Amtsgericht Hannover
Urt. v. 15.06.2001, Az.: 606 F 38/01

Familienrechtlicher Anspruch auf Zahlung eines Verdienstausfalls als Betreuungsunterhalt; Unterhaltspflichten eines getrennt lebenden Ehemannes; Abzugsfähigkeit einer Rate aus einer Ehescheidungsfolgenvereinbarung; Bestimmung der Lebensstellung einer getrennt lebenden und selbst berufstätigen Ehefrau

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
15.06.2001
Aktenzeichen
606 F 38/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 32587
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2001:0615.606F38.01.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2002, 191 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Betreuungsunterhalt

In der Familiensache
...
hat das Amtsgericht Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 20.04.2001
durch den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit von März 2001 bis Dezember 2001 rückständigen Betreuungsunterhalt in Höhe von 30.010,01 DM zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin für die Zeit von Januar 2001 bis Juni 2001 einen monatlichen Betreuungsunterhalt in Höhe von 2.804,45 DM sowie für die Zeit von Juli 2001 bis einschließlich Februar 2003, und zwar den künftigen Unterhalt jeweils bis zum 3. eines jeden Monats.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreitstragen zu 86 % der Beklagte und zu 14 % die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Rückstände gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000,00 DM vorläufig vollstreckbar, im Übrigen ohne Sicherheitsleistung.

Hinsichtlich der in der Zeit vom 1.1.2001 bis 30.6.2001 aufgelaufenen Forderung bleibt dem Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.826,70 DM sowie hinsichtlich der ab dem 1.7.2001 monatlich fällig werdenden Forderung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 2.635,45 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist verheiratet, lebt aber von ihrem Ehemann getrennt. Das Scheidungsverfahren ist unter dem Az. 20 F 2460/00 beim Amtsgericht Peine anhängig.

2

Der Beklagte ist der Vater ihres am ... geboren Kindes ...

3

Mit der am 12.4.2001 zugestellten Klage macht die Klägerin Betreuungsunterhalt gem. § 16151 BGB geltend

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Sie führt aus, wegen der Geburt des Kindes nicht mehr ihrer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Deshalb sei der Beklagte verpflichtet und in der Lage, ihr den Verdienstausfall als Betreuungsunterhalt zu zahlen.

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Er sei mit Schreiben vom 20.3.2000 zur Zahlung aufgefordert worden, dem jedoch nicht nachgekommen.

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Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

  1. 1.

    einen monatlichen, im voraus bis zum 3.eines jeden Monats zu entrichtenden Unterhaltsbetrag in Höhe von 3.305,17 DM zu zahlen,

  2. 2.

    einen rückständigen Unterhaltsbetrag für die Zeit von März bis Dezember 2000 in Höhe von 33.051,70 DM zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

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Er hält sich unter Berücksichtigung seiner sonstigen Zahlungspflichten nicht für ausreichend leistungsfähig.

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Weiter ist er der Meinung, dass das auf Seiten der Klägerin das an sie gezahlte Kindergeld anzurechnen sei. Schließlich sei der Anspruch der Klägerin gegen ihren getrennt lebenden Ehemann auf Trennungsunterhalt dem Anspruch gegen ihn auf zahlung von Betreuungsunterhalt gleichrangig.

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Die Klägerin hat hierzu repliziert, dass der Beklagte Verbindlichkeiten zu Unrecht in ABzug gebracht habe. Im Verhältnis zum Unterhaltsanspruch gegen den getrennt lebenden Ehemann betrage die Haftungsquote des Beklagten mindestesn 80 %, auch weil auf Seiten des Ehemannes der Verwirkungstatbestand zu berücksichtigen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist weitgehend begründet.

13

Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin gem. § 1615 I Abs.2 Sätze 2 und 3 BGB für den Zeitraum von 4 Monaten vor der Geburt bis 3 Jahren nach der Geburt Unterhalt zu leisten, weil von ihr wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

14

Das Maß des zu gewahrenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung der Bedürftigen (vgl. BGH FamRZ 1998,541,544 ).

15

Da der getrenntlebende Ehemann über ein eigenes Einkommen verfügt, das noch höher ist, als das der Klägerin, sie selbst also nicht dem Ehemann unterhaltspflichtig wäre, bestimmt sich ihre Lebensstellung nach ihrem eigenen Einkommen.

