Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.08.2008, Az.: 4 LB 28/06
Anspruch eines Jugendhilfeträgers auf Erstattung von Kosten zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines anderen Jugendhilfeträgers nach § 89c Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII); Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit für eine Jugendhilfemaßnahme nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern; Voraussetzung für eine Kostenerstattung durch den überörtlichen Jugendhilfeträger nach § 89e Abs. 2 SGB VIII
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.08.2008
- Aktenzeichen
- 4 LB 28/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 23591
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0820.4LB28.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 23.10.2003- AZ: 6 A 461/01
Rechtsgrundlagen
- § 86 Abs. 2 SGB VIII
- § 89c Abs. 1 S. 1 SGB VIII
- § 89c Abs. 2 SGB VIII
- § 89e Abs. 2 SGB VIII
Fundstelle
- ZfF 2009, 165
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Kostenerstattung für Jugendhilfeleistungen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat ein Jugendhilfeträger auch einen Anspruch auf Erstattung von Kosten, die er zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines anderen Jugendhilfeträgers nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgewendet hat (entgegen BayVGH, Urt. v. 1.9.2005 - 12 B 02.2455 -, FEVS 57, 369).
- 2.
Richtet sich im Rahmen der Kostenerstattung nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die örtliche Zuständigkeit für die Jugendhilfemaßnahme nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern und war dieser vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung in den Bereichen von zwei verschiedenen örtlichen Jugendhilfeträgern begründet, ist der erstattungspflichtige Jugendhilfeträger nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln, hier nach § 86 Abs. 2 SGB VIII, zu ermitteln.
- 3.
Kostenerstattung durch den überörtlichen Jugendhilfeträger nach § 89 e Abs. 2 SGB VIII kommt nur dann in Betracht, wenn gar kein erstattungspflichtiger örtlicher Jugendhilfeträger vorhanden ist.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 21.213,08 EUR für Jugendhilfeleistungen, die sie in den Zeiträumen vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 und vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 für das Kind A. B. erbracht hat.
Die 1994 geborene A. B. ist die Tochter von C. B. und D. E.. Die Eltern des Kindes waren drogenabhängig. A. wurde vom 1. Oktober bis 2. November 1997 von der Klägerin gemäß § 42 SGB VIII in Hannover in Obhut genommen. Im Anschluss daran gewährte die Klägerin der allein personensorgeberechtigten Mutter mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 für die Unterbringung von A. in einer Bereitschaftspflegestelle in Hannover ab dem 3. November 1997 Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII. Die Mutter von A. lebte zu dieser Zeit in Hannover. Der Vater von A., der zuvor in Wedemark im Landkreis Hannover gelebt hatte, verbüßte bis zum 9. Dezember 1997 in der Justizvollzugsanstalt Hannover eine Freiheitsstrafe. Anschließend hielt er sich wieder in Wedemark auf. Am 16. Dezember 1997 wurde er in die von der Jugendhilfe e. V. Lüneburg betriebene Therapeutische Gemeinschaft F. in Lüneburg aufgenommen, bei der es sich um eine Einrichtung zur familienorientierten Drogenlangzeittherapie handelt.
Ab dem 23. Dezember 1997 befand sich die Mutter von A. zu einem körperlichen Drogenentzug im Niedersächsischen Landeskrankenhaus in Lüneburg. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1997 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Übernahme der Kosten für die Bereitschaftspflege von A., da sich die Kindesmutter seit dem 23. Dezember 1997 im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Lüneburg zur Entgiftung befinde und beabsichtige, danach in die Therapiegemeinschaft F. zu wechseln. Ein unter der Anschrift des Landeskrankenhauses an die Mutter von A. gerichtetes Telefax - Schreiben der Klägerin vom 30. Dezember 1997 wurde an die Therapieeinrichtung F. weitergeleitet. Die Jugendhilfe e. V. Lüneburg teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 2. Januar 1998 mit, dass die Kindesmutter ihren tatsächlichen Aufenthalt nach wie vor in Hannover habe. Nach dem Aufenthalt im Landeskrankenhaus Lüneburg habe sie Herrn E. in der Einrichtung in F. kurz besucht. Sie könne erst dann in die Einrichtung aufgenommen werden, wenn eine Kostenzusage bezüglich der Unterbringung ihrer Tochter vorliege. Nachdem die Klägerin unter dem 8. Januar 1998 eine vorläufige Kostenzusage für die Aufnahme von A. in die Therapieeinrichtung erteilt hatte, wurde die Kindesmutter am 9. Januar 1998 in die Therapieeinrichtung F. zwecks Durchführung einer Drogenlangzeittherapie aufgenommen. A. wechselte am 26. Januar 1998 ebenfalls in die Therapieeinrichtung. Für die Unterbringung von A. gewährte die Klägerin der Kindesmutter mit Bescheid vom 26. Februar 1998 vorläufig Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung oder einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII.
