Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.10.2004, Az.: 8 U 98/04
Anspruch auf Feststellung des Fortbestehens eines Krankenversicherungsvertrags; Verletzung der Anzeigepflicht durch Verschweigen von Rückenbeschwerden; Rückenbeschwerden als anzeigepflichtiger Umstand; Pflicht des Versicherers zur Offenbarung seiner Risikoprüfungsgrundsätze; Zurechnung von privatem Wissen des Versicherungsagenten; Anwendbarkeit der "Auge-und-Ohr-Rechtsprechung"; Ausschluss des Rücktrittsrechts des Versicherers bei Unterlassen einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.10.2004
- Aktenzeichen
- 8 U 98/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 37202
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:1028.8U98.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 11.05.2004 - AZ: 17 O 76/04
Rechtsgrundlagen
- § 16 VVG
- § 20 VVG
- § 242 BGB
Fundstelle
- VersR 2005, 1381-1382 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2004
durch
den Richter am Oberlandesgericht xxx als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Mai 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 10.128,30 EUR festgesetzt (3 1/2-facher Jahresbeitrag von 2.893,80 EUR gem. §§ 3, 9 ZPO).
Gründe
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 analog ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch darauf festzustellen, dass der mit der Beklagten geschlossene Krankenversicherungsvertrag fortbesteht, weil die Beklagte von diesem mit Schreiben vom 10. Juli 2003 gem. §§ 16, 20 VVG wirksam zurückgetreten ist.
1.
a)
Der Kläger hat seine gem. § 16 Abs. 1 VVG bestehende Anzeigepflicht objektiv verletzt, indem er die Frage im Antragsformular vom 11. Juli 2001, ob bei ihm in den letzten 3 Jahren Krankheiten oder Beschwerden bestanden oder bestehen, verneinte. Tatsächlich war der Kläger demgegenüber wegen wiederkehrender Rückenschmerzen in den Jahren 1999 bis 2001 mehrfach bei seinem Hausarzt J. in Behandlung. So sind in dessen Attest vom 17. Juni 2003 u.a. Behandlungen angegeben wegen (Bl. 32 f. d.A.):
April 1999 BWS-Syndrom, Lumbago, Haltungsschwäche Nov. 1999 Lumbago Jan. 2000 Lumbago, Haltungsschwäche Mai 2000 cervicocephales Syndrom Juli 2000 Lumbago, BWS-Syndrom Juli 2001 Lumbago
In einem weiteren Attest des Arztes J. vom 4. September 2003 heißt es (Bl. 7 d.A.):
"... Wegen intermittierender Rückenprobleme war Herr K. am 6.11.1999, 5.1.00, 26.7.00 und 6.7.01 in meiner Behandlung. Die Beschwerden waren durch kurzfristige Maßnahmen deutlich rückläufig, eine Krankschreibung war wegen dieser Beschwerden zu keinem Zeitpunkt notwendig."
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. September 2003 gab der Arzt J. an, welche Behandlungsmaßnahmen er im Einzelnen durchgeführt hat, nämlich (Bl. 34 f. d.A.):
April 1999 Untersuchung, Beratung, Anleitung zur eigenständigen Bewegungstherapie, Wärmetherapie, Extensionsbehandlung mit Gerät, Anwendung niederfrequenter Ströme November 1999 Untersuchung, Beratung, Anleitung zur eigenständigen Bewegungstherapie Januar 2000 wie 11/99 Mai 2000 Untersuchung, Beratung, Anleitung zur eigenständigen Bewegungstherapie Juli 2000 wie 5/00 und niederfrequente Ströme, Wärmetherapie, Extensionsbehandlung mit Gerät, Analgesie der Spinalnerven Juli 2001 Untersuchung, Beratung, Anleitung zur eigenständigen Bewegungstherapie
Soweit der Kläger die Richtigkeit der Angaben insbesondere in den ärztlichen Attesten vom 17. Juni 2003 und 17. September 2003 zum Teil in Abrede gestellt hat, ist schon zweifelhaft, ob er hierzu überhaupt hinreichend substantiiert vorgetragen hat. Während er in der Klage auf das Attest J. vom 4. September 2003 mit den dort genannten vier Behandlungen Bezug nimmt, ist im Schriftsatz vom 5. April 2004 nur noch von drei Behandlungen die Rede, von denen jedenfalls zwei im Jahre 1999 erfolgt sein sollen. In seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger wiederum abweichende Angaben gemacht. Er hat überdies selbst eingeräumt, ihm sei im Einzelnen nicht mehr erinnerlich, wie oft er in den Jahren von 1990 bis 2003 bei seinem Hausarzt in Behandlung gewesen sei. Im Berufungsverfahren stellt der Kläger die inhaltliche Richtigkeit der insbesondere in der Aufstellung vom 17. September 2003 enthaltenen Angaben des Arztes J. nicht mehr in Abrede (Bl. 109 f. d.A.).
