Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.2011, Az.: 6 K 445/09
Berücksichtigung von Verlusten eines Klägers mit einer belgischen Betriebsstätte bei der Gewinnermittlung; Besteuerung von Einkünften aus einer Betriebsstätte in Belgien
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.06.2011
- Aktenzeichen
- 6 K 445/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 24501
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2011:0616.6K445.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.02.2014 - AZ: I R 48/11
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 EStG
- § 8 Abs. 1 KStG
- Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien
Fundstellen
- EFG 2011, 2088-2091
- IStR 2011, 768-772
- KÖSDI 2012, 17733
Körperschaftsteuer 1999
- 1.
Die Frage der Verrechenbarkeit von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten ist durch die Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt.
- 2.
Die Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte führt zur Finalität der Betriebsstättenverluste (Anschluss an BFH-Rspr.)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Verlusten aus einer Betriebsstätte in Belgien.
Die Klägerin, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im Jahre 1995 gegründet wurde und als Großhändler für . tätig ist, hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. März bis zum 28. Februar. 60 % der Geschäftsanteile der Klägerin hielt die X GmbH, je 20 % der Geschäftsanteile hielten die Herren A und B.
Die Klägerin gründete im Jahr 1996 eine Zweigniederlassung in Belgien. Für diese Niederlassung, die am 20. November 1996 in das Belgische Handelsregister eingetragen wurde, erstellte die Klägerin eine gesonderte Buchführung. Die Ergebnisse dieser Buchführung berücksichtigte die Klägerin in ihrem deutschen Jahresabschluss. Den Aufbau der belgischen Betriebsstätte finanzierte die Klägerin durch ein Darlehen der X GmbH, die die Klägerin mit Speiseeis belieferte. Dieses Darlehen verbuchte die Klägerin über das normale Kreditorenkonto. Somit erfasste sie diese Zinsen als Betriebsausgaben, nicht aber in der gesonderten Buchführung für die belgische Betriebsstätte, obwohl sie auf diese entfielen. Als Ergebnisse der belgischen Betriebsstätte berücksichtigte die Klägerin in ihren deutschen Jahresabschlüssen für den Veranlagungszeitraum 1997 aus dem Wirtschaftsjahr 1996/97 einen Verlust in Höhe von . DM und im Veranlagungszeitraum 1998 aus dem Wirtschaftsjahr 1997/98 einen Verlust in Höhe von . DM. Insoweit fand die Regelung in§ 2 a Abs. 3 EStG a.F. Anwendung, die letztmalig für den VZ 1998 galt. Durch Kaufvertrag vom 12. November 1998 veräußerte die Klägerin das Betriebsvermögen ihrer belgischen Niederlassung rückwirkend zum 31. August 1998 an die belgische Y N. V. Gesellschafter der belgischen Y N.V. waren die Brüder A und B. In ihrer Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 berücksichtigte die Klägerin aus dem Wirtschaftsjahr vom 1. März 1998 bis 31. August 1998 aus der belgischen Betriebsstätte gewinnmindernd einen laufenden Verlust in Höhe von . DM und einen Veräußerungsverlust in Höhe von . DM. Ferner berücksichtigte die Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 28. Februar 1999 Zinszahlungen aus dem Darlehen der X GmbH in Höhe von . DM. Diese hatte sie allerdings nicht in der gesonderten Buchführung der belgischen Betriebsstätte zugeordnet.
Die Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1999 erfolgte mit Bescheid vom 15. Februar 2001 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Jahre 2003 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Dabei gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass für den Veranlagungszeitraum 1999 ein Betrag in Höhe von insgesamt . DM nicht abzugsfähig sei, nämlich sowohl der laufende Verlust aus der belgischen Betriebsstätte in Höhe von . DM, der Veräußerungsverlust in Höhe von DM (zusammen . DM) sowie darüber hinaus die von der Klägerin gewinnmindernd berücksichtigten Zinsen in Höhe von . DM aus dem Darlehen der X GmbH, mit dem die Klägerin den Aufbau der belgischen Betriebsstätte finanziert hatte. Die Berechnung der bei der belgischen Betriebsstätte angefallenen Verluste einschließlich der Zinsen ist zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig. Das Finanzamt folgte hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Auffassung der Außenprüfung und nahm in dem geänderten Bescheid vom 18. Mai 2004 gewinnerhöhend eine Hinzurechnung in Höhe von . DM vor, so dass sich ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von . DM und eine Körperschaftsteuer in Höhe von . DM ergab.
Gegen den geänderten Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit diesem machte sie im Wesentlichen geltend, dass entsprechend der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. Mai 2008 C-414/06 (Lidl Belgium) die Verluste, die sie in ihrer belgischen Betriebsstätte erlitten habe, im Veranlagungszeitraum 1999 gewinnmindernd im Stammhausstaat zu berücksichtigen seien. Das Finanzamt wies den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1999 als unbegründet zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage und begehrt weiter die Berücksichtigung eines laufenden Verlustes und eines Veräußerungsverlusts in Höhe von insgesamt . DM. Die Klägerin führt aus, dass die Regelung des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG-Vertrag verstoße. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei nur insoweit statthaft, wie dies durch zwingende Gründe des allgemeinen Interesses gerechtfertigt sei. In diesem Falle müsse die Beschränkung jedoch außerdem geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich sei. Regelungen, nach denen steuerliche Verluste nur im Betriebsstättenstaat steuermindernd berücksichtigt werden könnten, seien deshalb im Grundsatz zwar zulässig. Eine beschränkende Maßnahme gehe jedoch über das hinaus, was erforderlich sei, um die verfolgten Ziele - die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten sowie die Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs - zu erreichen, wenn eine ausländische Niederlassung die im Betriebsstättenstaat für den vom Abzugsantrag erfassten Steuerzeitraum sowie frühere Steuerzeiträume vorgesehene Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft habe, gegebenenfalls durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Niederlassung in früheren Zeiträumen erwirtschaftet habe, und keine Möglichkeit bestehe, dass die Verluste der ausländischen Niederlassung im Betriebsstättenstaat für zukünftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten berücksichtigt würden.
Die Klägerin habe im Streitfall nach der Veräußerung des Betriebsvermögens der Betriebsstätte in Belgien keine Möglichkeit mehr gehabt, den im Wirtschaftsjahr 1998/99 in der Betriebsstätte in Belgien erlittenen Verlust auch in Belgien steuermindernd geltend zu machen. Eine Verrechnung mit Gewinnen aus früheren Veranlagungszeiträumen sei nicht möglich, weil die Betriebsstätte seit ihrer Gründung nur Verluste erzielt habe. Eine Verrechnung der Verluste mit Gewinnen aus künftigen Veranlagungszeiträumen käme deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nach der Veräußerung des Betriebsvermögens keine Betriebsstätte mehr in Belgien habe und seither auch keine neue Betriebsstätte in Belgien gegründet habe. Nicht zu folgen sei der vom BMF im Nichtanwendungserlass vom 13. Juli 2009 (BStBl I 2009, 835) vertretenen Auffassung, dass es nach dem Urteil des EuGH vom 18. Mai 2008 (C-414/06, Lidl Belgium) nur auf eine rechtliche Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat ankomme und nicht darauf, ob auch tatsächlich ein Verlustabzug erfolgen könne. Es komme nicht auf die bloß abstrakte rechtliche Möglichkeit der Verlustberücksichtigung an, sondern darauf, ob nach den konkreten tatsächlichen Gegebenheiten die Möglichkeit eines Verlustabzugs bestanden habe. Eine Unterscheidung zwischen "rechtlicher" und "tatsächlicher" Verlustnutzungs-möglichkeit lasse sich der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Lidl Belgium" nicht entnehmen. Entscheidend sei allein, dass eine Verlustberücksichtigung in dem Betriebsstättenstaat nicht mehr möglich sei. Diese Voraussetzung sei im Streitfall gegeben, da die Klägerin das Betriebsvermögen der ausländischen Betriebsstätte veräußert habe, über keine weitere Betriebsstätte in dem betreffenden Staat verfüge und auch nicht die Möglichkeit habe, die Verluste im Betriebsstättenstaat mit Gewinnen aus früheren Jahren zu verrechnen oder sie auf Dritte zu übertragen. Zwar habe der BFH in seinem Urteil vom 3. Februar 2010 (I R 23/09, BStBl II 2010, 599) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 23. Oktober 2008 (C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt", IStR 2008, 769) auch entschieden, dass ein Staat nicht verpflichtet sei, in seinem Steuerrecht die eventuell ungünstigen Auswirkungen der steuerlichen Regelungen eines anderen Staates auszugleichen. Danach würden Verluste nicht final, wenn der Betriebsstättenstaat nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulasse und lediglich der Berücksichtigungszeitraum abgelaufen sei. Allerdings habe der BFH auch entschieden, dass der Abzug ausländischer Betriebsstättenverluste jedenfalls dann zulässig sei, wenn die Verluste aus tatsächlichen Gründen nicht mehr im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden könnten, weil die Betriebsstätte an einen Dritten übertragen oder aufgegeben worden sei. Insoweit sei die Rechtslage nach dem EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 (C-414/06 "Lidl Belgium", Slg. 2008, I-3601) hinreichend geklärt, dass finale Verluste zwar nicht phasengleich im Entstehungsjahr, wohl aber ab Eintritt der Finalität abzugsfähig seien.
Zudem verstoße die rückwirkende Änderung des § 2a Abs. 1 EStG auch gegen den Vertrauensschutz als Ausfluss des grundrechtlich verbürgten Rechtsstaatsgebots. Es sei für die Klägerin nicht mehr möglich gewesen, noch auf die mit Einbringung des Gesetzes in den Bundestag am 9. November 1998 beabsichtigte Rechtsänderung des § 2a EStG reagieren zu können. Denn mit der rückwirkenden Übertragung der Betriebsstätte zum 31. August 1998 sei der Verlust bereits angefallen gewesen, bevor das fragliche Gesetz in den Bundestag eingebracht worden sei. Außerdem könne es nicht als Aufgabe der Klägerin angesehen werden, der Einbringung einer rechtswidrigen Gesetzesvorlage durch Änderung ihres Wirtschaftsjahres zu entgehen. Zudem wäre eine wirksame Änderung des Wirtschaftsjahres nach Einbringung des Gesetzentwurfs am 9. November 1998 auch nicht mehr möglich gewesen. Die Einberufung einer Gesellschafterversammlung und die Eintragung im Handelsregister wären in Anbetracht der Kürze der Zeit nicht mehr zu leisten gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 18. März 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner bereits im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest, dass ein Abzug der Verluste aus der belgischen Betriebsstätte in Deutschland als Stammhausstaat nicht möglich sei. Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2008 C-414/06 (Lidl Belgium) keine Aussage dazu getroffen, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen seien. Betriebsstättenverluste seien deshalb grundsätzlich im Betriebsstättenstaat zu berücksichtigen. Es sei insoweit allein auf die rechtliche Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat abzustellen und daher unerheblich, ob sich die Betriebsstättenverluste tatsächlich im Rahmen einer Veranlagung im Betriebsstättenstaat auswirkten. Die Aufgabe einer ausländischen Betriebsstätte bzw. die Veräußerung des Betriebsstättenvermögens führe deshalb für sich genommen nicht dazu, dass im Betriebsstättenstaat nicht berücksichtigte ausländische Betriebsstättenverluste beim Stammhaus im Stammsitzstaat gewinnmindernd zu berücksichtigen seien. Solche ausländischen Betriebsstättenverluste könnten weiterhin im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden, da es für die Klägerin möglich sei, in dem Betriebsstättenstaat jederzeit eine neue Betriebsstätte zu eröffnen, von deren späteren Gewinnen sie die Verluste abziehen könne, die in der Zweigniederlassung in Brügge entstanden seien.
Die nationale Regelung, wonach ausländische Betriebsstättenverluste wie ausländische Betriebsstättengewinne in Deutschland steuerlich nicht berücksichtigt würden, sei unter den Gesichtspunkten der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten und der Vermeidung der doppelten Verlustberücksichtung gerechtfertigt. Der EuGH habe in der Rechtssache "Lidl Belgium" die Notwendigkeit der Wahrung und Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten als einen Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anerkannt (vgl. Rn. 32 f. des EuGH-Urteils Lidl Belgium). Das Ziel, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten zu wahren, spiegele sich in den Bestimmungen des DBA-Belgien wider. Diese seien geeignet, die im Ausgangsverfahren fragliche Steuerregelung zu rechtfertigen. Mit ihnen werde die Symmetrie zwischen dem Verzicht auf die Besteuerung der Gewinne ausländischer Betriebsstätten aufgrund der Freistellungsmethode und der Versagung der Möglichkeit, Verluste ausländischer Betriebsstätten im Stammhausstaat in Abzug zu bringen, gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folge aus dem Schutz der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten, dass es nicht in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellt werden dürfe, ob Verluste im Betriebsstättenstaat oder im Stammhausstaat besteuert würden. So reiche nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache X-Holding BV, Eu GH-Urteil vom 25. Februar 2010, C - 337/08, bereits das Vorliegen eines einzigen Rechtfertigungsgrundes aus, um eine nationale Regelung, wie die im Streitfall vorliegende, zu rechtfertigen.
Zudem greife auch der Rechtfertigungsgrund der Vermeidung der doppelten Verlustnutzung ein. Eröffne die Klägerin in Belgien erneut eine Betriebsstätte, könne sie die in der veräußerten Betriebsstätte entstandenen Verluste bei der Bemessungsgrundlage der neuen Betriebsstätte steuerlich nutzen. Damit bestehe die Gefahr, dass eine doppelte Verlustnutzung eintrete, nämlich einmal im Falle der Eröffnung einer neuen Betriebsstätte in Belgien sowie zusätzlich als finaler Verlust infolge der Veräußerung des Betriebsvermögens der belgischen Betriebsstätte in Deutschland.
Aus der Rechtsprechung des EuGH folge, dass Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte beim inländischen Stammhaus auch dann unberücksichtigt blieben, wenn die Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat nach dessen Steuerrecht unmöglich werde und es infolgedessen zu einem endgültigen Verfall von Verlusten komme. Weder die Frage der Endgültigkeit von ausländischen Betriebsstättenverlusten noch die Frage, welche Mindestanzahl von Rechtfertigungsgründen erforderlich sei, könnten gegenwärtig als hinreichend geklärt angesehen werden. Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EG) räume einem Gericht, das nicht letztinstanzlich über eine Frage entscheide, grundsätzlich nur die Möglichkeit ein, lege ihm jedoch nicht die Verpflichtung auf, eine für den Erlass des Urteils erforderlich europarechtliche Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Eine solche Verpflichtung zur Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens ergebe sich jedoch jedenfalls dann, wenn das betreffende Gericht beabsichtige, ein ordnungsgemäß zu Stande gekommenes Gesetz unter Berufung auf Europarecht unangewendet zu lassen. Die Berufung auf die europarechtliche Interpretation von EuGH-Entscheidungen lasse eine solche Verwerfungskompetenz nicht auf die übrige Gerichtsbarkeit übergehen, es sei denn, die betreffende europarechtliche Rechtsfrage wäre zweifelsfrei geklärt. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Cilfit-Doktrin) sei ein an den EuGH gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen nur dann entbehrlich, wenn die betreffende Rechtsfrage durch den Europäischen Gerichtshofs bereits gelöst worden sei, wenn in einer gleichgelagerten Frage zu einer identischen Bestimmung die Rechtsfrage bereits beantwortet sei oder wenn die richtige Anwendung des Europarechts offenkundig und zweifelsfrei sei. Keine dieser Ausnahmen liege im Streitfall vor. Insbesondere sei die richtige Anwendung des Europarechts in Bezug auf die Finalität ausländischer Betriebs-stättenverluste bei Bestehen eines DBA mit Freistellungsmethode - anders als der Bundesfinanzhof meine - gerade nicht offenkundig und zweifelsfrei.
Aus Abs. 14 des Schlussprotokolls, welches anlässlich der Unterzeichnung des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern von Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern geschlossen worden sei, ergebe sich nichts anderes. Dieser Absatz sei für den Streitfall nicht einschlägig, weil er sich ausschließlich auf den Abzug ausländischer Betriebsstättenverluste in Deutschland nach der nationalen Vorschrift des § 2 a Abs. 3 EStG alter Fassung bezogen habe, der letztmalig im Veranlagungszeitraum 1998 gegolten habe.
Die Änderung des § 2a EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und dessen Anwendung ab dem 1. Januar 1999 sei auch nicht verfassungswidrig. Die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 3 S. 2 EStG in der für das Jahr 1999 geltenden Fassung beinhalte eine unechte Rückwirkung. Aus dem damaligen Gesetzentwurf habe sich ergeben, dass die die Vorschrift des § 2a Abs. 3 EStG a.F. letztmalig für den Veranlagungszeitraum 1998 habe Anwendung finden sollen. Die Klägerin habe daher nicht darauf vertrauen können, dass die Vorschrift auch 1999 noch weiter anwendbar sei. Die Klägerin habe die belgische Betriebsstätte erst mit Vertrag vom 12. November 1998 rückwirkend zum 31. August 1998 veräußert. Zum Zeitpunkt des Verkaufs habe der Gesetzentwurf bereits vorgelegen. Zudem hätte die Klägerin auch noch auf die geplante Gesetzesänderung durch eine Änderung ihres Wirtschaftsjahres reagieren können, um den Verlust noch im Jahr 1998 berücksichtigen zu können. Da die Klägerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, könne sie für sich keine Schutzwürdigkeit reklamieren.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 18. März 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Verluste in Höhe von . DM, die die Klägerin mit ihrer belgischen Betriebsstätte im Jahr 1998 erwirtschaftet hat, sind bei der Klägerin im Veranlagungszeitraum 1999 in Deutschland bei der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG) zu berücksichtigen, da es sich um finale Verluste i.S.d. EuGH- und der BFH-Rechtsprechung handelt, die bei Veräußerung des Betriebsvermögens der ausländischen Betriebsstätte beim Stammhaus im Stammhausstaat zu berücksichtigen sind.
1.
Zwar sind die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Belgien gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien in Belgien zu besteuern und von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 23 Abs. 1 DBA-Belgien).
a)
Da sich der Begriff der Betriebsstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass auch Betriebsstättenverluste grundsätzlich aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Dies gilt auch für die mit Belgien vereinbarte Abkommenslage (auf das BFH-Urteil vom 17. Juli 2008 I R 84/04, BStBl II 2009, 630 zu der insoweit inhaltsgleichen Abkommenslage mit Luxemburg wird Bezug genommen).
b)
Eine Berücksichtigung der in der Betriebsstätte in Belgien erzielten Verluste kommt für das Streitjahr auch nicht mehr nach der Vorschrift des § 2a Abs. 3 EStG in Betracht. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit der Nutzung von Verlusten aus ausländischen Betriebstätten durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 aufgehoben. Der im Jahr 1998 erzielte Verlust (laufender Verlust und Veräußerungsverlust) wäre bei der Klägerin aufgrund ihres abweichenden Wirtschaftsjahres gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG im Veranlagungszeitraum 1999 zu erfassen gewesen. Die Vorschrift des § 2a Abs. 3 EStG war aber letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden (vgl. die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 3 S. 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999).
2.
Vorliegend sind jedoch auch die Verluste, die die Klägerin mit ihrer belgischen Betriebsstätte bis zu deren Veräußerung im Jahr 1998 erwirtschaftet hat, aufgrund des abweichenden Wirtschaftsjahrs der Klägerin im Jahr 1999 in Deutschland bei der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) zu berücksichtigen, weil sie sich in Belgien weder in diesem Jahr noch in den Folgejahren ausgewirkt haben. Dies ergibt sich aus der nach der Gemeinschaftsrechtslage --hier bei der in Art. 43 i.V.m. Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1), jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- i.d.F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01), verbürgten freien Wahl der Niederlassung.
a)
Der BFH hat in seinem Urteil vom 9. Juni 2010 (I R 107/09, BFHE 230, 35) entschieden dass ein Verlustabzug abweichend von einer abkommensrechtlichen Regelung aus Gründen des Gemeinschaftsrechts nur ausnahmsweise in Betracht komme, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweise, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar seien (sog. finale Verluste). An einer derartigen "Finalität" fehle es zwar, wenn der Betriebsstättenstaat nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulasse, nicht jedoch, wenn der Betriebsstättenverlust aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden könne. Dabei verweist der BFH ausdrücklich auf die neuere Rechtsprechung des EuGH in Fortentwicklung der in der Entscheidung "Marks & Spencer" ausgeführten Grundsätze durch die EuGH-Urteile Urteil vom 15. Mai 2008 (C-414/06 "Lidl Belgium", Slg. 2008, I-3601) und vom 23. Oktober 2008 (C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt", Slg. 2008, I-8061).
Die in einem Doppelbesteuerungsabkommen enthaltene Regelung verstoße im Grundsatz dann nicht gegen die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten, wenn die Verluste der in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden könnten (BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O. unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium", Slg. 2008, I-3601). Ein Abzug der nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts ermittelten ausländischen Betriebsstättenverluste komme im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und aufgrund des prinzipiellen Anwendungsvorrangs gemeinschaftlichen Primärrechts vor nationalem Recht sonach nur dann in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger die im Ausland für den betreffenden Besteuerungszeitraum sowie für frühere Besteuerungszeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten tatsächlich ausgeschöpft hat, ggf. durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Betriebsstätte in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat, und wenn im Streitjahr keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste der Betriebsstätte in dem anderen Land für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten berücksichtigt werden. Dazu habe der EuGH in seinem Urteil vom 23. Oktober 2008 (C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt" Slg. 2008, I-8061) weiter präzisiert, dass "in Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung gegebenenfalls im Vertragswege zu beseitigen. Diese Zuständigkeit beinhalte auch, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein könne, die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen. Zu dieser Steuerhoheit gehöre es auch, den Verlustabzug --sei es durch eine zeitliche Befristung des Verlustvortrags, sei es durch ähnliche Maßnahmen-- zu beschränken. Es sei dann nicht dem Ansässigkeitsstaat zu überantworten, dadurch endgültig unberücksichtigt bleibende Verlustvorträge durch den Abzug jener Verluste auszugleichen (BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O. m.w.N. zur Literatur).
Anders verhalte es sich indessen dann, wenn nicht die Verlustabzugsbeschränkungen und -verbote desjenigen Mitgliedstaates für die "Finalität" der fraglichen Verluste ausschlaggebend seien, sondern wenn dies auf tatsächliche Gegebenheiten zurückzuführen sei. Zwar gebe der EuGH zu erkennen, dass er die Verlustverrechnung im Ansässigkeitsstaat als ultima ratio ansehe. Das sei jedoch der Fall, wenn die Verluste im Ausland unbeschadet der dort herrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen definitiv keiner anderweitigen Berücksichtigung mehr zugänglich seien, also bei Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, ihrer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder ihrer endgültigen Aufgabe (BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O.). Nur dann mache die Rechtsprechung des EuGH --prinzipielle Akzeptanz der sog. Symmetriethese mit der Ausnahme des Abzugs "finaler" Verluste im Ansässigkeitsstaat-- "Sinn". Würde die "Finalität" jener Verluste auch unter dergleichen Umständen versagt, liefe die besagte Rechtsprechung von vornherein leer. Das aber könne nicht unterstellt werden und widerspräche auch den insoweit klaren Äußerungen des EuGH in seinem Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium" (BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O.).
Der sich danach ergebende Verlustabzug richte sich uneingeschränkt nach den dafür einschlägigen innerstaatlichen Regelungen. Allerdings bedeute das noch nicht, dass die Verluste auch in dem Jahr zu berücksichtigen wären in dem sie entstanden seien. Auf der Basis der sog. Symmetriethese für den ausnahmsweisen Verlustabzug im Ansässigkeitsstaat könne es nur auf jenen Veranlagungszeitraum ankommen, in welchem die Verluste tatsächlich "final" geworden seien. Das korrespondiere damit, dass andernfalls --bei einem ausgenutzten Verlustvortrag im Betriebsstättenstaat in einem dem Verlustentstehungsjahr nachfolgenden Veranlagungszeitraum-- ebenfalls eine Verlustberücksichtigung nur in diesem späteren Veranlagungszeitraum gegriffen hätte, nicht aber im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung. Schließlich erleichtere die "phasenverschobene" Verlustberücksichtigung im "Finalitätsjahr" die praktische Handhabung des durch den gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrang bedingten ausnahmsweisen Abzugs der finalen Auslandsverluste, die ja an sich im Gegensatz zu den Rechtsregeln des deutschen Steuerrechts stehe. Dabei erachtet der BFH aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht von ihm zitierten Ausführungen des EuGH als eindeutig, so dass von einer abermaligen Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 AEUV abgesehen werden könne (BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O.).
b)
In der Literatur hat die Entscheidung des BFH insbesondere dahin gehend Kritik erfahren, dass der BFH die Gemeinschaftsrechtslage als eindeutig geklärt ansehe, sodass es keiner erneuten Vorlage bedürfe (Benecke/Staats in IStR 2010, 668; Richter in BB 2010, 2734; Sedemund/Wegner, FR 2010, 883; Stiller in BB 2011, 607; Wangler/Gühne, FR 2010, 1113). Vielmehr wäre eine erneute Vorlage an den EuGH durchaus angezeigt gewesen, insbesondere zu den Fragen, wann eine Finalität der Verluste vorliege und ob ggf. auch eine phasengleiche Verlustnutzung in Betracht käme. Die vom BFH angenommene eindeutige Unionsrechtslage sei nicht zu erkennen. Insoweit fehle es aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zum Rechtsfertigungselement der "Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedsstaaten" einschließlich der damit verbundenen Verhältnismäßigkeitsprüfung schon an einer klaren Linie des EuGH selbst (Benecke/Staats, IStR 2010, 668 Anm. zu BFH I R 107/09). Insoweit wird darauf hingewiesen, dass der EuGH im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nunmehr im Kern darauf abstelle, dass es nicht in das Belieben der Steuerpflichtigen gestellt sein dürfe, in welchem Mitgliedsstaat sie ihre Gewinne besteuerten oder erlittene Verluste geltend machen könnten (Benecke/Staats, IStR 2010, 668 unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidungen vom 18. Juli 2007 C - 231/05, Oy AA, Rn. 65, IStR 2007 631 bzw. vom 21. Januar 2010 C - 311/08, X - Holding, Rn. 41, IStR 2010 144 [EuGH 21.01.2010 - Rs. C-311/08]). Wäre eine Finalität der ausländischen Betriebsstättenverluste auch bei einer bloßen Fortsetzung des unternehmerischen Engagements im Betriebsstättenstaat in anderer Rechtsform zu bejahen, wären dem Steuerpflichtigen Gestaltungsspielräume eröffnet, die es in sein Belieben stellten, Verluste ins Inland zu transferieren und Gewinne im Ausland belassen zu können. Eine Finalität der ausländischen Betriebsstättenverluste sei nicht bereits bei einer bloßen Schließung der ausländischen Betriebsstätte gegeben, sondern würde zumindest die Liquidation des inländischen Stammhauses erfordern (vgl. Benecke/Staats IStR 2010, 668, 669).
Die Frage, wann das nationale Steuerrecht ausländische Betriebsstättenverluste als definitiv ansehen müsse, könne damit entgegen der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 9. Juni 2010 I R 100/09 und I R 107/09) nicht als abschließend geklärt angesehen werden (Sedemund/Wegner, FR 2010, 883; Mitschke, IStR 2010, 670; des FR 2010, 24). Auf der Basis der BFH-Rechtsprechung könne die Möglichkeit zur Verlustnutzung im Stammhausstaat trotz DBA-Freistellung von Betriebsstätteneinkünften durch entsprechende Gestaltungen erhalten oder hergestellt werden (Sedemund/Wegner, a.a.O.). Soweit das Schrifttum von einer Verlustfinalität in den Fällen ausgeht, in denen die ausländische Betriebsstätte aufgegeben, übertragen oder umgewandelt wird, soll dies allerdings nur dann gelten, soweit für die Einstellung in erster Linie wirtschaftliche und nicht steuerliche Beweggründe ausschlaggebend gewesen seien (vgl. Wangler/Gühne, FR 2010, 1113, 1114 unter Hinweis auf Ditz/Plansky, DB 2009 1671 Tz. II.3c) aa).
c)
Nach Auffassung des erkennenden Senats sind nach der Veräußerung der belgischen Betriebsstätte die zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsverluste (laufender Verlust in Höhe von . DM zuzüglich der auf die Betriebsstätte entfallenden Zinsen in Höhe von . DM sowie der Veräußerungsverlust in Höhe von . DM) in Höhe von insgesamt . DM "final" geworden.
(1)
Für die Finalität der Verluste waren nicht die Verlustabzugsbeschränkungen und -verbote in Belgien ausschlaggebend, sondern die Finalität ist auf tatsächliche Gegebenheiten zurückzuführen. Die Klägerin hat keine ihr rechtlich mögliche Verlustverwertung, beispielsweise mittels Rücktrag oder Vortrag der Verluste oder eine ihr anderweitig leichthin mögliche wirtschaftlich vernünftige Verwertungshandlung unterlassen. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Klägerin, in dem Fall, dass sie eine neue Betriebsstätte in Belgien eröffnen sollte, die Verluste nach Wiedereröffnung nach dem belgischem Steuerrecht wieder nutzen könnte. Gleichwohl sind die betreffenden Verluste als definitiv i.S.d. EuGH-Rechtsprechung in dem Verfahren "lidl Belgium" anzusehen. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 9. Juni 2010 (I R 107/09, a.a.O.) an, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insoweit leer liefe, wollte man die "Finalität" von Verluste allein mit Rücksicht darauf verneinen, dass im Falle der (Wieder-)Eröffnung einer Betriebsstätte in Belgien eine Verlustnutzung in Belgien möglich wäre. Für diese Fälle verweist der BFH nach Ansicht des erkennenden Senats zu Recht darauf, dass die Wiedereröffnung einer ausländischen Betriebsstätte als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen wäre. Denn aus dem Wortsinn und dem Zweck der Korrekturvorschrift ergibt sich, dass ein Ereignis dann nachträglich i.S.d. der Vorschrift eingetreten ist, wenn es den Sachverhalt verändert und dabei steuerlich derart in die Vergangenheit zurückwirkt, dass ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültig (bestandskräftig) getroffene Regelung i.S. der §§ 118, 157 AO an die Sachverhaltsänderung anzupassen (BFH-Urteil vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BStBl II 1989, 957). Der Regelungsbereich dieser Vorschrift macht daher deutlich, dass es dem Steuerrecht gerade nicht fremd ist, dass sich ein eigentlich abgeschlossener (und damit endgültiger) Lebenssachverhalt, der auch bereits abschließend steuerlich gewürdigt worden ist, durch ein nachträglich eintretendes Ereignis noch verändern kann.
(2)
Ebenso ist der Senat davon überzeugt, dass die europarechtliche Fragestellung, für die die ausschließliche Entscheidungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs besteht, für den vorliegend zu entscheidenden Fall geklärt ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in der Literatur (Sedemund/Wegener FR 2010, 838; Beneke/Staats IStR 2010, 668; Mitschke DStR 2010 1368, Richter, BB 2010, 2734) geäußerten Bedenken an der vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil I R 107/09 geäußerten Auffassung.
(a)
Mit dem BFH (Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09, a.a.O. unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidungen vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium", Slg. 2008, I-3601 und vom 13. Dezember 2005 C-446/03 "Marks and Spencer", Slg. 2005 I-10837) ist der erkennende Senat der Auffassung, dass der EuGH die Verlustverrechnung im Ansässigkeitsstaat zwar als "ultima ratio" ansieht, ein Ausschluss einer Verrechnung finaler Verluste im Stammhausstaat im Hinblick auf die Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit aber über das hinaus ginge, was erforderlich wäre, um die mit der Regelung über den Ausschluss der Verlustverrechnung bezweckten Ziele - Verhinderung einer Steuerumgehung, Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedsstaaten - zu erreichen. Die vom EuGH in den letztgenannten Entscheidungen aufgestellten Grundsätze sind auch durch die neueren Entscheidungen des EuGH vom 23. Oktober 2008 (C-157/07 "Krankenheim Wannsee", Slg. 2008 I-08061) und vom 25. Februar 2010 (C-337/08 "X Holding", IStR 2010, 213 [EuGH 25.02.2010 - Rs. C-337/08]) nicht aufgehoben oder in Zweifel gezogen, sondern ausdrücklich in Bezug genommen worden.
So hat der EuGH in dem Verfahren "Krankenheim Wannsee" (Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07, a.a.O.) entschieden, dass der Ansässigkeitsstaat einer Gesellschaft durch die EG-vertraglich verbürgte Niederlassungsfreiheit nicht verpflichtet sei, steuerlich nachteilige Regelungen des Betriebsstättenstaats auszugleichen (konkret: zeitliche Beschränkung eines Verlustvortrags). Dieses Urteil behandelte jedoch den Fall der Hinzurechnungsbesteuerung nach einem in den Vorjahren gewährten Verlustabzug im Ansässigkeitsstaat. Die Hinzurechnungsbesteuerung sei als Pedant zur vorangegangenen Verlustberücksichtigung ausdrücklich anzuerkennen. Dabei konzentrierte sich der EuGH auf die Betrachtung der Kohärenz des deutschen Steuerrechts. Die Hinzurechnung in späteren Jahren folge spiegelbildlich der Berücksichtigung der Verluste in den Vorjahren. Soweit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine Beschränkung des Verlustvortrags im Betriebsstättenstaat in Betracht komme, sei dies ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zuzurechnen (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium", a.a.O., Rn. 42, 43, 51). Der EuGH stellte dabei ausdrücklich den Unterschied zu dem in der Entscheidung "Lidl Belgium" zu beurteilenden Sachverhalt ab, nämlich dass die deutsche Steuerregelung - entgegen "Lidl Belgium" - die Berücksichtigung der im Rahmen der ausländischen Betriebsstätte erzielten Verluste vorsah (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium", a.a.O., Rn. 32, 33).
In der Entscheidung "X-Holding" (Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 a.a.O.) verweist der EuGH weiter darauf, dass die Niederlassungsfreiheit es nicht gebiete, dass Gesellschaften letztlich selbst darüber entscheiden dürften, ob ihre Verluste im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung oder in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt werden. Dadurch wäre die durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannte ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten erheblich gefährdet, da die Steuerbemessungsgrundlage im einen Staat um die übertragenen Verluste erweitert und im anderen Staat entsprechend verringert werden könnte. Die Verhinderung der Optionsmöglichkeit für die Berücksichtigung der Verluste im einen oder anderen Vertragsstaat hatte der EuGH bereits in der Entscheidung vom 13. Dezember 2005 (C-446/03 "Marks & Spencer", Slg 2005 I-10837) als berechtigtes Interesse für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anerkannt.
(b)
Weiter stellt sich die in der Literatur als noch klärungsbedürftig aufgeworfene Frage nach dem Zeitpunkt der Berücksichtigung finaler Verluste -phasengleich/phasenverschoben - (vgl. Wangler/Gühne, FR 2010, 1113, 1115; Stiller BB 2011, 607) im vorliegenden Verfahren nicht, da die Verluste ausschließlich im Jahr der Veräußerung und damit im Finalitätsjahr selbst angefallen sind. Daher waren die Verluste wie von der Klägerin beantragt aufgrund des abweichenden Wirtschaftsjahres im Veranlagungszeitraum 1999 zu berücksichtigen.
3.
Hinsichtlich zu berücksichtigenden Verluste hat der erkennende Senat keine Zweifel an der Höhe des Betrages von . DM, zumal die Höhe dieses Betrages zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.