Er bezog zwar nach den vorgelegten Lohnabrechnungen für September und Oktober 1997 (vgl. Blatt 56 und 57 der Beiakte A) Nettobezüge von über 3.000 DM. Inwieweit dem aber Unterhaltsansprüche seiner (insgesamt bis zu sechs) Kinder und ggf. mehrerer Ehefrauen entgegenstanden, ist nach Aktenlage ungeklärt. Eine etwaige fehlende „Unterhaltsfähigkeit des Klägers“ wäre nicht deshalb unerheblich gewesen, weil dies von dem Kläger im Sinne von § 86 Abs. 1 AuslG a.F. nicht zu vertreten gewesen wäre. Denn jedenfalls die Führung mehrerer „Ehen“ nebeneinander mit daraus resultierenden zusätzlichen Unterhaltsansprüchen wäre ein in diesem Sinne von dem Kläger zu vertretender Grund.

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4.2.3 Unabhängig davon lag aber jedenfalls im Januar 1998 noch kein 15-jähriger rechtmäßiger (ununterbrochener) Aufenthalt im Sinne von §§ 86 Abs. 1, 89 AuslG a. F. vor, sondern die berücksichtigungsfähige Aufenthaltsdauer betrug erst 11 (vollendete) Jahre:

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4.2.3.1 Nach Abschluss des Asylfolgeverfahrens im Juli 1986 war er nach Pakistan ausgereist und erst im September 1986 im Wege der Zusammenführung mit seiner „Ehefrau“ Frau R. wieder ins Bundesgebiet eingereist. Seit dieser erneuten Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 1986 waren bis zum Einbürgerungszeitpunkt im Januar 1998 erst 11 (vollendete) Jahre vergangen, die insoweit anrechnungsfähig sind.

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Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach seinen Angaben auch in diesen 11 Jahren mindestens zweimal in Pakistan gewesen sein muss, da in diesem Zeitraum dort zwei Kinder von ihm geboren sein sollen. Nach der Übersicht der Landesversicherungsanstalt Braunschweig (vgl. Blatt 14 des Versorgungsausgleichsbeihefts zur Beiakte C) kann der Kläger nämlich nicht längere Zeit von Deutschland ortsabwesend gewesen sein, also außerhalb Deutschlands nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, da andernfalls nicht entsprechende, weitgehend durchgängige Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Deutschland entrichtet worden wären.

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4.2.3.2 Die über die demnach anrechenbaren 11 Jahre bis zu den erforderlichen 15 Jahren hinaus erforderliche Aufenthaltszeit hätte der Kläger allerdings damals bereits erreicht, wenn zu seinen Gunsten die noch fehlenden Jahre auf Grund seiner früheren Aufenthalte zwischen 1977 und 1982 bzw. 1985 und 1986 gemäß § 89 Abs. 2 AuslG (a.F.) angerechnet worden wären. Danach gilt: „Hat der Ausländer sich aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund länger als sechs Monate außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten, kann die frühere Aufenthaltszeit im Bundesgebiet bis zu fünf Jahren auf die für die Einbürgerung erforderliche Aufenthaltsdauer aufgerechnet werden.“ Aus den Akten ergibt sich nicht, dass dem Beklagten diese Anrechnungsmöglichkeit bewusst war. Unabhängig davon hätte aber jedenfalls in Kenntnis des nunmehr bekannten Sachverhalts ohnehin keine weitere Anrechnung erfolgen dürfen. Denn nach ihrem Sinn und Zweck soll die Vorschrift dazu dienen, frühere Aufenthalte zu berücksichtigen, wenn diesen trotz der Unterbrechung integrierende Wirkung zuerkannt werden kann (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, § 89 AuslG, Rdn. 5). Dies ist nach Ansicht der Kammer vorliegend aber zu verneinen. Denn der Kläger hat sich bei seinem ersten beiden Aufenthalten in Deutschland jeweils nur vorrübergehend im Rahmen von negativ abgeschlossenen Asylverfahrens hier befunden und durch die in Pakistan geschlossene Ehe, die er über zwei Jahrzehnte parallel zu einem nachfolgenden Aufenthalt in Deutschland mit (bis zu) drei Kindern vor Ort geführt hat, auch im Übrigen gezeigt, dass aus seinen (früheren) Aufenthalten in Deutschland bis heute keine hinreichende Integration in die deutschen Lebensverhältnisse abzuleiten ist.

