Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.08.2008, Az.: 1 A 23/07
Ausländer; Daten, personenbezogene; Personalien; Personalangaben; Namenskorrektur; Nachweis der Personalien; Selbstbestimmung, informationelle; Zusatz in Bescheinigungen; Hinweis; Ermessensprüfung; Glaube, öffentlicher
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.08.2008
- Aktenzeichen
- 1 A 23/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 47039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0815.1A23.07.0A
Rechtsgrundlagen
- 15 AsylVfG
- 24 AsylVfG
- 55 AsylVfG
- 39 I 3 Nr. 10 AuslG
- 78 VI Nr. 10 AufenthG
- 86 I 1 VwGO
- 1 GG
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Korrektur seines bei der Beklagten abgespeicherten Rufnamens.
Der 28-jährige Kläger ist vietnamesicher Staatsangehöriger. Er reiste Ende der 90er Jahre in die Bundesrepublik ein und stellte unter dem Namen N.V. Nep, geb. am 0 in H, einen Asylantrag. Dokumente, die geeignet sind, die angegebene Identität zu beweisen, hat der Kläger dabei nicht vorgelegt. Der Antrag wurde durch den bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes vom 28. August 2000 abgelehnt. Im November 2000 beantragte die Beklagte über das Landeskriminalamt Niedersachsen und die Grenzschutzdirektion Koblenz die Rückübernahme des Asylantragstellers unter den angegebenen Personalien. Im April 2002 teilte das Landeskriminalamt mit, dass die vietnamesischen Behörden eine Zusage zur Rückübernahme erteilt hätten. Die vorgesehene Abschiebung konnte dann nicht durchgeführt werden, weil der Kläger untergetaucht war.
Im Rahmen eines Asylfolgeverfahrens legte der Kläger am 31. Mai 2005 der Beklagten Fotokopien einer auf den Namen N.V. Thuy, geb. am 0 in H, ausgestellten vietnamesischen "Identitätskarte" vor. Er gab an, es handele sich hierbei um seine wahre Identität und beantragte am 21. Juni 2005 die Korrektur und Richtigstellung seiner Personalien. Das Dokument übergab der Kläger der Beklagten am 29. Juli 2005.
Mit Schreiben vom 1. August 2005 teilte die Beklagte hierauf mit, die "Identitätskarte" sei zur Echtheitsprüfung weitergeleitet worden. Nach dem Schreiben der Beklagten dann vom 16. Februar 2006 konnte die kriminaltechnische Untersuchung jedoch "im Ergebnis letztlich" keinen Aufschluss darüber ergeben, welche Personalien tatsächlich die richtigen Personalien des Klägers seien. Eine Rücksprache mit der Bundespolizeidirektion habe ergeben, dass auf der Identitätskarte eine zweite (Schutz-) Folie angebracht worden sei, jedoch keine Fälschungmerkmale erkennbar seien. Die Karte werde daher "überwiegend als Echtdokument" eingestuft - ohne Aussage darüber, ob sie von einer amtlich dazu befugten Behörde ausgestellt worden sei. Gegen die Echtheit der Karte spreche nach Ansicht der Beklagten jedoch, dass die vietnamesischen Behörden der Rückübernahme eines "N.V. Nep, geb. am 0 in H" zugestimmt hätten. Daher verbleibe es bei den zuerst angegebenen Personalien.
Im Juli 2006 erhielt der Kläger eine bis Januar 2007 gültige Aufenthaltsgestattung unter seinen zuerst genannten Personalien, wogegen er sich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Juli 2006 zur Wehr setzte und um Aufnahme der dokumentierten Personalien bat.
Zur Begründung seiner am 13. Februar 2007 erhobenen Untätigkeitsklage trägt der Kläger vor, seine Identität sei durch den mit Fingerabdrücken versehenen vietnamesischen Personalausweis nachgewiesen, während die ursprünglich angegebene Identität bei Stellung seines Asylantrages im Jahr 2000 überhaupt nicht belegt sei. Die Beklagte sei der Wahrheit verpflichtet. Sie wisse bereits, dass es sich bei den ursprünglich gemachten Identitätsangaben in Wahrheit um den Vater des Klägers handele, wodurch sich auch das Einverständnis der vietnamesischen Behörden zur Rückübernahme des Klägers erkläre.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zur verpflichten, den über den Kläger vorhandenen Datensatz dahin zu ändern, dass der Rufname nicht "Nep", sondern "Thuy" lautet, und die entsprechende Korrektur auch in anderen Datensätzen zu veranlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie widerspricht ausdrücklich dem Vorbringen, ihr sei bekannt, dass es sich bei "N V Nep" um den Vater des Klägers handele und verweist auf den ihres Erachtens unlösbaren Widerspruch, dass die vietnamesischen Behörden der Rückübernahme auf der Grundlage der ursprünglichen Personalien zugestimmt und Passersatzpapiere für eine Rückführung ausgestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zunächst als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) erhobene und sodann als Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO bzw. als Leistungsklage zulässige Klage hat Erfolg.
Die Ablehnung und Unterlassung der begehrten Korrektur des abgespeicherten Vornamens nebst Änderung der Datensätze des Klägers ist rechtswidrig und verletzt diesen in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Korrektur seiner Personalien. Sein Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltsgestattung gem. § 55 AsylVfG, eines verfahrensabhängigen Aufenthaltsrechtes als Vorwirkung des Asylgrundrechts (Art. 16a Abs. 1 GG), beinhaltet regelmäßig nicht nur die Ausstellung dieser Gestattung, sondern impliziert die Ausstellung unter Verwendung seiner Personalien, so wie er sie angibt. Die Identitätsangaben des Klägers sind hier durch Vorlage des vietnamesischen Personalausweises belegt, also auch von der Beklagten entsprechend zu verwenden. Darauf, ob diese zutreffen, kommt es nicht an. Vgl. dazu Beschl. des Nds. OVG v. 1.11.2007 - 4 LB 577/07 -:
"Die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz setzt jedoch nur eine Aufenthaltsgestattung voraus. Für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kommt es auf die Begründetheit des Asylantrags ebenso wenig an wie darauf, ob die Personalien der Aufenthaltsgestattung zutreffen (BGH, Beschl.v. 10.7.1997, a.a.O.). Entscheidend ist, dass für den Asylbewerber nur ein Asylverfahren durchgeführt wird."
In dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess sind zwar alle Beteiligten verpflichtet, an der Erforschung eines Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Im Asylverfahren gilt dies in besonderem Maße für den Asylbewerber (§§ 15, 25 AsylVfG). Aber es obliegt auch der zuständigen Behörde die Klärung des Sachverhaltes und die Erhebung der erforderlichen Beweise (§ 24 AsylVfG; vgl. BVerwG 9. Senat , Urt.v. 29.06.1999 - 9 C 36/98 -). Das gilt in entsprechendem Maße für die Ausländerbehörde (§ 49 AufenthG). Wenn ein Ausländer die üblichen und ihm zumutbaren Mitwirkungshandlungen erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Ermittlungs-, Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren und nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene ggf. noch zu unternehmen hat (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 20.05.2008 -18 A 209/07 -).
Auf die Darstellung und Ausformung seines Namens und seiner Personalien jedoch hat der Ausländer ein durch Art. 1 GG sowie durch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung geformtes und garantiertes (Grund-)Freiheitsrecht, das von den Behörden entsprechend ihrer Bindung an das Grundgesetz zu achten und zu respektieren ist. § 78 Abs. 6 Nr. 10 AufenthG zeigt das als Vorschrift unterhalb der Verfassung auf: Der Name kann den Menschen nicht behördlich "zudiktiert" werden. Vielmehr haben die Behörden die ihnen genannten Personalien hinzunehmen und ggf. - nach Ermessen - einen ergänzenden Zusatz auf den auszustellenden Aufenthaltstiteln, Ausweisersatzpapieren oder Bescheinigungen anzubringen, wenn die Personalien für sie nicht verifizierbar sind.
Vgl. insoweit z.B. OLG Karlsruhe, Urt.v. 16.7.2008 - 3 Ss 226/07 -, zum (alten) AuslG, das insofern mit § 78 Abs. 6 AufenthG übereinstimmt:
"Der in § 39 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 AuslG zugelassene Hinweis versetzt die Verwaltungsbehörde in die Lage, den fehlenden gesicherten Nachweis der Personalien in der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung selbst zum Ausdruck zu bringen. Damit wird für den Rechtsverkehr zugleich klargestellt, dass die Personalienangaben im Ausstellungsverfahren nicht verifiziert wurden und dementsprechend keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernommen werden soll. Der der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 AuslG erkennbar zugrunde liegende Vorbehalt des Gesetzgebers gegen die Richtigkeit von sich allein auf die Bekundungen des Ausländers stützenden Personalangaben schließt es aus, den öffentlichen Glauben der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung gerade auch auf diese Personalangaben zu erstrecken (ähnlich OLG Naumburg StV 2007, 134[OLG Naumburg 18.10.2006 - 2 Ss 294/06]). Dies gilt - unabhängig von der Aufnahme eines Hinweises nach § 39 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 AuslG in die konkrete Bescheinigung - in allen Fällen, in denen die in der Bescheinigung aufgeführten Personalien lediglich auf den eigenen Angaben des Asylbewerbers beruhen."
Jedenfalls sind die Behörden nicht berechtigt, einen ihnen "richtig" erscheinenden Namen zu vergeben bzw. beizubehalten - entgegen dem selbstbestimmenden und durch Art. 1 GG getragenen Antrag und den Angaben des Ausländers. Sie haben lediglich die Möglichkeit, in eine Ermessensprüfung darüber einzutreten, ob sie auf der auszustellenden Bescheinigung einen Zusatz gem. § 78 Abs. 6 Nr. 10 AufenthG anbringen wollen oder nicht. Eine Ablehnung bzw. Unterlassung von Namenskorrekturen ist ihnen versagt.
Vorliegend ist es dem Kläger im Übrigen nicht einmal zuzumuten, sich mit den vietnamesischen Behörden hinsichtlich der Ausstellung eines Passersatzpapieres noch in Verbindung zu setzen, da er eine politische Verfolgung durch eben diese Behörden befürchtet. Der Kläger hat damit die ihm aufgrund des AsylVfG bzw. des AufenthG obliegenden Mitwirkungspflichten im Rahmen seiner Möglichkeiten vollumfänglich erfüllt.
Die kriminaltechnische Untersuchung des Personalausweises hat zudem zwar dessen Echtheit nicht mit letzter Sicherheit bestätigen, jedoch auch nicht widerlegen können. Die "Dokumentation der Urkundenuntersuchung" der Bundespolizeidirektion (Bl. 284 d. Verwaltungsakte) trägt vielmehr den handschriftlichen Eintrag "zweite Folie vorhanden, jedoch keine Fälschungmerkmale". Da die ursprünglich erfassten Personalien durch keinerlei Urkunden oder Unterlagen belegt worden waren, muss hier zu Gunsten des Klägers von der Autentizität des Ausweispapieres ausgegangen werden. Eine weitergehende Untersuchung zur Klärung des Sachverhaltes, die der Beklagten oblegen hätte (vgl. § 49 AufenthG), etwa ein Abgleich der Fingerabdrücke auf dem Identitätspapier mit den der Beklagten vorliegenden Fingerabdrücken des Klägers aus dem Asylverfahren, hat nicht stattgefunden. Das Unterlassen einer solchen Untersuchung kann nicht dem Kläger zum Nachteil gereichen.
Soweit die Beklagte behauptet, dass die vietnamesischen Behörden der Rückübernahme zugestimmt und Passersatzpapiere unter dem ursprünglich angegebenen Namen "Van Nep Nguyen" ausgestellt haben und dies für die Echtheit dieser (alten) Identität spreche, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist der Kammer aus verschiedenen anderen Verfahren bekannt, dass die vietnamesischen Behörden mitunter ohne nachvollziehbare Gründe die Echtheit von Personalien leugnen oder zuvor noch bestätigte Angaben zurückweisen (vgl. dazu Urteile der Kammer v. 29.5.2002 - 1 A 189/00 - und v. 8.4.2002 - 1 A 135/98 -; vgl. auch VG Lüneburg, InfAuslR 2002, 367;vgl. auch die Sitzungen der Arbeitsgruppe "Rückführung" in Düsseldorf). Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Datenerfassung in Vietnam nicht dem europäischen Standard entspricht und den Angaben der vietnamesischen Behörden im Hinblick auf einen Asylbewerber daher ein eher geringer Beweiswert zukommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.