Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2007, Az.: 13 LA 231/06
Bestehen einer Duldungspflicht zur Ableitung von Oberflächenwasser aus Baugebieten durch einen im privaten Eigentum stehenden Graben
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.03.2007
- Aktenzeichen
- 13 LA 231/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 13206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2007:0305.13LA231.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 24.04.2006 - AZ: 1 A 221/05
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 NWG
- § 4 Abs. 1 Nr. 4 NWG
- § 10 NWG
- § 179 Abs. 1 S. 1 NWG
Fundstelle
- FStNds 2007, 334-336
Amtlicher Leitsatz
Zur Ableitung von Oberflächenwasser aus Baugebieten durch einen im privaten Eigentum stehenden Graben (Gewässer III. Ordnung), der der Entwässrung landwirtschaftlich genutzter Flächen dient.
Gründe
Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die der Beigeladenen zu 2 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis ist rechtmäßig. Sie verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infragegestellt werden. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 2 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis des Beklagten vom 16. November 2004. Damit wurde der Gemeinde Apensen gemäß § 10 NWG die Erlaubnis zur Einleitung von Oberflächenwasser aus dem Gebiet des geplanten Bebauungsplanes Nr. 23 "Beim Galgenberg" und des vorhandenen Baugebietes "Mühlenort" in das Gewässer III. Ordnung zwischen den Flurstücken 78/1 und 271/65 der Flur 2 der Gemarkung Apensen erteilt. Neben den unter III. der Erlaubnis beigefügten Hinweisen wurde sie unter II. mit zahlreichen Nebenbestimmungen - insbesondere Auflagen - versehen. Der Kläger beanstandet als Eigentümer des im Außenbereich der Beigeladenen zu 2 gelegenen Flurstücks 346/61 der Flur 2 die Durchleitung des in den Baugebieten gesammelten Oberflächenwassers in einem von ihm bereits in den 70er Jahren auf seinem Grundstück angelegten Graben. Im Zulassungsverfahren wendet sich der Kläger nicht mehr dagegen, dass der Graben, durch den das Wasser in nördlicher Richtung dem "Ströhgraben-Mühlenbach" - einem Gewässer II. Ordnung - zugeführt wird, als Gewässer III. Ordnung eingestuft worden ist. Dieser von den übrigen Verfahrensbeteiligten seit jeher vertretenen Rechtsauffassung folgt der Senat, wobei es nicht darauf ankommt, dass auch oberhalb des Flurstücks des Klägers gelegene Grundstücke mit eigenen Gräben an den klägerischen Graben und damit an das Entwässerungssystem angeschlossen worden sind. Denn da sich der Kläger an den unterhalb seines Grundstücks - also nördlich - gelegenen Graben, der im Eigentum anderer Grundeigentümer steht, angeschlossen hat, dient auch sein künstlich hergestellter Grabenabschnitt als Teil des gesamten Grabens der Entwässerung mehrerer Grundstücke und stellt damit ein Gewässer III. Ordnung im Sinne des § 68 NWG dar. Demnach sind die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - sowie des niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - im vorliegenden Fall anzuwenden.
Das geplante Ableiten von Niederschlagswasser aus den Baugebieten "Mühlenort" und "Beim Galgenberg" stellt eine Benutzung des Gewässers dar, die gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 NWG einer Erlaubnis bedarf. Denn bei dem einzuleitenden Niederschlagswasser handelt es sich um Abwasser, dessen Einleitung sich nicht mehr im Rahmen des Gemeingebrauches hält. § 73 Abs. 4 NWG, auf den sich der Kläger bisher bezogen hat und der den Umfang des Gemeingebrauchs näher bestimmt, ist daher - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - aus diesem Grunde nicht einschlägig.
Die Durchleitung des infrage stehenden Niederschlagswassers muss der Kläger im Rahmen der gerade das Wasserrecht besonders kennzeichnenden Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) dulden. Von einer derartigen Duldungspflicht geht auch das NWG aus. Dies folgt etwa aus der Regelung des § 2 b NWG (Schranken des Grundeigentums), wonach es dem Grundeigentümer versagt ist, für die Benutzung von Gewässern ein Entgelt zu verlangen. Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es in diesem Zusammenhang auch nicht einer ausdrücklichen Gestattung der Durchleitung durch den Eigentümer.
Der im Zulassungsverfahren erneut geltend gemachte Einwand des Klägers, sein Graben könne die zusätzliche Wasserspende nicht schadlos aufnehmen, greift nicht durch. Ihm steht bereits die vom Kläger der Begründung seines Zulassungsantrages beigefügte fachkundige Stellungnahme des Ringleiters des Beratungsringes Harsefeld e.V. vom 9. Juni 2006 entgegen. Dort hat Herr C. nach einer Ortsbesichtigung vom 8. Juni 2006 ausgeführt, dass der Graben des Klägers "durchaus in der Lage" sei, "das zukünftige Wasser aus den beiden Baugebieten abzuführen". Im übrigen ist im Zuge der Planungen auch der Durchmesser des Durchlasses unter dem "Neuklosterweg" auf 500 mm erweitert und eine Begradigung im weiteren Verlauf des Grabens vorgenommen worden, so dass in Zukunft mit einem verbesserten Abfluss zu rechnen ist.
Diese Einschätzung vermag der Kläger durch seinen Hinweis auf den jetzigen Unterhaltungszustand des Grabens auf seinem Grundstück nicht zu entkräften. Der Ringleiter Herr C. hat in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2006 angegeben, dass "von 49 Dränageausläufen bei Herrn B. nur noch 9 zu erkennen" seien. Der derzeitige Zustand des Grabens spricht nach Lage der Dinge wohl eher dafür, dass die dem Kläger obliegenden Unterhaltungsmaßnahmen bisher offenbar nicht ausreichend waren. Das wird auch durch die bei den Akten befindlichen Fotografien belegt, die teilweise einen erheblichen Uferbewuchs erkennen lassen. Eine Grabenräumung soll bisher lediglich in einem zeitlichen Abstand von drei Jahren durchgeführt worden sein. Demgegenüber hält der Ringleiter Herr C. eine jährliche Grabenräumung für "zwingend notwendig". Ob der Kläger insoweit seinen Unterhaltungspflichten nachkommt oder nicht, ist indessen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und kann mithin dahinstehen. Sämtliche am Verfahrensgegenstand beteiligten Sachverständige und Fachbehörden haben anlässlich mehrerer Ortsbesichtigungen aber übereinstimmend bestätigt, dass der Graben die zusätzliche Wasserspende auch bei dem derzeitigen Erhaltungszustand aufnehmen kann. Dafür spricht vor allem, dass auf der Grundlage der Planungen des Ingenieurbüros Galla ein Regenrückhaltebecken errichtet wird, das technisch so ausgestaltet ist, dass eine Wasserabgabe von mehr als 11 l/sec. nicht überschritten wird. Das wird durch die Einrichtung eines Notüberlaufs für den Fall besonderer Starkregenereignisse sichergestellt. Das Niederschlagswasser aus beiden Baugebieten versickert ansonsten überwiegend in dem Rückhaltebecken. Die abzuführende restliche Wassermenge stellt im Verhältnis zu der gegenwärtig von dem Graben aufzunehmenden Wassermenge eine lediglich geringfügige Steigerung dar.
Im Übrigen sind die berechtigten Interessen des Klägers im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angemessen berücksichtigt worden. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die entgegen der Darstellung des Klägers tatsächlich vorgenommene Prüfung einer Genehmigungsalternative. Der Beklagte hat nachvollziehbar und mit gut vertretbaren Gründen dargelegt, dass die letztlich gewählte Maßnahme als die vorzugswürdigste eingestuft werden konnte. Dem hat der Kläger substantiiert nichts entgegenzusetzen vermocht.
Ferner hat der Beklagte die wasserrechtliche Erlaubnis in dem Bescheid vom 16. November 2004 mit zahlreichen Nebenbestimmungen versehen, die geeignet sind, insbesondere auch die Eigentümerinteressen des Klägers zu sichern. Dies gilt insbesondere für die Regelung in Nr. 20 der Nebenbestimmungen, wonach die gegebenenfalls durch die Einleitung des Oberflächenwassers entstehenden Nachteile - wie z.B. erhöhter Unterhaltungsaufwand oder Nutzungseinschränkungen - vom Erlaubnisinhaber zu ermitteln und auszugleichen sind. Eine noch konkretere und weitergehende Regelung, die der Kläger einfordert, war im für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Erlaubniserteilung nicht möglich, weil nicht absehbar war (und ist), welche nachteiligen Auswirkungen damit verbunden sind. Die Übertragung der diesbezüglichen Ermittlungspflicht auf die Beigeladene zu 2 als Erlaubnisinhaberin stellt entgegen der Auffassung des Klägers eine unzulässige Kompetenzübertragung durch die untere Wasserbehörde nicht dar. Der Kläger verkennt insoweit, dass der Beklagte als untere Wasserbehörde auch künftig die Einhaltung der Auflagen zu der erteilten Erlaubnis zu überwachen hat. Sofern es zwischen dem Kläger und der Erlaubnisinhaberin zu Meinungsverschiedenheiten über etwa auszugleichende Nachteile oder das Ausmaß von Unterhaltungspflichten kommen sollte, fällt es durchaus in die Zuständigkeit des Beklagten, ungeachtet der Auflage Nr. 20 der Erlaubnis tätig zu werden.
Schließlich findet die Auffassung des Klägers, die Durchleitung des Oberflächenwassers durch das auf seinem Grundstück befindliche Teilstück des Grabens sei von seiner Genehmigung bzw. Gestattung abhängig, auch nicht ihre Grundlage in § 179 NWG. Nach dessen Abs. 1 kann, wer Grundstücke entwässert oder Abwasser behandelt, verlangen, dass ihm die Mitbenutzung einer bestehenden Anlage gestattet wird, wenn deren Betrieb nicht wesentlich beeinträchtigt und die Entwässerung oder Abwasserbehandlung anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten ausgeführt werden kann, oder wenn ein öffentlicher Notstand vorliegt. Der Senat verneint die vom Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht beantwortete Frage, ob ein Gewässer wie der Grabenabschnitt auf dem Grundstück des Klägers vom Begriff der "Anlage", der in den §§ 78, 91, 109, 133, 145, 153, 156 und 161 NWG ebenfalls verwendet wird, erfasst wird. Diesen Regelungen ist jedoch zu entnehmen, dass die jeweilige Anlage von einem Gewässer unterschieden wird. Die §§ 145, 153, 156, 161 NWG betreffen spezifische Anlagen, bei denen sich die Annahme, es könnte sich insoweit auch um ein Gewässer handeln, von vornherein verbietet. In den §§ 78, 91, 109 und 133 ist bereits durch die jeweilige Regelung klargestellt, dass es sich um Anlagen in oder an Gewässern handelt mit der Folge, dass das jeweilige Gewässer selbst vom Begriff der "Anlage" nicht erfasst wird. Dem Kläger ist einzuräumen, dass eine derartige Klarstellung in § 179 Abs. 1 Satz 1 NWG fehlt, so dass nach dem Wortsinn der Regelung unter einer "Anlage" auch ein Gewässer verstanden werden könnte. Letztlich verbietet sich diese Auslegung aber deshalb, weil davon auszugehen ist, dass ein Rechtsbegriff innerhalb eines Gesetzes in einer gleichbleibenden Bedeutung verwendet wird. Wäre in § 179 Abs. 1 Satz 1 NWG im Übrigen ein Anspruch auf Mitbenutzung eines Gewässers gemeint, so hätte es nahegelegen, den Begriff "Gewässer" im Gesetzeswortlaut zu verwenden.
Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die zusätzliche Wasserspende den "Betrieb" des Grabens im Sinne von § 179 Abs. 1 NWG nicht wesentlich beeinträchtigt. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Zu Recht beanstandet der Kläger allerdings, dass das Verwaltungsgericht auf das Merkmal der erforderlichen Gestattung der Mitbenutzung in § 179 Abs. 1 Satz 1 NWG nicht eingegangen ist. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass sich der Kläger - sofern zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass § 179 Abs. 1 NWG hier überhaupt Anwendung findet - nicht mit Erfolg darauf berufen kann, dass er die Mitbenutzung des Grabens nicht ausdrücklich gestattet hat. Denn es liegt auf der Hand, dass er letztlich zur Gestattung verpflichtet wäre, weil die Entwässerung der beiden Baugebiete über den Graben des Klägers im öffentlichen Interesse liegt. Außerdem hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, dass er sich der Einleitung des Oberflächenwassers letztlich nicht widersetzen wolle. Sein Beharren auf der bloßen formalen Rechtsposition stellt sich demnach als eine unzulässige Rechtsausübung dar.