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4.3 Der Kläger ist im Januar 1998 auch nicht rechtmäßig nach § 9 RuStAG v. 22.7.1913 (RGBl. S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2942), eingebürgert worden.

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§ 9 Abs. 1 RuStAG sah für Ehegatten Deutscher vor, dass sie unter den Voraussetzungen des § 8 eingebürgert werden sollen, wenn sie

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1. ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben und

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2. gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen,

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es sei denn, dass der Einbürgerung erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der äußeren oder inneren Sicherheit sowie der zwischenstaatlichen Beziehungen, entgegenstehen.

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4.3.1 Es ist schon fraglich, ob der Kläger 1998 „Ehegatte“ einer deutschen Staatsangehörigen gewesen ist.

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4.3.1.1 Dies dürfte jedenfalls hinsichtlich der Verbindung mit Frau R. zu verneinen sein. Denn vor einer orthodoxen Kirche in Pakistan kann er sie schon mangels Existenz einer solchen nicht wirksam geheiratet haben. Selbst wenn er jedoch mit Frau R. insoweit ursprünglich einmal verheiratet gewesen wäre, wäre jedenfalls diese Ehe im Juli 1991 durch Urteil des Amtsgerichts Helmstedt ( 11 F 86/90 ) wirksam geschieden worden.

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Ob gleiches auch gelten würde, wenn er Frau R. wirksam vor einem Mullah in Pakistan geheiratet hätte, kann dahinstehen. Denn hierauf beruft der Kläger sich selbst nicht, und weitere Erkenntnisse liegen dem Gericht nicht vor.

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4.3.1.2 Ob er 1998 mit Frau AD. wirksam verheiratet war, hängt davon ab, ob - entsprechend der Angaben des Klägers - am 15. Juli 1994 in Dänemark überhaupt eine Eheschließung stattgefunden hat und ob diese nach deutschem Kollisionsrecht (vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O, § 9 StAG, Rdn. 6 mwN) in Deutschland wirksam gewesen wäre, was jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen den ordre public gemäß Art. 6 EGBGB wegen der Eingehung einer strafbaren Zweitehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zu verneinen sein dürfte (vgl. Palandt/Heldrich, BGB-Kommentar, 62. Aufl., EGBGB 6, Rdn. 20).

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4.3.1.3 Die Frage nach einer gültigen Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen im Januar 1998 kann aber aus den nachfolgend angeführten Gründen letztlich ebenso wie die Frage dahinstehen, ob es sich insoweit - der Kläger hatte sich ursprünglich selbst auf die fehlende Ernsthaftigkeit seiner „Ehen“ in Deutschland berufen - um eine für einen Einbürgerungsanspruch nach § 9 RuStAG nicht hinreichende Scheinehe (vgl. dazu das Urteil des VGH Mannheim v. 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205 ff; die Revision gegen dieses Urteil ist durch die o.a. Entscheidung des BVerwG v. 9.9.2003 zurückgewiesen worden) oder eine zum Einbürgerungszeitpunkt gescheiterte Ehe (vgl. dazu zuletzt Beschluss des VG Stade v. 9.9.2003 - 1 A 528/03 - homepage der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) gehandelt hat oder ob bei zivilrechtlich wirksamer Doppelehe als „Ehegatte" einer Deutschen i.S.v. § 9 RuStAG auch derjenige Ausländer anzusehen ist, der sowohl mit einer deutschen Staatsangehörigen als auch zugleich mit einer Staatsangehörigen seines bisherigen Heimatlandes verheiratet ist und mit Letzterer mehrere Kinder hat.

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4.3.2 Dies kann deshalb dahinstehen, weil bei dieser Sachlage im Januar 1998 jedenfalls nicht gewährleistet war, dass der Kläger sich „in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet“.