Auch wenn man indessen nur die eigenen Angaben des Klägers anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht als richtig unterstellt, ist eine nicht unerhebliche ärztliche Behandlung erfolgt. Jedenfalls im April und Oktober 1999 ist er bei dem Arzt J. gewesen, um sich den Rücken einrenken zu lassen, nachdem Wirbel herausgesprungen waren. Im Januar 2000 war der Kläger beim Arzt und hat ihn darauf hingewiesen, "dass es unten wieder zieht". Im Juli 2000 war der Kläger nach seinen Angaben erneut bei seinem Hausarzt, was u.a. zu einer Behandlung mit Niederfrequenzstrom, Wärmetherapie, Extensionsbehandlung mit Gerät und Analgesie der Spinalnerven führte. Schließlich ist der Kläger nach seinen Angaben auch im Juli 2001 noch einmal bei seinem Hausarzt gewesen, wo zum wiederholten Male Untersuchung, Beratung und Anleitung zu eigenständiger Bewegungstherapie erfolgten.
b)
Ohne Erfolg beruft der Kläger sich demgegenüber darauf, seine gelegentlichen Rückenbeschwerden seien keine anzeigepflichtigen Beschwerden gewesen, da es nur bei zwei der sechs Behandlungstermine überhaupt zu physikalischen
Behandlungsmaßnahmen gekommen sei, eine Diagnose nicht gestellt und Krankschreibungen nicht erfolgt seien. Zunächst gilt gem. § 16 Abs. 1 S. 3 VVG einUmstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als erheblich. Das Antragsformular ist in dieser Hinsicht umfassend und eindeutig formuliert. So wird in Ziff. 13 a) nicht nur nach Krankheiten, sondern auch nach Beschwerden gefragt. Bei einer derart formulierten Frage hat der Versicherungsnehmer jede Gesundheitsbeeinträchtigung anzugeben, die nicht offenkundig belanglos ist oder alsbald vergeht (BGH r + s 2003, 336; VersR 1994, 711, 713 [BGH 02.03.1994 - IV ZR 99/93]; 1457, 1458). Der Versicherungsnehmer ist demgegenüber nicht berechtigt, die Gefahrerheblichkeit bestimmter Umstände aus seiner Sicht zu beurteilen, sondern gehalten, die ihm gestellten Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten sowie deren Prüfung und Bewertung dem Versicherer zu überlassen (BGH VersR 2000, 1486, 1487; 1994, 711, 712 [BGH 02.03.1994 - IV ZR 99/93]; NJW 1993, 596, 597 [BGH 09.12.1992 - IV ZR 232/91]; OLG Koblenz VersR 2004, 228, 229) [OLG Koblenz 08.09.2003 - 10 U 1649/02].
Eine hiernach nicht anzeigepflichtige Bagatellerkrankung im Rückenbereich wird man etwa annehmen können bei einmaligen leichten und vorübergehenden Schmerzen in der Lendengegend nach einem Fußballspiel ohne weitere ärztliche Behandlung (OLG Hamburg VersR 1990, 610 [OLG Hamburg 18.10.1989 - 5 U 42/89]). Hier befand sich der Kläger demgegenüber ausgehend von der Stellungnahme des Arztes J. vom 17. September 2003 insgesamt sechsmal zu unterschiedlichen Zeiten wegen diverser Beschwerden im Rückenbereich in ärztlicher Behandlung. Ihm wurde mehrfach der Rücken eingerenkt, nachdem Wirbel herausgesprungen waren. Entsprechend wurde er darüber unterrichtet, welche eigenständige Bewegungstherapie sinnvoll seien. Bei zwei Anlässen, nämlich im April 1999 und im Juli 2000, erfolgten zusätzlich Wärme- und Stromtherapie, Extensionsbehandlung mit Gerät und imJuli 2000 überdies eine Analgesie der Spinalnerven. Dass diese Beschwerden bis zur Antragsaufnahme auch keineswegs verschwunden waren, zeigt auch der Umstand, dass der Kläger sich wegen seiner Rückenbeschwerden noch am 6. Juli 2001, d.h. nur 5 Tage vor Antragsaufnahme, in ärztlicher Behandlung befand. Angesichts dieser wiederholt und bis unmittelbar vor Antragstellung erfolgten Behandlungen kann von einer bloßen Bagatellerkrankung nicht ausgegangen werden.
