Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.01.2017, Az.: S 26 AY 2/17 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
17.01.2017
Aktenzeichen
S 26 AY 2/17 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 25481
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.11.2016 anzuordnen, wird abgelehnt.

  2. 2.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Sofortvollzug eines Bescheides, mit welchem die Einweisungsverfügung in eine Gemeinschaftsunterkunft aufgehoben und der Antragsteller unter gleichzeitiger Zuweisung einer neuen Unterkunft zum Verlassen der bislang zugewiesenen Unterkunft verpflichtet wird.

Der am D. 1990 geborene Antragsteller ist sudanesischer Staatsangehöriger und reiste erstmals am 21.08.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zum 30.09.2014 wurde er von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - Standort Braunschweig - dem Antragsgegner zugewiesen, von welchem er seitdem Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhält. Er wohnt aufgrund einer Einweisungsverfügung des Antragsgegners vom 29.09.2014 in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Gemeinde E ...

Mit Bescheid vom 15.11.2016 erließ der Antragsgegner eine Umsetzungsverfügung, mit welcher er seine Einweisungsverfügung vom 29.09.2014 aufhob und den Antragsteller unter Zuweisung einer Unterkunft in der Gemeinde F. zum sofortigen Verlassen der bislang zugewiesenen Unterkunft aufforderte; zugleich ordnete er für diese Maßnahmen Sofortvollzug an und drohte ihm für den Fall, dass er die Verfügung nicht befolgt, die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Zur Begründung wird ausgeführt, durch regelwidriges Verhalten habe der Antragsteller den Hausfrieden in der Unterkunft gestört und ein weiteres Zusammenleben mit ihm sei dort nicht möglich. Wenn er sich weiterhin darin aufhalte, sei eine weitere Belegung mit anderen Personen ausgeschlossen. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung sei das öffentliche Interesse an einem Umzug höher zu werten als sein privates Interesse an der Beibehaltung des Wohnsitzes.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16.11.2016 hat der Antragssteller Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Lüneburg erhoben (Aktenzeichen 6 A 494/16) und dort zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt (Aktenzeichen 6 B 113/16). Mit Beschlüssen vom 15.12.2016 hat das Verwaltungsgericht Lüneburg den Verwaltungsrechtsweg für nicht gegeben angesehen und die Rechtsstreitigkeiten an das Sozialgericht (SG) Lüneburg verwiesen.

Nach Auffassung des Antragstellers ist der Bescheid vom 25.11.2016 rechtswidrig und hat er zu keinem Zeitpunkt den Hausfrieden in der Unterkunft gestört. Ihm sei nicht bekannt, was ihm überhaupt vorgeworfen werde. Der angefochtene Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung. In K. besuche er einen Deutschkurs. Es spiele keine Rolle, dass für künftige Unterbringungen gesorgt werden soll; zudem könnten auch die künftig unterzubringenden Personen in F. untergebracht werden.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen und beantragt dessen Ablehnung. Nach seiner Auffassung können die ständigen Störungen des Hausfriedens durch den Antragsteller nicht länger hingenommen werden, auch um die anderen Bewohner der Unterkunft hiervor zu schützen und ihnen ein (möglichst) störungsfreies Wohnen zu ermöglichen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Das SG entscheidet vorliegend aufgrund der erfolgten Verweisung, die gemäß § 17 a Abs. 2 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bindend ist, obwohl für Streitigkeiten der vorliegenden Art der Sozialrechtsweg nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht gegeben ist. Die Beteiligten streiten nicht über Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und auch nicht über die Art der Leistungsgewährung (Sachleistung) einer nach dem AsylbLG zu erbringenden Leistung; vielmehr wendet sich der Antragsteller gegen eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung erlassen wurde. Es handelt sich damit um keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit des Asylbewerberleistungsgesetzes, die nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen ist, sondern um eine ordnungsrechtliche Angelegenheit, die gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden ist (wie hier: Frerichs in Schlegel/Voelzke in PK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung Rd.145.3; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.08.2015, Az.: L 20 AY 50/15 B Rd. 13 - ; VG Aachen, Urteil vom 28.11.2005, Az.: 6 L 823/05 - ).