49

Wie bereits in dem angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die (heutigen) Verwaltungsvorschriften (Nr. 9.1.2 Satz 2 StAR-VwV) und die Kommentierung bei Marx (GK-StAR, § 9 StAG, Rdn. 64) zutreffend ausgeführt worden und in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. Urteile des OVG Münster v. 2.9.1996 - 25 A 2106/94 - InfAuslR 1997, 71 ff [OVG Sachsen 02.06.1995 - 3 S 390/94] sowie des VGH Kassel v. 3.12.2001 - 12 UE 2451/ 01 - EZAR 276 Nr. 6, vgl. ebenso Urteil des VG Schleswig vom 19.02.2001 - 1 A 178/98 -) steht nämlich die Führung einer Doppelehe der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse entgegen. Eine solche Doppelehe ist in Deutschland nämlich nicht nur ungewöhnlich oder unzulässig, sondern bei Rechtswirksamkeit gemäß § 172 StGB sogar strafbar. Der Kläger hat jedoch nach seinen Angaben sowohl mit Frau R. als auch nachfolgend (zum Einbürgerungszeitpunkt) mit Frau AD. Doppelehen neben der Ehe mit seiner Frau in Pakistan geführt. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst bei Annahme, dass es sich bei den Verbindungen mit den o.a. deutschen Staatsangehörigen, aus denen jeweils auch Kinder hervorgegangen sind, nicht nur um „Scheinehen“ gehandelt hat, jedenfalls zwei Jahrzehnte lang tatsächlich an der Verbindung mit der pakistanischen Staatsangehörigen festgehalten hat. Außerdem ist nach seiner Einbürgerung und unmittelbar nach der förmlichen Trennung durch „Scheidung“ von Frau AD. - die Rechtskraftmitteilung über die Wirksamkeit der Scheidung ist den Beteiligten nach Aktenlage im Januar 2001 zugesandt worden (vgl. Beiakte C) - von seinen pakistanischen „Angehörigen“ ein Antrag auf „Familienzusammenführung“ gestellt worden. Der Kläger hat zur Begründung für die Eilbedürftigkeit der vorliegenden Klage selbst darauf hingewiesen, dass „davon der Familiennachzug seiner Ehefrau und seiner Kinder“ abhänge. Dieser Verfahrensablauf spricht nach Ansicht der Kammer zusätzlich dafür, dass der Kläger, wenn er nicht von vornherein beabsichtigt hatte, letztlich seine pakistanischen „Angehörigen“ nach Deutschland zu holen und mit ihnen hier zu leben, so doch jedenfalls über zwei Jahrzehnte eine der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse fundamental entgegenstehende parallele Ehe in Pakistan geführt hat, an der er im Gegensatz zu den Verbindungen mit den deutschen Staatsangehörigen auch dauerhaft festgehalten hat und weiterhin festhalten will.

50

4.3.3 Bei dieser Sachlage kann (weiterhin) dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam seine pakistanische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. Zwar hat er insoweit eine den pakistanischen Formvorschriften entsprechende Erklärung der pakistanischen Behörden vorgelegt (vgl. die Übersetzung I Blatt 50 der Beiakte A). Es ist aber fraglich, welche Auswirkungen es auf die Wirksamkeit dieses Antrages und der nachfolgenden Entlassung aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit hat, dass der Kläger auch in dem entsprechenden Ausbürgerungsantrag unvollständige Angaben gemacht hat. Er hat dabei nämlich die Frage 12 nach dem Namen des Ehegatten unbeantwortet gelassen.

51

4.4.1 Die - hier aus den zuvor unter 4.3.2 angeführten Gründen fehlende - Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse war darüber hinaus eine jedenfalls im Rahmen des Ermessens berücksichtigungsfähige und gegen die Einbürgerung des Klägers sprechende Tatsache für eine Ermessenseinbürgerung des Klägers im Januar 1998 nach § 8 RuStAG. Ziffer 3.2.1 der im Januar 1998 noch geltenden, zwischen dem Bundesminister des Innern und den Innenministern(-senatoren) der Länder abgestimmten ermessenslenkenden Einbürgerungsrichtlinien (Anlage I zum RdErl. des Nds. MI v. 16.12.1983 (MBl. 1984, S. 127), geändert durch Erl. v. 25.8.1987 (MBl. S. 844)), sah nämlich als Einbürgerungsvoraussetzung ausdrücklich „die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ durch „ein in der Regel langfristiges Einleben in die deutsche Umwelt“ voraus. Der Kläger wäre daher in Kenntnis seiner in Pakistan geführten Ehe im Januar 1998 auch nicht nach § 8 RuStAG eingebürgert worden.

