Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.06.2005, Az.: 3 K 388/02
Schenkungsteuer bei Verschmelzung von Kapitalgesellschaften; Bewertung der GmbH für eine Anteilsübertragung ; Übertragung von GmbH-Anteilen zu einem Kaufpreis unterhalb des tatsächlichen Wertes als freigebige Zuwendung; Anteilsübertragung als freigebige Zuwendung; Begriff der Schenkung unter Lebenden ; Einbeziehung des Ertragswertes in das Stuttgarter Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.06.2005
- Aktenzeichen
- 3 K 388/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 25397
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0615.3K388.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
- § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
- § 11 ErbStG
- § 19 KapErhG
Fundstellen
- BBV 2006, 7
- EFG 2005, 1969-1970 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2005, 9
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Zum Begriff der Schenkung unter Lebenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
- 2.
Die Übertragung von GmbH-Anteilen zu einem Kaufpreis unterhalb des tatsächlichen Wertes stellt eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.
- 3.
Bei der Verschmelzung von zwei Kapitalgesellschaften müssen für Zwecke der Schenkungsteuer beide Gesellschaften bei einer Anteilsübertragung vor dem Verschmelzungsbeschluss wie operative Gesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet werden.
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung der HP GmbH für eine Anteilsübertragung vom März 1993 von M an den Kläger.
Die HP Maschinenbau GmbH, an der der Kläger sowie seine Eltern beteiligt waren, hat sich zweier Vertriebsgesellschaften bedient. An der HP GmbH (HP) war der Kläger zu einem Nominalkapital von 12.000 DM, M mit einem Nominalkapital von 12.500 DM sowie V mit einem Nominalkapital von 25.500 DM beteiligt (Stammkapital DM 50.000). Die Gesellschaft hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis 30.09. An der Anlagenbau G. H. GmbH (AGH) war der Kläger mit einem Nominalkapital von 1.000 DM, V mit einem Nominalkapital von 49.000 DM beteiligt. Im Rahmen eines umfangreichen notariell beurkundeten Vertragswerkes vom März 1993 wurden dem Kläger an beiden Vertriebsgesellschaften durch Übertragung der Anteile von M und V gegen Zahlung eines Kaufpreise i.d.H. des Nominalwerts der Anteile sämtliche GmbH-Anteile übertragen. Er war somit an beiden Vertriebsgesellschaften zu 100 % beteiligt. Die HP wurden mit notariell beurkundetem Verschmelzungsvertrag vom März 1993 auf die AGH verschmolzen, die in die Firma HP GmbH umfirmierte.
Die Jahresüberschüsse der HP haben sich in den Jahren vor der Anteilsübertragung erheblich gesteigert, die Umsätze konnten verdoppelt werden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass vorliegend keine Schenkung gegeben sei. Die Verschmelzung sei nach § 19 Abs. 2 KapErhG und nicht gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Kapitalerhöhungsgesetz (KapErhG) vorgenommen worden. Nach der Herstellung der Alleinbeteiligung durch den Kläger sei die Gesellschaft zur Erleichterung der Liquidation auf die AHG verschmolzen worden. Dadurch habe die einjährige Sperrfrist bei der Liquidation vermieden werden können.
Abzustellen sei auf den Bewertungsstichtag. Das sei hier der Tag der Schenkung, somit der XX. März 1993. Bereits vor diesem Tag sei jedoch der Beschluss über die Verschmelzung der Gesellschaft auf die AGH gefasst worden. Auf die Verschmelzung selbst habe der Kläger keinen Einfluss gehabt. Diese durch den Geschäftsführer der Gesellschaften beschlossen worden, der allein vertretungsberechtigt gewesen sei. Zudem sei die Verschmelzung mit Rückwirkung zum Beginn des Wirtschaftsjahres, d.h. zum 01.10.1992 erfolgt. Die HP habe ihre Aktivität eingestellt. Nach Abschnitt 13 Abs. 2 der Vermögensteuerrichtlinien (VStR) sei bei GmbH's in Liquidation kein Ertragswert anzusetzen. Somit müsse sich ein Ansatz nur mit dem Vermögenswert ergeben, der jedoch dem Kaufpreis entspräche. Eine Schenkung läge somit nicht vor.