So ist auch im Bereich von Rückenbeschwerden, die nicht nach kurzer Zeit wieder vergehen, anerkannt, dass es sich jedenfalls dann um einen anzeigepflichtigen Umstand handelt, wenn diese Beschwerden Anlass für ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen waren (OLG Koblenz VersR 2004, 228 [OLG Koblenz 08.09.2003 - 10 U 1649/02]; VersR 2003, 494; 1999, 610 [OLG Nürnberg 22.10.1998 - 8 U 1610/98]; OLG Frankfurt r + s 2004, 275; r+s 2000, 477; OLG Hamm VersR 1991, 988 [OLG Hamm 28.09.1990 - 20 U 38/90]; OLG Köln r + s 1990, 65: Beschwerden an Hals- und Lendenwirbelsäule). Demgegenüber spielt es keine Rolle, ob die Beeinträchtigungen bereits zu einem bestimmten Befund mit Krankheitswert geführt haben oder der Versicherungsnehmer den Beschwerden Krankheitswert zugemessen hat (OLG Hamm, a.a.O.). Gefragt wurde in Ziff. 13 a) des Formulars ausdrücklich nicht nur nach Krankheiten, sondern auch nach Beschwerden. Infolgedessen spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger nicht krank geschrieben wurde, keine Medikamente erhielt und die Beschwerden nach kurzfristigen Maßnahmen wieder deutlich rückläufig waren. Maßgebend ist, dass es sich hier jedenfalls nicht nur um einen einmaligen Vorgang, sondern um wiederholt aufgetretene Beschwerden mit Behandlungen handelte, die bis unmittelbar vor Antragstellung andauerten und den Kläger zu Arztbesuchen veranlassten.
Angesichts der umfassend formulierten Frage nach Krankheiten oder Beschwerden kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, ihm sei unklar gewesen, was unter Beschwerden zu verstehen ist. Da diese ausdrücklich neben Krankheiten aufgeführt wurden, war es auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar, dass hier auch Beeinträchtigungen unterhalb eines Krankheitswertes anzugeben sind, soweit sie - wie hier - den Bereich reiner Bagatellen überschreiten.
c)
Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, die Beklagte habe nicht dargelegt, dass sie den Antrag nach ihren Risikoprüfungsgrundsätzen nicht angenommen hätte, wenn er sie umfassend über seine Beschwerden unterrichtet hätte. Zwar genügt der Versicherungsnehmer seiner Darlegungslast grundsätzlich schon dann, wenn er pauschal behauptet, der betreffende nicht angezeigte Umstand sei nicht gefahrerheblich, während es darauf Sache des Versicherers ist, substantiiert vorzutragen, von welchen Grundsätzen er sich bei der dem Vertragsschlussvorangehenden Risikoprüfung leiten lässt (BGH VersR 2000, 1486). Diese Vortragslast trifft den Versicherer aber nur dann, wenn die Gefahrerheblichkeit des verschwiegenen Umstands nicht ohnehin auf der Hand liegt. Der Versicherer ist also nur dann gehalten, seine Risikoprüfungsgrundsätze zu offenbaren, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers von Bedeutung sein könnte (BGH, a.a.O.).