52

4.4.2 Deshalb kann dahinstehen,

53

- ob er im Januar 1998 i.S.v. § 8 Nr. 4 RuStAG in der Lage gewesen wäre, in Helmstedt sich und seine Angehörigen zu ernähren, und

54

- in welcher Weise die von dem Kläger vorgelegte falsche Heiratsbescheinigung aus Pakistan als gegen die Einbürgerung sprechender Rechtsverstoß im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG i. V. m. § 46 Nr. 2 AuslG hätte berücksichtigt werden können, obwohl insoweit kein Strafverfahren durchgeführt worden und daher unklar ist, inwieweit bei einer etwaigen Verurteilung eine Strafe ausgesprochen worden, im Januar 1998 tilgungsreif und deshalb nach § 51 BZRG nicht mehr berücksichtigungsfähig gewesen wäre.

55

5. War somit die im Januar 1998 erfolgte Einbürgerung des Klägers jedenfalls zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig im Sinne des § 48 VwVfG, so stand der Rücknahme dieses Verwaltungsaktes im Juli 2003, dem maßgebenden Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG entgegen.

56

Nach § 48 Satz 3 Nr. 1 VwVfG kann sich der Begünstigte nämlich auf Vertrauensschutz nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat. In diesen Fällen wird nach Satz 4 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

57

Vorliegend hat der Kläger die Einbürgerungsbehörde arglistig über seine Eheschließung in Pakistan und die nach seinen Angaben aus dieser Verbindung hervorgegangenen drei Kinder getäuscht.

58

Dass entsprechende Angaben zu machen waren, ergab sich eindeutig aus dem Einbürgerungsantrag, in dem ausdrücklich sowohl nach Ehegatten und früheren Ehegatten als auch nach Kindern gefragt wurde. Der Kläger hat jedoch nur U. und X., nicht aber seine weiteren Abkömmlinge und seine pakistanische Ehefrau angegeben. Entsprechende Angaben fehlen auch in seinem handschriftlichen Lebenslauf. Das während des laufenden Einbürgerungsverfahrens im Februar bzw. April 1997 in Islamabad geborene weitere Kind AB. hat er ebenfalls nicht nachträglich angegeben. In Ziffer 8 des Einbürgerungsantrages hat er statt dessen behauptet, eingebürgert werden zu wollen, weil er mit einer deutschen Frau verheiratet sei und sich „mit den deutschen Sieten und Gebrauchen an gefast habe.“

59

Es kann ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um ein Versehen handelte oder sich der Kläger der Bedeutung entsprechender Angaben nicht bewusst war. Dies behauptet er selbst nicht. Dagegen spricht zusätzlich, dass von den in Pakistan lebenden Angehörigen des Klägers nachfolgend nahezu zeitgleich mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils von Frau AD. der Antrag auf „Ehe- und Familien-“ -zusammenführung gestellt, also offenbar bewusst mit der Angabe der „wahren“ Familienangehörigen gewartet worden ist, bis der Kläger als deutscher Staatsangehöriger geschieden war. Schließlich ist er 1986, als er zum dritten Mal nach Deutschland kam, auf der Grundlage einer gefälschten vermeintlichen pakistanischen Heiratsurkunde eingereist, um so ein Aufenthaltsrecht zum vermeintlichen ehelichen Zusammenleben mit Frau R. zu erlangen. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass der Kläger bei der Einbürgerungsantragstellung seine Angehörigen in Pakistan schlicht vergessen habe; vielmehr hat er sie arglistig verschwiegen.

60

6. Sind danach die Rücknahmevoraussetzungen gemäß § 48 VwVfG gegeben, so stand die Rücknahme grundsätzlich im Ermessen. Der Bescheid des Beklagten vom 13.11.2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.7.2003 weist keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO auf. Der Beklagte hat erkannt, dass ihm Ermessen zusteht, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten, ist von einem - soweit erheblich - zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat weder zweckwidrige Erwägungen angestellt noch notwendige Erwägungen unterlassen.

61

6.1 Dabei ist zutreffend allein auf die Verhältnisse des Klägers abgestellt worden. Denn andere Angehörige sind nicht gemeinsam mit ihm eingebürgert worden. Seit Einbürgerung im Januar 1998 hat der Kläger (nach seinen Angaben) auch keine weiteren Kinder bekommen, deren Staatsangehörigkeitserwerb nach § 4 StAG wiederum von der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers abhängig wäre.

