Amtsgericht Hannover
Urt. v. 26.09.2001, Az.: 554 C 9905/01
Ausschluss des Versicherungsschutzes nach allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Haftpflichtversicherung bei Schäden an geliehenen Sachen; Abgrenzung von Leihvertrag und Gefälligkeitsverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 26.09.2001
- Aktenzeichen
- 554 C 9905/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30050
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2001:0926.554C9905.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 598 BGB
- § 1 AHB
- § 4 Abs. 1 Nr. 6a AHB
Fundstelle
- zfs 2003, 139-140 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 554 -
auf die mündliche Verhandlung
vom 05.09.2001
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin ist befugt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.300,- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand
Die Klägerin veranstaltet Feste, insbesondere übernimmt die Klägerin die Bewirtung der Gäste von Schützenfesten, Weihnachtsfeiern oder Rockkonzerten. Mit dem Schützenverein der Stadt Bassum schloss die Klägerin einen Bewirtschaftungsvertrag ab, der ihr das Recht einräumte an fünf Veranstaltungen die Bewirtung zu übernehmen.
Im Jahre 1995 schloss die Klägerin mit der Beklagten eine Haftpflichtversicherung ab, die eine Standarddeckung aufweist. Als beitragspflichtige Zusatzrisiken wurden kurzfristige Veranstaltungen an diversen Standorten mit in den Vertrag aufgenommen.
Im Jahre 1998 fand in der stadteigenen Sporthalle der Stadt Bassum eine Weihnachtsfeier statt. Die Klägerin richtete die Halle her und stellte u.a. einen Getränketresen auf. Da die Klägerin den Getränketresen auch für die Silvesterfeier nutzen wollte, räumte sie die Halle, wie mit der Stadt Bassum vereinbart, nach der Weihnachtsfeier nicht.
In der Zeit zwischen Weihnachten und Silverster trat ein Wasserschaden an dem Hallenboden ein, der durch einen defekten Wasserschlauch, mit dem der Tresen der Klägerin versorgt wurde, verursacht worden war. Die Schadensbeseitigungskosten beliefen sich auf 8.854,22 DM.
Die Klägerin meldete den Schaden der Beklagten, die mit Telefax vom 21.05.1999 der Klägerin mitteilte, dass der Schaden nicht übernommen werde. Die Klägerin beglich den Schaden daraufhin selbst.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.854,22 DM nebst 9,26 % Zinsen seit dem 01.01.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich im übrigen auf § 4 Abs. 1 Ziff. 6 AOB, wonach Versicherungsschutz nicht gegeben ist für fremde Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet, gepachtet oder geliehen hat oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann nicht 8.854,22 DM von der Beklagten gemäß § 1 AHB i.V.m. dem Versicherungsvertrag vom 27.04.1995 verlangen.
Zwischen den Parteien ist im Frühjahr 1995 ein Versicherungsvertrag geschlossen worden, der auch im Zeitpunkt des Schadenseintritts in der Sporthalle Bassum noch wirksam war.
Ein Anspruch auf Zahlung von 8.854,22 DM steht der Klägerin aber deshalb nicht zu, weil die Gewährung von Versicherungsschutz aufgrund von § 4 Abs. 1 Ziff. 6 a AHB ausgeschlossen ist. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet, gepachtet, geliehen oder durch verbotene Eigenmacht erlangt hat, oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind.
Zum Zeitpunkt des Schadenseintritts lag ein Leihvertrag zwischen der Klägerin und der Stadt Bassum vor. Bei einer Leihe handelt es sich um die vertragsmäßige unentgeltliche Gestattung des Gebrauchs einer Sache mit der Verpflichtung ihrer Rückgabe, § 598 BGB. Abzugrenzen ist die Leihe von der Gebrauchsüberlassung. An einem Rechtsbindungswillen der Parteien fehlt es bei einer Gebrauchsüberlassung gefälligkeitshalber. Eine Abgrenzung ist erforderlich, weil bei einer Beschädigung der nur gefälligkeitshalber überlassenen Sache gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 6 a AHB die gegen den Versicherungsnehmer erhobenen Haftpflichtansprüche nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig und abschließend und umfasst daher nicht die Gebrauchsüberlassung. Abgrenzungskriterium zwischen der Leihe und der Gebrauchsüberlassung ist die Frage, ob die Parteien einen sogenannten Rechtsbindungswillen hatten. Dabei kommt es nicht aus den inneren Parteiwillen, sondern darauf an, wie sich das Verhalten der Beteiligten bei Würdigung aller Umstände einem objektiven Beurteiler darstellt. Eine vertragliche Bindung ist naheliegend, wenn der Begünstigte sich erkennbar auf die Zusage verlässt und für ihn oder den, der ihm die Sache überlässt, erhebliche Werte auf dem Spiel stehen. Wird eine relativ wertvolle Sache überlassen, so ist zu vermuten, dass ein Leihvertrag gewollt war. Die Klägerin hat im vorliegenden Fall mit einem Angestellten der Stadt Bassum vereinbart, dass der Getränketresen zwischen den Feiertagen in der Sporthalle verbleiben dürfe. Für die Klägerin war diese Zusage der Stadt besonders wichtig, konnte sie doch Arbeitskräfte und Zeit einsparen und finanzielle Aufwendungen vermeiden. Durch die Erlaubnis konnte sie darüberhinaus sicher disponieren. Sowohl für die Klägerin als auch für die Stadt standen relativ hohe Werte auf dem Spiel: Die Klägerin ließ den Tresen, den sie auf vielen Veranstaltungen im Jahr benutzt, in der Halle. Dieser Tresen stellt einen wichtigen wirtschaftlichen Wert für sie dar. Die Stadt gab die Sporthalle, die einen hohen wirtschaftlichen Wert darstellt, einer zusätzlichen sachfremden Nutzung preis. So war auch die Benutzung der Halle durch Dritte ausgeschlossen. Außerdem kam die Übereinkunft zwischen der Klägerin und einem Angestellten der Stadt zustande. Auch von daher liegt es näher, dass der Angestellte der Stadt die öffentlich rechtliche. Stadthalle nicht gefälligkeitshalber der Klägerin überlassen hat, da der Angestellte in der Funktion eines Amtsträgers und nicht als Privatmann handelte. Es ist daher davon auszugehen, dass sowohl der Angestellte der Stadt, als auch die Klägerin mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben. Dementsprechend ist zwischen der Stadt Bassum und der Klägerin ein Leihvertrag zustande gekommen, ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis scheidet aus.
Für die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht spricht auch, dass die Klägerin, um einen weitergehenden Versicherungsschutz zu erreichen, nicht die Standarddeckung hätte wählen dürfen, sondern eine sogenannte "Standard Plus" Deckung mit der Beklagten vereinbaren müssen, die auch Schäden an gemieteten Sachen einschließt. In diesem Fall wäre dann im Wege der Auslegung eine Ausdehnung auch auf ein Leihverhältnis zu prüfen gewesen.
Da die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 a AHB gegeben sind, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung mehr.
Da der geltend gemachte Anspruch nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 a AHB nicht besteht, war die Frage, ob Verjährung eingetreten ist oder ein Fall des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 b AHB vorliegt, nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.