Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 28.08.2001, Az.: 71 II 149/01

Fenster einer Wohnungseigentumsgemeinschaft als Gemeinschaftseigentum; Bedürfnis der Vereinbarung aller Eigentümer bei Abweichung von gesetzlicher Kostentragungspflicht; Ausnahme von Kostentragungspflicht der Eigentümergemeinschaft bei schuldhafter Beschädigung gemeinschaftlichen Eigentums durch einen Eigentümer

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
28.08.2001
Aktenzeichen
71 II 149/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 26065
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2001:0828.71II149.01.0A

Fundstellen

  • WE 2002, 165
  • ZMR 2003, 145-146

Verfahrensgegenstand

Wohnungseigentümergemeinschaft

Beschlussanfechtung

In der Wohnungseigentumssache
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung für Wohnungseigentumssachen -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2001
durch
Richter am Amtsgericht ...
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 09.04.2001 zu TOP 9 wird für unwirksam erklärt. Der übrige Antrag wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen die Antragstellerin zu 14 % und die Antragsgegner gesamtschuldnerisch zu 86 %. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 8 auf 800,00 DM und hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 9 auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten zu 1.) und 2.) bilden die eingangserwähnte Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Beteiligten zu 3.) verwaltet wird. Diese hat mit Zustimmung des Verwaltungsbeirats in der von der Antragstellerin bewohnten Eigentumswohnung im Badezimmer ein Velux-Fenster auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft auswechseln lassen. Zuvor fand ein außergerichtlicher Schriftwechsel über die Kostentragungspflicht statt. Die Kosten betragen insgesamt 1.633,28 DM.

2

Aufgrund des Einladungsschreibens vom 12.03.2001 (Blatt 7 der Akten) wurden in der Eigentümerversammlung vom 09.04.2001 unter anderem folgende Beschlüsse zu TOP 8 und 9 gefasst:

3

TOP 08

4

Antrag des Verwaltungsbeirats (lt. Schreiben vom 31.08.2000)

5

Die Kosten in Höhe von DM 1.633,28 für den Austausch eines Veluxfensters in der Wohnung Nr. 20, die die Gemeinschaft verauslagt hat, werden von Frau ... zurückgefordert. Nach schriftlicher Aussage von zwei Fachfirmen (Dachdecker/Fensterbauer) sind die Schäden durch unsachgemäße Behandlung bzw. mangelnde Sorgfalt entstanden.

6

Falls Frau ... die Erstattung an die Gemeinschaft nicht bis zum 30.06.2001 vornimmt, ist die Verwalterin bevollmächtigt, die gerichtliche Durchsetzung mit anwaltlicher Hilfe für die Gemeinschaft zu betreiben.

7

Nach ausführlicher Diskussion beschließen die Eigentümer mehrheitlich (3 Ja-Stimmen, 9 Enthaltungen, keine Neinstimme, Frau ... stimmt nicht mit ab), daß der Antrag des Verwaltungsbeirats, allerdings nur in Bezug auf eine Kostenbeteiligung von Frau ... in Höhe von DM 800,00, entsprechend umgesetzt wird.

8

TOP 09

9

Antrag des Verwaltungsbeirats (lt. Schreiben vom 31.08.2000)

10

Die Kosten für die Erneuerung bzw. Reparatur von Fenstern und Türen in den Wohnungen und dem dazugehörigen Kellerraum trägt der Eigentümer. Die evtl. Zuordnung dieser Gebäudeteile zum Gemeinschaftseigentum wird von dieser Kostenregelung nicht berührt.

11

Die Angelegenheit wird ausführlich und teilweise auch kontrovers geführt. Die Problematik bezüglich der Veluxfenster wird besonders angesprochen.

12

noch TOP 09

13

Nach Ende der Aussprache wird mit 10 Ja-Stimmen und 3 Nein-Stimmen folgender Beschluß gefaßt:

14

Die Kosten für die Erneuerung bzw. Reparatur von Fenstern und Türen in den Wohnungen und dem dazugehörigen Kellerraum trägt der Eigentümer. Die evtl. Zuordnung dieser Gebäudeteile zum Gemeinschaftseigentum wird von dieser Kostenregelung nicht berührt.