62

6.2 Dass grundsätzlich die bei einer Einbürgerungsrücknahme ggf. eintretende Staatenlosigkeit des Betroffenen der Rücknahme nicht entgegen steht, ist bereits zutreffend in dem oben angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.6.2003 dargelegt worden. Allerdings muss dieser Gesichtspunkt angemessen in die Ermessenserwägungen einfließen. Dies ist nach Ansicht der Kammer hier hinreichend geschehen, wobei nunmehr auch klargestellt worden ist, dass die insoweit im Ausgangsbescheid auf S. 3 und 4 enthaltenen Erwägungen von der Widerspruchsbehörde, deren Entscheidung nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgebend ist (vgl. Urteil des VGH Mannheim v. 15.11.1989 - 6 S 2694/88 - NVwZ 1990, 1085 [VGH Baden-Württemberg 15.11.1989 - 6 S 2694/88]), geteilt werden.

63

6.2.1 Der Beklagte hat zulässigerweise angenommen, dass der Kläger im Falle der Rücknahme seiner Einbürgerung tatsächlich staatenlos sein wird (vgl. zur Rechtslage nach pakistanischem Staatsangehörigkeitsrecht das Urteil des VGH Kassel v. 18.5.1998 - 12 UE 1542/98 - EZAR 276 Nr. 4 zu Ziffer 2).

64

6.2.1.1 Eindeutig ist dies aus den o.a. Gründen (4.3.3) nicht, weil er zwar aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit - soweit ersichtlich - formgerecht gemäß Section 14 A des pakistanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom April 1951 entlassen worden ist; das dazu durch ergänzende Regelung vorgeschriebene Antragsformblatt hat er aber hinsichtlich der Angaben über seine Ehegatten nicht vollständig ausgefüllt, sodass unklar ist, inwieweit solche unzutreffenden Angaben Auswirkungen auf die Wirksamkeit seines Antrags und der darauf beruhenden Entscheidung der pakistanischen Behörden haben.

65

6.2.1.2 Zudem ist unklar, ob und ggf. welche Auswirkungen es auf die Wirksamkeit seiner Entlassung aus der pakistanischen Staatsbürgerschaft hat, wenn rückwirkend seine Einbürgerung und damit letztlich auch die Wirksamkeit der vorhergehenden Einbürgerungszusicherung aufgehoben worden sind. Solche Auswirkungen können nicht ausgeschlossen werden, da nach dem pakistanischen Staatsangehörigkeitsrecht (Section 14 A ) eine wirksame Einbürgerungszusicherung des aufnehmenden Staates Entlassungsvoraussetzung ist (vgl. zu diesem Problem aus deutscher Sicht: Hailbronner/Renner, a.a.O., § 24 StAG, Rdn. 10: das weitere Schicksal der fremden Staatsangehörigkeit ist unerheblich).

66

6.2.1.3 Wenn man von der Wirksamkeit seiner Entlassung aus der pakistanischen Staatsangehörigkeit ausgeht, so könnte der Kläger zudem die Möglichkeit haben, nach der ergänzenden Regel 19 B zu Section 14 A des pakistanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes einen Antrag auf Wiederaufnahme der Staatsangehörigkeit zu stellen.

67

6.2.1.4 Ein Einbürgerungsanspruch nach dem Einbürgerungsgesetz von 1926 steht ihm hingegen zur Zeit nicht zu, da dies nach den Angaben der pakistanischen Botschaft aus dem Internet (vgl.pakistan.gov.pk/interior-division/informationandservices/citizienship) grundsätzlich einen beim Kläger nicht gegebenen mindestens fünfjährigen Aufenthalt in Pakistan in den letzten sieben Jahren vor Antragstellung voraussetzt.

68

Da die Annahme des Beklagten, der Kläger werde bei einer Einbürgerungsrücknahme staatenlos, zu seinen Gunsten als gegen diese Rücknahme sprechender Umstand in die Ermessensentscheidung eingeflossen ist, es also auf die etwaige Staatenlosigkeit nicht ankam, brauchte der Sachverhalt insoweit jedoch nicht weitergehend aufgeklärt werden.