Die Liquidation sei erfolgt, sobald die Tätigkeit der Gesellschaft eingestellt worden sei, nämlich mit dem Tag der Schenkung. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass ein Vertriebsvertrag getrennt nach Sparten abgeschlossen worden sei. Im Bereich der HP seien die Gewinne jedoch rückläufig gewesen. Aufgrund der Öffnung nach den neuen Bundesländern sei es nicht möglich gewesen künftig in beiden Sparten den bisherigen Erfolg beizubehalten. Dies sei bereits zum Zeitpunkt der Verschmelzung so gewesen.
Bereits vor Übertragung der Gesellschaftsanteile sei der Verschmelzungsbeschluss gefasst worden. Dies werde durch die Abfolge der Urkunden dokumentiert. Ein Auflösungsbeschluss habe auch konkludent erfolgen können. Der Verschmelzungsbeschluss sei erst nach dem Liquidationsbeschluss gefasst worden. Dies ergebe sich auch aus der Möglichkeit nach § 19 KapErhG. Für das Stuttgarter Verfahren gelte die Zukunftsbetrachtung. Deshalb sei eine bekannte Liquidation zu berücksichtigen, so dass ein Ertragswert entfalle.
Der Beklagte macht geltend, dass Anteile an einer aktiven Gesellschaft übertragen worden seien. Die Verschmelzung beruhe auf einer Entscheidung des Klägers. Zum Zeitpunkt der Schenkung seien keine objektiven Tatsachen erkennbar gewesen, die sich negativ auf die Erfolgsaussichten der HP ausgewirkt haben könnten. Abschnitt 13 Abs. 2 VStR (Liquidation) sei nicht anwendbar, da keine Liquidation vorgelegen habe, sondern die Gesellschaft verschmolzen worden sei. Ein Anlass für eine Auflösung der Gesellschaft habe nicht bestanden. Der Ansatz nur des Vermögenswertes sei nicht gerechtfertigt und entspreche nicht dem gemeinen Wert der Gesellschaft.
Eine Verschmelzung ohne Einhaltung der einjährigen Sperrfrist sei erstmals durch die Übertragung der Anteile möglich geworden. Deswegen sei zuerst die Schenkung erfolgt, dann erst könne die Verschmelzung beurteilt werden. Der Gesellschafter sei für eine juristische Sekunde Alleingesellschafter beider Gesellschaften gewesen, die nachfolgend dann verschmolzen worden seien. Ein gemeiner Wert unter Berücksichtigung eines Ertragswertes sei deshalb zu Grunde zu legen.
Gründe
1.
Der Beklagte hat zu Recht eine Schenkung der GmbH-Anteile angenommen.
a.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Soweit teilweise eine Gegenleistung erbracht wird, liegt eine gemischte Schenkung vor. Dies hat zur Folge, dass als Bereicherung nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der freigebigen Zuwendung schenkungsteuerlich relevant ist. Das Ausmaß der Bereicherung bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswertes der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers. Dies hat zur Folge, dass die Gegenleistung nicht in vollem Umfang, sondern nur entsprechend ihrem Anteil am Verkehrswert der Leistung des Zuwendenden von deren Steuerwert abzuziehen ist (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 II R 72/99, BStBl II 2002, 25). Der Verkehrswert kann hier - wie bislang auch - entsprechend dem gemeinen Wert nach dem Stuttgarter Verfahren zugrunde gelegt werden. Die Übertragung der GmbH-Anteile zu einen Kaufpreis unterhalb des tatsächlichen Wertes der Gesellschaft - wie er hier vorliegt - stellt eine freigebige Zuwendung i.S.d. Vorschrift dar.
Bewertungsstichtag ist gemäß §§ 11, 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und somit der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Da diese bei notarieller Beurkundung am XX. März 1993 sofort vollzogen wurden, ist der Bewertungsstichtag der XX. März 1993. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG) wird der Wert von GmbH-Anteilen nach dem so genannten Stuttgarter Verfahren geschätzt. Diese Methode ist in der Rechtsprechung unstreitig anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1997 II R 74/94, BFH/NV 1998, 318 [BFH 25.08.1997 - X B 53/97] m.w.N.).
b.
