Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 14.01.2016, Az.: S 34 KO 9/15
Berechnung der Höhe der Aufwendungen eines Sachverständigen für das Aktenstudium und die Ausarbeitung des Gutachtens
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 14.01.2016
- Aktenzeichen
- S 34 KO 9/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 12341
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2016:0114.S34KO9.15.0A
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 2 JVEG
- § 9 Abs. 1 JVEG
Fundstelle
- GuG 2016, 262
Tenor:
Die Vergütung für das zu dem Verfahren S 69 KR 101/11 (SG Hannover) erstellte Gutachten des Antragstellers vom 4. August 2015 wird auf insgesamt 2.418,38 Euro festgesetzt.
Gründe
Streitig ist, wie viele Stunden der Antragsteller für das Aktenstudium (1) und die Ausarbeitung (2) des von ihm erstellten Gutachtens berechnen kann und in welcher Höhe Aufwendungen zu ersetzen sind (3).
Der Antragsteller hat Anspruch auf folgende Vergütung: Vergütung für Zeitaufwand: 1.985,25 Euro (26,47 Stunden zu je 75 Euro) Ersatz von Aufwendungen: 47,- Euro Umsatzsteuer: 386,13 Euro
Das Honorar des Sachverständigen errechnet sich gemäß den §§ 9 Abs. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Maßstab der festzusetzenden Vergütung ist der Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität (vgl. u. a. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 2007, 1 BvR 55/07; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Dezember 2003, X ZR 206/98; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Dezember 2011, L 6 SF 1586/11 E; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Mai 2010, L 2 SF 12/10 B, m.w.N.).
Wegen der Vielfalt der möglichen Sachverhalte, die einer Begutachtung zugrunde liegen können, ist es aus Gründen der Handhabbarkeit sowie der Gleichbehandlung geboten, eine gewisse Pauschalierung vorzunehmen und einen objektivierenden Maßstab zu entwickeln, der für alle Sachverständigenentschädigungen gleichermaßen gilt. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen angegebene Zeit auch erforderlich war. Daher beschränkt sich die Überprüfung der Kostenrechnung regelmäßig auf eine Plausibilitätsprüfung anhand dieses objektivierenden Maßstabs.
Sofern der Sachverständige innerhalb des durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmens bleibt oder diesen Rahmen nur geringfügig überschreitet, wird er antragsgemäß entschädigt. Verlangt er erheblich mehr als die sich nach der Plausibilitätsprüfung ergebenden Stunden vergütet, muss diese Überschreitung nachvollziehbar sein, entweder aufgrund ohne weiteres erkennbarer oder auf Grund vom Sachverständigen vorgetragener besonderer, eine Abweichung von den allgemeinen Erfahrungswerten rechtfertigender Umstände. Lässt sich die (erhebliche) Überschreitung nicht nachvollziehen, können nur die auf Grund der Plausibilitätsprüfung ermittelten Stunden vergütet werden.
1. Für das Aktenstudium der im Zeitpunkt der Beweisanordnung 186 Blatt umfassenden Gerichtsakte und der 76 Blatt umfassenden Verwaltungsakten der Beklagten ist ein Zeitaufwand von 6 Stunden angemessen. Die Kammer unterstellt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 12.1.2016, S 34 KO 14/15), dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für 100 Blätter allgemeinen Inhalts bzw. für 50 Blätter rein medizinischen Inhalts benötigt. Zugrunde zu legen sind hier - bei teilweise doppelseitig beschriebenen Blättern - etwa 210 Blatt medizinischen Inhalts und rund 110 Blatt allgemeinen Inhalts, so dass sich hierfür ein Zeitaufwand von gut 5 Stunden ergibt, womit die festgesetzte Vergütung für einen Zeitaufwands von insgesamt 6 Stunden nicht zu gering erscheint.
Da der Antragsteller mit 8,3 geltend gemachten Stunden für das Aktenstudium erheblich (ca. 38%) mehr verlangt, als die auf Grund der Plausibilitätsprüfung ermittelten sechs Stunden, ist zu prüfen, ob besondere Umstände die Abweichung von den allgemeinen Erfahrungswerten rechtfertigen.
Dies ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller hat nicht schlüssig dargelegt, dass der Zeitaufwand für das Aktenstudium tatsächlich höher war. Er hat auch in seiner Stellungnahme vom 26. August 2015 nicht spezifisch ausgeführt, weshalb in diesem Einzelfall von den Grundsätzen der oben dargestellten Plausibilitätsprüfung abzuweichen wäre. Insbesondere ist die vom Antragsteller genannte Zahl der durchzusehenden Blätter nicht zutreffend. Nur ein geringer Teil der Gerichts- wie auch der Verwaltungsakte sind doppelseitig bedruckt, so dass es nicht zulässig ist, pauschal von einer Verdoppelung der Blattzahlen auszugehen.
2. Für die Ausarbeitung eines Gutachtens ist nach der Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Hannover ein Zeitaufwand von einer Stunde pro Standardseite des "Kernstücks des Gutachtens (Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen)" erforderlich und angemessen, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1.800 Anschlägen (30 Zeilen x 60 Anschläge nach DIN 1422) (=Standartseite) ausgegangen wird.
Das "Kernstück" des Gutachtens erstreckt sich bei dem von dem Antragsteller erstellten Gutachten schon von der Seite 4 bis zur Seite 20, mithin über 17 tatsächliche Seiten. Da die Seiten des 20seitigen Gutachtens mit ca. 30.000 Anschlägen jeweils etwa 1.500 Anschläge aufweisen, umfassen die Seiten 4 bis 20 des Gutachtens insgesamt 25.500 Anschläge. Dies entspricht rund 14,2 Standardseiten mit jeweils etwa 1.800 Anschlägen, mithin 14,2 Stunden Zeitaufwand. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Zeitaufwand von 15,97 Stunden für die Ausarbeitung überschreitet den durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmen damit nur geringfügig (ca. 12%), so dass der in Ansatz gebrachte Zeitaufwand noch plausibel ist.
3. Ferner sind Schreibauslagen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG für 30 x 1.000 Anschläge zu je 0,90 Euro, mithin 27 Euro zu ersetzen. Darüber hinaus ist für die Anfertigung von je zwei Kopien des 20seitigen Gutachtens ein Betrag von 20 Euro (40 Kopien xx 0,50 Euro) zu ersetzen. Die Kopien waren vom Gericht angefordert und sind deshalb im tatsächlichen Umfang zu erstatten. Auf eine fiktive Standardseite kann nicht abgestellt werden.
4. Die Vergütung nach Zeitaufwand in der geltend gemachten Honorargruppe M2 (75 Euro je Stunde) beträgt daher insgesamt 1.985,25 Euro, wobei auf Aktenstudium sechs Stunden, auf Ausarbeitung 15,97 Stunden und auf Diktat und Korrektur 4,5 Stunden entfallen. Der Ersatz von Aufwendungen beträgt 47 Euro, die Umsatzsteuer 386,13 Euro.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, vgl. § 4 Abs. 8 JVEG)