69

6.2.2 Die im Rücknahmefall angenommene Staatenlosigkeit des Klägers hat der Beklagte ermessensfehlerfrei als nachrangig angesehen. Der Kläger hat zum einen die eben dargelegte Möglichkeit, sich - ggf. nach Rückkehr nach Pakistan - um eine Wiedererlangung der pakistanischen Staatsangehörigkeit zu bemühen. Unabhängig von den Erfolgsaussichten dieser Bemühungen hat er aber jedenfalls in Kenntnis der Tatsache, dass er die deutschen Behörden über die Einbürgerungsvoraussetzungen vorsätzlich getäuscht und nur deshalb eine Einbürgerungszusicherung erhalten hat, seine Ausbürgerung aus Pakistan beantragt. Die damit verbundenen Nachteile im Falle der Rücknahme der Einbürgerung hat er daher als letztlich selbst verursacht hinzunehmen, zumal mit der Rücknahme der Einbürgerung nicht notwendig zugleich ein Aufenthaltsrecht des Klägers in Deutschland entfällt. Vielmehr richtet sich sein Aufenthaltstatus nach dem allgemeinen Ausländerrecht sowie dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Dass der Kläger etwa aus beruflichen Gründen auf eine deutsche Staatsangehörigkeit angewiesen wäre, hat er selbst nicht behauptet.

70

6.3 Die Bezirksregierung Braunschweig hat im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung weiterhin zutreffend geprüft, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung (nunmehr) ein Einbürgerungsanspruch zustand, einen solchen Anspruch aber ermessensfehlerfrei verneint.

71

6.3.1 § 85 Abs. 1 AuslG setzt für einen solchen Anspruch u.a. einen mindestens acht Jahre rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, eine Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung sowie die Fähigkeit voraus, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe zu bestreiten.

72

6.3.1.1 Die Kammer kann jedoch schon nicht feststellen, dass die letztgenannte Voraussetzung gegeben ist. Dazu müsste die Anzahl der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen des Klägers geklärt sein. Außerdem wäre von ihm anzugeben und nachzuweisen, dass er diese Personen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe unterhalten kann. Nach den letzten der Kammer bekannten Angaben aus dem „Scheidungsverfahren“ vom Oktober 2000 war der Kläger nach eigenen Angaben arbeitslos und wartete darauf, dass er eine Rente erhalte (vgl. Bl. 16 der Beiakte C). Eine solche Rente dürfte jedoch kaum so umfangreich sein, dass der Kläger daraus sich, mindestens eine Ehefrau und mehrere (minderjährige) Kinder ohne Inanspruchnahme von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt unterhalten könnte. Die Vertreterin des Klägers war in der mündlichen Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen ist, ebenfalls nicht in der Lage, hierzu weitere Angaben zu machen. Dies geht zu Lasten des Klägers, da es sich bei seinen finanziellen Verhältnissen um eine Tatsache handelt, die in seine Mitwirkungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO fällt; die Aufklärungspflicht des Gerichts ist insoweit begrenzt (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, § 86, Rdn. 12 mwN).

73

6.3.1.2 Darüber hinaus ist der Kläger im Falle der Einbürgerungsrücknahme auch nicht mehr in Besitz der erforderlichen Aufenthaltsberechtigung.

74

Zwar besaß er vor seiner Einbürgerung eine gültige Aufenthaltsberechtigung vom September 1994. Diese hat sich jedoch mit seiner Einbürgerung im Januar 1998 auf andere Weise i. S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt und kann nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht mit der Rücknahme der Einbürgerung, auch wenn diese mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird, wieder aufleben. Wie das OVG Hamburg (Beschluss vom 28.08.2001 - 3 BS 102/01 - InfAuslR 2002, 81, 85f) zutreffend ausgeführt hat, würde dem Betroffenen zudem andernfalls aus seinem vorwerfbaren Verhalten der Täuschung über die Einbürgerungsvoraussetzungen durch Zurechnung der Zeiten seines Aufenthalts in Deutschland als vermeintlicher Deutscher ggf. der rechtliche Vorteil eines (neuen) Einbürgerungsanspruches erwachsen.

75

6.3.1.3 Selbst wenn man jedoch der letztgenannten Auffassung nicht folgt, so hätte jedenfalls einem Einbürgerungsanspruch nach § 85 AuslG im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung entgegengestanden, dass der Beklagte zunächst entsprechend des Schreibens der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.7.2003 (vgl. II Bl. 82 der Beiakte A) zu prüfen hat, inwieweit die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis vom 27.11.1986 wegen der vermeintlichen ehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau R. und danach auch die weiteren Aufenthaltsgenehmigungen wegen des Nicht-Vorliegens der jeweiligen Erteilungsvoraussetzungen mit Rückwirkung aufzuheben wären. Dabei ist insbesondere zu klären, inwieweit dem Kläger rechtmäßig auch unabhängig von einer wirksamen Eheschließung bzw. bei einer wirksamen doppelten Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigkeit eine Aufenthaltsgenehmigung hätte erteilt werden können und inwieweit jeweils - soweit erforderlich - überhaupt die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen beabsichtigt gewesen und durchgeführt worden ist. Solange jedoch unklar ist, ob die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch (weiterhin) gegeben sind, kann eine solche Einbürgerung in entsprechender Anwendung von § 88 Abs. 3 Satz 1 AuslG nicht erfolgen.

76

6.3.2 Eine Einbürgerung nach § 9 StAG zum insoweit maßgebenden Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom Juli 2003 kam gleichfalls nicht in Betracht.

77

6.3.2.1 Nach § 9 Abs. 1 StAG kam dies aus den zuvor unter 4.3 angeführten Gründen und zusätzlich deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger im Juli 2003 selbst vorgetragen hat, mit seiner pakistanischen Frau in Deutschland leben zu wollen.

78

6.3.2.2 Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 StAG waren gleichfalls nicht gegeben.

79

Insoweit kann dahinstehen, ob die Antragsfrist von einem Jahr nach Ehescheidung sich auch auf den - hier allein in Betracht kommenden - Fall der Sorgeberechtigung für ein aus der Ehe stammendes Kind mit deutscher Staatsangehöriger bezieht und ab wann die se Frist bei der vorliegenden Fallgestaltung zu laufen beginnt, ob es sich bei X., für die er nach Aktenlage (vgl. Bl. 16 der Beiakte C) das gemeinsame Sorgerecht hat, um ein aus einer (wirksamen) Ehe des Klägers stammendes Kind handelt und ob ein solches gemeinsames Sorgerecht i.S.v. § 9 Abs. 2 StAG ausreicht. Jedenfalls sind nach dem Sinn und Zweck der Bestimmungen die erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Sie soll nämlich ausländische Ehegatten von deutschen Staatsangehörigen durch eine erleichterte Einbürgerung privilegieren. Der Kläger wollte im Juli 2003 jedoch mit seinen pakistanischen, nicht mit seinen deutschen Angehörigen zusammen leben. Hieran hätte sich auch dann nichts geändert, wenn er beabsichtigte hätte, neben seinen pakistanischen Angehörigen auch Laura in seinen Haushalt mit aufzunehmen. Für diesen Zweck ist die erleichterte Einbürgerung nach § 9 Abs. 2 StAG nicht bestimmt.

80

6.3.3 Schließlich stand dem Kläger nach Ansicht der Kammer im Juli 2003 kein Einbürgerungsanspruch nach § 8 StAG zu.

81

6.3.3.1 Insoweit kann dahinstehen, ob überhaupt die in den Nrn. 2 und 4 genannten Voraussetzungen gegeben sind, was aus den zuvor angeführten Gründen hinsichtlich der „Unterhaltsfähigkeit“ des Klägers und wegen der von ihm begangenen Rechtsverstöße i.S.v. § 46 Abs. 1 Nr. 2 AuslG zweifelhaft ist.

82

6.3.3.2 Selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben gewesen wären, hätte die Einbürgerung im Ermessen der Beklagten gelegen. Nach Ziffer 8.0 Abs.2 der ermessenslenkenden StAR-VwV vom 13.12.2000 (BAnz 2001, 1418) erfolgt die Einbürgerung, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse daran festgestellt werden kann. Die dabei zu berücksichtigenden Grundsätze sind in den StAR-VwV jedoch nicht abschließend aufgezählt. Für die vorliegende Konstellation ist ein solches öffentliches Interesse aber zu verneinen. Denn der Kläger hat 1986, als er vermeintlich zum Zweck der Eheführung erneut in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, als Grundlage eine gefälschte Heiratsurkunde vorgelegt; sein gesamter nachfolgender Aufenthalt in Deutschland beruht auf dieser falschen Angabe. Darüber hinaus ist seine Einbürgerung ebenfalls auf eine arglistige Täuschung zurückzuführen. Wie in dem Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt worden ist, ist es daher im Interesse der Gleichbehandlung des Klägers mit rechtstreuen Ausländern sowie aus generalpräventiven Gründen geboten, eine auf diese Weise erlangte Einbürgerung nicht aufrechtzuerhalten bzw. keine erneute Einbürgerung auszusprechen.

