Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.2011, Az.: 11 K 192/10

Lohnsteuerliche Behandlung der in geänderten Arbeitsverträgen aufgeführten Zusatzleistungen in einem Steuerberatungsunternehmen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.06.2011
Aktenzeichen
11 K 192/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 24605
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2011:0616.11K192.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 19.09.2012 - AZ: VI R 54/11

Fundstellen

  • DStR 2012, 6
  • DStRE 2012, 1431-1433
  • EFG 2012, 556-559

Haftung für Lohnsteuer

Steuervergünstigungen nur bei Zusätzlichkeit der Zusatzleistungen

Tatbestand

1

Streitig ist die lohnsteuerliche Behandlung der in geänderten Arbeitsverträgen aufgeführten Zusatzleistungen.

2

Die Klägerin betreibt seit August 2004 ein Steuerberatungsunternehmen in der Rechtsform einer Partnerschaft nach dem PartGG. Die Klägerin beschäftigte in den Jahren 2004 bis 2007 zwischen 25 und 32 Arbeitnehmer. Im Rahmen einer im April 2008 abgeschlossenen Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 1. August 2004 bis 31. August 2007 stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin ihren Mitarbeitern im Jahr 2005 angeboten hatte, die bestehenden Arbeitsverträge hinsichtlich der Vergütungsbestandteile neu zu regeln. Nach Angabe des Arbeitgebers sollte durch die Umstrukturierung der Vergütungen nach einem von einer anderen Steuerberatungsgesellschaft entwickelten Modell eine Kosteneinsparung und Verbesserung der Wettbewerbssituation angestrebt werden. Bei 8 Arbeitnehmern, die das Angebot angenommen haben, sind Teile des vorher vereinbarten steuerpflichtigen Gehaltes mit Wirkung zum 1. Juli 2005 in bestimmte Zusatzleistungen umgewandelt worden. Die Zusatzleistungen sind jeweils individuell in einer Anlage zum Arbeitsvertrag festgelegt worden. Drei weitere Arbeitnehmer erhielten die Zusatzleistungen anstelle einer anstehenden Gehaltserhöhung. Die Arbeitnehmerin S erhielt ab August 2005 den Internetzuschuss anstelle des Kindergartenzuschusses.

3

Bei den in den Neuregelungen aufgeführten Zusatzleistungen handelt es sich ausschließlich um Sachbezüge bzw. Leistungen, die nach steuerlichen Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sind oder eine Pauschalbesteuerung durch den Arbeitgeber ermöglichen, so dass sich durch diese Vereinbarung die bisherigen steuerlichen Belastungen reduzierten. Der Vorteil der Vertragsumgestaltung liegt bei diesem Modell im Wesentlichen beim Arbeitgeber, der von einem niedrigeren Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag profitiert. In dem neuen § 4 der ab 1. Juli 2005 geltenden Arbeitsverträge, der insoweit bei allen Arbeitnehmern, die die vertragliche Umstrukturierung wahrgenommen haben, identisch war, ist unter Herabsetzung des festen Bruttogehaltes hinsichtlich der Gewährung von Zusatzleistungen der Vertrag ergänzt worden. Im Einzelnen wurden folgende arbeitsvertraglichen Änderungen vereinbart:

4

1. Bisherige vertragliche Regelung:

"§ 4 Vergütung

Der Arbeitnehmer erhält für die vertraglichen Dienstleistungen ein monatliches Bruttogehalt, zahlbar am Monatsende, in Höhe von [z.B. beim Arbeitnehmer B 2.250 EUR].

Die Zahlung erfolgt bargeldlos durch Überweisung auf ein von dem Arbeitnehmer zu benennendes Girokonto.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehaltes i.H.v. [z.B. beim Arbeitnehmer B 2.250 EUR]. Das 13. Monatsgehalt ist mit dem Dezembergehalt fällig. Abweichend kann der Arbeitnehmer verlangen, dass das 13. Gehalt über die Kalendermonate gleichmäßig verteilt mit der laufenden Vergütung ausgezahlt wird. Weiterhin erhält der Arbeitnehmer einen Fahrtkostenzuschluss in Höhe von 150 EUR."

