Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.10.2004, Az.: 12 UF 50/04
Zulässigkeit eines Teilurteils; Gefahr widersprechender Entscheidungen unter dem Aspekt der Zulässigkeit eines Teilurteils; Folgen eines unzulässigen Teilurteils; Abweichen von einem aufgehobenen Teilurteil mit einer erneuten Entscheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.10.2004
- Aktenzeichen
- 12 UF 50/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 24151
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:1029.12UF50.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Rinteln - 09.01.2004 - AZ: 4 F 200/02
Rechtsgrundlage
- § 301 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Zur Zulässigkeit eines Teilurteils.
Redaktioneller Leitsatz
In einem familiengerichtlichen Verfahren um nachehelichen Unterhalt, in dem die Parteien im Wesentlichen darüber streiten, in welchem Umfang auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Fahrtkosten und Verbindlichkeiten abzusetzen sind, ist, wenn über dessen Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet ist, ein Teilurteil über Unterhaltsverpflichtungen für Zeiträume, die zeitlich vor dieser Eröffnung liegen, unzulässig, da sich die Frage, welche Abzüge von dem Einkommen vorzunehmen sind, sich sowohl für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie auch für die Zeit danach stellt und damit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu Vorfragen besteht.
In der Familiensache
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rinteln vom 9. Januar 2004 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Rinteln zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Die am 16. März 1993 geschlossene Ehe der Parteien ist seit dem 5. November 2001 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe ist das Kind ..., geboren am 28. Mai 1996, hervorgegangen. ... lebt bei der Klägerin. Zu Lasten des Beklagten ist für ... Kindesunterhalt tituliert.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten nachehelichen Unterhalt ab Dezember 2001. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, in welchem Umfang auf Seiten des Beklagten Fahrtkosten und Verbindlichkeiten abzusetzen sind.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Bückeburg vom 4. März 2003 (47 IK 23/03) ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 7. Mai 2003 festgestellt, dass der Rechtsstreit bezüglich der bis März 2003 fälligen Unterhaltsansprüche gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Ehegattenunterhalt für Dezember 2001 bis Juni 2002 in Höhe von 6.130,74 EUR nebst Zinsen und ab Juli 2002 in Höhe von monatlich 875,82 EUR zu verurteilen.
Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Teilurteil den Beklagten verurteilt, an die Klägerin monatlichen nachehelichen Unterhalt für die Monate April bis Juni 2003 in Höhe von monatlich 223,24 EUR und ab Juli 2003 von 215,73 EUR zu zahlen und die weitergehende Klage hinsichtlich des laufenden Unterhalts abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Unterhaltsanspruch der Klägerin gemäß § 1570 BGB errechne sich aufgrund des Nettoeinkommens des Beklagten, von dem der pfändbare Betrag von 390 EUR, Fahrtkosten von 217,80 EUR, Aufwendungen für die Sterbegeldversicherung sowie des Arbeitgeberanteils für vermögenswirksame Leistungen abzuziehen seien. Entsprechend der Vereinbarungen der Parteien sei der Kindesunterhalt vorab abzusetzen.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Verurteilung des Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 300 EUR ab April 2003. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass der Beklagte über höhere Einkünfte verfüge. Zudem müsse der Beklagte sich Steuervorteile hinsichtlich des Realsplittings und bezüglich eines möglichen Freibetrages für die Fahrtkosten zurechnen lassen. Auf Seiten der Klägerin sei im Übrigen ein Bonus für die ausgeübte überobligatorische Tätigkeit anzusetzen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil.
II.
Auf die zulässige Berufung der Klägerin ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen. Das Familiengericht hätte hier kein Teilurteil erlassen dürfen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Teilurteil vom 9. Januar 2004. Dieses Teilurteil ist unzulässig, denn die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO lagen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt ein Teilurteil unter anderem voraus, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (BGH, FamRZ 1989, 954; NJW 99, 1718 f.). Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu Vorfragen besteht insbesonders dann, wenn durch das Teilurteil über eine Frage entschieden wird, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (BGH, FamRZ 2002, 1097 [BGH 05.06.2002 - XII ZR 194/00]). Diese Sachlage ist hier gegeben. Die Frage, welche Abzüge von dem Einkommen des Beklagten vorzunehmen sind (insbesondere Darlehenslasten und Fahrtkosten), stellt sich sowohl für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie auch für die Zeit danach, in der die Klägerin geltend macht, die Einkommensreduzierung durch das Insolvenzverfahren sei unterhaltsrechtlich unbeachtlich. Durch das Teilurteil besteht die Gefahr, dass diese Fragen unterschiedlich beurteilt werden, zumal der Beklagte mit weiterem Vorbringen nicht ausgeschlossen ist. Daher ist das Teilurteil unzulässig.
Auf die Berufung der Klägerin ist das Teilurteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuweisen. Damit wird der Rechtsstreit im Hinblick auf den Verfahrensmangel "in die richtige Lage versetzt" (BGH, FamRZ 1986, 254). Auch wenn durch die Aufhebung und Zurückverweisung zunächst das Teilurteil und damit die Titulierung des streitigen nachehelichen Unterhaltsanspruches in Höhe von 223,24 EUR bzw. von 215,73 EUR für die Zeit ab Juli 2003 aufgehoben wird, wird der Grundsatz, dass der Rechtsmittelführer durch das Rechtsmittel nicht schlechter gestellt werden darf, nicht verletzt. Das Familiengericht wird bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben, dass es nicht zu Ungunsten der Klägerin von seinem Teilurteil abweichen darf (BGH, FamRZ 1989, 957; BGH, FamRZ 1986, 254).
III.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 775 Nr. 776 ZPO.
Die Kostenentscheidung ist dem Amtsgericht vorzubehalten.