83

6.3.3.3 Daran ändert sich nichts dadurch, dass Staatenlosen gemäß Art. 32 des Abkommens über die Rechtstellung von Staatenlosen grundsätzlich ein Anspruch auf wohlwollende Entscheidung über ihren Einbürgerungsantrag zusteht (vgl. dazu Hailbronner/Renner, a.a.O., § 8 StAG, Rdn. 98 f mwN) und der Kläger im Falle der Rücknahme seiner Einbürgerung voraussichtlich staatenlos sein wird. Denn dieses Wohlwollensgebot begünstigt nicht denjenigen, der seine Staatenlosigkeit durch unlauteres Verhalten selbst verschuldet hat (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 29.10.1996 - 1 C 37/93 - EZAR 278 Nr. 4 a.E.). Dies trifft aber auf den Kläger zu. Seine etwaige Staatenlosigkeit ist nämlich auf seine wegen einer arglistigen Täuschung fehlgeschlagene Einbürgerung zurückzuführen und kann deshalb nicht wiederum als Grundlage für eine erneute wohlwollende Entscheidung über eine erneute Einbürgerung dienen.

84

6.4 In dem angefochtenen Ausgangsbescheid ist schließlich zutreffend darauf hingewiesen worden, dass durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht grundsätzlich über den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland entschieden worden ist und daher auch dies nicht gegen die Rücknahme der Einbürgerung spricht. Im Rahmen des dann anzuwendenden allgemeinen Ausländerrechts sowie des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen werden zudem hinreichend die schutzwürdigen Interessen der pakistanischen Angehörigen des Klägers an einem Aufenthalt in Deutschland gewahrt.

85

Die weiterhin in dem angefochtenen Bescheid verfügte Rückgabe der Einbürgerungsurkunde binnen zwei Wochen nach „Rechts (richtig: Bestands-)“kraft des Rücknahmebescheid findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 VwVfG. Danach kann die Behörde, die auf Grund eines zurückgenommenen Verwaltungsakt erteilten Urkunden oder Sachen zurückfordern, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt bestimmt sind. Dies trifft auf die Einbürgerungsurkunde zu (vgl. das o.a. Urteil des VGH Mannheim v. 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - a.E.). Sie dient der Rechtssicherheit und stellt für den Rechtsverkehr fest, ab welchem Zeitpunkt der Begünstigte die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat (vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O., § 16 StAG, Rdn. 1). Mit der Unwirksamkeit der Einbürgerung ist daher die zum Nachweis dieses Rechts erteilte Einbürgerungsurkunde zurückzugeben.

86

Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 DM für den Fall der Nichtrückgabe der Einbürgerungsurkunde ist nach §§ 64, 65, 67 und 70 NGefAG ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Klägers die Annahme nicht ausgeschlossen werden kann, er werde nach der erfolgten Einbürgerungsrücknahme mit der erlangten Urkunde missbräuchlich umgehen.

87

Dass der Kläger schließlich die Kosten des Rücknahmeverfahrens dem Grunde nach zu tragen hat, findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alternative 2 der Staatsangehörigkeitsgebührenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1991 (BGBl. I, S. 1915, 1916). Die Höhe dieser Gebühr ist durch gesonderten Kostenfestsetzungsbescheid vom 22.11.2001 bestimmt worden, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

88

Der Kläger hat als unterlegende Partei nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

89

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 VwGO waren nicht gegeben. Nach den beiden o.a. aktuellen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit des § 48 VwVfG auf eine durch Täuschung erwirkte Einbürgerung kommt dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO mehr zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung ferner nicht von einem tragenden Grund (vgl. zu diesem Erfordernis Kopp/Schenke, a.a.O., § 124, Rdn. 11 mwN) des o.a. Urteil des OVG Lüneburg vom 22.10.1996 - 13 L 7223/94 - ab.