5

2. Neuregelung:

"§ 4 Vergütung

Der Arbeitnehmer erhält für die vertraglichen Dienstleistungen ein monatliches Bruttogehalt, zahlbar am Monatsende, in Höhe von [z.B. beim Arbeitnehmer B 1.970,24 EUR].

Die Zahlung erfolgt bargeldlos durch Überweisung auf ein von dem Arbeitnehmer zu benennendes Girokonto.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehaltes i.H.v. [z.B. beim Arbeitnehmer B 2.250 EUR]. Er verändert sich in gleicher prozentualer Relation, wie eine Änderung des Festgehaltes. Das 13. Monatsgehalt ist mit dem Novembergehalt fällig. Abweichend kann der Arbeitnehmer verlangen, dass das 13. Gehalt über die Kalendermonate gleichmäßig verteilt mit der laufenden Vergütung ausgezahlt wird.

Der Arbeitnehmer erhält ferner monatliche Zusatzleistungen gemäß beigefügter Anlage, welche Bestandteil dieses Vertrages ist. Dem Arbeitnehmer ist bekannt, dass die Gewährung der Zusatzleistungen von persönlichen und/oder gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist und sich die Zusatzleistungen bei Veränderung der persönlichen und/oder gesetzlichen Voraussetzungen verändern kann. Bei Wegfall der persönlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen der gemäß Satz 1 gewährten Zusatzleistungen verpflichtet sich der Arbeitgeber eine entsprechende Zusatzleistung zu zahlen."

6

Danach erhielt der Arbeitnehmer monatliche Zusatzleistungen, die in einer Anlage zum Arbeitsvertrag individuell vereinbart wurde.

7

Dabei wurde berücksichtigt, dass sich der jeweilige Arbeitnehmer die Zusatzleistungen in einer dem Vertrag beigefügten Anlage (s. Beispiel des Arbeitnehmers B in der Prüfungsakte) entsprechend seinen Verhältnissen aus folgender Angebotspalette frei zusammenstellen konnte:

  • Überlassung einer Tankkarte (44,00 EUR/Monat)

  • Internetpauschale (50,00 EUR/Monat)

  • Krankheitskostenzuschüsse (maximal 600,00 EUR/Jahr, im Erstjahr 300,00 EUR)

  • Kindergartenzuschüsse (100,00 EUR bzw. 102,00 EUR/Monat)

  • Zuschuss Telekommunikation/Handy (bis 20,00 EUR/Monat)

  • betriebliche Altersvorsorge (25,00 EUR/Monat).

8

Nach den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung beinhalten die Vertragsänderungen betreffend die Internetpauschale und die Kindergartenzuschüsse keine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers, die tatsächlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wird. Die neuen Leistungen - so der Prüfer - seien vielmehr lediglich unter Anrechnung auf den bisher vereinbarten steuerpflichtigen Arbeitslohn gewährt worden (Lohnumwandlung im Sinne von R 21c LStR 2007). Überdies war der Prüfer der Ansicht, dass die Voraussetzungen für steuerfreie Krankheitszuschüsse und Sachzuwendungen (Tankkarten) nicht vorlägen. Der Prüfer gewährte deshalb für die Zusatzleistungen die im Lohnsteueranmeldungsverfahren in Anspruch genommenen Steuerbefreiung bzw. pauschalierte Steuer nicht, sondern führte im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung für die betroffenen 12 Arbeitnehmer eine Nachversteuerung per Einzelberechnung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Besteuerungsmerkmale durch und nahm den Arbeitgeber für den so ermittelten Gesamtbetrag der Abgaben nach Abzug der berücksichtigten Pauschalsteuer durch Haftungs- und Festsetzungsbescheid vom 30. Juli 2008 gemäß § 42d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch. Die gesamte Haftungssumme betrug nach Abzug der Pauschalsteuer 5.794,33 EUR.

9

Die im Zusammenhang mit einer anstehenden entsprechenden Gehaltserhöhung bei den drei Arbeitnehmern gewährten pauschal versteuerten Internetzuschüsse wurden vom Prüfer nicht beanstandet. Das Gleiche galt für die Umwandlung eines Kindergartenzuschusses in eine Internetpauschale (Arbeitnehmerin S). In diesen vier Fällen wurde nur die Überlassung der Kundenkarte für die Tankstelle aus den auf Seite 8 der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen einbezogen. Die Verteilung der individuellen Zusatzleistungen, die der Prüfer der Nachversteuerung unterwarf, ergibt sich für die einzelnen Arbeitnehmer und den Zeiträumen 2005 bis 2007 aus einer dem Prüfungsbericht und der Einspruchsentscheidung beigefügten Zusammenstellung.

10

Gegen den Haftungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren erklärte der Steuerberater auf Anfrage ausdrücklich, dass die Klägerin keinen Antrag auf Pauschalierung stelle und im Fall der Steuerpflicht der Zusatzleistungen im Wege der Haftung anstelle der Nachforderung bei den betroffenen Arbeitnehmern über geänderte Einkommensteuerfestsetzungen in Anspruch genommen werden solle.

11

Der Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 23. April 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin am 17. Mai 2010 Klage.

12

Die Klägerin trägt vor, dass sich die Zusätzlichkeit der Zusatzleistungen aus folgenden Überlegungen ergebe. Zunächst sei anzumerken, dass der Nettolohn vor und nach Vertragsnovation nicht und auch nicht annähernd gleich hoch war, sondern die Mitarbeiter einen deutlich höheren Nettolohn erhalten, insofern gehe in diesem Punkt die Argumentation des Beklagten fehl und bzw. werde vom Beklagten versucht, die Darstellung des Sachverhaltes an das gewünschte Ergebnis anzupassen. Weiterhin sei zu bemerken, dass zivilrechtlich die Vertragsparteien ihr Vertragsverhältnis jederzeit mit Wirkung für die Zukunft verändern könnten. Dies müsse denklogisch aber auch zur Folge haben, dass dann nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung die für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum gegebenen Vertragsbedingungen steuerlich zu würdigen seien. Es sei der Grundsatz der Vertragsfreiheit auch im Steuerrecht zu beachten.

13

Wie der unbestimmte Rechtsbegriff "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" zu verstehen sei, habe die Verwaltung in R 21c LStR 2007 und die Rechtsprechung in BFH-Urteil vom 15. Mai 1998 (VI R 127/97, BStBl. II 1998, 518) geregelt. Danach sei das Tatbestandsmerkmal "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" bei verständiger Würdigung dahingehend zu verstehen, dass es sich um Arbeitslohn handeln müsse, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch bestehe.

14

In der neuesten und auch hier sehr bedeutsamen Entscheidung des BFH vom 1. Oktober 2009 (VI R 41/07) habe der BFH die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" erstmalig eindeutig und für diesen Fall unmissverständlich konkretisiert. Danach sei der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ausschließlich derjenige, der arbeitsvertraglich geschuldet werde. Die Frage, was arbeitsrechtlich geschuldet werde, lasse sich mit der Frage, was einklagbar sei, einfach beantworten. Die arbeitsvertragliche Änderung sei ab dem 1. Juli 2005 erfolgt. Auf Grundlage der Änderungen sei aber zu berücksichtigen, dass die Regelung in § 4 Abs. 4 S. 3 des Anstellungsvertrages nicht gegen die Zusätzlichkeit spreche, sondern sei lediglich die Umsetzung der in R 21c S. 8 LStR 2007 vorgesehenen Möglichkeit, ein Portfolio an Zusatzleistungen zur Auswahl anzubieten.

15

Auch das Argument des Beklagten, dass es sich hier um eine Anrechnung auf den bisher vereinbarten Arbeitslohn bzw. eine Umwandlung des bisher vereinbarten Arbeitslohnes handele, gehe schon mathematisch fehl. Eine einfache Addition ergebe keine Betragsidentität. Vielmehr sei die Bruttogesamtausstattung bestehend aus Grundlohn und Zusatzleistungen zweckentsprechend geringer als vor der Vertragsnovation.

16

Eine Entgeltumwandlung liege auch deshalb nicht vor, weil bei Nichtabruf der Zusatzleistung der Anspruch entfalle. Dagegen habe der Arbeitnehmer bei einer Entgeltumwandlung Anspruch auf Gewährung des Ausfallbetrages in anderer Form. Damit zeige auch dieser Unterschied, dass eine Entgeltumwandlung nicht vorliege.

17

Hinsichtlich der Tankkarten verkenne der Beklagte, dass es sich hier nicht um Barlohn handele, sondern um Sachlohn. Da hier kein Geld übertragen werde, liege somit zwingend ein Sachbezug vor.

18

Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Zusatzleistungen für Krankheitskosten würden vorliegen, da es an einer gesonderten Heilkasse mit Anhörung der Arbeitnehmervertreter und Zahlung an alle Mitarbeiter nach einheitlichen Grundsätzen mangele. Die Voraussetzungen nach R 3.11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 LStR würden gegeben sein. Im Unternehmen der Klägerin sei die Arbeitnehmerin Frau M als Arbeitnehmervertreterin für diesen Zweck gewählt worden. Sie werde vom Arbeitgeber mit entsprechenden Mitteln in Form einer Barkasse ausgestattet und bestimme ohne Einfluss des Arbeitgebers über die Auszahlung der Mittel an die entsprechenden Arbeitnehmer. Damit seien die Vorgaben nach R 3.11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LStR erfüllt.

19

Die Klägerin beantragt,

den Haftungs- und Festsetzungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 30. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2010 aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

21

Der Beklagte trägt vor, dass es an der Zusätzlichkeit, wie es das Gesetz erfordere, fehle. Bei den betroffenen Arbeitnehmern sei die vorgenommene Kürzung des Grundlohnes durch Gewährung von personenbezogenen Zusatzleistungen in etwa durch die Zusatzleistungen ausgeglichen worden, so dass es im Ergebnis keine bedeutende Veränderung der Gesamtvergütung (weder Minderung noch Erhöhung) gegeben habe. Durch die Minderung der Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerabzug und die Sozialversicherungsbeiträge komme es in der Regel trotz geringerer Bruttogesamtausstattung zu einer geringfügigen Erhöhung des Nettolohns (Barlohnumwandlung). Es sei jedenfalls nicht so, dass die Arbeitnehmer die Zusatzleistungen als Gehaltserhöhung auf den vorher bestehenden Gehaltsanspruch erhalten hätten. Bei diesen Voraussetzungen könne eine Zusätzlichkeit der Leistungen nicht angenommen werden. Für die Prüfung von Barlohnumwandlungen sei dabei zwangsläufig immer die Gehaltsregelung vor der Vertragsumgestaltung heranzuziehen. Hier sei daher der Juli 2005 der Vergleichsmonat. Auch aus dem Urteil des BFH vom 1. Oktober 2009 (VI R 41/07) könne sich nichts anderes ergeben. Im Streitfall seien keine freiwilligen Sonderzahlungen umgewandelt worden, sondern ein Teil des bisherigen (geschuldeten) Grundlohnes. Es liege also keine Zahlung über den geschuldeten Arbeitslohn hinaus vor.

22

Hinsichtlich der Tankkarten vertrat der Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung die Rechtsauffassung, dass die Tankkarten nicht mit einem Warengutschein vergleichbar seien.

23

Hinsichtlich des Krankheitskostenzuschusses sei zu beachten, dass der Betrieb der Klägerin mehr als vier Arbeitnehmer beschäftige, so dass die Voraussetzungen des R 3.11 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 3 LStR erfüllt sein müssten. Die Klägerin behaupte, für den Betrieb lägen die Voraussetzungen des Nr. 2 der genannten Richtlinie vor, ohne dass im Rahmen der Prüfung oder des Einspruchsverfahrens belegt zu haben. Es stehe der Klägerin frei, den Geldfluss der Beihilfemittel vom Arbeitgeber zur für diesen Zweck gewählten Arbeitnehmervertreterin, die anschließend die Auszahlung an die betreffenden Arbeitnehmer in den hier beanstandeten Einzelfällen nachprüfbar aufzuzeigen.

24

Darüber hinaus sei zu beachten, dass es sich bei Krankheitskostenbeihilfen begrifflich um Gelegenheitsgeschenke handele. Ein Geschenk liege jedoch dann nicht vor, wenn - wie im Streitfall - auf Arbeitslohn verzichtet werden müsse, um im Gegenzug unter anderem dieses "Geschenk" zu erhalten. Die Grundsätze der Auszahlung bzw. Abstimmung mit dem Betriebsrat seien bisher nicht nachgewiesen.

25

Soweit die Klägerin vorträgt, dass bei Nichtinanspruchnahme der Zusatzleistung der Anspruch wegfalle, während dies bei einer Gehaltsumwandlung nicht der Fall sei, so beziehe sich dies auf den Krankheitskostenzuschuss, für den die Voraussetzung der Zusätzlichkeit aber nicht gelte. Bei den anderen Komponenten gelte aber dagegen der vereinbarte Ausgleichsanspruch.

26

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass er - sollte der Senat dies für erforderlich halten - einen Antrag auf pauschalierte Besteuerung stelle.

Entscheidungsgründe

27

I.

Die Klage ist teilweise begründet.

28

Der Haftungs- und Festsetzungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 30. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2010 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), soweit eine Besteuerung der Zusatzleistungen über die Verwendung von Tankkarten erfolgte.

29

Der Senat geht davon aus, dass die Haftung für Kirchensteuer nicht Gegenstand des Verfahrens ist. In Kirchensteuerangelegenheiten ist der Finanzrechtsweg in Niedersachsen nicht eröffnet (§ 10 Abs. 2 Kirchensteuerrahmengesetz). Dies gilt auch für die Haftung für Kirchensteuer (vgl. BFH-Urteil vom 7. Februar 1969 VI R 81/66, BStBl. II 1969, 406).

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Zusatzleistungen durch Tankkarten

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Nach den BFH-Urteilen vom 11. November 2010 (VI R 26/08, BFH/NV 2011, 589 und VI R 27/09, BStBl II 2011, 386) kommt es für die Anwendung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nur auf die Frage an, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer tatsächlich Barlohn oder Sachlohn zuwendet. Danach wendet ein Arbeitgeber eine Sache zu, wenn er z.B. dem Arbeitnehmer eine Tankkarte überlässt, mit der der Arbeitnehmer Güter aus allen Warengruppen im Wert bis zu 44 EUR auf Rechnung des Arbeitgebers beziehen kann.

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Die Beteiligten gehen aufgrund abgegebener Erklärungen in der mündlichen Verhandlung unstreitig davon aus, dass diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Somit sind diese Zusatzleistungen von der Besteuerung ausgenommen.

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Internetpauschale und Kindergartenzuschüsse

34

Die Internetpauschale und die Kindergartenzuschüsse waren vom Beklagten zu Recht einer Regelbesteuerung unterworfen worden. Dies ergibt sich aus der fehlenden Zusätzlichkeit dieser Zusatzleistungen.

35

Nach § 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG (Internetpauschale) und nach § 3 Nr. 33 EStG (Kindergartenzuschüsse) werden die Vergünstigungen nur gewährt, wenn die Leistungen "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gezahlt werden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG erfordert diese Zusätzlichkeits-voraussetzung, "dass die Zuwendung zu dem Arbeitslohn hinzu kommt, den der Arbeitgeber schuldet, wenn keine Zuwendung erfolgt" (BTDrucks. 14/4921, 51). Damit ist steuerfreier Lohn nur dann anzunehmen, wenn er zu dem Arbeitslohn hinzukommt, also nicht zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht. Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH. Der BFH hält auch in neueren Entscheidungen daran fest, dass das Tatbestandsmerkmal "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" dahingehend zu verstehen ist, dass es sich um Arbeitslohn handeln muss, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht (BFH-Urt. v. 15. Mai 1998 VI R 127/97, BStBl II 1998, 518, steuerfreier Zinszuschuss; Urt. v. 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BStBl II 1987, 139; Urt. v. 12. März 1993 VI R 71/92, BStBl II 1993, 521, steuerfreie Jubiläumszuwendung; Urt. v. 1. Oktober 2009 VI R 41/07, BStBl. II 2010, 487, pauschalierter Fahrtkostenzuschuss).

36

Bei Anwendung dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall an der Zusätzlichkeit. Aus der Tatsache, dass ein Anspruch auf Zahlung einer entsprechenden Zusatzleistung auch dann besteht, wenn die gesetzlichen oder persönlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 des geänderten Arbeitsvertrages), ist zu entnehmen, dass die Arbeitnehmer auch einen Rechtsanspruch auf ein Gehalt in Höhe der Zusatzleistungen haben, wenn die Voraussetzungen für die Zusatzleistungen nicht vorliegen. Sie sind somit Gehaltsbestandteile, auf die der Arbeitnehmer ohnehin Anspruch hat.

37

Ob die Voraussetzung der Zusätzlichkeit bereits deshalb entfällt, weil - so der Beklagte - eine Gehaltsumwandlung (Gehaltsumwidmung) erfolgte, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Für die Steuerfreiheit bzw. Steuerpauschalierung ist nämlich erforderlich, dass die Leistungen nicht unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden. Diese Auslegung der gesetzlichen Voraussetzung ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien und der Literatur. Es soll ein Anreiz zur zusätzlichen Förderung geschaffen werden (s. zu § 3 Nr. 33 EStG BTDrucks. 12/5016, 85; Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, EStG KStG (Loseblatt), § 3 Nr. 33 EStG Rz. 2 a.E.; zu § 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG BTDrucks. 14/4921, 51; Wagner in Hermann/Heuer/Raupach, § 40 EStG Rz. 44 a.E.; Drenseck in Schmidt, EStG 30. Aufl. 2011, § 40 Rz. 20 a.E.)

38

Krankheitskosten

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Ein Anspruch auf Steuerbefreiung für die Krankheitskostenzuschüsse hat die Klägerin weder aufgrund einer gesetzlichen Regelung noch nach der in R 3.11 Abs. 2 LStR enthaltenen Billigkeitsregelung.

40

Nach § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind solche Leistungen nur dann u.a. steuerfrei, wenn sie aus "öffentlichen Mitteln" geleistet werden. Diese gesetzliche Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Die Arbeitnehmer erhielten die Krankheitskostenzuschüsse aus privaten Mitteln des Arbeitgebers und nicht aus "öffentlichen Mitteln".

41

Die begehrte Steuerfreiheit kann aber auch nicht aus R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStR hergeleitet werden. Nach dieser Regelung sind Unterstützungen in Krankheitsfällen steuerfrei, wenn sie aus Beträgen gezahlt werden, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat oder sonstigen Vertretern der Arbeitnehmer zu dem Zweck überweist, aus diesen Beträgen Unterstützungen an die Arbeitnehmer ohne maßgebenden Einfluss des Arbeitgebers zu gewähren. Bei dieser Verwaltungsvorschrift handelt es sich um eine Billigkeitsregelung, die nach Auffassung des Senats bei der Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen ist (vgl. zur Kritik und zur Einordnung als Billigkeitsregelung Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 11 EStG Rz. 8; Offerhaus BB 1988, 1797; v. Beckerath in Kirchhof/Mellinghof/Söhn, EStG (Loseblatt), § 3 Nr. 11 EStG Rdnr. B 11/80 "Beihilfen im öffentlichen Dienst").

42

Die in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStR geforderten Voraussetzungen liegen aber im Streitfall nicht vor. Es fehlt nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten bereits an einer Überweisung der für die Unterstützungen zur Verfügung gestellten Beträge. Die Überlassung einer Barkasse an die Arbeitnehmerin M reicht nicht aus. Sie stellt keine Überweisung auf ein Sonderkonto dar, über das die Arbeitnehmerin M allein verfügt. Bei einer Billigkeitsregelung ist eine gebotene restriktive Auslegung zu beachten, so dass eine Anwendung der Vorschrift nicht für den Fall der Zurverfügungstellung einer Barkasse in Betracht kommt. Wie die Formulierung in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LStR "ohne maßgeblichen Einfluss des Arbeitgebers zu gewähren" zeigt, entspricht diese Auslegung auch der Zielsetzung des Normgebers. Durch eine Überweisung auf ein Konto des gewählten Arbeitnehmers werden die Beträge dem Machtbereich des Arbeitgebers entzogen. Dies muss hingegen nicht unbedingt bei nur einer Zurverfügungstellung einer Barkasse der Fall sein.

43

Der Beklagte hat diese Billigkeitsregelung auch in der Weise in seiner Ermessensausübung berücksichtigt, indem er spätestens in seiner Einspruchsentscheidung zu erkennen gegeben hat, dass er zur Berücksichtigung dieser Billigkeitsregelung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR bereit gewesen wäre.

44

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Pflicht zur Berechnung der neu festzusetzenden Lohnsteuer und Nebenabgaben ergibt sich aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.