Mit Schreiben vom 2. Februar 1998 teilte die Klägerin der Beklagten den Wechsel von A. von der Bereitschaftspflege in Hannover in die Therapeutische Gemeinschaft F. mit und bat um Übernahme des Hilfefalles. Mit Schreiben vom 19. Juni 1998 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die beantragte Fallübernahme, wies darauf hin, dass sie seit dem 1. Januar 1998 nach § 86 c SGB VIII leiste, und machte gleichzeitig einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89 c SGB VIII ab dem 1. Januar 1998 bis zur Fallübernahme geltend. Am 23. Oktober 1998 zog die Kindesmutter erneut nach Hannover. Die Klägerin unterrichtete die Beklagte mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 von dem Umzug der Kindesmutter. Gleichzeitig erklärte sie, dass sie ihren Kostenerstattungsanspruch nach § 89 c SGB VIII nicht mehr weiter verfolgen werde, da es sich bei der Therapeutischen Gemeinschaft F. um eine geschützte Einrichtung nach § 89 e SGB VIII handele und der letzte ungeschützte gewöhnliche Aufenthalt beider Eltern in Hannover gewesen sei. Am 8. Februar 1999 kehrte die Kindesmutter in die Therapieeinrichtung F. zurück und setzte die Drogenlangzeittherapie fort. Mit Schreiben vom 5. März 1999 unterrichtete die Klägerin die Beklagte vom Aufenthaltswechsel der Kindesmutter und bat erneut um Übernahme des Hilfefalles. Zu einer Übernahme des Hilfefalles kam es nicht. Die Hilfeleistung für A. wurde am 31. August 1999 beendet.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 1. Februar 2000 an die Beklagte und beantragte die Erstattung von Leistungen, welche sie für A. in der Zeit vom 30. Dezember 1997 bis zum 22. Oktober 1998 sowie vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 erbracht habe. Zur Begründung führte sie an, dass in diesen Zeiträumen beide Elternteile ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Therapieeinrichtung F. gehabt hätten, so dass die Beklagte für die von ihr nach § 86 c SGB VIII weitergewährten Jugendhilfeleistungen örtlich zuständig gewesen sei. Soweit sie ihren Kostenerstattungsantrag für die die Zeit vom 30. Dezember 1997 bis zum 22. Oktober 1998 mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 zurückgenommen habe, sei sie davon ausgegangen, dass die Beklagte ebenfalls einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 89 e SGB VIII habe, da sie irrtümlich angenommen habe, dass die letzten ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalte beider Elternteile in der Stadt Hannover gewesen seien. Ihre Ermittlungen hätten aber ergeben, dass der letzte ungeschützte gewöhnliche Aufenthalt des Vaters in Wedemark im Landkreis Hannover gewesen sei. Daher komme ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89 e SGB VIII nicht mehr in Betracht. Sie nehme daher ihre Rücknahme vom 7. Dezember 1998 zurück und lasse damit ihren Kostenerstattungsantrag vom 19. Juni 1998 wieder aufleben. Weiterhin beantrage sie für den Zeitraum vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 Kostenerstattung.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2000 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenerstattung ab und wies darauf hin, dass gemäß § 86 c SGB VIII der bisher zuständige örtliche Träger solange zur Gewährung der Leistung verpflichtet bleibe, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetze. Zur Leistungsgewährung gehöre auch die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs bei einem kostenerstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträger, so dass sich die Klägerin an den Landkreis Hannover wenden müsse. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 31. Mai 2000, an dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch festzuhalten, und teilte mit, dass der Landkreis Hannover ihr gegenüber nicht zur Kostenerstattung verpflichtet sei, weil die allein sorgeberechtigte Mutter dort nie ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 5. Juni 2001 die beantragte Kostenerstattung endgültig ab.
Die Klägerin hat am 17. Dezember 2001 Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass für die von ihr geltend gemachten Zeiträume die Beklagte gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständiger Jugendhilfeträger gewesen sei, da in dieser Zeit beide Elternteile ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Lüneburg begründet hätten. Sie habe nach § 86 c SGB VIII Jugendhilfe weitergeleistet und deswegen nach § 89 c SGB VIII gegenüber der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch. Ob der Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89 e SGB VIII gegenüber dem Landkreis Hannover oder ihr gegenüber zustehe, könne dahingestellt bleiben. Denn es gehöre nicht zur Aufgabe eines weiter Hilfe gewährenden Trägers, Kostenerstattungsansprüche geltend zu machen. Die Kindesmutter sei am 30. Dezember 1997 in den Bereich der Beklagten verzogen, so dass sich die Zuständigkeit ab diesem Zeitpunkt nach dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern im Bereich der Beklagten richte. Die Jugendhilfe e. V. Lüneburg habe ihr mit Schreiben vom 15. Mai 2002 mitgeteilt, dass die Kindesmutter vom 9. Januar bis zum 23. Oktober 1998 sowie vom 8. Februar 1999 bis zum 8. Februar 2000 in der Therapeutischen Gemeinschaft F. eine Drogenlangzeittherapie durchgeführt habe. In der Zeit vom 23. Dezember 1997 bis zum 9. Januar 1998 habe sie eine Entzugsbehandlung im Landeskrankenhaus Lüneburg absolviert. Durch die Aufnahme im Landeskrankenhaus Lüneburg sei bereits am 23. Dezember 1997 ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bereich der Beklagten begründet worden, da zu diesem Zeitpunkt der gewöhnliche Aufenthalt in ihrem Bereich aufgegeben worden sei. Insofern werde die Klage auf den Zeitraum ab dem 23. Dezember 1997 erweitert. Zu der Problematik des Schutzes der Anstaltsorte nach § 89 e SGB VIII in den Fällen, in denen die Eltern vor Aufnahme in einer Einrichtung unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte hatten, vertrete sie die Auffassung, dass nach § 89 e Abs. 2 SGB VIII der überörtliche Träger der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an sie für das Kind A. B. in der Zeit vom 23. Dezember 1997 bis zum 22. Oktober 1998 und vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 erbrachte Jugendhilfeleistungen in Höhe von 50.844,55 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass ein Erstattungsanspruch für die Zeit ab dem 30. Dezember 1997 bereits daran scheitere, dass ihre örtliche Zuständigkeit damals noch nicht bestanden habe. Die Kindesmutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst später, vermutlich am 26. Januar 1998, in Lüneburg begründet. Für die weiteren Zeiten sei sie, die Beklagte, zwar gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständig gewesen, so dass ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 89 c SGB VIII grundsätzlich in Betracht komme. Der Geltendmachung dieses Anspruchs stehe jedoch ihr Erstattungsanspruch gegen die Klägerin nach § 89 e SGB VIII entgegen. Hinsichtlich dieser beiden Forderungen werde die Aufrechnung erklärt. § 89 e Abs. 1 SGB VIII bezwecke die Sicherung eines lückenlosen Schutzes der Einrichtungsorte auf der Erstattungsebene. Wenn die Erstattungspflicht an den vor Eintritt in eine Einrichtung bestehenden gewöhnlichen Aufenthalt beider Elternteile anknüpfe, dies jedoch unterschiedliche Orte seien, bedürfe es einer Lösung, die den Schutz des Einrichtungsortes in jedem Fall gewährleiste. Es erscheine daher sachgerecht, hier die Vorschriften des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII heranzuziehen. Die Kindesmutter sei allein sorgeberechtigt und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor beiden hier relevanten Zeiträumen im Bereich der Klägerin gehabt. Die gegenseitig bestehenden Erstattungsansprüche würden sich somit durch die Aufrechnung gegeneinander aufheben, so dass ein Anspruch der Klägerin nicht geltend gemacht werden könne. Hilfsweise berufe sie sich bezüglich des Zeitraums vom 30. Dezember 1997 bis zum 22. Oktober 1998 auf die Einrede der Verjährung gemäß § 111 SGB X. Für diesen Zeitraum habe die Klägerin ihren Anspruch erst mit Schreiben vom 1. Februar 2000 geltend gemacht. Soweit sie den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 19. Juni 1998 geltend gemacht habe, habe sie diesen Antrag mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 zurückgenommen und mitgeteilt, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht weiterverfolgt werde. Die Erweiterung der Klage auf den Zeitraum ab dem 23. Dezember 1997 könne auch keinen Erfolg haben, da ein etwaiger Anspruch sowohl nach § 111 SGB X ausgeschlossen als auch gemäß § 113 SGB X verjährt wäre.