Hiervon kann vorliegend indessen nicht die Rede sein. Vielmehr liegt die Gefahrerheblichkeit bei Rückenbeschwerden jedenfalls dann auf der Hand, wenn sie
über einen längeren Zeitraum immer wieder auftauchen (vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 2001, 1408, 1410 [OLG Düsseldorf 29.02.2000 - 4 U 47/99]; OLG Hamm r + s 1991, 104). Das gilt gerade auch bei dem als Tankstellenpächter tätigen Kläger. Es ist offensichtlich, dass Beschwerden im Bereich des Rückens, sei es Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule, hier wegen der mit körperlichen Anstrengungen verbundenen Tätigkeiten, die gelegentlich auch im Freien mit dem Ausgesetztsein gegenüber Witterungseinflüssen erfolgen, in besonderem Umfang geeignet sind, sich auf die Gesundheit des Kläger und seine Arbeitsfähigkeit auszuwirken. Der Kläger selbst hat vorgetragen, er sei davon ausgegangen, sich den Rücken wegen unglücklicher arbeitsbedingter Bewegungsabläufe ausgerenkt zu haben (Bl. 38 d.A.).
d)
Unerheblich ist es hier ferner, ob der den Vertrag für die Beklagte vermittelnden Mutter des Klägers dessen Erkrankungen und Arztbesuche bekannt waren oder nicht. Zwar fehlt es an einer Anzeigepflichtverletzung, wenn der Versicherungsnehmer den Agenten bei Antragsaufnahme mündlich zutreffend unterrichtet, dieser die Angaben aber nicht in den von ihm ausgefüllten Antrag übernommen hat. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Versicherungsnehmer den Agenten nicht zutreffend informiert hat, d.h., dass der Agent nur die falschenAngaben erhalten hat, die im Antrag niedergelegt sind, ist der Versicherer (BGH VersR 1989, 833, 834 [BGH 23.05.1989 - IV a ZR 72/88]; 2001, 1541, 1542) [BGH 10.10.2001 - IV ZR 6/01]. Diese sog. "Auge-und-Ohr-Rechtsprechung" findet hier jedoch schon deshalb keine Anwendung, weil eine Zurechnung nur erfolgt, sofern dem Versicherungsagenten anlässlich der Antragsaufname vom Versicherungsnehmer mündliche Angaben gerade in dessen Eigenschaft als Versicherungsagent gemacht wurden, dieser sie aber nicht in den Antrag aufgenommen hat. Privates Wissen des Versicherungsagenten, das dieser unabhängig von konkreten Angaben des Versicherungsnehmers anlässlich der Antragsaufnahme bereits zuvor hatte, ist dem Versicherer dagegen nicht zuzurechnen (BGH VersR 1990, 150, 151 [BGH 29.11.1989 - IVa ZR 273/88]; OLG Koblenz VersR 2001, 45 [OLG Koblenz 31.03.2000 - 10 U 1097/99]; OLG Hamm r + s 1999, 11; AG Mannheim VersR 1997, 1131 [AG Mannheim 03.12.1996 - 2 C 3078/96]: Vermittler als Ehemann der Versicherungsnehmerin; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., §§ 16, 17 Rdnr. 27; Römer/ Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 16, 17 Rdnr. 38). Anderenfalls würden die Grenzen der Zurechnung zu Lasten des Versicherers, der naturgemäß über private Kenntnis des Vermittlers und dessen Beziehungen zum Versicherungsnehmer nicht unterrichtet sein kann, überschritten.
Auch der Versicherungsnehmer kann in diesen Fällen berechtigterweise nicht darauf vertrauen, der Vermittler werde gefahrerhebliche Umstände, die bei der Antragsaufnahme nicht ausdrücklich besprochen werden, schon aufnehmen und diese an den Versicherer weiter leiten. Er kann insbesondere nicht annehmen, der Agent werde diese privat erlangten Zusatzkenntnisse in den schriftlichen Antrag aufnehmen, so dass er diesen nur noch zu unterschreiben brauche, ohne ihn überhaupt noch einmal durchzulesen. Es liegt hier anders als in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer dem Agenten bestimmte gefahrerhebliche Umstände bei Antragsaufnahme mitgeteilt, dieser sie aber in den schriftlichen Antrag nicht aufgenommen hat. Hier kann der Versicherungsnehmer darauf vertrauen, der Agent wisse aufgrund der ihm bekannten Annahmepraxis des Versicherers selbst am besten, welche Umstände anzeigepflichtig sind und welche nicht. Ein doppeltes Vertrauen des Versicherungsnehmers in private Kenntnis des Agenten von bei Antragstellung nicht erörterten gefahrerheblichen Umständen und deren Aufnahme in den Antrag ohne eigenständige Kontrolle vor der Unterschriftsleistung ist dagegen nicht gerechtfertigt.
