Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.03.2003, Az.: 7 B 952/03
Cannabis; Ecstasy; Fahrerlaubnis
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 27.03.2003
- Aktenzeichen
- 7 B 952/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 47987
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 FeV
- § 46 FeV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Anordung eines ärztlichen Gutachten auf der Basis eines Drogenscreenings ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber unter dem Einfluss von Cannabis auf dem Fahrersitz eines parkenden PKW angetroffen wird.
Die einmalige Einnahme von Ecstasy führt dazu, dass der Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Das nach § 80 Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO zu beurteilende Begehren ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die angegriffene Verfügung des Antragsgegners rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Zur Begründung wird auf die zutreffenden Erwägungen im Bescheid des Antragsgegners vom 25. Februar 2003 verwiesen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Antragsgegner durfte von der Weigerung der Antragstellerin, sich einer ärztlichen Begutachtung auf der Basis eines Drogenscreenings zu unterziehen, auf ihre fehlende Fahreignung schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Maßgeblich sind insoweit die in dem Schreiben des Antragsgegners vom 10. Dezember 2002 unterbreiteten Gründe (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 C 13.01 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 29 S. 1 <5>).
Der Antragsgegner hat aus dem Vorfall am 3. Oktober 2002 zu Recht darauf geschlossen, dass Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin wegen des Verdachts regelmäßigen Cannabiskonsums bestehen. Ein solcher Gebrauch von Betäubungsmitteln führt dazu, dass die Kraftfahreignung ausgeschlossen ist (§§ 46 Abs. 1 Satz 2 iVm Ziff. 9.2.1 der Anlage 4 FeV). Bestehen hierfür Anhaltspunkte hat die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen.
Der Gutachtenaufforderung vom 10. Dezember 2002 ist die einmalige Einnahme von Cannabis am 3. Oktober 2002 zu Grunde gelegt worden, die für sich genommen noch keine Zweifel an der Fahreignung begründet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378 <2380>; BVerwG a.a.O <S. 7>). Allerdings besteht ein hinreichender Verdacht auf einen regelmäßigen Konsum, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betroffene den Cannabiskonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht trennen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2002 - 1 BvR 2428/95 - NJW 2002, 2381; BVerwG a.a.O.). Sofern der Inhaber der Fahrerlaubnis unter Drogeneinfluss Kraftfahrzeuge führt, ist auf einen erheblichen Gebrauch des Betäubungsmittels zu schließen. Dies zeigt nämlich, dass selbst im Zusammenhang mit dem Fahren hierauf nicht mehr verzichtet werden kann.
In der Gutachtenanordnung der Antragsgegnerin sind konkrete Anhaltspunkte dafür dargetan worden, dass die Antragstellerin unter dem Einfluss von Cannabis Kraftfahrzeuge führt. Sie ist in den frühen Morgenstunden des 3. Oktober 2002 auf dem Parkplatz einer Gaststätte in Lohne von Beamten der Polizeiinspektion Vechta unter dem Einfluss von Haschisch auf dem Fahrersitz eines PKW vorgefunden worden. Dass das Fahrzeug (noch) nicht bewegt worden war, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass ein hinreichender Zusammenhang mit dem Straßenverkehr bestanden hat. Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) sogar schon die Reste eines Joints im Aschenbecher eines Fahrzeugs als ausreichenden Bezug zum Straßenverkehr bewertet hat. Keiner Entscheidung bedarf daher hier die zwischen den Beteiligten streitig erörterte Frage, ob sich im Fahrzeug der Antragstellerin - wofür angesichts des Berichts der Polizeiinspektion Vechta vom 3. Oktober 2002 allerdings viel spricht - auch Jointblättchen befunden haben.
Die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin kann an dem für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens allein ausreichenden Verdacht eines regelmäßigen Cannabiskonsums nichts ändern. Zwar ist die Richtigkeit der hierin enthaltenen Darstellung des Vorfalls vom 3. Oktober 2002, wonach sich die Antragstellerin mit ihrem Freund lediglich zum Austausch von Intimitäten in dem Fahrzeug aufgehalten haben soll, nicht auszuschließen. Entsprechenden Erklärungen des Betroffenen haben jedoch kein derartiges Gewicht, dass ihnen von vornherein uneingeschränkt Glauben geschenkt werden dürfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 1996 - 11 B 48.96 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 27, S. 10 <12>). Die darüber hinaus vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen stammen von der Schwester der Antragstellerin sowie ihrem Freund. Auffällig ist zudem, dass die Erklärungen nicht schon nach der Gutachtenaufforderung des Antragsgegners vom 10. Dezember 2002 oder zumindest auf Grund der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis (Schreiben des Antragsgegners vom 10. Januar 2003) vorgelegt worden sind.
Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass wegen des Cannabiskonsums der Antragstellerin nach derzeitigem Erkenntnisstand - wenn man den obigen Ausführungen nicht folgen würde - zumindest jetzt eine Gutachtenaufforderung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gerechtfertigt wäre. Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg hat sie im April und Mai 2002 in vier Fällen geringe Mengen Marihuana erworben (vgl. Anklageschrift vom 11. März 2003 und Bericht der Polizeiinspektion Vechta vom 5. November 2002).
Darüber hinaus dürfte - unabhängig von den vorstehenden Erwägungen - eine Entziehung der Fahrerlaubnis sogar ohne weitere Begutachtung geboten sein. Die Antragstellerin hat nach den im vorstehenden Absatz erwähnten Unterlagen am 25. Mai 2002 eine geringe Mengen Ecstasy zum Eigenverbrauch erworben.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr. 9.1 zur FeV ist in der Regel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (einmalig) einnimmt. Ob die Einnahme regelmäßig oder gelegentlich erfolgt und der Konsum des Rauschmittels und das Führen von Kraftfahrzeugen getrennt werden kann, ist bei sog. harten Drogen unerheblich. Dies ergibt sich im Gegenschluss aus Ziff. 9.2. der Anlage 4 zur FeV. Danach sind die erwähnten Unterscheidungen lediglich bei der Einnahme von Cannabis bedeutsam (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2002 - 12 ME 550/02 - <S. 4>; Beschluss vom 14. August 2002 - 12 ME 566/02 - DAR 2002, 471 f. [OVG Rheinland-Pfalz 23.05.2002 - 7 B 10765/02] m.w.N. auch betr. die Einnahme von Ecstasy).
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem
Verwaltungsgericht Oldenburg,
Schloßplatz 10, 26122 Oldenburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 EUR übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem
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schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.
Der Beschwerdeführer muss sich von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt oder einer nach § 67 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 VwGO zur Vertretung berechtigten Person als Bevollmächtigten vertreten lassen.