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Jugendhilfeleistungen in Höhe von 50.844,55 EUR habe, die sie für das Kind A. B. in der Zeit vom 23. Dezember 1997 bis zum 22. Oktober 1998 und vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 gewährt habe. Es könne dahinstehen, ob die Beteiligten zu Recht davon ausgegangen seien, dass örtlich zuständiger Jugendhilfeträger in dieser Zeit die Beklagte gewesen sei, die Klägerin die Jugendhilfeleistungen für A. in den genannten Zeitabschnitten nach Maßgabe des § 86 c SGB VIII erbracht habe und dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nach § 89 c Abs. 1 SGB VIII gegeben sei. Zwar gingen beide Beteiligten davon aus, dass die Kindesmutter und der Kindesvater für die Dauer des Aufenthalts in der Therapieeinrichtung F. in Lüneburg ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet hätten und deswegen ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit eingetreten sei. Hieran bestünden aber Zweifel. Die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers richte sich gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern des Kindes bzw., sofern die Eltern verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben, gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des allein personensorgeberechtigten Elternteils. Ob der Aufenthalt der Eltern von A. in der Therapeutischen Gemeinschaftseinrichtung F. zumindest für eine gewisse Dauer angelegt gewesen sei, erscheine fraglich, denn der Aufenthalt sei nur vorübergehend zur Durchführung einer Gemeinschaftstherapie erfolgt und sei davon abhängig gewesen, dass die jeweiligen Kostenträger für den Aufenthalt aufkämen. Auch der vorhergehende Aufenthalt der Kindesmutter im Niedersächsischen Landeskrankenhaus in Lüneburg sei nur befristet zur Durchführung eines körperlichen Drogenentzugs gewesen. Nach dem Abbruch der Therapie im Oktober 1998 sei die Kindesmutter auch nach Hannover in ihre dortige Wohnung zurückgekehrt. Dem Klagebegehren der Klägerin stehe jedenfalls entgegen, dass die Beklagte bei Übernahme des Hilfefalles ihrerseits gegen die Klägerin einen Zahlungsanspruch in gleicher Höhe nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII gehabt hätte. Richte sich die Zuständigkeit - wie hier - nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen und sei dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug diene, so sei gemäß § 89 e Abs. 1 SGB VIII der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine Familie oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Therapeutische Gemeinschaftseinrichtung F. sei eine solche geschützte Einrichtung im Sinne des § 89 e SGB VIII. Der Erstattungsanspruch der Beklagten bei Übernahme des Hilfefalles hätte sich gegen den Träger gerichtet, in dessen Bereich die Person, auf deren Aufenthalt bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit abzustellen ist, vor der Aufnahme in die Einrichtung den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Maßgebend für die örtliche Zuständigkeit sei vorliegend die Vorschrift des § 86 SGB VIII. Danach sei die Klägerin örtlich zuständiger Träger gewesen. Bei der Inobhutnahme von A. und damit dem Beginn der Jugendhilfemaßnahme am 1. Oktober 1997 habe die Kindesmutter unstreitig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hannover gehabt. Sie sei auch für A. allein personensorgeberechtigt gewesen. Der Kindesvater habe vor Antritt seiner Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Hannover in Wedemark im Landkreis Hannover seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so sei nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Abzustellen sei dann auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindesmutter in Hannover. Eine Zuständigkeit des Landkreises Hannover sei in keinem Zeitpunkt der Hilfemaßnahme begründet worden. Da die Kindesmutter nach Verlassen der Einrichtung wiederum in Hannover gelebt habe, sei die Beklagte auch für die 1999 entstandenen Kosten nicht erstattungspflichtig.
Gegen das ihr am 6. November 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Dezember 2003 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2004 hat sie den Zulassungsantrag zurückgenommen, soweit die Klage den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 15. November 1998 betraf. Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Februar 2006 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit die Klage hinsichtlich der Zeiträume vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 und vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 abgewiesen worden ist, und das Berufungszulassungsverfahren im Übrigen eingestellt.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor, dass die Beklagte in dem Zeitraum vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 für die Gewährung von Leistungen an A. B. gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständig gewesen sei, weil beide Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten gehabt hätten. Die Eltern hätten geplant, gemeinsam mit ihrer Tochter an einer Therapie für drogenabhängige Eltern mit Kindern in der Therapeutischen Gemeinschaft F. teilzunehmen. Der Vater sei bereits am 16. Dezember 1997 in die Einrichtung aufgenommen worden. Der Aufenthalt der Mutter im Landeskrankenhaus Lüneburg zur Drogenentgiftung ab dem 23. Dezember 1997 habe der Vorbereitung ihrer Aufnahme gedient, die dann am 9. Januar 1998 erfolgt sei. Insofern sei der Aufenthalt beider Elternteile in Lüneburg schon seit dem 23. Dezember 1997 auf eine gewisse Dauer angelegt gewesen. Beide hätten vorher keine festen Wohnungen gehabt und die Kindesmutter habe ihren Wohnsitz in Hannover abgemeldet und sich in Lüneburg angemeldet. Außerdem habe nach Beendigung der stationären Therapie die Möglichkeit einer ambulanten Nachsorge bestanden, die von beiden Eltern auch in Anspruch genommen worden sei. In diesem Zeitraum habe sie für A. Kosten in Höhe von 468,75 EUR aufgewendet. Die Beklagte sei auch in dem Zeitraum vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 für die Gewährung von Leistungen an A. örtlich zuständig gewesen, weil beide Elternteile erneut ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten gehabt hätten, nachdem die Mutter am 8. Februar 1999 von Hannover in die Therapieeinrichtung F. zurückgekehrt sei. In diesem Zeitraum seien ihr Jugendhilfekosten in Höhe von 20.744,33 EUR entstanden. Die Beklagte habe auch keinen Gegenanspruch nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII in gleicher Höhe. Für die Bestimmung der Zuständigkeit komme es auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern an. Diese hätten vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Bereichen von zwei verschiedenen örtlichen Jugendhilfeträgern gehabt: der Kindesvater im Landkreis Hannover, die Kindesmutter im Bereich der Klägerin. Einen