So liegt es auch hier. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, anlässlich der Antrags-aufnahme seine Mutter über Art und Umfang seiner Rückenbeschwerden, die Zahl seiner Arztbesuche und die hier erfolgten Behandlungen unterrichtet zu haben. Er behauptet lediglich, davon ausgegangen zu sein, diese Umstände seien seiner Mutter bekannt, da er zu diesem Zeitpunkt mit ihr noch in einem Haushalt gelebt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Klägervertreter noch einmal erklärt, über die Rückenbeschwerden sei bei Antragsaufnahme nicht gesprochen worden.
2.
Dem Kläger waren die anzeigepflichtigen Umstände jedenfalls im Kern auch bekannt, was sich aus seinen Angaben anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht ergibt (Bl. 64 - 66 d.A.).
3.
Der Kläger hat auch nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass die Anzeige gem. § 16 Abs. 3 VVG ohne sein Verschulden unterblieben ist (zur Beweislast des Versicherungsnehmers für sein fehlendes Verschulden vgl. BGHZ 122, 388 [BGH 02.06.1993 - IV ZR 72/92]; Römer/Langheid, a.a.O., Rdnr. Rdnr. 74). Für das Vorliegen desVerschuldens genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (Römer/Langheid, a.a.O., Rdnr. 63). Hier wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, die ihmbekannten Umstände hinsichtlich seiner Beschwerden und seiner Behandlunganzugeben, ohne dass er etwa selbst eine entsprechende medizinische Einordnung oder Diagnose hätte angeben müssen (zur Mitteilungspflicht des Versicherungsnehmers über die ihm bekannten Gesundheitsstörungen auch ohne Angabe einer Diagnose vgl. BGH VersR 1994, 711, 713) [BGH 02.03.1994 - IV ZR 99/93]. Insbesondere ist in keiner Weise ersichtlich, warum der Kläger nicht einmal die Rückenbeschwerden geschildert hat, die ihn am 6. Juli 2001 gerade einmal 5 Tage vor der Antragsaufnahme veranlassten, noch einmal den Arzt J. aufzusuchen.
4.
Das Rücktrittsrecht der Beklagten ist auch nicht gem. § 242 BGB ausgeschlossen. Zwar kann das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung seitens des Versicherers im Zeitpunkt der Antragstellung dazu führen, dass er ein Rücktrittsrecht wegen Rechtsmissbrauchs nicht geltend machen kann (BGHZ 117, 385 [BGH 25.03.1992 - IV ZR 55/91]). Dies gilt indessen nur dann, wenn die Angaben des Versicherungsnehmers im Antragsformular lückenhaft, unzureichend oder widersprüchlich sind (OLG Köln VersR 1995, 831). Demgegenüber bedarf es keiner ergänzenden Rückfragen, wenn der Versicherungsnehmer auf klare Fragen in dem Antragsformular unrichtig geantwortet hat und diese Antwort keine Unklarheiten enthält. Die Risikoprüfung des Versicherers dient nicht der Überprüfung der Wahrheitsliebe des Versicherungsnehmers (BGH VersR 1995, 901 [BGH 03.05.1995 - IV ZR 165/94]).
Hier bestand für Rückfragen seitens der Beklagten keine Veranlassung. Der Kläger hatte das Bestehen von Krankheiten oder Beschwerden schlicht verneint und lediglich eine 1995 erfolgte und ausgeheilte Operation an den Hämorrhoiden angegeben. Dass hier demgegenüber noch Rückenbeschwerden des Klägers bestanden und dieser sich deswegen in Behandlung befand, war für die Beklagte nicht erkennbar, zumal der Kläger nicht einmal den Namen des ihn mehrfach behandelnden Hausarztes J. angegeben hatte.
Der Rücktritt vom 10. Juli 2003 ist schließlich auch fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 20 Abs. 1 VVG erfolgt, nachdem der Beklagten das Schreiben des Arztes J. vom 17. Juni 2003 zugegangen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.