Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.03.2007, Az.: 13 LA 309/06
Hemmung des Eintritts der inneren Wirksamkeit einer Ausweisung im Falle von Widerspruch und Klage; Anforderungen an das Bestehen "ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils"; Sperrwirkung einer Ausweisung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.03.2007
- Aktenzeichen
- 13 LA 309/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 16165
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2007:0312.13LA309.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 22.05.2006 - AZ: 8 A 154/05
Rechtsgrundlagen
- § 72 Abs. 2 S. 1 AuslG a.F.
- § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG
- § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG
- § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
Fundstelle
- InfAuslR 2007, 281-282 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Eintritt der inneren Wirksamkeit der Ausweisung ist im Fall von Widerspruch und Klage nicht gehemmt; sie erfasst also die Sperrwirkung der Ausweisung.
Gründe
Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1.
Die Rechtssache hat nicht grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn die Entscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Hinsichtlich der von den Klägerinnen als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage, ob die Sperrwirkung einer Ausweisungsverfügung unabhängig davon eintritt, ob diese sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist, folgt der Senat (vgl. etwa Beschluss vom 17. März 2006 - 13 ME 39/06 -) ungeachtet der anders lautenden Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 2. Juni 1995 - 3 S 390/94 - und des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Februar 1993 - 4 M 146/92 - der ganz herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 17.11.1992 - 1 B 100/92 -; Hess. VGH, Beschl. v. 20.2.1995 - 12 TH 2253/94 -; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 12.1.1996 - 12 BsV 4/96 -; OVG NW, Beschl. v. 25.4.1995 - 18 B 3138/93 -) sowie in der Literatur (vgl. Renner, AuslR, 7. Aufl., § 92 RdNr. 6; Hailbronner AuslR, Stand: März 1997, § 72 AuslG, RdNr. 11; Hailbronner, aaO Stand: Juli 1993, § 8 RdNr. 36), wonach der Eintritt der sog. inneren Wirksamkeit der Ausweisung im Falle von Widerspruch und Klage nicht gehemmt sein soll. Damit ist also die Sperrwirkung der Ausweisung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG a.F.) erfasst; sie erfordert keine sofort vollziehbare Ausweisung. Diese Rechtsauffassung erschließt sich nach Auffassung des Senats bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG a.F., der dem des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entspricht, weshalb die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig ist und es der Durchführung eines Berufungsverfahrens insoweit nicht bedarf.
2.
Es bestehen auch nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann gegeben, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung wichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden. Davon ist hier nicht auszugehen; denn die angefochtene Verfügung vom 9. Februar 2005 mit der der Beklagte die unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu 1) zurückgenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Klägerinnen berufen sich erneut auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Zutreffend ist in dem angefochtenen Urteil indessen darauf abgestellt worden, dass die Klägerin zu 1) den begünstigenden Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat, weshalb die Jahresfrist entsprechend § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG hier nicht greift. Es mag zutreffen, dass sich dem Ausländeramt Oberhausen bereits im Jahre 1999 Hinweise auf eine Identitätstäuschung durch die Klägerin zu 1) ergeben haben. Dies und auch der weitere Verlauf bieten indessen keinerlei Veranlassung, von einer Verwirkung der Rücknahme der erschlichenen Verwaltungsentscheidungen nach § 48 VwVfG auszugehen. Angesichts der von der Klägerin zu 1) vorgenommenen massiven Täuschungen über ihre Herkunft und Identität durch Herstellung und Verwendung gefälschter Urkunden verwundert es, dass sie sich ernsthaft auf Vertrauensschutz beruft.