örtlichen Jugendhilfeträger im Sinne des § 89 e Abs. 1 SGB VIII gebe es daher nicht. Es lasse sich auch dem Gesetz nicht entnehmen, welcher der beiden erstattungspflichtig sein solle. Mit dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vertrete sie die Auffassung, dass kein Grund dafür ersichtlich sei, dass in diesem Fall nur einer der beiden betroffenen örtlichen Träger der Jugendhilfe zur Erstattung der gesamten Kosten verpflichtet sein solle, den anderen dagegen keine Erstattungspflicht treffe. Eine Kostenteilung sehe § 89 e Abs. 1 SGB aber nicht vor und würde im Übrigen § 89 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht entsprechen. Eine entsprechende Anwendung von § 86 Abs. 2 bis 4 SGB VIII zur Ermittlung des erstattungspflichtigen Trägers sei nicht gesetzeskonform. Vielmehr sei in einem solchen Fall § 89 e Abs. 2 SGB VIII anzuwenden, da ein örtlicher Träger nicht vorhanden sei. Als Kostenerstattungsschuldner komme daher nicht sie, sondern der überörtliche Jugendhilfeträger in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 23. Oktober 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Kind A. B. in der Zeit vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 und vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 erbrachte Jugendhilfeleistungen in Höhe von 21.213,08 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass die Erstattungspflicht nach § 89 e Abs. 2 SGB VIII den überörtlichen Träger nur dann treffe, wenn ein sonstiger kostenerstattungspflichtiger Träger nicht vorhanden sei. Klassische Fälle des nicht vorhandenen örtlichen Trägers seien solche, in denen ein vorheriger gewöhnlicher Aufenthalt nicht bestanden habe bzw. nicht ermittelbar sei. Die o.g. Vorschrift erfasse somit Fälle, in denen der Erstattungspflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ermittelbar sei, regele aber nicht Konstellationen, in denen lediglich aus Rechtsgründen fraglich sei, welcher von mehreren Trägern letztlich heranzuziehen sei. Ob zum Schutz des Einrichtungsortes eine extensive Auslegung des § 89 e Abs. 2 SGB VIII zielführend sei, erscheine zweifelhaft. Zweck der Vorschrift sei es offenkundig nicht, Kostentragungskonflikte mehrerer Erstattungspflichtiger zu lösen, sondern es handele sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Erstattungsberechtigten, welche verhindern solle, dass dieser auf seinen Kosten "sitzen bleibe". Dann aber wäre es widersinnig, wenn sich die Klägerin auf diese Vorschrift berufen könnte, um sich gegen ihren Erstattungsanspruch zu schützen. Eine solche Lösung liefe auch darauf hinaus, dass der Träger des Einrichtungsortes zunächst vorleisten müsste, weil er die eigenen Aufwendungen dem nach § 89 c SGB VIII erstattungsberechtigten Träger nicht entgegenhalten könnte. Um den Anwendungsbereich des § 89 e Abs. 1 SGB VIII zu konkretisieren, könne vielmehr auf die Zuständigkeitsregelungen des § 86 SGB VIII zurückgegriffen werden. Damit würde das Ziel des Gesetzgebers erreicht werden, die Kongruenz von Zuständigkeit und Kostenpflicht unter Schutz des Einrichtungsortes herzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Jugendhilfeleistungen in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Umfang von 21.213,08 EUR, welche sie in der Zeit vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 und vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 für das Kind A. B. erbracht hat, nicht verlangen kann.
Die Klägerin hat zwar einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die Geltendmachung dieses Kostenerstattungsanspruchs stellt aber eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die Kosten, die ein örtlicher Jugendhilfeträger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Jugendhilfeträger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Nach § 86 c SGB VIII ist der bisher zuständig gewesene örtliche Jugendhilfeträger solange zur Weitergewährung der Leistung verpflichtet, bis der zuständig gewordene örtliche Jugendhilfeträger die Leistung fortsetzt.
Der Klägerin sind durch die in den hier entscheidungserheblichen Zeiträumen vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 und vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 für das Kind A. B. erbrachten Jugendhilfeleistungen Kosten in Höhe von insgesamt 21.213,08 EUR entstanden. Bei der Hilfegewährung hat die Klägerin in dem Zeitraum vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 allerdings nicht in eigener Zuständigkeit, sondern lediglich im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII gehandelt. Denn die örtliche Zuständigkeit ist am 8. Februar 1999 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII von der Klägerin auf die Beklagte übergegangen, weil die Kindesmutter damals von Hannover in die Therapieeinrichtung F. in Lüneburg zurückgekehrt ist und damit dort - ebenso wie zuvor der Vater des Kindes - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten begründet hat.
Dass die Eltern in der Therapieeinrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, unterliegt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Zweifeln. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, zu dem sich für den hier zu beurteilenden Fall aus dem Achten Buch Sozialgesetzbuch Abweichendes nicht ergibt ( § 37 Satz 1 SGB I), hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet bis auf weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 5 C 46.01 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 1 u. v. 18.3.1999 - 5 C 11.98 -, Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 1; Senatsbeschl. v. 14.2.2008 - 4 LC 122/07 -). Davon ist hier bei den Aufenthalten der Eltern von A. in der Therapeutischen Wohngemeinschaft F. auszugehen. Beide Eltern sind zur Durchführung einer Drogenlangzeittherapie in die Einrichtung aufgenommen worden. Der Vater hat sich nach Verbüßung seiner Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Hannover seit dem 16. Dezember 1997 in der Einrichtung aufgehalten, die Mutter ist nach ihrer Entgiftung im Landeskrankenhaus am 9. Januar 1998 dorthin gezogen. Am 26. Januar 1998 ist auch A. von der Bereitschaftspflege in die Einrichtung gewechselt. Außerhalb der Einrichtung hatten die Eltern damals keine Wohnsitze mehr. Die Mutter hatte sich zum 30. Dezember 1997 aus Hannover abgemeldet. Folglich ist davon auszugehen, dass die Eltern ab dem 9. Januar 1998 ihren Lebensmittelpunkt in der Therapieeinrichtung in Lüneburg hatten. Sie haben sich dort auch im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufgehalten. In dem für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblichen Zeitpunkt der Aufnahme der Eltern in die Therapieeinrichtung stand weder fest, wie lange die Therapie dauern würde, noch ob sich daran eine Nachsorgebehandlung in Lüneburg anschließen würde. Auszugehen war allerdings von einem längeren Therapiezeitraum. Nach den Angaben der Jugendhilfe e. V. Lüneburg auf ihrer Internetseite dauert der stationäre Aufenthalt in ihren Einrichtungen ca. 10 Monate, an den sich eine ambulante Betreuung anschließt. Bei Eltern-Kind-Therapieprozessen in der Einrichtung F. sind die Therapiezeiten regelmäßig länger und betragen bis zu zwei Jahre. Daher war der Aufenthalt der Eltern in der Einrichtung auf eine gewisse Dauer angelegt. Dass die Mutter die Therapieeinrichtung am 23. Oktober 1998 verlassen und bis zum 7. Februar 1999 ihren gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Hannover genommen hat, wirkt sich auf den gewöhnlichen Aufenthalt in dem Zeitraum vom 8. Februar 1999 bis zum 31. August 1999 nicht aus. Denn die Mutter ist am 8. Februar 1999 in die Einrichtung zurückgekehrt, hat bis zum 8. Februar 2000 die Drogenlangzeittherapie fortgesetzt und damit dort erneut ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet.
