Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.10.2004, Az.: 11 U 107/04
Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über Risiken im Rahmen einer Kapitalanlageberatung; Reduziertes Maß der Anlageberatung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.10.2004
- Aktenzeichen
- 11 U 107/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 24176
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:1007.11U107.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 31 WphG
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 826 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2005, 60-63
Amtlicher Leitsatz
Einen Anlageberater trifft im Rahmen seiner Tätigkeit grundsätzlich die Pflicht, den Anlageinteressenten über die Risiken der empfohlenen Anlagen umfassend zu informieren, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Anlegers und im Hinblick auf die Art und den Umfang der beabsichtigten Anlagen erforderlich ist, um ihm ein vollständiges und zutreffendes Bild von den Chancen und Risiken der jeweils beabsichtigten Anlage zu vermitteln.
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Februar 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der außergerichtlichen Kosten der jeweiligen Beklagten abzuwenden, wenn nicht die Beklagten ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen vermeintlich unzureichender Aufklärung im Rahmen einer Kapitalanlageberatung.
Die Beklagte zu 1) betreibt eine Gesellschaft für Finanz und Vermögensplanung, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist. Ende 1999 ließen sich der Kläger und seine Ehefrau vom Beklagten zu 2) in Vermögensfragen beraten. Die Ehefrau des Klägers war zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank. Am 24. Januar 2000 unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau ein Formular "Der Anlegertest" (GA Bd. I Bl. 14), in welchem der Beklagte zu 2) Angaben zu gewünschter Anlagedauer, Risikobereitschaft, Einkommen, Erfahrungen mit Kapitalanlage etc. angekreuzt hatte. Die Umstände des Unterzeichnens und Ankreuzens des Formulars sind zwischen den Parteien streitig. Auf Anraten des Beklagen zu 2) investierten der Kläger und seine Ehefrau dann im Januar und Februar 2000 insgesamt 60.000, DM in Fonds; im Einzelnen zeichneten sie Anteile für 30.000, DM (15.338,76 EUR) am Fonds "E.", für 15.000, DM (7.669,38 EUR) am Fonds "E. S." und für 15.000, DM (7.669,38 EUR) an dem Fonds "I.". Am 26. März 2000 verstarb die Ehefrau des Klägers. Ausweislich eines in Kopie zu den Akten gereichten Erbscheines v. 19. Mai 2003 beerbte er seine Ehefrau allein (GA 60). Nachdem er eine Lebensversicherung seiner verstorbenen Ehefrau ausgezahlt bekommen hatte, investierte der Kläger auf den Rat des Beklagten zu 2) hin am 5. Juni 2000 weitere 200.000, DM (102.258,37 EUR) in den Aktienfonds "G.". Da sich der Kläger angesichts des Todes seiner Ehefrau in schlechter psychischer Verfassung befand, übergab er dem Beklagten zu 2) sämtliche Unterlagen zur Regelung seiner Renten und Vermögensfragen, welche der Beklagte zu 2) daraufhin über ein Jahr in Besitz hatte. Im März 2003 war der Gesamtwert der getätigten Anlagen auf 53.195,20 EUR gesunken; im März 2004 wieder auf gut 79.000 EUR angestiegen. Mit Schreiben vom 26. August 2002 forderte der Kläger die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 10. September 2002 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 55.784,34 EUR auf.
Der Kläger hat behauptet, angesichts der Krankheit seiner Ehefrau und der damit verbundenen schwierigen persönlichen Situation hätten sich der Kläger und seine Ehefrau vollkommen auf den Rat und die Kompetenz des Beklagten zu 2) verlassen, was diesem bewusst gewesen sei. Dabei habe dieser neben seinem Auftreten als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) erkennbar auch und gerade persönliches Vertrauen in seine eigene Kompetenz in Vermögensfragen in Anspruch genommen.
Der Kläger hat weiter behauptet, aufgrund negativer Erfahrungen mit Aktien habe er gegenüber dem Beklagten zu 2) betont, dass er eine solche Anlage nicht wiederholen wolle, weil er das Verlustrisiko fürchte. Eine Beratung und Aufklärung über verschiedene Anlageformen, die damit verbundenen Risiken und Aussichten sowie die spezifischen Risiken der dann empfohlenen Anlagen sei zu keiner Zeit erfolgt. Unterlagen zu den Vermögensanlagen habe der Beklagte zu 2) vor Zeichnung nicht ausgehändigt. Er habe den Kläger und seine Ehefrau den vom Beklagten zu 2) ausgefüllten "Anlegertest" ohne Besprechung unterzeichnen lassen mit dem Hinweis, es handele sich um Angaben zu rein statistischen Zwecken. Hinsichtlich der Lebensversicherungssumme in Höhe von 200.000, DM habe der Kläger den Beklagten zu 2) darauf hingewiesen, dass diese Anlage der Altersvorsorge dienen müsse, so dass er hierfür eine sichere Vermögensanlage suche. Die Investition in den Aktienfonds G. habe der Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger als sehr sicher dargestellt. Er habe den Kläger weder über das Risiko dauerhaften Kapitalverlustes belehrt noch das Anfallen von Abschlussgebühren erwähnt.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 132.935,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 11. September 2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an 505,23 Anteilen E. S. (WKN ...), 11.532,10 Anteilen G. (WKN ...), 274,87 Anteilen I. (WKN ...) sowie der auf dem Depot Nr. X der Fa. I. des Klägers befindlichen Anteile des Fonds E.,
- 2.
die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 8.660,26 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Mai 2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Beklagte zu 2) habe dem Kläger in mehreren mehrstündigen Beratungsgesprächen die verschiedenen Anlageformen und Risikostufen ausführlich erklärt und ihm hinsichtlich der konkreten Empfehlungen jeweils die Anlagepolitik, Zusammensetzungen und Risikostrukturen erläutert. Ferner habe er dem Kläger zu den Fonds E., I. und G. Verkaufsprospekte sowie Geschäfts und Rechenschaftsberichte übersandt, in denen auf die Risiken hingewiesen worden sei. Vor Unterzeichnung des Formulars "Der Anlegertest" sei der Beklagte zu 2) dieses Punkt für Punkt mit dem Kläger durchgegangen und habe dabei die zentralen Fragen nach Anlagedauer, Risikobereitschaft, Notfallreserven und Anteil am Gesamtvermögen erläutert. Hinsichtlich der in G. Anteilen angelegten 200.000, DM habe der Kläger ihm, den Beklagten zu 2), gesagt, dass er auf dieses Geld nicht angewiesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Es hat gemeint, ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Dienstvertrages gegen die Beklagte zu 1) bestehe nicht, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte zu 1) ihre Aufklärungs- und Belehrungspflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe. Mangels zureichender Anhaltspunkte für eine Verletzung von Aufklärungspflichten habe es der Anregung des Klägers, ihn selbst als Partei zu vernehmen, nicht zu folgen brauchen. Für die ordnungsgemäße Beratung spreche, dass der Kläger zumindest hinsichtlich der Anlage G. schriftlich erklärt habe, Verkaufsprospekte erhalten zu haben. Aus dem vom Kläger unterzeichneten Formular "Der Anlegertest" ergebe sich eine gewisse Risikobereitschaft des Klägers. Der Vortrag des Klägers, eine Aufklärung hinsichtlich dieses Formulars sei unterblieben, sei nicht plausibel, da die Angaben im Formular im Wesentlichen richtig seien und vom Beklagten zu 2) nicht ohne Befragung des Klägers hätten gemacht werden können. § 31 WphG sei auf die Beklagte zu 1) nicht anwendbar.
Auch gegen den Beklagten zu 2) bestehe kein Schadensersatzanspruch. Ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen bestehe nicht, weil der Beklagte zu 2) keine die Haftung begründende persönliche Gewähr für die Seriosität der Anlagen und die Erfüllung des Vertrages übernommen habe. Insbesondere sei der Beklagte zu 2) nicht Vermögensverwalter des Klägers, da eine solche Tätigkeit üblicherweise nur gegen ein entsprechendes Honorar geleistet werde.
Ein Anspruch aus § 826 BGB scheide mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung aus. Der Beklagte zu 2) habe nicht wissen können, dass der Aktienmarkt insbesondere nach dem 11. September 2001 völlig einbrechen werde.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
Unter Erweiterung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens begründet er seine Berufung im Wesentlichen wie folgt:
Der Kläger rügt, das Landgericht sei unter rechtsirriger Einschätzung der Darlegungs- und Beweislast unzutreffend davon ausgegangen, dass keine Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung feststellbar sei.
