Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.10.2004, Az.: 4 U 194/04

Grundsätzliche Bedeutung einer Einzelfallentscheidung; Auslegung der Eintragungsbewilligung für ein streitbefangenes dingliches Vorkaufsrecht; Vorkaufsfall auch beim Verkauf an einen von mehreren Vorkaufsberechtigten; Vorkaufsrecht für den Fall des Verkaufs an einen nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Dritten; Entscheidung über das Vorkaufsrecht per Losverfahren; Fall der Konkurrenz zwischen einem oder mehreren vorkaufsberechtigten Wohnungseigentümern auf der einen Seite und einem als Käufer einer der Eigentumswohnungen auftretenden weiteren Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.10.2004
Aktenzeichen
4 U 194/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:1011.4U194.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 3 O 100/04

Fundstelle

  • ZMR 2005, 141-142 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. sowie
die Richter am Oberlandesgericht R. und S.
einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
am 11. Oktober 2004
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Juni 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

1

Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung war weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es handelt sich vielmehr um eine typische Einzelfallentscheidung, die auf der Auslegung der Eintragungsbewilligung für das streitbefangene dingliche Vorkaufsrecht beruht.

2

Die Berufung hat auch in der Sache keinen Erfolg.

3

Zu den Bedenken gegen die Erfolgsaussichten hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 20. September 2004 Folgendes ausgeführt, woran er festhält:

"Das Landgericht hat die Klage, wenn auch zum Teil aus anderen Erwägungen, im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag auf Feststellung, dass hinsichtlich des im Grundbuch von E. Blatt ... eingetragenen Wohnungseigentums, welches mit notariellem Vertrag von den Beklagten zu 1 und 2 an die Beklagte zu 3 verkauft wurde, das Losverfahren durchzuführen sei, weil mehrere Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht ausübten, ist ebenso unbegründet wie der mit der Berufung verfolgte Hilfsantrag, dass der Kläger und die Beklagte zu 3 gemeinsam aus dem durch Ausübung des Vorkaufsrechts zustande gekommenen Kaufvertrag berechtigt seien.

Dem Kläger steht das geltend gemachte Vorkaufsrecht in Bezug auf den streitbefangenen Verkauf der im Grundbuch von E. Blatt ... eingetragenen Eigentumswohnung an die Beklagte zu 3 als weiteren Wohnungseigentümer nicht zu.

Dabei kommt es auf die Frage, ob der Verkauf einer Eigentumswohnung von einem Wohnungseigentümer an einen anderen Wohnungseigentümer überhaupt Gegenstand eines Vorkaufsrechtes eines weiteren Wohnungseigentümers gemäß §§ 1094, 1098, 463 BGB sein kann oder ob es in einem solchen Fall an dem erforderlichen Verkauf an einen Dritten fehlt, nicht an. Aus diesem Grunde kann auch dahin gestellt bleiben, ob die Übertragbarkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Vereinbarung eines Vorkaufsrechts für den Fall der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einen anderen Miteigentümer (vgl. BGH NJW 1954, 1035) auf die Veräußerung einer Eigentumswohnung von einem Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft an ein anderes Mitglied übertragen werden kann, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt. Allerdings ist diese Frage nicht schon deshalb zu verneinen, weil ein Vorkaufsfall auch beim Verkauf an einen von mehreren Vorkaufsberechtigten vorliegt. Diese Konstellation kommt nämlich in Betracht, ohne dass der Käufer bereits Miteigentümer des verkauften Gegenstandes gewesen sein muss.