Eine andere Beurteilung ist allerdings für den Zeitraum vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 geboten. In diesem Zeitraum war die Beklagte für die Hilfegewährung noch nicht zuständig, so dass die Klägerin insofern auch keine Kostenerstattung nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verlangen kann. Die Auffassung der Klägerin, die Kindesmutter habe bereits mit ihrer Aufnahme in das Landeskrankenhaus Lüneburg am 23. Dezember 1997 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Lüneburg begründet, ist unzutreffend. Der Aufenthalt im Landeskrankenhaus ist lediglich zum Zweck der Entgiftung erfolgt und war daher von vornherein auf kurze Zeit angelegt. Die Klägerin war bis zum 29. Dezember 1997 auch noch in Hannover unter ihrer bisherigen Anschrift gemeldet. Zwar beabsichtigte sie, in der Therapieeinrichtung in F. eine Drogenlangzeittherapie durchzuführen. Nach dem an die Klägerin gerichteten Schreiben der Jugendhilfe e. V. Lüneburg vom 2. Januar 1999 war Voraussetzung für ihre Aufnahme in die Einrichtung jedoch eine Kostenzusage bezüglich der Unterbringung ihrer Tochter A., die damals noch nicht vorlag. Die Jugendhilfe e. V. Lüneburg hat in diesem Schreiben außerdem darauf hingewiesen, dass sich die Kindesmutter nach der Entgiftung im Landeskrankenhaus abgesehen von einem kurzen Besuch bei Herrn E. weiterhin in Hannover aufhalte. Da ein unter der Anschrift des Landeskrankenhauses an die Mutter gerichtetes Telefax-Schreiben der Klägerin vom 30. Dezember 1997 an die Therapieeinrichtung F. weitergeleitet worden ist, ist davon auszugehen, dass sich die Mutter jedenfalls ab dem 30. Dezember 1997 nicht mehr im Landeskrankenhaus aufgehalten hat. Angesichts dieser Umstände besteht kein Grund für die Annahme, Frau B. habe sich in dem Zeitraum vom 23. bis zum 31. Dezember 1997 bis auf weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs in Lüneburg aufgehalten und dort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gehabt. Folglich
kann nicht von der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bereich der Beklagten in diesem Zeitraum ausgegangen werden.
Die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII durch die Klägerin für die von ihr im Zeitraum vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 erbrachten Jugendhilfeleistungen stellt jedoch eine unzulässige Rechtsausübung analog § 242 BGB im Hinblick darauf dar, dass die Klägerin nichts fordern darf, was sie sogleich wieder an die Beklagte zurückzuerstatten hätte (vgl. hierzu u. a. BGH, Urt. v. 29.4.1985 - 11 ZR 146/84 -, BGHZ 94, 240, undUrt. v. 21.12.1989 - X ZR 30/89 -, BGHZ 110, 30 [BGH 21.12.1989 - X ZR 30/89]). Dieser Grundsatz kommt hier zur Anwendung, da die Beklagte nach der Erstattung der Kosten an die Klägerin gegen diese einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hätte, so dass die Klägerin den ihr erstatteten Betrag gleich wieder an die Beklagte zurückzahlen müsste.
Nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist, wenn sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen richtet und dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden ist, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine andere Familie oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Danach hätte die Beklagte gegen die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch, wenn sie der Klägerin die von ihr aufgewandten Kosten erstatten würde. Dies ergibt sich aus folgendem:
Kostenerstattung nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII kann nicht nur für unmittelbare Hilfeleistungen, sondern auch für Kosten begehrt werden, die der Jugendhilfeträger zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines anderen Jugendhilfeträgers nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgewendet hat. Der entgegenstehenden Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 1.9.2005 - 12 B 02.2455 -, FEVS 57, 369) kann nicht gefolgt werden. Voraussetzung für den Anspruch nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist nicht, dass der aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts in einer geschützten Einrichtung zuständige örtliche Jugendhilfeträger selbst oder mit Hilfe Dritter Jugendhilfeleistungen erbracht hat, sondern dass er aufgrund dieser Zuständigkeit Kosten aufgewendet hat. Kosten aufgrund der durch den gewöhnlichen Aufenthalt in einer geschützten Einrichtung in seinem Bereich begründeten örtlichen Zuständigkeit entstehen dem Jugendhilfeträger aber nicht nur durch eigene Jugendhilfeleistungen, sondern auch dadurch, dass er gerade wegen dieser Zuständigkeit die Kosten für Jugendhilfeleistungen eines anderen Jugendhilfeträgers nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstatten muss.
Dieser Auslegung des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII steht die Regelung des § 89 f SGB VIII nicht entgegen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in der o.g. Entscheidung zwar die Rechtsauffassung vertreten, dass § 89 f Abs. 1 SGB VIII die Kostenerstattung nur zulasse, soweit die Erfüllung der Aufgaben dem SGB VIII entspreche, die Erstattung von Kosten aber keine Erfüllung von Aufgaben sei, die der Gesetzgeber in § 2 SGB VIII aufgeführt habe, so dass der im allgemeinen Erstattungsrecht der Leistungsträger in §§ 102 ff. SGB X enthaltene Grundsatz, dass Erstattung nur für erbrachte Sozialleistungen gewährt werde, ebenso wie im Sozialhilferecht gelte. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. April 2007 (- 5 C 25.05 -, BVerwGE 128, 301) zum Kostenerstattungsanspruch nach § 89 a SGB VIII entschieden hat, engt § 89 f SGB VIII den Begriff der aufgewendeten Kosten aber nicht auf die Kosten ein, die ein Jugendhilfeträger als Leistungserbringer aufgewendet hat, und schließt folglich nicht die Kosten aus, die ein Jugendhilfeträger für eine Erstattung an einen anderen Jugendhilfeträger, der statt seiner Jugendhilfe geleistet hat, aufgewendet hat. § 89 f SGB VIII regelt allein den Umfang der Kostenerstattung abhängig vom Ausmaß der Aufgabenerfüllung, bestimmt aber nicht, wer die Aufgabe erfüllt haben muss, und damit auch nicht, dass nur der Jugendhilfeträger erstattungsberechtigt sei, der die Jugendhilfeleistung selbst erbracht hat.
Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur Begründung seiner Auffassung weiter darauf verwiesen hat, dass auch bei der Durchgriffsregelung des § 89 a Abs. 2 SGB VIII keine Erstattungsleistungen erstattet würden, sondern dass § 89 a Abs. 2 SGB VIII die Erstattung von Kosten gewähre, die bei der Durchführung der Vollzeitpflege entstanden seien, und damit innerhalb des Systems des Erstattungsrechts bleibe, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 5.4.2007, a.a.O.) entschieden, dass § 89 a Abs. 2 SGB VIII nicht gegen, sondern für die Möglichkeit spricht, nach § 89 a Abs. 1 SGB VIII Erstattung für Kosten zu verlangen, die zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs aufgewendet worden seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass sich aus § 89 a Abs. 2 SGB VIII ergibt, dass zumindest im Fall des § 89 a SGB VIII ein Anspruch auf Erstattung von aufgewendeten Kosten für eine vorangegangene Erstattung bestehen kann, da diese Vorschrift zeigt, dass das Gesetz ein Nacheinander von Erstattungen für zulässig hält. Denn nur bei Erstattungen in Folge, wie in § 89 a Abs. 2 SGB VIII geregelt, kann eine Durchgriffserstattung angeordnet werden.
Dass § 89 e SGB VIII keine § 89 a Abs. 2 SGB VIII entsprechende Regelung über eine Durchgriffserstattung enthält, schließt die Erstattung von aufgewendeten Kosten für eine vorangegangene Erstattung nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII im Rahmen des § 89 e SGB VIII nicht aus. Denn die Durchgriffserstattung betrifft nur den Fall, dass neben dem leistenden Jugendhilfeträger und dem erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger ein dritter Jugendhilfeträger beteiligt ist, der seinerseits gegenüber dem zunächst zur Kostenerstattung verpflichteten Träger erstattungspflichtig ist, und verkürzt die Erstattungskette, indem der leistende Jugendhilfeträger unmittelbar von dem dritten Jugendhilfeträger Kostenerstattung verlangen kann. Das Fehlen einer entsprechenden Sonderregelung bedeutet aber nicht, dass für Erstattungsleistungen nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keine Kostenerstattung verlangt werden kann. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in der o.a. Entscheidung die Durchgriffserstattung nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII nur als zusätzliches Argument für die Erstattungsfähigkeit von Erstattungsleistungen angesehen.
Maßgebend ist vielmehr, dass die Auslegung des § 89 e SGB VIII nach Sinn und Zweck der Regelung dafür spricht, dass der aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts in einer geschützten Einrichtung zuständige Jugendhilfeträger für Kosten, die er wegen dieser Zuständigkeit einem anderen Jugendhilfeträger nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattet hat, seinerseits Kostenerstattung nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII beanspruchen kann. Sinn und Zweck des § 89 e Abs. 1 SGB VIII ist der Schutz der Einrichtungsorte, d.h. es soll verhindert werden, dass kommunale Gebietskörperschaften, in deren Einzugsbereich sich Einrichtungen befinden, in denen Kinder, Jugendliche oder ihre Eltern einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, im Verhältnis zu kommunalen Gebietskörperschaften ohne eine solche Infrastruktur überproportional finanziell belastet werden. Dabei bezweckt § 89 e Abs. 1 SGB VIII die Sicherung eines lückenlosen Schutzes der Einrichtungsorte auf der Erstattungsebene. Der Schutz der Einrichtungsorte ist ausnahmslos zu gewährleisten, entweder im Rahmen der Regelungen über die örtliche Zuständigkeit oder durch Komplettierung der an Ortsnähe und Effektivität der Jugendhilfe orientierten Zuständigkeitsnorm durch eine den Schutz der Einrichtungsorte sichernde Erstattungsnorm. Dies kommt deutlich auch in der Gesetzesbegründung zu § 89 e SGB VIII zum Ausdruck, die beide Ausgestaltungen dieses Schutzes ohne irgendeinen Hinweis auf denkbare Ausnahmen wiedergibt und die Kostenerstattung für alle die Fälle für maßgeblich erklärt, in denen das Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt zu einer Kostenbelastung des Einrichtungsortes führt (BVerwG, Urt. v. 22.11.2001 - 5 C 42.01 -, BVerwGE 115, 251 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 12/2866, S. 25). Ein solcher umfassender Schutz der Einrichtungsorte könnte aber dann nicht erreicht werden, wenn der Anspruch nach § 89 e SGB VIII nicht auch nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgewendete Erstattungsleistungen umfassen würde. Denn sonst würde der aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts zuständig gewordene und nach § 89 c Abs. 1 SGB VIII erstattungspflichtige Jugendhilfeträger trotz des mit § 89 e SGB VIII bezweckten Schutzes der Einrichtungsorte auf den Kosten "sitzen bleiben".
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass Aufwendungen nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII nicht unter die nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII zu erstattenden Kosten fallen würden. Nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII hat, wenn der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet hat, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 EUR, zu erstatten. Dieser Zuschlag dient dazu, den örtlich zuständig gewordenen Jugendhilfeträger zu pflichtgemäßem Handeln anzuhalten, und ist zusätzlich zu dem vom vorleistenden Jugendhilfeträger für die Jugendhilfemaßnahme aufgewendeten Betrag zu zahlen. Da der Zuschlag nach § 89 c Abs. 2 SGB VIII somit nicht zu den für die Hilfegewährung aufgewendeten Sachkosten gehört, kann dafür auch keine Erstattung nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII verlangt werden.
Im Falle einer Kostenerstattung durch die Beklagte wären auch die Voraussetzungen des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für eine Kostenerstattung erfüllt.
Die Zuständigkeit für die A. B. in der Zeit vom 8. Februar bis zum 31. August 1999 gewährten Jugendhilfeleistungen hat sich gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Eltern gerichtet. Denn mit der erneuten Aufnahme der Kindesmutter in die Therapieeinrichtung F. am 8. Februar 1999, in der sich bereits der Kindesvater aufhielt, haben beide Eltern wieder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten gehabt, so dass die Zuständigkeit der Klägerin nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, die sich aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der personensorgeberechtigten Kindesmutter im Bereich der Klägerin ergab, geendet hat und die Beklagte erneut nach § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für den Hilfefall zuständig geworden ist. Der hier maßgebliche Aufenthalt der Eltern ist auch in einer Einrichtung nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII begründet worden. Denn bei der von der Jugendhilfe e.V. Lüneburg betriebenen Therapeutischen Gemeinschaft F. handelt es sich um eine Einrichtung zur familienorientierten Drogenlangzeittherapie und damit unstreitig um eine Einrichtung im Sinne des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.
Der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten würde sich auch gegen die Klägerin richten. Nach dem Wortlaut des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII soll der Jugendhilfeträger kostenerstattungspflichtig sein, in dessen Bereich die Person, deren gewöhnlicher Aufenthalt für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich ist, vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Wenn sich allerdings, wie im vorliegenden Fall die örtliche Zuständigkeit für die Jugendhilfemaßnahme nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern richtet, gibt es nicht nur eine Person, sondern zwei Personen, auf deren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung es ankommen kann. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. September 2006 (- 5 B 8.06 -) ausgeführt hat, hierbei handele es sich allenfalls um ein sprachliches Problem, weil bei der Gesetzesformulierung versäumt worden sei, für die im Halbsatz 1 der Bestimmung einmal im Plural ("die Eltern") und dreimal im Singular ("eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen") genannten, für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Bezugspersonen in Halbsatz 2 neben dem Singular auch die Pluralform (für die "Eltern") zu verwenden, was etwa durch eine alternative Formulierung wie "die Person bzw. die Personen" unschwer möglich gewesen wäre, führt eine dementsprechende Erweiterung des Wortlauts nur dann zu einem eindeutigen Ergebnis, wenn beide Eltern vor der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich desselben örtlichen Jugendhilfeträgers hatten. Hatten dagegen die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung in den Bereichen von zwei verschiedenen örtlichen Jugendhilfeträgern begründet, gibt es zwei mögliche erstattungspflichtige Jugendhilfeträger und lässt sich § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht entnehmen, welchen von ihnen die Kostenerstattungspflicht treffen soll. Denn der Gesetzgeber hat in § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII einerseits als maßgebliche Bezugspersonen ausdrücklich auch die Eltern genannt und damit deutlich gemacht, dass bei Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den Aufenthalt der Eltern Kostenerstattung nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfolgen soll, andererseits auf der Rechtsfolgenseite aber nicht geregelt, wie verfahren werden soll, wenn die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die geschützte Einrichtung in den Bereichen von zwei verschiedenen örtlichen Jugendhilfeträgern begründet hatten. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Kindesmutter hatte vor der erneuten Aufnahme in die Therapieeinrichtung am 8. Februar 1999 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hannover und damit im Bereich der Klägerin begründet, während der Kindesvater vor der Aufnahme in die Einrichtung seinen letzten nicht in einer geschützten Einrichtung im Sinne des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII begründeten gewöhnlichen Aufenthalt in Wedemark im Landkreis Hannover hatte.
Bei einer derartigen Konstellation besteht eine Regelungslücke, die auch durch § 89 e Abs. 2 SGB VIII nicht geschlossen wird. Diese Bestimmung, derzufolge, wenn ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden ist, die Kosten von dem überörtlichen Träger zu erstatten sind, zu dessen Bereich der erstattungsberechtigte örtliche Träger gehört, erfasst nach Wortlaut, Sinn und Zweck nämlich nur den Fall, dass gar kein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger der Jugendhilfe vorhanden ist, und nicht den Fall, dass es nicht einen, sondern zwei örtliche Jugendhilfeträger gibt.
Diese Regelungslücke, die vom Gesetzgeber nicht gewollt und damit planwidrig ist, ist durch entsprechende Anwendung von § 86 Abs. 2 SGB VIII zu schließen (so auch: Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 3. Aufl., § 89 e Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.6.2005 - 12 A 3191/04 -; vgl. auch Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., Stand: Dezember 2007, Erl. KJHG Art. 1 § 89 e Rn. 30; a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.6.2005 - 12 A 10328/05 -).
Sinn und Zweck des § 89 e Abs. 1 SGB VIII ist - wie bereits ausgeführt - der Schutz der Einrichtungsorte, d.h. es soll verhindert werden, dass kommunale Gebietskörperschaften, in deren Einzugsbereich sich Einrichtungen befinden, in denen Kinder, Jugendliche oder ihre Eltern einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, im Verhältnis zu kommunalen Gebietskörperschaften ohne eine solche Infrastruktur überproportional finanziell belastet werden. Dabei bezweckt § 89 e Abs. 1 SGB VIII die Sicherung eines lückenlosen Schutzes der Einrichtungsorte auf der Erstattungsebene. Der Schutz der Einrichtungsorte ist ausnahmslos zu gewährleisten: entweder im Rahmen der Regelungen über die örtliche Zuständigkeit oder durch Komplettierung der an Ortsnähe und Effektivität der Jugendhilfe orientierten Zuständigkeitsnorm durch eine den Schutz der Einrichtungsorte sichernde Erstattungsnorm (BVerwG, Urt. v. 22.11.2001 - 5 C 42.01 -, BVerwGE 115, 251; vgl. auch Begründung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 12/2866, S. 25). Dabei soll die Kostenerstattung gemäß § 89 e SGB VIII in erster Linie nach Absatz 1 der Vorschrift durch den örtlichen Jugendhilfeträger, in dessen Bereich die betreffende Person vor der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nur subsidiär nach Absatz 2 durch den überörtlichen Jugendhilfeträger erfolgen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 12/2866, S. 25). Schon Wortlaut und Aufbau des § 89 e SGB VIII sprechen somit dafür, dass, solange ein aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts zuständiger örtlicher Jugendhilfeträger vorhanden ist bzw. ein solcher nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln ermittelt werden kann, dieser nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII heranzuziehen und nicht etwa § 89 e Abs. 2 SGB VIII erweiternd auszulegen ist (so auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.6.2005 - 12 A 3191/04 -). Kostenerstattung nach § 89 e Abs. 2 SGB VIII kommt daher nur dann in Betracht, wenn kein erstattungspflichtiger örtlicher Jugendhilfeträger vorhanden ist, weil die betreffende Person vor der Aufnahme in die Einrichtung keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet hatte oder ein solcher nicht ermittelt werden kann und die Zuständigkeit eines örtlichen Jugendhilfeträgers daher nicht an einen gewöhnlichen Aufenthalt, sondern nur an den tatsächlichen Aufenthalt geknüpft werden könnte (vgl. Kunkel, LPK-BSHG, 3. Aufl., § 89 e Rn. 5).
Dass der überörtliche Träger der Jugendhilfe nur bei fehlendem gewöhnlichen Aufenthalt erstattungspflichtig sein soll, zeigt auch der Vergleich mit den Erstattungsvorschriften der §§ 89 und 89 b SGB VIII. § 89 SGB VIII führt einen Kostenausgleich in den Fällen herbei, in denen ein örtlicher Jugendhilfeträger einem Leistungsberechtigten bzw. dessen Kind oder Jugendlichem ohne gewöhnlichen Aufenthalt Leistungen gewährt. Da sich seine Zuständigkeit mehr oder weniger zufällig aus dem tatsächlichen Aufenthalt ergibt und zu ungleichmäßigen Kostenbelastungen führen kann, sieht diese Vorschrift eine Kostenerstattung durch den überörtlichen Jugendhilfeträger vor. Auch § 89 b Abs. 2 SGB VIII verpflichtet den überörtlichen Jugendhilfeträger nur dann zur Kostenerstattung, wenn die Zuständigkeit nicht an einen gewöhnlichen Aufenthalt geknüpft werden kann, sondern lediglich der tatsächliche Aufenthalt in Betracht kommt.
Zur Ermittlung des erstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträgers im vorliegenden Fall ist es sachgerecht, § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII entsprechend heranzuziehen. Zwar regelt § 86 SGB VIII unmittelbar nur die örtliche Zuständigkeit für Leistungen. Da mit der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII aber auch gleichzeitig der Kostenträger festgelegt wird und die Kostenerstattungsregelungen nach §§ 89 ff. SGB VIII dem Ausgleich einer unangemessenen Kostenbelastung bestimmter örtlicher Jugendhilfeträger dienen, besteht zwischen den Zuständigkeitsbestimmungen und den Erstattungsregelungen ein enger sachlicher Zusammenhang. Dies zeigt auch die Regelung des § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, durch die die Kostenlast vom Einrichtungsort auf den Ort des vorangehenden gewöhnlichen Aufenthalts der maßgeblichen Person verlagert wird. Danach ist der örtliche Jugendhilfeträger kostenerstattungspflichtig, der aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der maßgebenden Person in seinem Bereich örtlich zuständig gewesen wäre, wenn diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer geschützten Einrichtung (im Bereich eines anderen Jugendhilfeträgers) begründet hätte.
Welcher Jugendhilfeträger bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile örtlich zuständig ist, ergibt sich aus § 86 Abs. 2 SGB VIII. Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist, wenn die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben, der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da die Kostenerstattungspflicht nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gerade den zuständigen örtlichen Träger des vorangegangenen gewöhnlichen Aufenthalts treffen soll, ist es gerechtfertigt, den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger ebenfalls nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu bestimmen. Dass die analoge Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII dem nach der Gesetzessystematik gewollten Ineinandergreifen von Zuständigkeits- und Erstattungsregelungen entspricht, zeigt auch der Vergleich mit § 89 b Abs. 1 SGB VIII, der zur Bestimmung des zuständigen erstattungspflichtigen Jugendhilfeträgers ausdrücklich auf den die Zuständigkeit für Leistungen regelnden § 86 SGB VIII Bezug nimmt.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 2. Juni 2005 (12 A 10328/05) ausgeführt hat, es sei kein Grund dafür ersichtlich, dass nur einer der beiden betroffenen örtlichen Träger der Jugendhilfe zur Erstattung der gesamten Kosten verpflichtet sein soll, kann dem nach den vorstehenden Ausführungen nicht gefolgt werden. Hinzu kommt, dass ebenso wie nur ein Jugendhilfeträger für eine Leistung zuständig ist, auch die Erstattungsvorschriften nach §§ 89 ff. SGB VIII stets nur die Erstattung der Kosten durch einen Jugendhilfeträger vorsehen, d. h. durch die Kostenerstattung wird die Kostenbelastung von einem auf einen anderen Jugendhilfeträger verlagert und nicht etwa zwischen mehreren Jugendhilfeträgern aufgeteilt.
Die entsprechende Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII würde hier zur Erstattungspflicht der Klägerin im Falle einer Kostenerstattung durch die Beklagte führen. Die Kindesmutter war allein personensorgeberechtigt, so dass nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vor dem Eintritt in die geschützte Einrichtung ihr gewöhnlicher Aufenthalt und nicht der des Kindesvaters für die Bestimmung des örtlich zuständigen Jugendhilfeträgers maßgebend ist. Außerdem lag der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Kindesmutter vor der erneuten Aufnahme in die Therapieeinrichtung in Hannover und damit im Bereich der Klägerin.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 VwGO, §§ 206 Abs. 1 SGG, 188 Satz 2, 2. Halbsatz VwGO in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung. Die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Änderung des § 188 Satz 2 VwGO, nach der die vormals bestehende Gerichtskostenfreiheit für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern entfallen ist, betrifft auch das vorliegende, im Jahre 2003 anhängig gewordene Berufungszulassungsverfahren. Dies folgt aus§ 194 Abs. 5 VwGO, wonach § 188 Satz 2 VwGO für die ab dem 1. Januar 2002 bei Gericht anhängig werdenden Verfahren in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden ist. Dabei ist unter der Formulierung "bei Gericht anhängig" nicht Rechtshängigkeit (§ 90 VwGO), sondern Anhängigkeit bei der jeweiligen Gerichtsinstanz zu verstehen (BVerwG, Beschl. v. 5.5.2004 - 5 KS 1.04 (5 C 54.02) - m.w.N.).