Er behauptet, die Beklagte zu 1) habe ihn nicht anlage und anlegergerecht beraten. Er bestreitet erneut, dass ihm seitens der Beklagten Prospekte übersandt worden seien. Entgegen den Feststellungen des Landgerichts habe der Kläger den Erhalt entsprechender Unterlagen bzgl. der Anlage G. nicht mit seiner Unterschrift bestätigt.
Er ist der Ansicht, selbst wenn man von der Darlegungs- und Beweislast des Klägers ausgehe, habe das Landgericht zumindest seinem Beweisantritt bzgl. der Aufklärungspflichtverletzung folgen müssen, da sich aus dem unzutreffenden Vortrag der Beklagten über die angebliche Übersendung von Prospekten im Mai 2000, welche erst im November 2000 erstellt worden seien, genügend Anhaltpunkte für eine Aufklärungspflichtverletzung ergäben.
Ferner hält der Kläger § 31 WphG auf die Beklagte zu 1) für anwendbar.
Der Kläger beantragt,
- 1.
Unter Abänderung des am 6. Februar 2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover zum Az.: 16 O 84/03, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 132.935,89 EUR nebst Zinsen von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. September 2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an 528,17 Anteilen F. E. S. (WKN ...), 11.606,356 Anteilen G. (WKN ...), 274,87 Anteilen I. (WKN ...) sowie der auf dem Depot Nr. Y der Fa. F. S. Bank GmbH befindlichen Anteile des Fonds E.,
- 2.
die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 8.660,26 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Mai 2003 zu zahlen,
Die Beklagten verteidigen unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat in seiner mündlichen Verhandlung den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich angehört.
II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
1.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu, weil es jeweils schon an der schlüssigen Darlegung einer Pflichtverletzung fehlt.
Zwischen dem Kläger und ursprünglich auch seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau und der Beklagten zu 1) bestand ein Anlageberatungsvertrag. Dieser gründete sich darauf, dass im Oktober 1999 der Kläger und seine Ehefrau an den Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) heran traten, um sich hinsichtlich für sie wesentlicher Anlageentscheidungen beraten zu lassen. Dieses Angebot nahm die Beklagte zu 1) spätestens durch die Aufnahme der Beratung durch den Beklagten zu 2) an. Im Mai 2000, als der Kläger nach dem Tode der Ehefrau den Erlös einer Lebensversicherung anlegen wollte, setzte sich dieses Vertragsverhältnis fort.
Der Kläger hat jedoch nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte zu 1) vertreten durch den Beklagten zu 2) im Rahmen dieser Tätigkeit eine Pflichtverletzung begangen hätte. Der Kläger stützt sich auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten. Dabei geht der Senat davon aus, dass grundsätzlich den Anlageberater im Rahmen seiner Tätigkeit die Pflicht trifft, den Anlageinteressenten über die Risiken der empfohlenen Anlagen umfassend zu informieren, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Anlegers und im Hinblick auf die Art und den Umfang der beabsichtigten Anlagen erforderlich ist, um ihm ein vollständiges und zutreffendes Bild von den Chancen und Risiken der jeweils beabsichtigten Anlage zu vermitteln. Dem genügt der Vortrag des Klägers nicht.
Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte zu 2) habe ihn bzw. ihn und seine verstorbene Ehefrau gar nicht über die Risiken der insgesamt vier getätigten Geldanlagen aufgeklärt, stellt dies hinreichenden Vortrag zu einer Pflichtverletzung nicht mehr dar. Nach der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geht der Senat nicht mehr davon aus, dass der Kläger weiter vortragen will, der Beklagte zu 2) habe ihn über Anlagemöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken überhaupt nicht aufgeklärt. Der Kläger hat eingeräumt, dass im Oktober 1999 ein Gespräch stattgefunden habe, in dem die verschiedenen Möglichkeiten der Geldanlage erörtert worden seien. Der Kläger hat auch nicht in Abrede genommen, dass er sich im Ausgangspunkt dieses Gespräches über die Steuern, die er auf Zinserträge zu zahlen habe, beschwert habe.
Der Kläger hat ferner eingeräumt, bereits vor den im Streitfall in Rede stehenden Geldanlagen einmal in Aktien investiert gehabt zu haben und vor dem Senat erneut angegeben, dass er dem Beklagten zu 2) gegenüber geäußert habe, eine derartige Anlage nicht wiederholen zu wollen. Der Kläger hat weiter angegeben, es habe nach dem Oktober 1999 wohl noch mehrere Gespräche über Anlagemöglichkeiten gegeben. Es könne auch sein, dass er dem Beklagten zu 2) gegenüber geäußert habe: "Ob Aktienfonds oder nicht, machen Sie mal." Er habe dem Beklagten zu 2) zu diesem Zeitpunkt eben vollständig vertraut.
Aufgrund dieser Angaben steht für den Senat fest, dass das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe ihn über Anlagemöglichkeiten und deren Risiken überhaupt nicht beraten, weder zutrifft noch in der ursprünglichen Form aufrechterhalten wird.
Vielmehr ergibt sich aus diesen Angaben des Klägers für den Senat, dass der Kläger, obwohl er zuvor bereits mit Aktien eine negative Erfahrung gemacht hatte, sein Einverständnis signalisiert hatte, dass der Beklagte zu 2 das anzulegende Kapital in Aktienfonds investierte.
Damit harmoniert es auch, dass der Kläger zum Zeitpunkt der ersten drei Geldanlagen im Januar 2000 seine Unterlagen noch selbst verwaltete und aus den damals sicherlich erhaltenen Anlagebestätigungen entnehmen konnte, dass Aktienfonds erworben worden waren. Hätte er dies nicht gebilligt, hätte nichts näher gelegen, als den Anlagen alsbald zu widersprechen, was der Kläger jedoch nicht getan hat.
Hinzukommt, dass der Kläger mit seinem Vorbringen, er sei nicht oder gänzlich unzureichend beraten worden auch deshalb nicht durchzudringen vermag, weil die Pflichten, die im Rahmen des jeweiligen Vertragsverhältnisses einzuhalten sind, sich nicht nur an den typisierten Standards der jeweiligen Vertragsart zu orientieren haben, sondern auch an dem konkreten Miteinander der Parteien zu messen sind. Der Kläger bekundet aber selbst, er sei wegen seiner psychischen Verfassung nicht in der Lage gewesen, umfassenden Erörterungen über Anlageformen und Risiken zu folgen (GA 148). Und der Kläger hat den Beklagten auch erst in der Lage erstmals mit seinen Angelegenheiten betraut, als dieser Zustand, den die Krankheit der Ehefrau ausgelöst haben mag, schon eingetreten war. Wenn der Kläger damit in einer Verfassung war, in der er umfassende Beratung ablehnte oder nicht aufnehmen konnte, sich aber dennoch nicht mit einer Festgeldanlage der Hausbank begnügen wollte, so ist es nicht Aufgabe und Pflicht des Anlageberaters, dem Kunden, der es nicht hören mag, in dieser Lage Aufklärungen und Erläuterungen aufzudrängen. Vielmehr reduziert sich in dieser Situation die Aufklärungs- und Erläuterungspflicht des Anlageberaters auf ein Mindestmaß, solange nicht hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Anleger teilweise oder ganz geschäftsunfähig ist. Es ist aus dem Klägervortrag nicht erkennbar, dass die Beklagten das so reduzierte Maß der Anlageberatung verfehlt haben könnten.
Auch aus dem weiteren Vortrag des Klägers ergibt sich eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht.
Soweit der Kläger bestreitet, Prospekte erhalten zu haben bzw. diejenigen Auflagen von Prospekten erhalten zu haben, die die Beklagten vorgelegt haben, ist schon zweifelhaft, was der Kläger eigentlich vortragen will (gar nichts bekommen zu haben oder nur ältere Auflagen?); letztlich kommt es darauf jedoch nicht an. Die Übergabe von Prospektmaterial ist für die Vermittlung von Fondsanlagen nicht zwingend vorgeschrieben. Die Aufklärung kann auch mündlich erfolgen und nach der Beschreibung selbst, die der Kläger von seinem Zustand zur Zeit der Anlageentscheidungen gibt, ist auch nicht davon auszugehen, dass er derartiges Material gelesen und geprüft haben würde. Zudem trägt der Kläger nicht vor, dass ihn bei Übergabe des Materials seinerzeit daraus etwas bewogen haben würde, die Anlageentscheidung nicht zu treffen, weil ihm Zweifel gekommen wären.
Soweit der Kläger ferner behauptet, jedenfalls schon vor der letzten Anlage im Mai 2000 hätten Analysten vor einem drohenden Kurssturz der Aktienmärkte gewarnt, ergibt sich auch daraus, dass der Beklagte dem Kläger dies nicht vorgetragen hat, nichts für den Kläger Günstiges. Der Kläger trägt nicht mit Substanz vor, aus welchen Quellen, die der Beklagte hätte kennen können, dieser diese Informationen zu dem behaupteten Zeitpunkt hätte entnehmen müssen. Die pauschale Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten (GA 149) wird den Anforderungen an substantiierten Vortrag insoweit nicht gerecht, zumal ein Sachverständiger die dem Gericht obliegende Bewertung nicht leisten könnte, ob der Beklagte es vorwerfbar unterlassen hat, von derartigen Erkenntnissen, sollten sie bestanden haben, Kenntnis zu erlangen.
Hinsichtlich der von ihm behaupteten vorstehend erörterten Pflichtverletzungen dringt der Kläger auch nicht mit seiner auf die Entscheidung BGH NJW 93, 1704, 1706 gestützten Rechtsansicht durch, die Beklagten hätten darzulegen und zu beweisen, dass sie keine Pflichtverletzung begangen haben. Diese Entscheidung belässt es ausdrücklich für die Verletzung von Verträgen über die Kapitalanlageberatung und andere Dienstleistungen, wie sogar Anwalts und Steuerberaterverträge, bei der regelmäßigen Beweislast der Pflichtverletzung seitens des Geschädigten. Etwas anderes konstituiert der Bundesgerichtshof nur für Auftragsverhältnisse, die höheren Stellenwert haben; im dortigen Fall ein Auftragsverhältnis, das erhebliche Treuhandelemente zum Gegenstand hatte. So liegt es im Streitfall aber nicht.
Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Pflichtverletzung stellt sich für den Kläger auch nicht deshalb günstiger dar, weil die Beklagten etwa prozessualen Mitwirkungspflichten nicht zureichend nachgekommen wären. Eine derartige sekundäre Darlegungslast traf die Beklagten im Streitfall ohnehin allenfalls eingeschränkt, denn der Kläger selbst hat allen Beratungsgesprächen beigewohnt und könnte mithin alles aus eigener Wahrnehmung vortragen, was es vorzutragen gibt.
Zudem steht der pauschale Vortrag des Klägers, wonach er über Anlagemöglichkeiten und deren Risiken überhaupt nicht aufgeklärt worden sein wollte, nach seiner Anhörung vor dem Senat nicht mehr zur Entscheidung.
2.
Aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 Abs. 2 S. 2 WpHG folgt ebenfalls im Streitfall kein Anspruch des Klägers. Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte zu 1) ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist. § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG erfordert, dass das Dienstleistungsunternehmen dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitteilt, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden erforderlich ist. Damit kommt es auf die gleiche Pflichtverletzung an, die oben im Rahmen der Ausführungen zur Verletzung einer vertraglichen Beratungspflicht bereits verneint worden sind.
3.
Soweit der Kläger seine Berufung darauf stützt, der Beklagte zu 2) habe persönlich das Vertrauen des Klägers für sich in Anspruch genommen, so dass er aus culpa in contrahendo hafte, hat die Berufung keinen Erfolg. Der für den Vertrauenstatbestand darlegungs- und beweispflichtige Kläger führt keine Tatsachen an, die einen solchen Vertrauenstatbestand begründen würden. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts teilt der Senat und macht sie sich zu eigen. Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung nicht dargetan, dass es Kontakte vor Herbst 1999 gegeben habe. Dass der Beklagte nach dem Tode der Ehefrau des Klägers im Mai 2000 zeitweise alle Unterlagen des Klägers, die finanzielle Dinge betrafen, erhalten und zum Ordnen und insb. auch zur Herbeiführung der Rente des Klägers entgegen genommen hat, mag eine Vertiefung der geschäftlichen Beziehungen zum Ausdruck bringen, führt aber nicht zu einer verschärften Haftung für die in Rede stehenden Anlagegeschäfte, da nicht erkennbar ist, dass und wodurch der Beklagte eine Verbesserung seiner Vertrauensstellung auf sich gezogen hat. Gemeinsame Interessen für Musik und Musikinstrumente und die nervliche und sicherlich auch körperliche Überforderung, die die Situation des Klägers seinerzeit mit sich brachte, reichen dafür nicht aus.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten der Berufungsinstanz und auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.
Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.
Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.