Hinsichtlich der als Kaufgegenstand streitbefangenen Eigentumswohnung fehlt es jedoch an der hinreichend bestimmten Einigung über die Begründung eines dinglichen Vorkaufsrechts nach § 1094 BGB auch für den Fall der Veräußerung der Eigentumswohnung an einen der anderen Wohnungseigentümer. Die Eintragung der Belastung des streitbefangenen Wohnungseigentums mit einem Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Wohnungseigentümer u.a. der im Grundbuch von E. Blatt ... und ... eingetragenen Eigentumswohnungen, also für den Kläger und für die Beklagte zu 3, enthält die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 10. Oktober 1961, die ihrerseits auf § 2 Abs. 5 der notariellen Urkunde über die Begründung des Wohnungseigentums vom 16. August 1957 Bezug nimmt. In der Eintragungsbewilligung haben die Beteiligten einschließlich der Rechtsvorgänger des Klägers vereinbart, dass ein gegenseitiges Vorkaufsrecht an sämtlichen anderen Eigentumswohnungen nicht für alle Miteigentümer gemeinschaftlich, sondern für jeden der jeweiligen einzelnen Wohnungseigentümer hinsichtlich der anderen Einheiten begründet werden soll. Diese Regelung enthält eine Abweichung von dem Grundsatz, dass mehrere Vorkaufsberechtigte das Recht nur im ganzen ausüben können (§§ 1098, 472 BGB). Die ausdrückliche Geltung des Vorkaufsrechts nicht nur für den Fall des Verkaufs einer Eigentumswohnung an einen nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Dritten, sondern auch für den Fall des Verkaufs an ein selbst vorkaufsberechtigtes anderes Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist in der Eintragungsbewilligung nicht enthalten. Die Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 der notariellen Urkunde vom 16. August 1957 spricht im Gegenteil dafür, dass die Beteiligten ein Vorkaufsrecht nur für den Fall des Verkaufs an einen nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Dritten begründen wollten. Die Regelung sieht nämlich die Entscheidung durch das Losverfahren entgegen der Ansicht der Kläger nicht für den Fall vor, dass mehrere Vorkaufsberechtigte die Wohnung kaufen wollen. Vielmehr soll gemäß § 2 Abs. 5 das Los entscheiden, falls mehrere Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht ausüben wollen. Das entspricht dem Zweck eines jeden Losverfahrens, unter mehreren gleich Berechtigten eine Auswahl zu treffen. Der Kläger und die Beklagten stehen sich jedoch im vorliegenden Fall nicht als in gleicher Weise Vorkaufsberechtigte gegenüber, die jeweils ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen. Vielmehr macht lediglich der Kläger sein vermeintliches Vorkaufsrecht geltend, während die Beklagte zu 3 als Käuferin und die Beklagten zu 1 und 2 als Verkäufer Parteien des Kaufvertrages sind, dessen Abschluss erst Voraussetzung für das mögliche Entstehen eines Vorkaufsrechts ist. Schon aus diesem Grunde fehlt es an der in § 2 Abs. 5 geregelten Voraussetzung für einen Losentscheid, dessen Durchführung mit dem Hauptantrag der Feststellungsklage erstrebt wird. Die Auffassung des Klägers, in dem Abschluss des Kaufvertrages durch einen anderen Vorkaufsberechtigten liege zugleich die Ausübung des Vorkaufsrechts, kann für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Die von dem Kläger zitierte obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm ZMR 1989, 374), betrifft den Sonderfall eines Kaufvertrages des Eigentümers mit einem der beiden Vorkaufsberechtigten, denen ein gemeinschaftliches Vorkaufsrecht mit einer Quote von je 1/2 eingeräumt worden war. Der Umstand, dass in der notariellen Urkunde vom 16. August 1957 nur das Losverfahren für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch mehrere Berechtigte geregelt ist, spricht dafür, dass die Beteiligten das Vorkaufsrecht nur für den Fall des Verkaufs einer Eigentumswohnung an einen außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Dritten entstehen lassen wollen. Anderenfalls hätten sie auch den Fall der Konkurrenz zwischen einem oder mehreren vorkaufsberechtigten Wohnungseigentümern auf der einen Seite und einem als Käufer einer der Eigentumswohnungen auftretenden weiteren Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Regelung getroffen. Ohne eine derartige Regelung hätte nämlich immer der sein Vorkaufsrecht ausübende Wohnungseigentümer den Vorrang vor dem als Käufer auftretenden Wohnungseigentümer, obgleich sämtliche vorkaufsberechtigten Wohnungseigentümer - wie die getroffene Regelung über das Losverfahren zeigt - im Fall des Verkaufs an einen außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Dritten gleichrangig berechtigt sein sollten. Für die Auslegung der getroffenen Abreden im Sinne der Begründung eines Vorkaufsrechts für sämtliche Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Eigentümers der verkauften Wohnung allein für den Fall des Verkaufs an nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft Dritte spricht auch das nachvollziehbare Bedürfnis der Wohnungseigentümer, die gemäß § 11 WEG unauflösliche Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Möglichkeit dadurch gegen das Eintreten einer fremden Person in den Kreis der Wohnungseigentümer zu schützen, dass einer der verbliebenen Wohnungseigentümer durch die Ausübung des Vorkaufsrechts den Anteil des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum und dessen Sondereigentum erwirbt. Dem gegenüber ist ein nachvollziehbares Interesse der Wohnungseigentümer daran, die rechtsgeschäftliche Veräußerung einer Eigentumswohnung an einen der anderen Wohnungseigentümer mit dem Vorkaufsrecht sämtlicher weiteren Wohnungseigentümer zu belasten, weder ersichtlich noch in der Urkunde vom 16. August 1957 oder in der Eintragungsbewilligung vom 10. Oktober 1961 auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gebracht worden. Hierzu hätte aber gerade vor dem Hintergrund der erst relativ kurze Zeit vor der Begründung des Wohnungseigentums im Jahre 1957 ergangenen Entscheidung des BGH vom 23. April 1954 zur Unzulässigkeit der Ausübung und/oder Vereinbarung eines Vorkaufsrechts bei der Veräußerung von Miteigentum an ein Mitglied der Bruchteilsgemeinschaft Veranlassung bestanden, die dem beurkundenden Notar bekannt gewesen sein dürfte. Die Begründung eines dinglichen Vorkaufsrechts auch für den Fall des Verkaufs von Wohnungseigentum an ein anderes Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft genügt aber nur dann dem sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernis, wenn diese Absicht in der Eintragungsbewilligung und den daraus in Bezug genommenen Urkunden - anders als im vorliegenden Fall -zweifelsfrei zum Ausdruck kommt.

Da dem Kläger ein Vorkaufsrecht im Hinblick auf den am 3. Februar 2004 abgeschlossenen Kaufvertrag nicht zusteht, ist - unbeschadet der Regelung des § 533 ZPO - auch der mit der Berufungsbegründung begehrte Hilfsantrag nicht begründet, der auf die Feststellung der Mitberechtigung des Klägers und der Beklagten zu 3 gerichtet ist.

Die Leistungsklage, mit der der Beklagten die Einstellung von Baumaßnahmen in der streitbefangenen Wohnung aufgegeben werden soll, ist wegen der fehlender Berechtigung des Klägers vom Landgericht ebenfalls zu Recht abgewiesen worden."

4

Innerhalb der gesetzten Frist bis zum 8. Oktober 2004 hat der Kläger zu dem Hinweisbeschluss des Senats keine Stellungnahme abgegeben, so dass die Berufung aus den Gründen des Hinweisbeschlusses als unbegründet zurückzuweisen ist.

5

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.