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Durch Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) in dem angefochtenen Bescheid vom 15.11.2016 kommt der vom Antragsteller eingereichten Klage keine aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG zu; dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Zulässigkeit einer sozialgerichtlichen Anfechtungsklage die vorherige Durchführung eines Vorverfahrens voraussetzt, sodass die erhobene Klage zugleich als Widerspruch gegen die angefochtene Entscheidung anzusehen sein wird, über welchen von der zuständigen Widerspruchsbehörde zu entscheiden ist. Der vorläufige Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug richtet sich nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das SG, das nach Verweisung des Rechtsstreits auch im einstweiligen Rechtsschutz das Gericht der Hauptsache ist, liegen nicht vor. Das SG prüft, ob die Anordnung formell und materiell rechtmäßig getroffen worden ist; darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu beachten. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, ist in der Regel die aufschiebenden Wirkung anzuordnen, da an der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches oder überwiegendes privates Interesse bestehen kann. Umgekehrt besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse oder privates Interesse an der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der Folgen für die jeweiligen Beteiligten an der Aufrechterhaltung der angeordneten sofortigen Vollziehung zu erfolgen, wobei geringere Anforderungen an das Aussetzungsinteresse zu stellen sind, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12i m.w.N.)

Hiervon ausgehend erweist sich die Anordnung des Sofortvollzuges vorliegend als rechtmäßig. Die Anordnung ist formell und materiell wirksam, insbesondere ist sie ausreichend begründet. In dem angefochtenen Bescheid ist zur Begründung der Verfügung ausgeführt, dass das regelwidrige Verhalten des Antragstellers den Hausfrieden stört und damit ein weiteres Zusammenleben mit ihm in der Unterkunft nicht möglich ist; darüber hinaus wird der Sofortvollzug damit begründet, dass der zuständigen Behörde es möglich sein muss, unverzüglich auf Bedrohungs- und Gefährdungssituationen zu reagieren. Auch wenn die Formulierung allgemein gehalten ist wird daraus hinreichend deutlich, dass der Antragsgegner aufgrund einer prognostischen Entscheidung die gegenwärtige Situation als gefährlich für die Sicherheit und Ordnung in der Gemeinschaftsunterkunft einstuft, was für eine ordnungsgemäße Begründung des Sofortvollzuges ausreichend ist. Hinzukommt, dass dem Antragsteller die einzelnen gegen ihn erhobenen Vorwürfe, welche die Verfügung rechtfertigen (insbesondere das Versperren der Fluchtwege, Empfang von in der Unterkunft nicht lebenden Personen, fehlende Reinigung der Gemeinschaftsküchen, fehlende Befolgung der Anweisungen des Hausmeisters u.a.), in einem persönlichen Gespräch am 17.11.2016 mitgeteilt worden sind.

Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt die Interessen des Antragstellers an einer Beibehaltung seiner bisherigen Unterkunft, zumal der Rechtsbehelf nach dem gegenwärtigem Sach- und Streitstand in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes insoweit maßgebenden Aktenlage war seine Umsetzung in eine andere Unterkunft erforderlich, nachdem er mehrfach gegen die Hausordnung verstoßen und Anweisungen des Hausmeisters missachtet hat. Ferner wurden Küchen von ihm nicht gereinigt und hat er es zumindest versucht, mit anderen Asylbewerbern die "Vorherrschaft" über andere Sudanesen in der Unterkunft an sich zu reißen, und wurden Bitten und Anweisungen des Hausmeisters von ihm ignoriert. Aufgrund dieser in der Verwaltungsakte dokumentierten Vorkommnisse ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass ein weiteres geregeltes Zusammenleben in dieser Form nicht möglich und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der von ihm bewohnten Gemeinschaftsunterkunft, insbesondere im Hinblick auf Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Bewohner sowie zur Verhinderung einer Eskalation, seine Unterbringung in einer anderen Unterkunft geradezu unumgänglich war. Auch wenn es für ihn mit Nachteilen verbunden ist, sich in ein neues Wohnumfeld einzuleben und seinen Deutschkurs von der neuen Unterkunft aus zu erreichen bzw. einen Deutschkurs an einem anderem Ort aufzusuchen, müssen diese Nachteile von ihm hingenommen werden, zumal er selbst (gegebenenfalls mit anderen Personen zusammen) die Ursache für die erforderliche Umsetzung gesetzt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG.