Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.06.2005, Az.: 2 V 604/04

Berechnung des Höhe eines Gewinns aus der Veräußerung eines Milchlieferrechts (Milchreferenzmenge); Grundlagen für die Aussetzung der Vollziehung; Beurteilung von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes; Zusammenrechenbarkeit des Wertes des Grund und Bodens und des auf die Referenzmenge entfallenden Kaufpreises bei isolierter Veräußerung einer Milchreferenzmenge

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
01.06.2005
Aktenzeichen
2 V 604/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 17235
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0601.2V604.04.0A

Fundstelle

  • EFG 2005, 1780-1781 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Der durch die isolierte, von Grund und Boden abgespaltene, Veräußerung einer Milchreferenzmenge erzielte Gewinn, ist nach der Gesamtwertmethode nach den jeweiligen Buchwerten getrennt zu ermitteln. Der Wert von Grund und Boden und der auf die Referenzmenge entfallende Kaufpreis ist nicht zusammen zu rechnen und dem doppelten Ausgangswert gem. § 55 Abs. 1 EStG gegenüber zu stellen.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten im Aussetzungsverfahren darüber, in welcher Höhe ein Gewinn aus der Veräußerung eines Milchlieferrechts (Milchreferenzmenge) entstanden ist.

2

Der Antragsteller (Ast) bewirtschaftete bis Februar 2000 seinen in W belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als aktiver Landwirt. Er betrieb den Hof seit Juni 1998 als Milchviehhof, nachdem seine Mutter ihm den Hof gegen Zahlung einer dauernden Last i.H.v. 350 DM monatlich und Einräumung eines durch Reallast abgesicherten Wohnrechts überlassen hatte. Der Betrieb befand sich zuvor schon seit Jahrzehnten in Familienbesitz.

3

Die Milchquote des Betriebes betrug ca. 155.155 Kilogramm (kg). Im Februar 2000 (08.02.2000) veräußerte der Antragsteller die Milchquote für 232.732,50 DM (155.155 kg à 1,50 DM und zusätzlich eine freie Milchmenge für 4.500 DM (15.000 kg zu 0,30 DM).

4

Das FA ermittelte einen Gewinn in Höhe von 66.716 DM aus der Veräußerung der Milchquote wie folgt:

Erlös 232.732 DM
Buchwert155.155 kg á 1,07 DM = 166.015,85 DM
Gewinn66.716 DM
5

Den Betrag von 1,07 DM ermittelte das FA nach Maßgabe der Tabelle in Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (Az. IV A 6 - S 2134-52/02). Dabei setzte es als durchschnittlichen Verkehrswert pro qm im Gebiet "W" zum 02.04.1984 2,20 DM/qm an. Diesen Betrag minderte der Antragsgegner um 10% und ermittelte einen durchschnittlichen Verkehrswert zum 01.07.1970 von 1,95 DM/qm. Es legte zudem - abgeleitet aus dem Einheitswert zum 01.01.1964 - eine durchschnittliche Ertragsmesszahl des Betriebes von 33,5 zu Grunde (vgl. Einspruchsbescheid vom 28.04.2004). Bei Ansatz dieser Ausgangsgrößen ergibt sich nach Auffassung des BMF, der das Finanzamt folgt, ein Buchwert von 1,07 DM (vgl. Rz. 18 des BMF-Schreibens, a.a.O.).

6

Der Ast ist der Auffassung, er habe durch die Veräußerung der Milchmengen keinen Gewinn realisiert. Ein solcher Gewinn entstehe - wie sich aus dem BFH-Urteil vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 56 ergebe - erst dann, wenn die Summe der Teilwerte - Lieferrecht sowie Grund und Boden - den doppelten Ausgangbetrags nach § 55 Abs. 1 EStG überstiegen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Das BMF-Schreiben vom 14.01.2003 sei nicht mit der BFH-Rechtsprechung vereinbar. Bei einer zeitlich versetzten Veräußerung von Milchquote und Grund und Boden dürfe die Abspaltung von Grund und Boden sowie Milchreferenzmenge nicht zu einer Schlechterstellung des Steuerpflichtigen führen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich vielmehr ein - gem. § 55 Abs. 6 EStG - nicht abziehbarer Verlust. Der Ast. ermittelte einen Verlust aus der Veräußerung der Milchquote:

Gesamterlös237.232 DM (232.732 DM + 4.500 DM)
zzgl. Entnahmewert Grubo zum 30.04.2004 182.218 DM
Gesamt 419.450 DM
./. Buchwert 673.295 DM
(Nicht abziehbarer) Verlust ./. 253.845 DM
7

Der Ast beantragt,

die Einkommenssteuer 1999 in Höhe von 8.354,51 EUR und die Einkommensteuer 2000 i.H.v. 2.178 EUR ab Fälligkeit der Steuern auszusetzen.

8

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9

Er ist weiterhin der Auffassung, die Vollziehung sei nicht auszusetzen. Das Finanzamt habe den Gewinn aus der Veräußerung des Milchlieferrechts ordnungsgemäß ermittelt. Der BFH habe an der sogenannten Einheitsbetrachtung nicht festgehalten. Außerdem habe der Ast. den Abspaltungsbetrag nicht nach den Wertverhältnissen zum 02.04.1984 ermittelt, sondern den Verkehrswert des Grund und Bodens aus dem Jahre 2004 nebst dem Verkaufserlös der Milchreferenzmenge dem Buchwert des Grund und Bodens gem. § 55 Abs. 1 EStG gegenüber gestellt. Mangels detaillierter Angaben habe der Abspaltungsbetrag für die Milchreferenzmenge daher nur nach der Vereinfachungsregelung in Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 ermittelt werden können.

10

Der Antrag ist unbegründet.

11

1.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

12

a)

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984, III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996, I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

13

Der durch die Veräußerung der Milchreferenzmenge erzielte Veräußerungserlös ist nach summarischer Prüfung lediglich dem abgespaltenen Buchwert für die Milchreferenzmenge gegenüberzustellen. Dies hat der Antragsgegner bei seiner Berechnung auch berücksichtigt. Entgegen der in den BFH-Urteilen vom 5. März 1998 (IV R 23/96, BFHE 185, 434 und 435) vertretenen sog. Einheitsbetrachtung waren die abzuspaltenden Buchwerte nach der Gesamtwertmethode zu bestimmen und getrennt für Grund und Boden und Milchreferenzmenge mit dem jeweiligen Veräußerungserlös zu verrechnen. Nach einer Einheitsbetrachtung wäre es im Streitfall zwar - wie vom Ast. beantragt - lediglich erforderlich gewesen, den für den Grund und Boden sowie die Milchreferenzmenge erzielten Veräußerungspreisen den zum 1. Juli 1970 angesetzten Pauschalwert gegenüberzustellen. Der BFH hatte in den Urteilen vom 05.03.1998 (a.a.O.) noch offen gelassen, wie ein Veräußerungsgewinn bzw. -verlust bei der gesonderten Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden oder der Milchreferenzmenge zu berechnen ist. Wie sich indes aus dem BFH-Urteil vom 21.01.1999 (IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638) ergibt, hat die Abspaltung der Milchreferenzmenge von dem Wirtschaftsgut Grund und Boden zur Folge, dass die Anschaffungskosten für den Grund und Boden nach Maßgabe der Gesamtwertmethode der Milchreferenzmenge zuzuordnen sind. Diese Aufteilung ist --theoretisch betrachtet-- im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der MGV, aber bezogen auf das Wertverhältnis zum Stichtag (1. Juli 1970), vorzunehmen. Als Buchwert der Milchreferenzmenge ist daher der Anteil des am 25. Mai 1984 geltenden Grundstückswertes anzusetzen, der dem am 1. Juli 1970 bestehenden Wert der Möglichkeit zur Milcherzeugung und -vermarktung entspricht. Auch bei der Ausgabe junger Aktien, die auch wirtschaftlich sofort eigenständig sind und gehandelt werden, sind die historischen Anschaffungskosten der Altaktien nach den sich in der Folgezeit ergebenden Wertverhältnissen von Aktien und Bezugsrecht vorzunehmen, weil der sog. Bezugsrechtsabschlag ausdrückt, in welcher Höhe ein Teil der historischen Anschaffungskosten den Bezugsrechten oder den jungen Aktien zuzuordnen ist. Für die Zuordnung des anteiligen Pauschalwerts auf die Milchreferenzmenge ist grundsätzlich ebenso zu verfahren (vgl. BFH vom 25.11.1999, IV R 64/98, BStBl. II 2003, 61). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Markt für die Milchreferenzmenge erst allmählich bilden konnte und sie dadurch erst sehr viel später als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut wirtschaftlich in Erscheinung getreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 4. September 1997, IV R 88/96, BFHE 184, 400, BStBl II 1998, 657, und vom 26. August 1992, I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977).

14

Das FA hat sich an diesen Grundsätzen - in Anlehnung an das BMF-Schreiben vom 14.01.2003 (a.a.O.) - nach summarischer Prüfung fehlerfrei orientiert und festgestellt, in welcher Höhe ein Teil des zum 1. Juli 1970 für das damalige Wirtschaftsgut Grund und Boden angesetzten Pauschalwertes auf das davon abgespaltene Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge übergegangen ist. Die im BMF-Schreiben vom 14.01.2003 (a.a.O.) enthaltenen Schätzungsgrundlagen sind nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Ast. ist der Wert des Grund und Bodens und der auf die Referenzmenge entfallende Kaufpreis im Falle der isolierten Veräußerung einer Milchreferenzmenge nicht zusammen zu rechnen und dem doppelten Ausgangswert gem. § 55 Abs. 1 EStG gegenüber zu stellen. Die Ermittlung des anteiligen Pauschalwertes mit 1,07 DM nach Maßgabe von Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Nach Aktenlage betrug der durchschnittliche Wert der bewirtschafteten Fläche je Quadratmeter nach den Wertverhältnissen zum 02.04.1984 mehr als 1 DM. Für einen Wert von über 1 DM bis zu 2 DM je Quadratmeter bewirtschaftete Fläche ist nach Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 18.01.2003 ein abzuspaltender Buchwert von 1,07 DM anzusetzen. Zwar hat der Ast. einen durchschnittlichen Wert von (nur) 0,44 EUR je Quadratmeter bewirtschaftete Fläche - und damit eine andere Ausgangsgröße - ermittelt. Dabei hat er aber zum einen die Richtwertkarte zum 01.01.2004 - also nicht für das Jahr 1984 - zu Grunde gelegt. Außerdem blieb ungeklärt, warum er zum Teil Beträge von 0,25 EUR ansetzte, obwohl die Fläche des Ast. nach eigenen Angaben im Wesentlichen aus Grünland und Ackerland bestand. Für Grün- und Ackerland weist die Richtwertkarte (sogar) zum 01.01.2004, also 20 Jahre nach dem maßgeblichen Stichtag, aber Werte von 0,75 - 0,95 EUR aus. Der Ast. hat seine Wertangaben (durchschnittlicher Wert von nur 0,44 EUR) zudem nicht glaubhaft machen können. Nach telefonischer Auskunft des Gutachterausschusses des Katasteramtes sollen die Bodenrichtwerte für landwirtschaftliche Flächen vielmehr zwischen 1,50 DM und 2,40 DM betragen haben.

15

b)

Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994, IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie der Antragsteller substantiiert vorgetragen.

16

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde wurde gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da bislang noch nicht höchstrichterlich bestätigt wurde, ob die im BMF-Schreiben vom 14.01.2003 (a.a.O.) - insbesondere in Rz. 18 - enthaltenen Rechtsgrundsätze im Einklang mit § 55 EStG stehen.