16

Für den Unterhaltsbedarf haften der getrennt lebende Ehemann und der Beklagte in entsprechender Anwendung des § 1606 Abs.3 Satz 1 BGB anteilig ( vgl. BGH FamRZ 1998,541, 543 ). Dabei ist aber eine schematische Anknüpfung an die jeweiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnisse nicht zwingend. Vielmehr lässt die entsprechende Anwendung auch Raum zur Berücksichtigung anderer Umstände, also auch dem, das dann, wenn die Mutter nur wegen der Betreuung des Kindes, dessentwegen der Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht, von einer Erwerbstätigkeit abgehalten werde,. es auch möglich sei, nur den Erzeuger des Kindes allein zum Unterhalt heranzuziehen ( vgl. BGH, a.a.O. )

17

Da die Klägerin vor der Geburt einer vollzeitigen Beschäftigung nachgegangen ist und diese nur wegen der Geburt des gemeinsamen Kindes aufgeben musste und aufgegeben hat, erscheint es angemessen, dass zur Deckung des Unterhaltsbedarfs zunächst nur der Beklagten herangezogen wird. Ein Anspruch gegen den Ehemann besteht nur, soweit der Beklagte nicht in der Lage sein sollte, den Bedarf der Klägerin zu decken.

18

Der Beklagte hat, wie sich aus dem vorgelegten Gehaltsnachweis ergibt, im Jahr 2000 nach Abzug des Beitrages zur Betriebskrankenkasse sowie unter Berücksichtigung von 5 % pauschalierten berufsbedingten Aufwendungen und einer auf den Monat umgelegten

Steuererstattung ein durchschnittliches Nettoeinkommen von erzielt.6.769,31 DM
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Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 11.5.2001 die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung noch einmal in Abzug gebracht, sie sind als Abzugsposten aber bereits in der Einkommensaufstellung unter ... enthalten

20

Dagegen hat er in dem genannten Schriftsatz die schon in dem Gehaltsnachweis hinzugerechnete Steuererstattung noch einmal einkommenserhöhend berücksichtigt.

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Nach Ansicht des Gerichts sind vom Einkommen die Beiträge zu den

Lebensversicherungen in Höhe von52,00 DM
und250,00 DM
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abzugsfähig. Das Bruttoeinkommen des Beklagten dürfte über der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung liegen, so dass ihm eine Gesamtversorgung von ca. 20 % zuzubilligen ist. Wegen der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung wird eine private Zusatzversorgung ohnehin in größerem Umfang anerkannt werden müssen ( vgl. Wendl/Staudigl/Gerhard, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 5. Aufl. 2000, § 1 Rdn. 497a ).

Abzuziehen sind weiter der Beitrag zur Lebensversicherung für die Tochter mit118,23 DM.
und die ehebedingten Schulden aus dem Darlehen bei der Bausparkasse mit576,63 DM.
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Nicht voll abzugsfähig ist hingegen die Rate aus der Ehescheidungsfolgenvereinbarung mit seiner Ehefrau. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, diese am 30.11.2000 geschlossen zu haben. Ihm war zu diesem Zeitpunkt aber bekannt, dass er nicht nur dem Kind ... , sondern zumindest dem Grunde nach auch der Mutter zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet war, wenngleich deren Anspruch dem der Ehefrau nachrangig ist ( § 1615 I Abs.3 Satz 2 ).

24

Der Beklagte hätte sich vielmehr zu einer geringeren Rate verpflichten müssen.

Angemessen erscheint eine monatliche Rate von die ab dem 1.12.2000 abzusetzen ist.300,00 DM,
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Um die Gesamtforderung von 10.000,00 DM zu decken, erstreckt sich die Zahlung dann aber vom Dezember 2000 bis zum Ende der in§ 1615 I BGB normierten Dreijahresfrist.

Dagegen ist nach Ansicht des Gerichts der monatlich gezahlte Unterhalt an die volljährige eheliche Tochter in Höhe von abzusetzen. Zwar liegt kein Unterhaltstitel vor, eine Zahlung auf reiner440,00 DM
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Goodwill -- Basis liegt hingegen auch nicht vor. Wie sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr mit den Prozessbevollmächtigten der Tochter ergibt, hat sich der zur Zahlung von Unterhalt aufgeforderte Beklagte nach anwaltlicher Beratung schließlich bereit erklärt, Unterhalt in dieser Höhe zu zahlen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein Unterhaltsanspruch in etwa dieser Höhe auch tatsächlich besteht.

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Abzusetzen ist weiter der Tabellenkindesunterhalt für ...

in Höhe von 170 % des Betrages der Regelbetrags Verordnung, derzeit also in Höhe der vorliegenden Unterhaltsurkunde.604,00 DM,
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Ab dem 1.7.2001 beträgt der Unterhaltsbedarf nach der dann geltenden Düsseldorfer Tabelle 623,00 DM.