15

Die Regelung tritt am 01.07.2001 in Kraft. Die Eigentümer haben bis zum 02.05.2001 Gelegenheit, Mängel an Kunststoff-Fenstern und - Balkontüren zu melden, die dann bis 30.06.2001 zu Lasten der Gemeinschaft beseitigt werden. Für die Veluxfenster gilt, daß der jeweilige Sondereigentümer für den Fall, daß er ein Holzfenster durch ein fachgerecht eingebautes Kunststoff-Fenster ersetzt, einen pauschalen Betrag von DM 1.500,00 als Kostenbeteiligung aus der Rücklage der Gemeinschaft nach Vorlage der Rechnung erhält.

16

Hinweis zum Protokoll: Die Meldefrist für Mängel wird bis zum 15.05.2001 verlängert, da der Protokollversand nicht vor Ende April erfolgt.

17

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss zu TOP 8 mit Hinweis darauf, dass Fenster grundsätzlich im Gemeinschaftseigentum stehen und deshalb die Kosten der Instandhaltung gemäß der gesetzlichen Regelung grundsätzlich anteilig durch die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft zu tragen sind. Die schädigenden Ursachen für die Notwendigkeit des Austausches des Fensters in ihrem Badezimmer habe sie nicht schuldhaft verursacht. Auch sei sie nicht verpflichtet gewesen, sich um den Anstrich des Fensters zu kümmern. Der Beschluss zu TOP 9 sei für ungültig zu erklären, weil er eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung betreffend der Kostentragungspflicht enthalte, mithin nicht mit einfacher Mehrheit habe beschlossen werden können.

18

Die Antragstellerin beantragt,

die in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., am 09.04.2001 zu TOP 8 (Kostenerstattung durch die Antragstellerin) und zu TOP 9 (Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für Erneuerungen bzw. Reparaturen an Fenstern und Türen der Wohnungseigentumsanlage) gefaßten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.

Hilfsweise in Bezug auf die Beschlussanfechtung zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 09.04.2001:

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, 800,00 DM an die Wohnungseigentümergemeinschaft ... zurückzuzahlen.

19

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 8 zurückzuweisen.

20

Sie halten den Beschluss zu TOP 9 ebenfalls für rechtswidrig, dagegen nicht den Beschluss zu TOP 8. Gemäß § 6, Ziffer 1 Nr. 1 a umfasse die Instandhaltungspflicht der Wohnungseigentümer für ihr Sondereigentum, ferner den Anstrich u.a. für die Innenseiten der Fenster (Blatt 34 der Akten). Dieser Instandhaltungspflicht sei die Antragstellerin nicht nachgekommen, da sich aus dem Schreiben der Firma ... vom 24.01.2000 (Blatt 42 der Akten) ergebe, dass das Bad insbesondere besser zu lüften sei, aus dem Schreiben der Firma ... vom 17.04.2000 (Blatt 43 der Akten), dass das Fenster offensichtlich nach Einbau nicht ordnungsgemäß gestrichen worden und der verrottete Zustand auf die mangelnde Pflege im Anstrich zurückzuführen sei. Deshalb werde aus Gründen der Kulanz nunmehr ein Betrag von (lediglich) 800,00 DM an Kostenbeteiligung der Antragstellerin für den Fensteraustausch geltend gemacht.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

22

Gemäß § 43 Abs. 1 Ziffer 4 WEG ist der zulässige Antrag hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 9 begründet, des Beschlusses zu TOP 8 unbegründet.

23

1.

Der Beschluss zu TOP 9 war für ungültig zu erklären, weil er von der gesetzlichen Kostentragungspflicht des § 16 Abs. 2 WEG abweicht und deshalb rechtswidrig ist. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei Fenstern im Ganzen um Gemeinschaftseigentum, gemäß § 16 Abs. 2 WEG abtretbar gemeinschaftlichen Eigentums. Jeder Eigentümer nach dem Verhältnis seines Eigentumsanteils trägt die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung, so dass die Regelung in TOP 9 mit einer Kostentragungspflicht der betreffenden Sondereigentümer dem widerspricht. Eine anderweitige Regelung betreffend der Kostentragungspflicht für Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bedarf einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. Dieses sowie eine Öffnungsklausel liegt hier nicht vor. Entsprechend haben die Antragsgegner gegen die Anfechtung dieses Beschlusses auch keine Einwände erhoben und keinen Gegenantrag gestellt.

24

2.

Dagegen war der Beschluss zu TOP 8 nicht für ungültig zu erklären, da sich bereits aus dem Vortrag der Antragstellerin ihr schuldhaftes Verhalten ergibt, das ursächlich für die erforderliche Erneuerung des Badezimmerfensters war.

25

Wie bereits erwähnt, sind Fenster Gemeinschaftseigentum mit der Folge der gesetzlichen anteilsmäßigen Kostentragungspflicht der gesamten Eigentümergemeinschaft. Eine Ausnahme hiervon besteht nur für den Fall, dass ein Eigentümer schuldhaft das gemeinschaftliche Eigentum beschädigt hat. Ein solches schuldhaftes Verhalten ist hier zwar nicht in dem offenbar von den Antragsgegnern nur vermutetem ungenügenden Lüftungsverhalten der Antragstellerin zu sehen, jedoch in dem unterlassenen Anstrich des Innenfensterbereichs. Dies hat die Antragstellerin unstreitig unterlassen, obwohl sie hierzu verpflichtet war.

26

Sie hat selbst bereits mit der Antragsschrift darauf hinweisen lassen, dass die Wohnungseigentümer von der grundsätzlichen Instandsetzungspflicht der gesamten Gemeinschaft für gemeinschaftliches Eigentum abweichende Regelungen treffen können, etwa durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. Das Gleiche gilt aber auch durch eine abweichende Vereinbarung bereits durch die Teilungserklärung selbst und erstreckt sich nicht bloß auf die Kosten der Instandhaltung, sondern selbstredend auf die Instandhaltung, die diesen Kosten zu Grunde liegt, selbst. In § 6 Ziffer 1 Nr. 1 a der Teilungserklärung (Blatt 34 der Akten) ist geregelt, dass jeder Wohnungseigentümer auch für den Anstrich der Innenseiten der Fenster im Bereich seines Sondereigentums zu sorgen hat. Eine solche Regelung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nach dem Vorstehenden wirksam, da sie die Eigenschaft des Fensters insgesamt als Gemeinschaftseigentum nicht in Frage stellt, sondern allein die Frage der Instandhaltung und der daraus entspringenden Kosten regelt. Mithin hatte also die Antragstellerin die Pflicht, für den Innenanstrich des Fensters zu sorgen, was auch sachgerecht ist, weil gerade bei Räumlichkeiten mit hohem Feuchtigkeitsgehalt, wie Badezimmern, ein Innenanstrich der Fenster im besonderen Maße die Instandhaltung der Fensterrahmen gewährleistet. Unstreitig jedoch hat die Antragstellerin für einen solchen Anstrich nicht gesorgt, worauf auch die Firma ... in ihrem Schreiben vom 17.04.2000 hingewiesen hat. Soweit die Firma ... hieraus die Verrottung und damit die Austauschnotwendigkeit des Fensters erklärt, bedurfte es keiner Beweisaufnahme durch das Gericht zur Frage dieser Ursächlichkeit, weil es gerichtsbekannt ist, dass nicht angestrichene Badezimmerfenster im Laufe der Jahre zwangsläufig, insbesondere in Form von Schimmelbildung verrotten, was auch nicht dadurch verhindert werden kann, dass genügend gelüftet wird. Durch Unterlassen dieses Anstriches hat die Antragstellerin die Beschädigung des Fensters verschuldet und den Austausch verursacht, so dass sie mit den Austauschkosten belastet werden durfte, die von ihr von der Gemeinschaft sogar nur etwa in Höhe der Hälfte begehrt werden. Der Beschluss zu TOP 8 entspricht deshalb den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

27

3.

Deshalb war auch der Hilfsantrag zurückzuweisen, weil nach dem Vorstehenden die Antragstellerin verpflichtet ist, wegen des verschuldeten Fensteraustausches an die Gemeinschaft 800,00 DM gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu zahlen.

28

4.

Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 47 WEG. Danach ergibt sich gemäß dem Verhältnis des Unterliegens der Beteiligten die ausgeurteilte Verteilung der Gerichtskosten. Im übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

29

5.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt gemäß § 48 Abs. 3 WEG, wobei die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 8 in Höhe des von der Antragstellerin begehrten Kostenanteils in Höhe von 800,00 DM zu bemessen war, hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 9 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO (Regelgeschäftswert), weil es dort um eine weitergehende Regelung geht.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 8 auf 800,00 DM und hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 9 auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt gemäß § 48 Abs. 3 WEG, wobei die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 8 in Höhe des von der Antragstellerin begehrten Kostenanteils in Höhe von 800,00 DM zu bemessen war, hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 9 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO (Regelgeschäftswert), weil es dort um eine weitergehende Regelung geht.