Entgegen dem Vortrag des Klägers kann vorliegend eine Bewertung der HP-GmbH unter Einbeziehung des Ertragswertes in das Stuttgarter Verfahren erfolgen, da nicht von einer zu liquidierenden Gesellschaft ausgegangen werden kann.
aa.
Ausweislich des vorgelegten Vertragskonvolutes wurde die HP am Tag der Schenkung zeitlich und logisch nachfolgend auf die AGH verschmolzen. Von einer Liquidation der Gesellschaft ist im Vertragskonvolut nicht die Rede. Diese ist nach § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (KapErhG) auch nicht erforderlich. § 19 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 KapErhG regelt allgemein die Voraussetzungen für eine Verschmelzung durch Aufnahme ohne Abwicklung. Eine solche liegt vor bei einer Übertragung des Vermögens der Gesellschaft (übertragene Gesellschaft HP) als Ganzes auf eine andere Gesellschaft (aufnehmende Gesellschaft AGH) gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen dieser Gesellschaft. Lediglich § 19 Abs. 2 KapErhG bestimmt, dass eine Verschmelzung auch zulässig ist, wenn die übertragene Gesellschaft aufgelöst ist und die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen werden könnte. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Ausweislich des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft nach der Übernahme war die HP auf unbestimmte Zeit angelegt. Ein Liquidationsbeschluss wurde nicht vorgelegt. Hinzu kommt, dass sich aus den vorgelegten Umsätzen und Gewinnen der HP keinerlei Rückschlüsse auf deren Einstellung des Geschäftsbetriebes ergeben. Diese hat nach wie vor auch nach dem Stichtag der Verschmelzung bzw. nach der Schenkung Umsätze in zweifacher Millionenhöhe erzielt. Dass diese zurückgegangen sind und aus diesen Gründen eine Verschmelzung vorgenommen wurde, führt nicht dazu, dass von einer fehlenden Ertragsaussicht der GmbH ausgegangen werden muss. Dieses ist vielmehr durch die angegebenen Zahlen widerlegt worden.
bb.
Maßgeblich ist jedoch, dass bei einer Verschmelzung im Gegensatz zu einer Liquidation keine Abwicklung der Gesellschaft erfolgt. Dies besagt auch § 19 Abs. 1 KapErhG, der eine Vereinigung zweier GmbHs ohne Abwicklung ermöglicht. Der Geschäftsbetrieb der verschmolzenen Gesellschaft geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die aufnehmende Gesellschaft über. Diese betreibt deren Geschäfte sozusagen nahtlos weiter. Es konnte weder ein Liquidationsbeschluss noch eine Regelung zur Übertragung des Vertriebes von der HP auf die AGH vorgelegt werden. Aus den mitgeteilten Umsätzen ergibt sich vielmehr, dass die HP bis zum Tag der Verschmelzung tätig gewesen ist und damit auch erhebliche Umsätze erzielt hat.
Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, dass er keinen Einfluss auf die Verschmelzung gehabt habe. Er hat dieser zugestimmt. Zudem war er auch bereits vor der Verschmelzung der Gesellschaft Gesellschafter der HP und somit an einem Gesellschafterbeschluss diesbezüglich beteiligt. Sofern er mit einer Verschmelzung nicht einverstanden gewesen wäre, wären die Verträge nicht wie vorgenommen durchgeführt worden, da die Verschmelzung dann an seiner fehlenden Zustimmung - er war Alleingesellschafter - gescheitert wäre.
cc.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Verschmelzung auf den 01.10.1992 zurückwirkt. Dies hat zur Folge, dass die Besteuerung der Gesellschafter unabhängig von der Rückwirkung vorgenommen wird. Sie hat aber keine Auswirkung auf die Schenkungsteuer. Dies führt dazu, dass für Zwecke der Schenkungsteuer die Verschmelzung nicht berücksichtigt werden kann. Es ist somit auf die tatsächlichen Verhältnisse am XX. März 1993 zum Zeitpunkt der Schenkung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch noch eine aktive Gesellschaft. Diese ist deshalb ganz normal nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten.