Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2008, Az.: 7 K 1269/00
Klage eines Naturschutzverbandes gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Verlegung der Bundesstraße B 1 im Raum Hildesheim; Gewährleistung der Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung; Möglichkeit der Verdrängung des Vogels "Mittelspecht"; Behandlung der im FFH-Gebiet lebenden und geschützten - nicht prioritären - Tierart "Kammmolch" (Triturus christatus); Möglichkeit der erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets mit seinem Lebensraumtyp 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) des Anhangs 1 FFH-RL; Wertung des Nichtvorhandenseins einer rechtfertigenden Abweichungsentscheidung im Planfeststellungsbeschluss; Berücksichtigung des Artenschutzes gem. § 42 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2008
- Aktenzeichen
- 7 K 1269/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 30687
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0828.7K1269.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 34c NNatG
- § 60 NNatG
- §10 Abs. 1 Nr. 5 BNatschG
- § 34 Abs. 1 BNatSchG
- § 34 Abs. 2 BNatSchG
- § 34 Abs. 3 BNatSchG
- § 34 Abs. 4 BNatschG
- § 34 Abs. 5 BNatSchG
- § 42 Abs. 1 BNatSchG
- Art. 4 Abs. 5 FFH-RL
- Art. 6 FFH-RL
- LRT 6510 des Anhangs 1 der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH-RL)
Fundstellen
- DVBl 2009, 733
- EurUP 2009, 311-317
- NuR 2009, 360-365
Tatbestand
Der Kläger, der als Naturschutzverband anerkannt ist, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der ehemaligen Bezirksregierung Hannover für die Verlegung der Bundesstraße B 1 im Raum Hildesheim. Die Bundesstraße B 1 durchquert Hildesheim in West- Ost-Richtung.
Unter dem 9. März 1995 beantragte das ehemalige Straßenbauamt Hildesheim bei der Bezirksregierung die Planfeststellung für die Verlegung der Bundesstraße. Der Plan ist Teil eines Gesamtprojekts, das den Bau einer vierspurigen Ortsumgehung mit getrennten Richtungsfahrbahnen und teilweise planfreien Anschlüssen zum Gegenstand hat. Das Projekt soll in zwei Baustufen verwirklicht werden. Der angegriffene Plan betrifft die dreieinhalb Kilometer lange westliche Teilstrecke als ersten Abschnitt. Die sich anschließende östliche Teilstrecke bildet den Inhalt eines Bebauungsplans, den die Stadt Hildesheim am 25. Februar 1998 bekanntgemacht hat.
Im Rahmen der Anhörung gab der Kläger unter 2. Juli 1995 eine Stellungnahme ab, in der er u.a. die Abschnittsbildung rügte und gegen das Vorhaben naturschutzrechtliche Bedenken erhob. Es würden wertvolle Pflanzen- und Tierarten sowie das Landschaftsbild zerstört, ohne dass dem ein ausreichender verkehrlicher Vorteil gegenüberstehe. Die Planung leide an gravierenden Fehlern bei der Ermittlung der Belange des Naturschutzes, der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der Prüfung weniger umweltbelastender Bauweisen.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 8. Januar 1998 stellte die ehemalige Bezirksregierung Hannover den Plan mit der Maßgabe fest, dass mit dem Bau erst begonnen werden dürfe, wenn der Bebauungsplan für den Folgeabschnitt in Kraft getreten sei. In der Begründung führte sie aus, die Bundesstraße 1 entspreche im Zuge der Ortsdurchfahrt mit einer Vielzahl von einmündenden und kreuzenden Straßen nicht mehr den Anforderungen, die an einen überregionalen Straßenzug zu stellen seien. Im westlichen Abschnitt hätten sich von 1991 bis 1996 zahlreiche auch schwere Unfälle ereignet. Die unmittelbar an der Bundesstraße liegende Wohnbebauung werde durch Lärm und Abgase erheblich beeinträchtigt, die Umsetzung städtebaulicher Planungen und Verkehrskonzepte durch die hohe Verkehrsbelastung behindert. Das Vorhaben sei zwar mit Eingriffen in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild verbunden. Die Eingriffsfolgen seien jedoch im wesentlichen ausgleichbar. Die Entscheidung verstoße nicht gegen die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom 21. Mai 1992 (ABl EG L 206, S. 7) - FFH-RL -. Die Trasse tangiere zwar in einem Randbereich das insgesamt 747 ha große Gebiet "Haseder Busch, Giesener Berge, Gallberg, Finkenberg", das im Sinne der FFH-RL unter anderem einen prioritären Lebensraum, nämlich Kalk-Trockenrasen mit bemerkenswerten Orchideen, einschließe und deshalb als besonderes Schutzgebiete vorgeschlagen werden solle. Das Straßenprojekt sei aber vorrangig, weil es dazu diene, durch Entschärfung der bestehenden Unfallschwerpunkte die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Eine Tunnel- oder Troglösung anstelle der streckenweise gewählten Tieflage mit steilen Böschungen scheide als Alternative aus, weil dies Mehrkosten in Millionenhöhe verursachen würde.
Der Senat hat der Klage mit Urteil vom 18. November 1998 - 7 K 912/98 - insoweit stattgegeben, als er festgestellt hat, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig sei. Der planfestgestellte Abschnitt weise in seiner Trassenführung im Nordosten keine Verbindung mit dem vorhandenen Straßennetz auf. Die rechtliche Verknüpfung mit dem Bebauungsplan der Stadt Hildesheim reiche nicht aus, um die Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos abzuwenden. Die weitergehende Klage hat der Senat abgewiesen. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben im Ergebnis mit Art. 6 FFH-RL in Einklang stehe.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung mit Urteil vom 27. Januar 2000 - 4 C 2.99 - (BVerwGE 110, 302) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das erkennende Gericht zurückverwiesen. Es treffe, wie es zur Begründung ausgeführt hat, zu, dass das im März 1998 gemeldete FFH-Gebiet "Haseder Busch, Giesener Berge, Gallberg, Finkenberg" bereits als potentielles FFH-Gebiet zu berücksichtigen gewesen sei. Die auf Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz (UA) 2 FFH-RL bezogenen Erwägungen des Urteils würden der Vorschrift jedoch nicht gerecht. Die bis dahin getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um abschließend zu entscheiden, ob das Vorhaben wirklich aus zwingenden Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei. Beeinträchtige, wovon das Urteil ausgehe, ein Projekt ein Gebiet, in dem ein prioritärer natürlicher Lebensraumtyp vorkomme, genügten zur Rechtfertigung des Eingriffs nicht die in Art. 6 Abs. 4 UA 1 FFH-RL genannten zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses. Der Eingriff bedürfe nach UA 2 FFH- RL vielmehr gesteigerter rechtfertigender Gründe. Solche ließen sich bislang nicht hinreichend sicher feststellen.
Das vom erkennenden Senat im weiteren Verlauf des Verfahrens bei der Universität Göttingen eingeholte fachbiologische Gutachten vom 3. März 2003 kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass Kalktrockentrasen mit prioritärer Ausprägung "sehr wahrscheinlich" zumindest durch den Verlust von Trittsteinbiotopen indirekt beeinträchtigt würde. Die Beeinträchtigungen seien überwiegend nicht ausgleichbar. Zudem stehe zu erwarten, dass Amphibienpopulationen erheblich geschädigt würden, darunter zwei Arten von gemeinschaftlichem Interesse nach Anhang II der FFH-RL. Erheblich beeinträchtigt würde weiter u.a. der Bestand des hier vorkommenden Feldhamsters.
Die am 10. Mai 2004 durchgeführte mündliche Verhandlung, in welcher der Gutachter sein fachbiologisches Gutachten erläuterte, endete mit der Vertagung der Rechtssache zur weiteren Sachaufklärung; der Senat hielt die Einholung eines ergänzenden Verkehrsgutachtens für erforderlich.
Unter dem 15. Juni 2004 erteilte die Beklagtenseite den Auftrag zur nachträglichen Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung.
Das Verkehrsgutachten wurde unter dem 8. Februar 2005 erstattet und die nachträgliche FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) unter dem 28. September 2005 auf der Grundlage der aktuellen Erhaltungsziele für das Gebiet (Stand 22. August 2005) fertiggestellt. Sie kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass bei dem anzunehmenden Verzicht auf die Verlegung der Panzerstraße (Reduzierung von baubedingt in Anspruch zu nehmender Fläche) erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps (LRT) 6210* (Kalk-Trockenrasen prioritärer Ausprägung) durch Stoffeinträge vermieden würden. Eine eventuelle Trittsteinfunktion der Kalk-Trockenrasenflächen im Kuppenbereich unmittelbar nördlich der Panzerstraße für die charakteristische Art "Silbergrüner Bläuling" sei jedenfalls nachrangig. Bei der geplanten steileren Ausbildung der Böschungen im relevanten Einschnittsbereich zum LRT 6210* würden 0,06 % des Gesamtvorkommens der nicht prioritär ausgebildeten Kalk-Trockenrasen durch Flächeninanspruchnahme verlorengehen. Das Erhaltungsziel werde dadurch aber nicht erheblich beeinträchtigt. Bei Herstellung einer Gabione anstelle der Stützwand könnte der randliche Anschnitt der Trockenrasenfläche sogar gänzlich entfallen. Beim LRT 6510 "Magere Flachlandmähwiesen" (nicht prioritär), der erstmals 2004 in der Trasse kartiert worden sei, verblieben allerdings erhebliche Beeinträchtigungen auf einer Fläche von 1,5 bis 2 ha. Insoweit seien aber taugliche nachhaltige Kohärenzsicherungsmaßnahmen vorgesehen. Infolge von Zerschneidungswirkungen ließen sich weiter erhebliche Beeinträchtigungen des Kammmolches, einer Art nach Anhang 2 zur FFH-RL, nicht vermeiden. Gleichwohl bleibe dessen günstiger Erhaltungszustand ausreichend sicher gewährleistet.
Auf Antrag vom 27. Juni 2006 erließ die Beklagte am 28. Februar 2007 - unter Zurückweisung der Einwendungen u.a. des Klägers - den "ergänzenden Planfeststellungsbeschluss für die Verlegung der B 1 nördlich Hildesheim, Ortsumgehung Himmelsthür, von Bau-km 3+648 bis Bau-km 7+066".
Die Ergänzung besteht in der planerischen Umsetzung der FFH-VP, die auf der Grundlage der Erhaltungsziele des - inzwischen gemeldeten - ca. 742 ha großen FFH-Gebietes (DE 3825-301, Nds. Nr. 115 "Haseder Busch, Giesener Teiche, Gallberg, Finkenberg") durchgeführt worden ist. Die Verlegung der Panzerstraße entfällt. Dadurch und durch die nunmehr vorgesehene Herstellung von Steilböschungen mittels Gabionen von Bau-km 6+435 bis Bau-km 6+470 wird eine Beeinträchtigung der vorhandenen naturnahen Kalk-Trockenrasen (LRT 6210) durch Flächeninanspruchnahme vermieden. Dies ist danach auch vorübergehend nicht mehr der Fall, weil im Durchfahrungsbereich des FFH-Gebiets (Bau-km 6+200 bis 7+066) die Trasse durch Vorkopfarbeit errichtet werden soll, so dass auch ein Arbeitsstreifen entbehrlich wird. Von der prioritären Kalk-Trockenrasenfläche rücken der Fahrbahnrand damit 25 m und die Böschungskante 10 m ab.
Zur Schonung der mageren Flachlandmähwiesen (LRT 6510) im FFH-Gebiet werde auf die Herstellung der vorgesehenen Landschaftswälle verzichtet. Das Fortbestehen der Kohärenz sei gesichert. Bei Bau-km 6+333, 6+360 und 6+550 seien wegen des Kammmolchs jeweils Amphibiendurchlässe unter der B 1 vorgesehen (Vermeidungsmaßnahme nach dem LBP), ferner eine Anbindung an die Habitate mittels Amphibienleiteinrichtungen, abgesichert durch ein Monitoring der Populationsentwicklung und des Maßnahmeerfolgs.
Gleichwohl verblieben nach Durchführung dieser Schadensbegrenzungsmaßnahmen noch erhebliche Beeinträchtigungen für den LRT 6510 (Flächenverlust) und den Kammmolch (Zerschneidung von Funktions- und Wechselbeziehungen zwischen Laichbiotopen im Kuppenbereich und den Landhabitaten südlich davon). Das Projekt könne deshalb nur über die Ausnahmeprüfung des § 34c NNatG zugelassen werden. Die Voraussetzungen dafür lägen vor. An der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Umgehung habe sich nichts geändert. Eine Verschiebung der Trasse nach Norden hätte einen erheblich größeren Eingriff in das FFH-Gebiet zur Folge, eine Verschiebung nach Süden würde die Trasse näher an die bestehende Bebauung heranführen und damit dort u.a. erhebliche Lärmimmissionen hervorrufen. Die überwiegenden zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses an der Straße lägen in der Gewährleistung der Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Fernstraßenverkehrs im Bereich der Stadt Hildesheim und einer Entlastung des städtischen Netzes vom Durchgangsverkehr, die sich bis in das südliche Stadtgebiet auswirken werde. An den Knotenpunkten der B 1 häuften sich Unfälle, für deren Vermeidung die Ortsumgehung nötig sei. Insgesamt werde sich die Verkehrssicherheit durch eine Verkehrsverlagerung von 3.000 LKW/Tag und durch eine Rückverlagerung der heute ins weitere städtische Netz verdrängten Verkehre auf die Ortsdurchfahrt verbessern. Auch Gesundheit und Wohlbefinden der Anwohner an der bisherigen Ortsdurchfahrt der B 1 seien wichtige Belange. All dies rechtfertige Abstriche am Gebietsschutz, zumal ein Funktionsverlust nicht eintreten werde.
Im neuen Artenschutzbeitrag zum LBP würden die Anforderungen für die streng- und europarechtlich geschützten Tier- und Pflanzenarten behandelt, die sich aus FFH- und Vogelschutzrichtlinie sowie aus BNatSchG und NNatG ergäben. Die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und Ersatz - etwa hinsichtlich der geschützten Arten Feldhamster und Kammmolch - seien dort dokumentiert. Es verblieben allerdings Unsicherheiten, ob die zu erwartenden Schädigungen und Störungen durch die Vermeidungsmaßnahmen tatsächlich völlig entfallen würden. Insoweit werde deshalb wegen überwiegender Gründe des Gemeinwohls Befreiung erteilt.
Die auch im ergänzenden Verfahren erhobenen Einwendungen des Klägers wies die Beklagte zurück.
Nach Erlass des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses trägt der Kläger vor:
Es bleibe dabei, dass bau- und anlagebedingt prioritäre Kalk-Trockenrasen beeinträchtigt würden; das gesamte Gebiet auf der Kuppe nördlich habe das Potential, Bestände mit bemerkenswerten Orchideen (etwa Bienen-Ragwurz) zu entwickeln, und müsse deshalb einheitlich als prioritär behandelt werden. Die vorhandenen nicht-prioritären Kalk-Trockenrasen würden einen Flächenverlust erleiden. Zu erwarten seien Beeinträchtigungen durch Barriere- und Zerschneidungswirkungen. Für die Zerschneidungswirkung hätten charakteristische Arten wie etwa die Langfühler-Dornschrecke ausgewählt und untersucht werden müssen, für welche die Straße ein unüberwindliches Hindernis bilde; das treffe für flugfähige Arten wie den Silbergrünen Bläuling nicht zu. Dieser sei prinzipiell eine geeignete Indikatorart für Beeinträchtigungen durch den Wegfall von Teillebensräumen (Trittsteinen). Auch wenn ergänzend zwei kleinere Trittsteinbiotope am Osterberg nachgewiesen worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass ein Wegfall des Teillebensraums an der Trasse das Vorkommen der Art im Gebiet gefährde. Die Kuppe sei nach heutiger Kenntnis auch der einzige Trittstein für Kalk-Trockenrasen mit der Orchideenart Bienen-Ragwurz zwischen den Kalk-Trockenrasen mit bemerkenswerten Orchideen im Norden und Süden des FFH-Gebiets. Auch Langfühler-Dornschrecke und Heidegrashüpfer seien charakteristische Arten im Sinne von Art. 1 e) FFH-RL. Diese würden im vom Projekt betroffenen Kuppenbereich nicht überleben, wenn die teilweise lückige und niedrigwüchsige Vegetation aufgrund der Düngewirkung von Emissionen von dichter und hoher Grasvegetation verdrängt werde.
Eine erhebliche Beeinträchtigung der prioritären wie nicht-prioritären Kalk-Trockenrasen werde auch durch Luftschadstoffe eintreten. Habe die Beklagte im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss noch behauptet, es sei wissenschaftlich nicht belegt, dass Kalk-Trockenrasenfächen gegenüber Stickstoffeinträgen durch Autoabgase empfindlich seien, werde nunmehr auf der Basis des neu eingeholten F. -Gutachtens, grundsätzlich zutreffend, eine andere Position eingenommen. Aber abgesehen davon, dass nunmehr alle anderen Schadstoffe ausgeblendet würden, sei die Annahme fragwürdig, den critical-load-Wert mit exakt 22,5 kg N (ha*a) zu bestimmen und daran anknüpfend beeinträchtigte Flächen zu bestimmen. Es könne nur um eine Spannweite unter Berücksichtigung der speziellen Standortfaktoren gehen, die zwischen 15 und 25 kg N (ha*a) liege und hier bereits erreicht sei.
Beeinträchtigt würden weiter die LRT "Schlucht- und Hangmischwälder" (prioritär) - 9180 -, "Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder" - 9170 - und "Hartholzauewälder" - 91F0. Das werde in der FFH-VP fälschlich bestritten. Zu diesem LRT gehöre ein ca. 2,7 ha großer Teil auf dem Osterberg. Typischer Waldvogel sei der Mittelspecht, der durch die Verlärmung (50 dB(A)) ausfalle, wodurch der erstgenannte LRT in seiner ganzen Ausdehnung entwertet würde. Denn der Erhaltungszustand eines Lebensraumtyps sei nach der FFH-RL nur dann günstig, wenn auch der Erhaltungszustand der dort charakteristischen Arten günstig sei und bleibe.
Unstreitig werde mit dem Projekt der nicht-prioritäre LRT Nr. 6510 des Anhangs I "Magere Flachland-Mähwiesen" durch Flächeninanspruchnahme (2,4 ha) erheblich beeinträchtigt, darüber hinaus angrenzende weitere Flächen dieses Typs (Pufferzone). Beeinträchtigungen erleide dieser LRT kumuliert durch Einträge, Zerschneidung und Verlärmung, die damit erheblich umfangreicher als angenommen seien. Die angrenzenden mageren Flachland-Mähwiesen westlich von Himmelsthür - 22,73 ha - seien fachwidrig nicht (auch) in die Gebietsmeldung aufgenommen worden.
Was den Kammmolch als Art nach Anhang II FFH-RL anbelange, sei zu bezweifeln, dass die Vermeidungsmaßnahmen (Bau eines Stelzentunnels anstelle eines Rahmendurchlasses, Verrohrung eines Gewässers, Bau von zwei Amphibiendurchlässen und von Amphibienleiteinrichtungen) die Lebensraumzerschneidung tatsächlich wirksam minimierten. Gerade für den Kammmolch seien Erfolge durch die Annahme von Durchlassbauwerken fraglich und nirgends nachgewiesen. Auch sei nicht, wie erforderlich, konkret festgelegt, mit welchen wirksamen Steuerungsmaßnahmen Korrekturen erreicht werden könnten. Immerhin räume die Beklagte ein, dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Unverständlich sei, dass eine Grünbrücke als wirksamere Vermeidungsmaßnahme im Hinblick auf Zerschneidungswirkungen abgelehnt werde.
Auch die kohärenzsichernden Maßnahmen zur Kompensation der Beeinträchtigungen der Mageren Flachlandmähwiesen seien fragwürdig, weil sie überwiegend eine - zudem schwer nachvollziehbare - Optimierung der bereits stattfindenden Pflege darstellten, zu kleinräumig und in ihrer zeitlichen Wirkung unsicher seien. Entsprechendes gelte für die für den Kammmolch vorgesehenen Maßnahmen, die ohnehin verpflichtend seien.
Die Planung verstoße weiter gegen Vorschriften des gemeinschaftsrechtlichen Artenschutzes. Betroffen seien insbesondere die FFH-Anhang-IV-Arten Feldhamster, Kammmolch und Neuntöter. Diesbezüglich würden die Verbotstatbestände des Art. 12 Abs. 1a), b) und d) FFH-RL erfüllt, ohne dass - vor allem beim Feldhamster - auch die Ausnahmevoraussetzung des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL erfüllt wären. Im Gegenteil sei zu befürchten, dass die ohnehin schon unter eine kritische Bestandsgröße gesunkene Population im Planungsraum aussterbe. Für den Neuntöter gelte der Schutz von Art. 5 -7 u. 9 der Vogelschutzrichtlinie - VRL -. Durch die Verlärmung werde ein wesentlicher Teil seines Lebensraumes entwertet, so dass sich die Größe der Population im Landschaftsraum auf Dauer erheblich verringern werde. Wegen des fortschreitenden Mangels an geeigneten Lebensräumen könne der Vogel nicht ohne weiteres auf andere Landschaftsteile ausweichen.
Auch die Wirksamkeit der Schadenvermeidungsmaßnahmen bei den Fledermauspopulationen müsse weiter bezweifelt werden, zumal im Erörterungstermin zugesagte temporär wirksame Schutzzäune nicht planfestgestellt worden seien.
Ausnahmegründe nach Art. 6 Abs. 4 UA 2, wie aber auch nach UA 1 FFH-RL lägen nicht vor; zudem gebe es andere Lösungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ohne Ortsumgehung.
Seitdem klar sei, dass es weder bei den Luftschadstoffen noch bei der Lärmbelastung zu einer nennenswerten Verbesserung kommen würde, seien diese Gesichtspunkte bei der Beklagten zunächst in den Hintergrund gerückt. Aktuell werde allerdings wieder eine Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner durch Luftschadstoffentlastung angeführt, die der Planfeststellungsergänzungsbeschluss noch ausdrücklich in Abrede stelle (Bl. 74). Es sei konkret auch nicht erkennbar, dass eine solche eintreten würde.
Als neue Gründe würden nunmehr neben der Verkehrssicherheit wirtschaftliche Gründe in den Vordergrund gestellt.
Auf erstere sei man erst verfallen, als sich abgezeichnet habe, dass das Projekt am Schutzregime der FFH-RL scheitern könnte. Eine Reduzierung etwa der Auffahrunfälle im Längsverkehr, die hier nicht einmal in überdurchschnittlicher Weise zu verzeichnen seien, sei auf andere Weise als durch eine Umgehungsstraße zu erreichen. Eine Zusammenschau mit der Straßensituation in der Stadt und deren möglicher positiver Veränderung durch die OU sei mangels einer konkreten Gesamtsicherheitsanalyse nicht aussagekräftig. Der LKW-Verkehr sei zu einem wesentlichen Teil bereits jetzt (seit April 2006) auf der Durchfahrt B 1 verboten. Verbote müssten auch durchgesetzt werden. Aus rechtswidrigem LKW-Verkehr könnten keine Ausnahmegründe nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL erwachsen. Es gebe zudem alternative Verbesserungspotentiale, etwa Geschwindigkeitsbegrenzungen mit ortsfesten Überwachungsanlagen. Die Entlastung der Ortsdurchfahrt in der Innenstadt würde sehr bescheiden ausfallen. Wenn die Unfallhäufungsstellen mit der hohen Verkehrsbelastung begründet würden, könne die Ortsumgehung schon von daher keine durchgreifende Verbesserung der Verkehrssicherheit bewirken. Auf bloße Vermutungen könnten Ausnahmegründe nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL jedoch nicht gestützt werden.
Auch zwingende wirtschaftliche Gründe für das Projekt nach den Ausnahmevoraussetzungen der FFH-RL- lägen nicht vor. So betrage der Zeitgewinn für den - ohnehin keine große Rolle spielenden - Durchgangsverkehr nach den Angaben des Planfeststellungsbeschlusses von 1998 nur knapp 4 Minuten. Es könne keine Rede davon sein, dass die B 1 im Bereich Hildesheim für den Fernverkehr eine herausragende Bedeutung hätte. Tatsächlich handele es sich ganz überwiegend um örtlichen und regionalen Verkehr. Die behaupteten erheblichen Entlastungen seien deshalb allenfalls in Bereichen zu erwarten, die für die Ziele der Planung keine Bedeutung hätten. Auch im Stadtkern, der Kaiserstraße, würde mit dem Umgehungsstraßenbau eine Entlastung von lediglich 11,3% eintreten. In den angrenzenden Abschnitten der B 1 wäre die Entlastungswirkung nur unwesentlich höher, nämlich sämtlich unter 20%. In den westlichen Abschnitten werde eine solche zwar höher sein; diese Abschnitte hätten aber praktisch den Charakter von Stadtautobahnen und seien autogerechter ausgebaut, als es die Ortsumgehung sein würde. Zudem benenne die Beklagte ausschließlich Straßen, auf denen Entlastungen prognostiziert seien. Andere Straßen, auf denen im Netzfall mit Ortsumgehung spürbare Mehrbelastungen zu erwarten seien, würden unterschlagen. Die lediglich allgemeine Erwartung eines positiven wirtschaftlichen oder verkehrlichen Effekts reiche als Ausnahmegrund nicht aus.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Hannover vom 8. Januar 1998 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses der Beklagten vom 28. Februar 2007 aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, im Wege der Planergänzung die folgenden Kohärenz- bzw. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zusätzlich festzusetzen. Für die Kompensationsmaßnahmen sind Flächen von geringer Bedeutung für den Naturschutz im Sinne der Definition des (ehem.) Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLÖ: Naturschutzfachliche Hinweise zur Anwendung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung. 1994) aufzuwerten.
Festzusetzen sind:
- 1.
im Bereich des FFH-Gebiets eine Grünbrücke mit einer Breite von mindestens 50 m,
- 2.
die Verpflanzung der 18 zum Fällen vorgesehenen Alleebäume an einen anderen geeigneten Ort in der Umgebung,
- 3.
für die Beseitigung der Offenbodenbereiche eine erhebliche Aufwertung von 1,75 ha Fläche,
- 4.
für die Beseitigung der Äcker am Gallberg eine erhebliche Aufwertung von 4,76 ha Fläche,
- 5.
die Durchführung von Artenhilfsmaßnahmen für die im Trassenbereich vorkommenden gefährdeten Arten "Aufrechter Ziest" (Stachys recta), "Salz-Hasenohr" (Bupleurum tenuissimum), "Kleine Pechlibelle" (Ischnura pumilo), "Kiemenfußkrebs" (Triops cancriformis) und "Langfühler-Dornschrecke" (Tetrix nutans) durch die Schaffung von Ersatzlebensräumen und ggf. Umsiedlung vor Beginn der Baumaßnahmen. Die Maßnahmen müssen gewährleisten, dass die Populationen dieser Arten in der bisherigen Größenordnung erhalten bleiben,
- 6.
die Anlage von 18,4 ha weiterer Kompensationsfläche für die Entwertung von Biotopen durch Schadstoffemissionen, Lärm und Trennwirkungen,
- 7.
die Anlage von 1,77 ha Kompensationsfläche für Beeinträchtigungen durch Bodenversiegelung,
- 8.
die Aufwertung einer Fläche mit gestörtem oder verarmtem Landschaftsbild zur Kompensation der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Die Aufwertung muss auf einer ebenso großen Fläche wirksam sein wie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Straßenbau,
weiter hilfsweise,
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass
- 1.
der prioritäre Lebensraumtyp *6210 (Kalk-Trockenrasen und ihre Verbuschungsstadien, besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen) durch die planfestgestellte Straßenplanung infolge von Barriere- und Zerschneidungswirkungen u.a. für charakteristische Arten, Erhöhung von Mortalität, Stoffeinträgen, Verlärmung und ggf. direktem Flächenverlust erheblich beeinträchtigt wird bzw. dass eine Beeinträchtigung nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
- 2.
die kritischen Belastungsgrenzen (critical loads) in Bezug auf Stickstoff für einen Großteil der betroffenen Kalk-Trockenrasen erreicht oder überschritten werden bzw. dass dies nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
- 3.
der prioritäre Lebensraumtyp *9180 (Schlucht- und Hangmischwälder) durch die planfestgestellte Straßenplanung infolge von Verlärmung erheblich beeinträchtigt wird bzw. eine Beeinträchtigung nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit allen Anträgen abzuweisen.
Sie entgegnet:
Die Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigung von Lebensraumtypen sei am Erhaltungszustand der Schutzgegenstände vorgenommen worden. Entwicklungspotentiale gehörten nur zu den Zielen, wenn sie ausdrücklich festgelegt worden seien. Die aktuelle Lebensraumtyp- und Biotopkartierung berücksichtige den Stand der niedersächsischen Kartieranleitung von 2004 (v. Drachenfels) sowie die speziellen Hinweise zur Ansprache von FFH-Lebensraumtypen. Diese müssten in ihren tatsächlichen Abgrenzungen dargestellt werden Das fehle etwa im Gutachten G. (Universität Göttingen 2003).
Erhebliche Beeinträchtigungen durch direkte Inanspruchnahme würden durch die möglich gewordene Verlegung der Panzerstraße und die Stützwand (Gabione) nunmehr vermieden. Die der Bewertung zugrunde liegende Feintrassierung sei entsprechend optimiert worden. Der besondere Schutz des FFH-Gebiets rechtfertige es nunmehr, die teurere Vor-Kopf-Bauweise anzuordnen, so dass auf die Anlage von Arbeitsstreifen verzichtet werden könne.
Die Kalk-Trockenrasen auf der Nordseite der geplanten Trasse seien in Zusammenarbeit des NLWKN mit der unteren Naturschutzbehörde der Stadt Hildesheim abgegrenzt worden. Zerschneidungswirkungen könnten nur zwischen der B 1 neu und den südlich der B 1 alt gelegenen Flächen hervorgerufen werden, weil nördlich bis zur Bebauung von Himmelsthür keine weiteren Flächen des LRT 6210* vorhanden seien. Die Flächen würden durch die Bahnlinie, die Wohnbebauung und die B 1 alt zerschnitten. Deshalb sei davon auszugehen, dass keine funktionale Beziehungen zwischen den LRT 6210*-Flächen für nicht flugfähige Arten mehr bestünden. Eine bedeutende Verbundfunktion der Kalk-Trockenrasenflächen im Kuppenbereich mit den Vorkommen des Gebiets im Süden sei nicht zu vermuten. Die Verbreitung finde weniger durch den Wind als vielmehr durch Schaftrift statt; eine solche sei auch nach Realisierung des Projekts vorgesehen.
Was die Reichweite stofflicher Immissionen anbelange, werden nach dem nachträglich eingeholten "Luftschadstoffgutachten zur geplanten Ortsumfahrung Himmelsthür im Zuge der B 1" des Ingenieurbüros F. vom August 2007 der kritische Wert von 22,5 kg N (Stickstoff) (ha*a) auch im südöstlichen Randbereich mit insgesamt 22,21 kg N (ha*a) nicht überschritten. Auch durch Verlärmung seien erhebliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten. Die vom Kläger aufgeführten Arten seien nicht lebensraumprägend und nach neueren Erkenntnissen auch kaum lärmempfindlich. Entsprechendes gelte für die LRT 9180*, 9170 und 91F0 (Wälder), Indikatorart Mittelspecht. Die jeweils verlärmten Bereiche wiesen kaum Eignung für den Mittelspecht auf.
Was den LRT 6510 - Magere Flachland-Mähwiesen - betreffe, werde dieser durch Flächenverlust erheblich beeinträchtigt, wobei die Wiesen außerhalb des FFH-Gebiets allerdings nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Wie das Luftschadstoff-Gutachten zeige, werde es durch Stickstoffeintrag auf einer Teilfläche von 600 m2 (0,1%) zu einer Überschreitung des kritischen Werts von 25 kg N (ha*a) um 0,8 kg (ha*a) kommen. Eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung folge daraus aber nicht. Ebenso wenig gebe es Beeinträchtigungen infolge von Zerschneidungen.
Dem Einwand des Klägers, die insoweit festgestellten kohärenzsichernden Maßnahmen für das Erhaltungsziel seien unzureichend, könne nicht gefolgt werden. Die zur Entwicklung vorgesehene Fläche sei mehr als doppelt so groß wie die in Anspruch genommenen Flächen im FFH-Gebiet (2,4 ha); die Maßnahmen würden durch Monitoring begleitet. Nötigenfalls würden Steuerungsmaßnahmen durchgeführt. Auch die biologische Verbesserung eines Lebensraumes im FFH-Gebiet könne eine taugliche Kohärenzmaßnahme sein; für das Gebiet bestehe bisher kein Managementplan, der abweichende Festlegungen enthielte. Die Entwicklung von Ackerflächen oder Grünlandbrachen zu Mageren Flachland-Mähwiesen dauere wesentlich länger.
Erheblich beeinträchtigt werde trotz der angeordneten Schadensbegrenzungsmaßnahmen durch Barriere- und Zerschneidungswirkungen das Kammmolchvorkommen. Durch das in der Praxis bereits bewährte umfangreiche Kompensationskonzept werde der Schaden jedoch weitgehend begrenzt. In diesem Zusammenhang sei auch die vom Kläger favorisierte Grünbrücke diskutiert worden. Letztlich habe man eine solche aber, vor allem wegen der mit ihr verbundenen zusätzlichen Inanspruchnahme schützenswerter Flächen, als weniger sinnvoll verworfen. Die für die Erhaltung des Kammmolchs vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen seien kohärenzsichernd (Entwicklung von neuen Laichgewässern und Landhabitatstrukturen). Hier hätten die Fachbehörden ein Gesamtpaket entwickelt, begleitet durch ein mehrjähriges Monitoring. Von der verbleibenden erheblichen Beeinträchtigung des Kammmolchs durch Barriere- und Zerschneidungswirkungen habe damit Befreiung erteilt werden können.
Was den Feldhamster angehe, gewährleiste das Maßnahmekonzept für eine feldhamstergerechte Bewirtschaftung der Ausgleichsflächen A 34 und 35, die Lebensbedingungen für diese Tiere wesentlich zu verbessern. Die insoweit erteilte Befreiung sei rechtmäßig.
Für den Neuntöter sei eine Verschlechterung der Bestandssituation nicht anzunehmen, so dass der Verbotstatbestand des Art. 5 lit. d) VRL nicht eingreife. Ob das Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG einschlägig sei, könne dahinstehen, weil jedenfalls überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls eine Befreiung ermöglichten. Der Neuntöter werde vergleichsweise wenig beeinträchtigt, weil er aus dem anzunehmenden Lärmbereich von 200 m in die unmittelbar anschließenden Bereiche ausweichen könne und bei der ihm eigenen Flexibilität auch werde.
Wegen des teilweise negativen Ergebnisses der FFH-Verträglichkeitsprüfung müsse das Vorhaben die Ausnahmevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL erfüllen. Maßgeblich sei UA 1, weil prioritäre Lebensraumtypen oder Arten im Gebiet nicht erheblich beeinträchtigt würden. Die Ausnahmevoraussetzungen der Vorschrift - wie im übrigen, ohne dass es darauf ankomme, auch die des UA 2 - lägen vor. Dem überregionalen Verkehr auf der B1 in Hildesheim komme mit 20.500 Kfz/Werktag eine erhebliche Bedeutung zu (Analyse VEP Hildesheim 2004). Die Verlagerung auf die Ortsumgehung schaffe die Voraussetzungen dafür, das nachgeordnete städtische Verkehrsnetz zu entlasten, weil teilweise eine Rückverlagerung auf die B 1 alt stattfinden werde. Es sei vorgesehen, diese nach Maßgabe der eintretenden Verlagerungen und Entlastungen zurückzubauen. Positiv zu würdigen sei auch der Zeitgewinn, also die Leichtigkeit des Verkehrs, als wirtschaftlicher Grund. Im Übrigen komme es an allen Knotenpunkten der B 1 im relevanten Abschnitt häufig zu Unfällen. Die vom Kläger benannten Alternativen seien zur Unfallvermeidung nicht gleichermaßen wirksam. Die von ihm ins Spiel gebrachte "Nordvariante" würde das FFH-Gebiet und die Kammmolchpopulation in der Gesamtbetrachtung stärker als die planfestgestellte Trasse beeinträchtigen und komme daher nicht in Betracht. Es könne auch unter Einbeziehung der Folgeabschnitte und damit für die gesamte OU von einer Erhöhung der Verkehrssicherheit ausgegangen werden. Geplant sei im Zusammenhang mit der Entwicklung des Gewerbegebiets Nord ein weiterer Anschluss an die Autobahn im Norden. Dann werde eine Verkehrsstärke von 21.900 Kfz/Werktag prognostiziert. Richtig sei, dass seit April 2006 die Durchfahrt auf der B 1 für Lkw über 12 t Gesamtgewicht verboten sei. Das gelte jedoch nicht, wenn die jeweilige Fahrt dem Verkehr innerhalb eines Umkreises von 75 km diene. Damit sei dieses Verbot kaum zu kontrollieren und habe bisher auch keine Verbesserung der Situation in der Ortsdurchfahrt bewirkt.
Das Entwicklungskonzept der Stadt Hildesheim vom 14. Juli 2007 solle Grundlage für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans Hildesheim 2020 sein. In diesem Rahmen sei vorgesehen, das Umfeld der viel befahrenen innerstädtischen Verkehrsachsen zu verbessern. Bestandteil sei das 220 ha große Gewerbegebiet Nord und ein neuer Anschluss an die BAB 7. Dafür sei die B 1- Nordumgehung eine wichtige Voraussetzung. Zutreffend sei wohl, dass die verkehrliche Entlastung der B 1 durch die OU allein nicht ausreiche, um die Verkehrssicherheit grundlegend zu verbessern. Sie sei aber eine Voraussetzung für dafür etwa weiter erforderliche Umbaumaßnahmen und ein Gesamtkonzept. Zu beachten sei auch, dass innerörtliche Streckenabschnitte generell wegen der Konflikte mit Fußgängern und Radfahrern sowie der konkurrierenden Nutzungen im Straßenraum ein erheblich größeres Konfliktpotential als außerörtliche Streckenabschnitte aufwiesen.
Die Ortsumgehung werde auch eine Entlastung bei den Luftschadstoffkonzentrationen im Abschnitt B 1 / Kaiserstraße bringen, wie sich bei den laufenden Untersuchungen für einen Luftreinhalte- und Aktionsplan herausgestellt habe.
Auch die Hilfsanträge des Klägers seien unbegründet. Die im Rahmen des LBP entwickelten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen führten zur vollständigen Kompensation der prognostizierten Beeinträchtigungen. Eine Verpflanzung von 18 Alleebäumen (Stammumfang 125 bis 180 cm) sei zwar grundsätzlich möglich, jedoch unverhältnismäßig und mit einem verbleibenden Restrisiko verbunden. Deshalb habe man im LBP (A 3) eine Pflanzung von 84 Einzelbäumen als Ausgleich vorgesehen. Die benannten Offenbodenbereiche würden in der aktuellen Kartierung großflächig als LRT 6510 ausgewiesen. Beeinträchtigungen durch den Verlust von Rote-Liste-Arten seien nicht zu erwarten, weil die bekannten Standorte außerhalb des Baufeldes lägen. Andernfalls werde umgepflanzt. Die vom Kläger aufgeführten Tierarten hätten seit mehreren Jahren nicht mehr im Trassenbereich nachgewiesen werden können. In Anbetracht der kleinflächigen Inanspruchnahme potentieller Lebensraumbestandteile und der verbleibenden großen Habitatstrukturen im unmittelbaren Umfeld seien aber auch bei einem Vorkommen keine Konfliktschwerpunkte bei diesen Arten zu erkennen. Artenhilfsmaßnahmen seien damit nicht erforderlich. Auch der Forderung nach weiteren Kompensationsmaßnahmen, die den Naturhaushalt und das Landschaftsbild beträfen, könne nicht gefolgt werden. Im aktuellen LBP würden die beeinträchtigten Funktionen vollständig ausgeglichen oder wiederhergestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Beiakten (Aufstellung vgl. vor Bl. 1269) Bezug genommen, die mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat mit dem Hauptantrag in der Weise Erfolg, dass die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses in seiner ergänzten Fassung festzustellen ist.
Diese Feststellung ist in der beantragten Aufhebung, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, als Minus enthalten und bei einer, wie hier, nicht auszuschließenden Behebung der gegebenen Rechtsmängel durch ein späteres ergänzendes Verfahren auszusprechen, § 17e Abs. 6 S. 2 Bundesfernstraßengesetz - FStrG - (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 - 4 C 19.94 -, BVerwGE 100, 370).
Die hilfsweise gestellten - acht - Verpflichtungsanträge stehen damit nicht mehr zur Entscheidung, weil sie die Erfolglosigkeit des Hauptantrags voraussetzen. Den ebenfalls hilfsweise gestellten - drei - Beweisanträgen braucht nicht entsprochen zu werden, weil die Beweisfragen zu 1. und zu 3. auf der Grundlage der bereits vorhandenen fachbehördlichen und gutachtlichen Stellungnahmen beantwortet werden können und es für die Entscheidung auf sie überdies nicht ankommt. Die Beweistatsache zu 2. legt der Senat seiner Entscheidung als zutreffend zugrunde.
A.
Der Kläger ist im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege klagebefugt nach § 61 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - i.V.m. den §§ 60c Abs. 1, 60 Abs. 2, Abs. 1 Niedersächsisches Naturschutzgesetz - NNatG -.
Damit scheidet eine Prüfung der unter konzeptionellen und verkehrlichen Aspekten bestrittenen Erforderlichkeit der Ortsumgehung, also der Planrechtfertigung, aus. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass das naturschutzrechtliche Verbandsklagerecht keinen Anspruch auf gerichtliche Prüfung der Planrechtfertigung beinhaltet (Beschl. v. 5. März 2008 - 7 MS 114/07 -, NuR 2008, 265 [OVG Niedersachsen 05.03.2008 - 7 MS 114/07], LS 2).
B.
Das Vorhaben ist rechtswidrig.
1.)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der naturschutzrechtlichen Sach- und Rechtslage ist der Erlass des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses der Beklagten vom 28. Februar 2007, der die zuvor durchgeführte bzw. nachgeholte Prüfung der Verträglichkeit des Vorhabens ("Projekts", § 10 Abs. 1 Nr. 11 a) BNatSchG) mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets Nr. 115 sowie eine aktualisierte Bewertung des Artenschutzes enthält und damit die Planfeststellung nach dem Willen der Beklagten auf eine neue Grundlage stellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, "Hessisch-Lichtenau", NuR 2008, 633 [BVerwG 12.03.2008 - BVerwG 9 A 3.06]; [...], Rn. 63). Nach der damit auch in der gerichtlichen Prüfung zu berücksichtigenden Aufnahme des FFH-Gebiets in die Kommissionsliste am 7. Dezember 2004 (ABl EG v. 28. Dezember 2004, L 382/35, DE 3825301) ist die Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung auch dann zu gewährleisten, wenn es, wie hier, noch nicht förmlich zu einem Schutzgebiet im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes erklärt worden ist, §§ 34 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG i.d.F. v. 25. März 2002 (BGBl. I, 1993) , Art. 4 Abs. 5, 6 Abs. 3, Abs. 4 FFH-RL, § 34c Abs. 2 NNatG (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 64).
Der Entscheidungsmaßstab ist mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen, anders als das noch zur Zeit des ersten Urteils des Senats vom 18. November 1998 der Fall gewesen sein mag, damit eindeutig (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Januar 2000, a.a.O. <LS 1> "potentielles FFH-Gebiet").
2.)
Die Rechtswidrigkeit besteht zunächst nicht darin, dass die LRT 9170 (Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald), 9180 (* Schlucht- und Hangmischwälder) und 91F0 (Hartholzauewälder) des Anhangs 1 der FFH-RL dadurch erheblich beeinträchtigt werden könnten, dass der hier vorkommende Vogel Mittelspecht durch erhöhten Lärm in den Randbereichen vertrieben wird. Abgesehen davon, dass der LRT 9180 in der Gebietsmeldung nicht enthalten und damit als Erhaltungsziel nicht definiert wird, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mittelspecht besonders lärmempfindlich und - vor allem - gerade auf die hier lediglich betroffenen Randzonen angewiesen ist. Anders als beim Verlust von Habitatflächen geschützter Arten, bei der im Regelfall jeder Flächenverlust erheblich ist (Art. 1 e Spiegelstrich 1 FFH-RL), kommt es für den Erhalt des günstigen Erhaltungszustand einer (charakteristischen) Art darauf an, ob die Population ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen erhalten bleibt. Das ist etwa auch dann der Fall, wenn sie auf andere Flächen bzw. in andere Bereiche ausweichen kann (BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 132; BVerwG, Urt.v. 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, "Halle-West", BVerwGE 128, 1, Rn. 43 f.). Davon ist hier wegen der nur randlichen Betroffenheit und der Größe der unbeeinträchtigt bleibenden Waldflächen auszugehen.
Dem Hilfsbeweisantrag 3.) braucht damit nicht entsprochen zu werden.
3.)
Zum Erfolg der Klage vermag weiter nicht eine Beeinträchtigung von LRT 6510 (Magere Flachland-Mähwiesen) des Anhangs 1 der FFH-RL zu führen. Eine erhebliche Beeinträchtigung dieses Habitats im Sinne von § 34 Abs. 2, Abs. 3 BNatSchG (Art. 6 Abs. 4 UA 1 FFH-RL) wird in der FFH-VP und im ergänzenden Planfeststellungsbeschluss eingeräumt. Sie beruht auf einem anlagebedingten Verlust von 3 ha durch den Baukörper, einem baubedingten Verlust von etwa 0,5 ha durch Arbeitsstreifen und betriebsbedingten Stickstoffeinträgen beidseits der Trasse, wobei es nach dem Luftschadstoff-Gutachten (F.) vom August 2007 auf einer Teilfläche von 600 m² (0,1%) zu einer Überschreitung des kritischen Wertes von 25 kg N (ha*a) um 0,8 kg (ha*a) kommt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich das Maß dieser Beeinträchtigung erhöhen würde, wenn man, wie vom Kläger vertreten, die westlich von Himmelsthür angrenzenden, aber außerhalb des gemeldeten FFH-Gebiets und weiter entfernt liegenden weiteren Flachland-Mähwiesenflächen (22,73 ha) in die Bewertung einbezieht. Der vom Kläger als charakteristische gefährdete Art genannte Wiesen-Grashüpfer wird in den Erhaltungszielen der Gebietsmeldung nicht aufgeführt.
Letztlich mag dies für die Entscheidung aber dahinstehen, weil davon die von der Beklagten insoweit mit zutreffendem Ergebnis angestellte Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG (dazu noch unten) grundsätzlich nicht berührt würde und eventuell verbleibende Abwägungsdefizite nach den Maßstäben des § 17e Abs. 6 FStrG jedenfalls zu keinem weitergehenden Klageerfolg als dem vorliegend aus anderen Gründen erreichten führen könnten.
4.)
Zu Unrecht greift der Kläger auch die Behandlung der im FFH-Gebiet lebenden und nach Anhang 2 (Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. FFH-RL) geschützten - nicht prioritären - Tierart Kammmolch (Triturus christatus) an, die, obwohl in der Gebietsmeldung noch nicht aufgeführt (S. 9), von der UVP und dem ergänzenden Planfeststellungsbeschluss behandelt wird. Die Beklagte hat berücksichtigt, dass Unsicherheiten verbleiben, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Erhaltungsziels trotz der vorgesehenen Amphibiendurchlässe gänzlich vermieden werden können und insoweit ihre Abweichungsprüfung auch darauf erstreckt. Die Kritik des Klägers besteht diesbezüglich in Zweifeln an der jedenfalls grundsätzlich angenommenen Wirksamkeit der Vermeidungsmaßnahmen. Abgesehen davon, ob damit tatsächlich ein Angriffspunkt geltend gemacht wird, der zur Aufhebung und nicht nur zur Ergänzung oder Änderung des Planfeststellungsbeschlusses führen kann (vgl. § 34 Abs. 5 S. 1 BNatSchG), geht der Angriff im Wesentlichen an der Zielrichtung des Schutzkonzepts vorbei. Dieses besteht, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 28. August 2008 nochmals erläutert hat, nicht in einem ungeschmälerten Erhalt des gegenwärtigen Bestandes von 150 bis 200 Tieren, sondern stellt durchaus eine zerschneidungsbedingte Verringerung in Rechnung. Die Durchlässe setzen nicht auf die Erhaltung eines ungestörten Hin- und Herübers, sondern auf die Schaffung eines neuen Lebensraums südlich der Trasse, wobei zur Sicherung des genetischen Austausches das erfolgreiche Passieren bereits weniger Exemplare ausreicht. Die Wirksamkeit der so verstandenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen vermag der Kläger mit einem bloßen Bestreiten nicht ausreichend in Frage zu stellen. Für die Eignung reicht aus, dass eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht (BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 201). Diese ist gegeben.
5.)
Das Projekt bzw. Planvorhaben ist jedoch nach § 34 Abs. 2 BNatSchG und § 34c Abs. 2 NNatG unzulässig, weil es das Gebiet mit seinem Lebensraumtyp 6210 des Anhangs 1 der FFH-RL - Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien (* besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen) - entgegen der Annahme des Planfeststellungsbeschlusses erheblich beeinträchtigen kann (nachfolgend a. bis c.)) und der Planfeststellungsbeschluss eine dies berücksichtigende und rechtfertigende Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 4 BNatSchG, § 34c Abs. 4 NNatG (Art. 6 Abs. 4 UA 2 FFH-RL) nicht enthält (d.).
Ein Projekt hält den Anforderungen der §§ 34 Abs. 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL), 34c Abs. 2 NNatG nur stand, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele vermieden werden. Dafür müssen die besten einschlägigen Erkenntnisse berücksichtigt und alle zur Verfügung stehenden Mittel und Quellen ausgeschöpft werden. Lediglich bei Unsicherheiten, die sich auch dann nicht ausräumen lassen, kann mit Wahrscheinlichkeiten und Schätzungen gearbeitet werden (BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 60, 62, unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 7. September 2004 - C-127/02 -, Slg. 2004, I-7405, Rn. 59, 67; BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 94). Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Einschätzung, das Vorhaben sei mit den Erhaltungszielen des LRT 6210* vereinbar und könne diese nicht erheblich beeinträchtigen, als nicht haltbar.
a.)
Zutreffend ist die Beklagte allerdings davon ausgegangen, dass bei der Erfassung des zu bewertenden LRT 6210* - prioritär - kein Verbund mit den im weiteren Umfeld vorhandenen nicht-prioritären Kalk-Trockenrasenflächen zu bilden ist. Maßgeblich ist die Beeinträchtigung des jeweils konkret zum Zeitpunkt der Planfeststellung im Gebiet vorhandenen und fachlich korrekt erfassten spezifizierten Vorkommens. Das wird dadurch deutlich, dass es im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) nicht schlechthin um eine Beeinträchtigung "des Gebiets" geht, sondern um eine solche der darin vorhandenen Lebensraumtypen unter Berücksichtigung der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks (BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 129; dies aufgreifend BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 74, 94, 152). Diese Ziele bestehen hier darin, die LRT 6210 prioritär wie nicht prioritär jeweils zu erhalten und zu fördern, nicht aber in der Entwicklung prioritärer Ausprägungen aus nicht-prioritären Vorkommen. Während die Gebietsmeldung für den LRT 6210 - nicht prioritär - noch gar keine Erhaltungsziele aufführt, gibt die die zwischenzeitliche Fortschreibung aufnehmende Verträglichkeitsprüfung vom 28. September 2005 (Bl. 14, 16) diese mit "Erhaltung und Förderung" auch dieses LRT an, nicht aber eine angestrebte qualitative Umwandlung.
Eine Durch- bzw. Zerschneidung des LRT 6210* findet damit nicht statt, so dass es bereits aus diesem Grund auf das Thema des Hilfsbeweisantrags 1.) nicht ankommt.
b.)
Nach dem Wegfall der Panzerstraßenverlegung wird die unmittelbar nördlich der Trasse liegende Fläche mit dem LRT 6210* zwar nicht mehr unmittelbar in Anspruch genommen (vgl. Karte 3 der FFH-VP, Ausschnitt M 1 : 1500, BA A 22). Es bestehen aber Zweifel, ob sich Beeinträchtigungen der weiter entfernten prioritären Trockenrasenflächen am Gallberg und den Giesener Bergen durch einen Verlust kohärenzfördernder Vernetzungsfunktionen infolge von Stoffeinträgen auf die Fläche direkt nördlich der Trasse hinreichend sicher ausschließen lassen. Die Kuppe im Trassenbereich ist neben zwei kleineren Biotopen am Osterberg ein verbindendes Glied zwischen den prioritär ausgebildeten Kalk-Trockenrasen im Norden und im Süden des FFH-Gebiets. Schon das Gutachten der Universität Göttingen (G.) vom 3. März 2003 (S. 15, S. 20) gelangt insoweit zu der Aussage, dass durch Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Kuppenrasens (mit den charakteristischen Arten Silbergrüner Bläuling und Langfühler-Dornschrecke) der notwendige Austausch mit den verinselten weiteren Flächen gestört werden könnte. Ebenso hält es das ehem. Niedersächsische Landesamt für Ökologie in seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2000 (Autor v. Drachenfels) "für nicht ausgeschlossen", dass u.a. die Kalk-Trockenrasen im Plangebiet "als Trittstein- oder Vernetzungsbereiche auch für die langfristige Entwicklung der prioritären Biotope relevant sind" (S. 2, 3). Die FFH-VP vom 28. September 2005 kommt, weil im Kartierungszeitraum Vorkommen des Silbergrünen Bläulings oder des Hufeisenklees dort nicht festgestellt worden seien, zu dem Ergebnis, dass die Fläche im Kuppenbereich unmittelbar nördlich der Panzerstraße im Vergleich zu den Flächen am Osterberg eine "real deutlich nachgeordnete Funktion für den Funktionsverbund der Teilgebiete" habe (S. 45). Eine "potentielle Trittsteinfunktion" der Kuppenflächen sei zwar gegeben, sie sei allerdings "von nachrangiger Bedeutung" (S. 55, 57).
Ob damit eine nicht weiter aufklärungsfähige Unsicherheit über Wirkungszusammenhänge mit der Folge anzunehmen ist, dass die Unwahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung angenommen werden kann oder, wofür gewisse Anhaltspunkte bestehen, wissenschaftlich begründete "erhebliche Zweifel verbleiben", die ohne Abweichungsprüfung zur Unzulässigkeit des Projekts führen (BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O.), lässt der Senat offen. Denn aus den nachfolgend dargelegten Gründen kommt es für die Entscheidung darauf nicht an.
c.)
Es bestehen aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls begründete Zweifel an der Feststellung der FFH-VP und ihr folgend des Planfeststellungsbeschlusses, eine erhebliche Beeinträchtigung des nördlich der Trasse befindlichen Kalk-Trockenrasengebiets (* besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen), FFH-RL Anhang 1 LRT 6210*, finde auch durch betriebsbedingte Stoffeinträge nicht statt.
Die Trasse verläuft von Bau-km 6+400 bis 6+450 im unmittelbaren Nahbereich der nördlich der vorhandenen Panzerstraße im Kuppenbereich vorhandenen Fläche. Die Abstände zwischen LRT und Fahrbahnrand betragen an der engsten Stelle ca. 25 m, zwischen LRT und Einschnittsböschung ca. 10 m. Die FFH-VP schließt unter diesen Umständen betriebsbedingte Beeinträchtigungen durch eutrophierende Stickoxide (NoX = NO2 + NO), gegen die der LRT 6210* - zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig - empfindlich ist, nicht aus. Bedingt durch vermehrte Schad- und Nährstoffeinträge könnten Veränderungen der Standortverhältnisse und damit Verschiebungen des Artenspektrums eintreten. Bei Annahme eines pauschalen Wirkungsbandes der betriebsbedingten Stoffeinträge bis 25 m würden insgesamt maximal 36 m² durch betriebsbedingte Stoffimmissionen beeinträchtigt (FFH-VP S. 54, 55). Da dies jedoch nur 0,04 % des Gesamtvorkommens dieses LRT seien, sei von einer erheblichen Beeinträchtigung des Erhaltungsziels nicht auszugehen.
Ob dieser Beurteilung der Unerheblichkeit zu folgen wäre, kann offenbleiben, weil der Kläger den dafür verwendeten Berechnungsansatz überzeugend in Frage gestellt hat. Danach ist die beeinträchtigte Fläche wesentlich größer:
Die critical-load-Angaben (kritische Eintragsraten) bei Kalk-Trockenrasen liegen auch nach Auffassung der Beklagten zwischen 15 und 25 kg N (ha*a) (vgl. dazu Bobbink u.a., Empirical nitrogen critical loads for natural and semi-natural ecosystems, 2002, www.iap.ch/publikationen/nworkshop-background.pdf, S. 56, 99). Die Annahme der unteren Werte wird bei kaltem Klima und langer Frostperiode, trockenen Bodenverhältnissen, geringem Basengehalt des Bodens, P-Limitierung und geringer Bewirtschaftungsintensität, die Verwendung der oberen Werte bei warmem Klima, fehlender Frostperiode, feuchten Bodenverhältnissen, hohem Basengehalt, P-Limitierung und hoher Bewirtschaftungsintensität empfohlen. Bei Annahme mittlerer Faktoren gelangt die Beklagte, ohne dies differenziert aufzuschlüsseln, zu einem critical-load-Wert von 22,5 kg N (ha*a) (vgl. GA Bl. 1042), der nach letzter gutachtlicher Überprüfung (Lohmeyer 2007, BA A 21) selbst im kritischen südöstlichen Randbereich der Fläche mit insgesamt 22,21 kg N (ha*a) nicht überschritten wäre.
Dies stellt der Kläger schlüssig in Frage, indem er vor allem den zugrunde gelegten critical-load-Wert angreift. Die Stickstoff-Depositionen, die derzeit auf das Gebiet einwirken, betragen 19 kg N (ha*a) und liegen damit bereits im kritischen Bereich (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 108). Die Zusatzbelastung liegt im Mittel bei etwa 2 kg N (ha*a). In der Arbeit von Bobbink u.a. (a.a.O.) wird, wenn keine genaueren Daten aus der Ökosystemforschung vorliegen, empfohlen, als critical loads den unteren, mittleren und oberen Teil der ermittelten Spannweiten zu benutzen und den Wert über die Bereiche Klima/Frostperiode (1.), Bodenfeuchtigkeit (2.), Basengehalt des Bodens (3.), Phosphor-Limitierung (4.) und Bewirtschaftungsinstensität (5.) abzuschätzen bzw. zu mitteln. Maßgeblich sind die Werte im Verhältnis zu den typischen Standortfaktoren des jeweiligen Lebensraumtyps. Wendet man dieses plausible und von der Beklagten selbst gewählte Bewertungssystem an, kommt man bereits auf der Grundlage ihrer Bewertung nicht auf einen Wert 22,5 kg N (ha*a), sondern auf einen solchen von lediglich rund 20,7 kg N (ha*a), nämlich: (1.) oberer Bereich, Mittelwert 23,3; (2.) unterer Bereich, Mittelwert 16,7; (3.) oberer Bereich, Mittelwert 23,3; (4.) oberer Bereich, Mittelwert 23,3; (5.) unterer Bereich, Mittelwert 16,7. Der Wert von 20,7 kg N (ha*a) ergibt sich, wenn man die Summe aus (1.) bis (5.) von 103,3 durch die Bewertungsbereichsanzahl 5 teilt. Bei einem zusätzlichen Eintrag durch den zu erwartenden Verkehr von im Mittel 2,03 kg N (ha*a) in den LRT 6210* (vgl. im einzelnen die aus dem Luftschadstoffgutachten übernommenen Werte der Beklagten, GA Bl. 1042) wird der critical-load-Wert von 20,7 kg N (ha*a) auf nahezu der gesamten Fläche des an die Trasse grenzenden LRT 6210* (etwa 1.300 m²) überschritten. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28. August 2008 auch visuell anschaulich dargestellt (vgl. Darstellung GA Bl. 1331). Dieser Befund wird dadurch weiter erhärtet, dass einige der Einzelbewertungen der Beklagten offensichtlich unrichtig sind. So lässt sich der Raum Hildesheim in Bezug auf Klima/Frostperiode (1.) keinesfalls dem oberen Bereich, nämlich "heiß/keine", zuordnen, sondern allenfalls dem mittleren; das führt zu einer Teilbewertung von 20 und nicht von 23,3. Auch der Basengehalt des Bodens liegt mit einem pH-Wert von 7,1 nicht im Bereich "hoch", sondern im Bereich "gering", weil die pH-Werte von Kalktrockenrasen zwischen 7 und 8 angesiedelt sind (Bobbink u.a., a.a.O., S. 56); dies ergibt eine Teilbewertung von nur 16,7 und nicht von 23,3. Selbst wenn man die ebenfalls zweifelhafte Bodenfeuchtigkeits- und P-Limitierungsbewertung durch die Beklagte so bestehen lässt, ergäben sich (nach Bobbink) auf der Basis allein dieser sich aufdrängenden Korrekturen eine Gesamtsumme von 93,4 N (ha*a) und ein Critical-load-Wert von lediglich 18,7 N (ha*a). Das bedeutet, dass dieser Wert bereits heute überschritten, zumindest aber erreicht und jeglicher weiterer Eintrag schädlich und erheblich beeinträchtigend ist.
Da diese Feststellungen auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse getroffen werden können, braucht dem Hilfsbeweisantrag 2.) des Klägers nicht nachgegangen zu werden.
d.)
Lassen sich danach erhebliche Beeinträchtigungen des LRT 6210* als maßgeblichen Bestandteils des gelisteten FFH-Gebiets Nr. 115 nicht hinreichend sicher ausschließen, durfte das Vorhaben nur nach Maßgabe einer Abweichungsprüfung (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG, § 34c Abs. 3 bis 5 NNatG) zugelassen werden.
Eine Abweichungsprüfung hat die Beklagte im (dafür hier nur in Frage kommenden) ergänzenden Planfeststellungsbeschluss vom 28. Februar 2007 zwar durchgeführt. Sie hat diese jedoch auf den LRT 6510 (Magere Flachlandmähwiesen) und den nach Anhang 2 der FFH-RL (Art. 4 Abs. 1 S. 1) geschützten Kammmolch - beide nicht-prioritär - beschränkt, weil sie der Auffassung war, dass erhebliche Beeinträchtigungen nach der teilweisen Änderung der vorgesehenen Bauausführung und den vorgesehenen Schadensbegrenzungsmaßnahmen nur insoweit noch stattfinden könnten (vgl. erg. Planfeststellungsbeschluss, S. 17 f.). Dies erweist sich jedoch, wie zuvor ausgeführt, für den LRT 6210* als unrichtig. Damit fehlt insoweit eine Abweichungsprüfung und -entscheidung. Denn diese muss das Thema konkret aufgreifen und ist von der Planfeststellungsbehörde regelmäßig in einem eigenständigen Verfahrens(teil) zu bewältigen (BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 114; Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 144). Das ist infolge der fehlerhaften Beeinträchtigungsprüfung hier inhaltlich nicht geschehen. Aussagen der Beklagten in ihrem prozessualen Vortrag, die förmlich geprüften Abweichungsvoraussetzungen "einfacher Art" nach § 34 Abs. 3 BNatSchG seien so gewichtig, dass sie zugleich auch den gesteigerten Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG genügten, reichen nicht aus, dieses Defizit aufzufangen, weil es etwa über eine allenfalls mögliche Substantiierung oder Erläuterung der darauf nicht zugeschnittenen vorgenommenen Abweichungsprüfung weit hinausginge (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 71).
Anzuerkennende Abweichungsgründe nach den §§ 34 Abs. 4 BNatSchG, 34c Abs. 4 NNatG, Art. 6 Abs. 4 UA 2 FFH-RL lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses im übrigen auch nicht vor.
aa.)
Nach Abs. 3 Nr. 1 der zuvor genannten Vorschriften (FFH-RL UA 1) muss ein Vorhaben für jegliche Ausnahme zunächst grundsätzlich aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig sein. Dies hat die Beklagte im Zusammenhang mit den von ihr angenommenen erheblichen Beeinträchtigungen nicht-prioriärer Art geprüft und bejaht.
Um diese vom Gesetz verlangten "öffentlichen Interessen einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art" annehmen zu können, bedarf es keiner Sachzwänge, denen gleichsam niemand ausweichen kann. Vorausgesetzt wird lediglich ein von Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln, dessen Gewicht ausreicht, sich gegenüber den Belangen des Gebietsschutzes durchzusetzen (BVerwG, Urt. v. 27. Januar 2000, a.a.O., <314>; Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 153).
Das vom Senat zur Ermittlung der Voraussetzungen einer Ausnahme vom Gebietsschutz eingeholte Verkehrsgutachten (H., I. u. Partner, Ergänzendes verkehrsplanerisches Gutachten zur geplanten Ortsumgehung Himmelsthür - B 1 neu -, Februar 2005) hat ergeben, dass die betrachteten sechs Knotenpunkte des potentiell entlasteten innerstädtischen Abschnitts der B 1 (vgl. Gutachten S. 3) als Unfallhäufungsstellen angesprochen werden können, auch wenn es im untersuchten jüngeren Fünfjahresabschnitt einen Rückgang der Unfälle und weniger Schwerverletzte und keinen Getöteten mehr gegeben hat (vgl. Gutachten, Tabelle S. 19). Die Gutachter gehen auch davon aus, dass eine durchgreifende Reduzierung der Unfallzahlen jedenfalls nicht allein durch verkehrslenkende und -steuernde Maßnahmen möglich sei, sondern es dafür einer Verlagerung des Durchgangsverkehrs bedürfe, die mangels Alternativen an Hauptverkehrsverbindungsstraßen in Ost-West-Richtung nur durch Neuschaffung einer solchen möglich sei. Sie weisen aber auch darauf hin, dass sich feststellbare Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit nur schwerlich allein im Vergleich der heutigen Situation mit der geplanten Ortsumfahrung ermitteln lassen. Zwar bestehe durchaus ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Verkehrsstärke und Unfallgeschehen. Es werde sich durch die zu erwartende Teilverlagerung aber nicht automatisch eine durchgreifende Reduzierung der Unfallzahlen einstellen, zumal die zu erwartende Entlastung relativ gering sei (S. 23). Im Streckenabschnitt Schützenallee - Kaiserstraße - Bismarckstraße der heutigen B 1 lägen die Prognosen insoweit zwischen 14 % und 19 %, woran das LKW-Aufkommen allerdings überproportional beteiligt sei. Die nicht hohe Reduzierung beruhe darauf, dass es durch die Teilentlastung zu einer Rückverlagerung bisher innerstädtischer Verkehre auf die B 1 kommen werde. Das zeige, dass ein aussagekräftiger Vergleich des Unfallgeschehens nur weiterräumig und unter Einbeziehung erheblicher Teilnetze der Stadt Hildesheim und der Nachbargemeinde Giesen aufgestellt werden könne, wofür es an Untersuchungen und Unterlagen aber bislang fehle (S. 31).
Mit diesem plausiblen und von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellten Befund ergibt sich, dass jedenfalls die bezeichneten "einfachen" Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen und von der Beklagten insoweit zu Recht angenommen worden sind. Die geplante Ortsumgehung lässt jedenfalls diejenigen Vorteile erwarten, die typischerweise mit einem solchen Projekt verbunden sind, nämlich: eine zumindest teilweise Entlastung vom Durchgangsverkehr, vor allem vom Schwerlastverkehr, einen Zeit- und Leichtigkeitsgewinn, die tendenzielle Verringerung von Unfällen im Stadtgebiet, die Erweiterung der Möglichkeiten der innerörtlichen Verkehrsplanung sowie die Ermöglichung oder Verbesserung des Anschlusses von Gewerbegebieten. Wenn sich auch in Bezug auf eine künftige Verminderung vor allem von schweren Unfällen noch keine genauen Aussagen machen lassen, weil es dafür an einer aussagekräftigen Gesamtplanung fehlt, lässt sich nicht in Abrede stellen, dass die Ortsumgehung jedenfalls die Grundvoraussetzung für jede durchgreifende Verbesserung der durch die Unfallhäufungen im Abschnitt unbefriedigenden Situation ist. Damit besteht an ihr ein öffentliches Interesse, das grundsätzlich auch gewichtig genug ist, sich gegen die naturschutzrechtlichen Gebietsschutzbelange nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG durchzusetzen (vgl. auch ob. B. 3.), letzter Absatz).
bb.)
Höher sind die Anforderungen allerdings nach den §§ 34 Abs. 4 BNatSchG, 34c Abs. 4 S. 1 NNatG, Art. 6 Abs. 4 UA 2 FFH-RL, wenn das betroffene Gebiet prioritäre Biotope oder Arten einschließt und eines davon, wie hier, erheblich beeinträchtigt wird. Als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses können dann nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit von Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Zivilschutzes oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden (S. 1). Sonstige Gründe im Sinne des Abs. 3 Nr. 1 der genannten Regelungen (Art. 6 Abs. 4 UA 2, letzt. Alt.) können dagegen erst nach Einholung einer Stellungnahme der EU-Kommission berücksichtigt werden (S. 2).
In Frage kommen von den in S. 1 benannten Abweichungsgründen hier nur die "im Zusammenhang mit der Gesundheit von Menschen". Der Schutz der Gesundheit muss dabei der wesentliche Zweck sein, so dass begleitende Nebenzwecke nicht genügen (BVerwG, Urt. v. 27. Januar 2000, a.a.O, <315>); zur Abwehr von Gesundheitsgefahren in diesem Sinne ist ein Straßenbauvorhaben nur dann erforderlich, wenn es dazu bestimmt und auch geeignet ist, die Verkehrsteilnehmer gezielt vor solchen Risiken zu bewahren, die über das allgemein übliche mit dem Straßenverkehr ohnehin verbundene Maß der Gefährdung hinausgehen (a.a.O.,<316>). Es müssen belastbare Aussagen dazu vorliegen, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen von Verkehrsteilnehmern und Anwohnern eine konkrete Verbesserung erfahren.
Diese "strengen Anforderungen" (BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 121, 122) bzw. "verschärften Zulassungsvorausetzungen" (BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 149) erfüllt das Vorhaben nicht.
Wie dargestellt, ließen sich Minderbelastungen am direkt betroffenen Abschnitt der B 1 oder an anderen Straßenzügen im Wesentlichen erst ermitteln und bewerten, wenn es weiterräumige verbindliche Anschlussplanungen oder klar definierte Projekte gäbe, von denen nach den Aussagen der Gutachter Entlastungen wesentlich abhängen. Derartige Planungen gibt es indessen (noch) nicht. Sie sind weder Teil der angefochtenen Planfeststellung noch lagen sie unabhängig davon zum maßgeblichen Zeitpunkt des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses, dem 28. Februar 2007, verbindlich vor. Das von der Beklagten schriftsätzlich vorgestellte und in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 erläuterte "integrierte Entwicklungskonzept" der Stadt Hildesheim stellt zwar einen Schritt in diese Richtung dar. Es ist aber erst mit Ratsbeschluss vom 14. Mai 2007 verabschiedet worden. Zudem kommt ihm keine rechtliche Verbindlichkeit zu; die Aussagen etwa zum Abbau von Barrieren im Stadtgebiet haben bisher nur programmatischen Charakter. Auch das im späteren Stadium des gerichtlichen Verfahrens eingeführte geplante Gewerbegebiet Nord der Stadt Hildesheim ist bisher lediglich im regionalen Raumordnungsprogramm enthalten. Für eine Ausnahmeentscheidung nach den §§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG, 34c Abs. 4 S. 1 Nr. 1 NNatG reicht das nicht aus.
Die, wie zu aa.) dargelegt, für das Projekt sprechenden allgemeinen Gründe des öffentlichen Interesses nach den §§ 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG, 34c Abs. 3 Nr. 1 NNatG (Art. 6 Abs. 4 UA 1 FFH-RL) könnten nach den Absätzen 4 S. 2 dieser Gesetze (bzw. Art. 6 Abs. 4 UA 2, letzte Alt., FFH-RL) nur nach Einholung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission und in Auseinandersetzung mit ihr (vgl. Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2003, Rn. 68 u. 69 zu § 34) berücksichtigt werden. Eine solche Stellungnahme hat die Beklagte - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - nicht eingeholt. Sie wäre aber in einem (weiteren) ergänzenden Verfahren nachholbar, und es lässt sich jedenfalls nicht von vornherein ausschließen, dass in sachgerechter Auseinandersetzung damit eine den Anforderungen standhaltende Abweichungsentscheidung getroffen werden könnte. Aus diesem Grund führt der Rechtsfehler nicht zur Aufhebung, sondern "lediglich" zur Feststellung der Rechtswidrigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.).
6.)
Was den Artenschutz, § 42 BNatSchG i. d. bis zum 17. Dezember 2007 gültigen Fassung v. 25. März 2002 (BGBl. I, 1193), anbelangt, führen die Rügen des Klägers ebenfalls zu keinem weitergehenden Erfolg der Klage.
a.)
Die Beklagte hat in Rechnung gestellt, dass für den im Anhang IV zur FFH-RL aufgeführten Feldhamster und den Kammmolch die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.3 BNatSchG erfüllt sind und für die verbleibenden Beeinträchtigungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG (Art. 16 Abs. 1 c) FFH-RL) wegen "überwiegender Gründe des Gemeinwohls" Befreiung erteilt. Da diese Gründe nicht strenger als die des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG sind (BVerwG, Urt. v. 12. März 2008, a.a.O., Rn. 239) und, wie oben zum Habitatschutz ausgeführt, vorliegen, kann auch die Befreiung nicht beanstandet werden. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers auch bei einem ungünstigen Erhaltungszustand möglich, wenn dieser nicht weiter verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Zustands nicht behindert wird. Das ist hier anzunehmen. Ein Überleben der Population erscheint durch das Maßnahmekonzept längerfristig gesichert. Die Beklagte kann hierzu u.a. auf die guten Erfahrungen verweisen, die etwa in Braunschweig auf der Umsiedlungsfläche "Lammer Busch" gemacht worden sind (Zuwachsraten von 200% innerhalb von drei Jahren).
b.)
Für den Neuntöter hat die Beklagte eine Verschlechterung der Bestandssituation nicht angenommen und den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (Art. 5 Buchst. d) VRL) für nicht einschlägig gehalten. Sollte, wie der Kläger meint, diese Vogelart infolge von Verlärmung wider Erwarten doch gestört werden und sich ihre Population auf Dauer verringern, läge jedenfalls, wie zu a.), eine Befreiungslage vor. Auf diese hat sich die Beklagte im Prozessvortrag hilfsweise berufen. Zumindest in der vorliegenden Situation, in der sie das gleichgerichtete überwiegende öffentliche Interesse zum Habitatschutz bereits abwägend dargelegt hat, ist dies auch zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, Flughafen Schönefeld, BVerwGE 125, 116 f., Rn. 562, 566).
c.)
Die zur schriftlichen Klagebegründung vorgebrachte Kritik des Klägers an der Wirksamkeit der Schadensvermeidungsmaßnahmen bei den Fledermauspopulationen sieht der Senat als erledigt an, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 28. August 2008 klargestellt hat, dass die zugesagten Schutzzäune nach Plan errichtet würden und dies in den Maßnahmeblättern lediglich versehentlich nicht aufgeführt worden sei.