Es verbleibt dann ein Einkommen von4.728,45 DM
Diesem ist der Arbeitnehmeranteil zu den vermögenswirksamen Leistungen mit26,00 DM
hinzuzurechnen, so dass bis zum 30.11.2000 von einem Einkommen von4.754,45 DM,
in der Zeit vom 1.12.2000 bis 30.6.2001 wegen der monatlichen Rate aufgrund der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30.11.2000 4.454,45 DM
und ab dem 1.7.2001 wegen der geänderten Bedarfssätze bei Jonas Christoper nach der dann geltenden Düsseldorfer Tabelle von einem Einkommen von auszugehen ist.4.435,45 DM
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Da die Kosten der vermieteten Eigentumswohnung ( Darlehen und "Werbungskosten" wie Rücklagenbildung u.a.) die erzielten Mieteinkünfte übersteigen und negative Mieteinkünfte zwar steuerlich von Bedeutung sind, aber nicht dem Unterhaltsschuldner entgegengehalten werden dürfen ( vgl. Wendl / Staudigl / Gerhard, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 5. Aufl. 2000,§ 1 Rdn. 202 ), verbleibt es bei dem vorgenannten Einkommen.

Der Bedarf der Klägerin beträgt entsprechend ihrem früheren Verdienst3.305,17 DM.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist hierauf das der Klägerin gewährte Erziehungsgeld nicht anzurechnen. Gem. § 9 Abs.2 BerzGG käme dieses nur in den Fällen der §§ 1361 Abs.3, 1579 BGB in Betracht, wenn die Klägerin aus Billigkeitsgründen einen nur eingeschränkten Unterhaltsanspruch hätte. Dieses käme zwar im Verhältnis zum getrennt lebenden Ehemann in Betracht, nicht aber gegenüber dem Beklagten.

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Hingegen muss sich die Klägerin die Zinsen aus dem ihr infolge der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung ihrer Ehe zugeflossenen 80.000,00 DM anrechnen lassen. Zum Erwerb einer Kinderkarre hätte es jedenfalls keiner Aufnahme eines Darlehens bei den Eitern bedurft. Soweit es um die von den Eltern verauslagten Gerichtskosten geht, hätten diese aus dem ihr zugeflossenen Betrag von 80.000,00 DM von Anfang an finanziert oder später ausgeglichen werden können. Bei einer erzielbaren Verzinsung von 4,4 % der um die Gerichtskosten verminderten Zahlung,

also 77.000,00 DM, ist von einem monatlichen Zinseinkommen von282,33 DM
auszugehen. Diese Einkünfte sind auf den Bedarf anzurechnen, so dass ein Restbedarf von verbleibt.3.022,84 DM
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Diesen vollständig zu decken ist der Beklagte bis zum 30.11.2000 in der Lage gewesen.

Ihm ist der gegenüber einer Ehefrau zuzubilligende Selbstbehalt zu belassen. Dieser beträgt entsprechend den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Celle, Anm. IV 3, bis zum 30.6.20011.650,00 DM,
Nach Abzug des Unterhaltsbedarfs von seinem Einkommen (4.754,45 ./. 3.022,84 ) verblieben ihm 1.731,61 DM.
Ab dem 1.12.2000 ist sein Selbstbehalt jedoch nicht mehr gewahrt. In der Zeit bis zum 30.6.2001 ist er nur noch in Höhe von ( 4.454,45 ./. 1.650,00 ) leistungsfähig.2.804,45 DM
Ab dem 1.7.2001 beträgt der Selbstbehalt1.800,00 DM.
Unter Berücksichtigung seines von nun an infolge des geänderten Tabellensatzes bei ... geringeren Einkommens ist er nunmehr nur noch zur Zahlung von ( 4.435,45 ./. 1.800,00 ) in der Lage.2.935,45 DM
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Die Unterhaltungsverpflichtung besteht aufgrund der Mahnung vom 20.03.2000 seit dem Monat März 2000. Dass er die Vaterschaft erst später anerkannt hat, ist ohne Bedeutung ( §§1615 I Abs.3 Satz 4, 1613 Abs.2 Nr. 2 a BGB).

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Zu zahlen ist der Unterhalt bis einschließlich Februar 2003, weil sich der Anspruch nach dem Alter des Kindes richtet und Kindesunterhalt am 1. eines Monats fällig geworden ist. ( § 1612 Abs.3 Satz 1 BGB).

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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92, 708 Nr.8, 709, 711 ZPO..

... Richter am Amtsgericht