Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.12.1996, Az.: 5 U 154/96

Regulierung eines Schadens auf Neuwagenbasis; Ersatzansprüche bei Beschädigungen neuwertiger Kraftfahrzeuge; Im Regelfall anzuerkennende Höchstgrenze der Neuwertigkeit eines Kraftfahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.12.1996
Aktenzeichen
5 U 154/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21444
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:1217.5U154.96.0A

Fundstellen

  • MDR 1997, 349-350 (Volltext mit red. LS)
  • zfs 1997, 136-137 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Abrechnung auf Neuwagenbasis bei einem Karosserieschaden i. H. v. mindestens 2.500 DM bei einem 1 Monat alten PKW und einer Laufleistung von 1 Monat.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt nach einem Verkehrsunfall Regulierung ihres Schadens auf Neuwagenbasis. Die Einstandspflicht der Beklagten zu 100 % ist außer Streit.

2

Der am 20.2.1996 als Neufahrzeug zugelassene Pkw der Klägerin wurde am 21.3.1996 bei einer Laufleistung von 750 km bei einem Ausparkmanöver des Beklagten zu 1) beschädigt.

3

Die Klägerin muss für einen gleichwertigen Neuwagen 35.870,- DM aufwenden. Die Beklagten zahlten lediglich am 29.5.1996 einen Betrag von 2.553,46 DM, den ein von ihnen beauftragter Sachverständiger für eine Reparatur ermittelt hatte.

4

Die Klägerin gibt den Reparaturaufwand mit 3.000,- DM bis 4.000,- DM an.

5

Die Beklagten lehnen eine Abrechnung auf Neuwagenbasis ab, weil es sich nur um einen Bagatellschaden handele.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die begehrte Abrechnung nur bei einer hier nicht gegebenen erheblichen Beschädigung möglich sei.

7

Mit der dagegen gerichtete Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im vollem Umfang weiter.

8

...

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.

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Weitere Aufklärung über den Reparaturaufwand, den merkantilen Minderwert und die Möglichkeit eines vollständigen Reparaturerfolges, insbesondere was die zu erreichende Farb- und Lackidentität anlangt, bedarf es nicht. Die Klägerin ist auch bei dem von den Beklagten zugrundegelegten Schadensbild zu einer Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis berechtigt.

11

Es ist in Rechtsprechung und Lehre einhellig anerkannt, dass der auf Herstellung des früheren Zustandes (Naturalrestitution) gerichtete Ersatzanspruch gem. § 249 BGB bei Beschädigungen neuwertiger Kraftfahrzeuge dem Geschädigten eine Entschädigung nach den Beschaffungskosten eines Neuwagens gewährt, wenn und weil die allgemeine Wertschätzung eines Neuwagens die eines auch fachgerecht instand gesetzten Wagens übersteigt, was sich im Wert niederschlägt (vgl. nur BGH VersR 1976, 733 f;  1982, 183;  1983, 658;  1984, 46; OLG Nürnberg NJW RR 1995, 919; BerrRechtspr. Übersicht DAR 1990, 313 ff; Palandt/Heinrich, BGB, 55. Aufl., § 251 Rn. 14 jeweils mit vielen weiteren Nachweisen). Ein solcher unfallbedingter Wertverlust ist in diesen Fällen auch nicht durch eine erhöhte Wertminderung auszugleichen. Der reparierte Wagen entspricht unter dem Gesichtspunkt voller Schadensausgleichspflicht auch mit einem zusätzlichen ausgleichenden Geldbetrag nicht einem völlig neuwertigen Wagen. Aus diesem Grunde braucht sich der Geschädigte dann nicht auf die Reparaturkosten zzgl. Wertminderungsausgleich verweisen zu lassen, wenn sein neuwertiges Kraftfahrzeug nicht unerheblich beschädigt wird und auch sonst keine Umstände gegeben sind, nach denen er gem. §§ 251 S. 1, 242 BGB billigerweise auf diese Schadensberechnung zu verzichten hat.

12

Nach Fahrleistung und Gebrauchsdauer hatte der Pkw der Klägerin die im Regelfall anzuerkennende Höchstgrenze der Neuwertigkeit (1000 km/1 Monat), an der es festzuhalten gilt, wesentlich unterschritten (Laufleistung) bzw. nicht überschritten (Laufzeit). Umstände, die es gebieten könnten von dieser Regelgrenzziehung abzuweichen, sind nicht ersichtlich.

13

Der Versuch der Beklagten, den Karosserieschaden als nicht erheblichen (Bagatell-) Schaden darzustellen, bleibt erfolglos. Nach der Schwere des Schadens, gemessen am Reparaturaufwand, der selbst nach den Vorstellungen der Beklagten 2.500,- DM übersteigt, zzgl. einer bislang von ihnen nicht angesprochenen, aber gewiss nicht zu vernachlässigenden Wertminderung, wie auch an dem Zustand des Fahrzeugs nach einer Reparatur, kann nicht von einer so geringen Beschädigung ausgegangen werden, dass eine Neuwagenabrechnung unzumutbar erscheint. Der Beklagte zu 1) ist dem Pkw der Klägerin hinten links in die Seite gefahren. Das erfordert selbst nach dem Parteigutachten der Beklagten zu 2) jedenfalls Lackierungsarbeiten an der auszuwechselnden Tür hinten links wie auch Reparaturarbeiten einschließlich Lackierungen an der Seitenwand des Fahrzeuges.

14

Es beschränkt sich eben nicht auf eine bloße unerhebliche Auswechselung von Teilen, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Übrigen lediglich als Abgrenzungskriterium in Fällen, in denen ausnahmsweise eine Neupreisabrechnung bei einer Laufleistung von 1000 km bis 3000 km in Betracht kommen könnte, herangezogen wird (BGH VersR 1976, 732 f; VersR 1982, 163). Das Risiko von Farbabweichungen und späteren Farbveränderungen ist - wie dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt ist - nicht völlig auszuschließen. Der Qualitätsstandard des Originallacks kann nicht erreicht werden, weil die Nachlackierung nicht mittels eines Tauchbeckens erfolgen kann (OLG Nürnberg a.a.O.). Hinzu kommt, dass diese Beschädigung zweifellos nicht zu den ganz geringfügigen Lackschäden zu zählen ist, die bei einem Verkauf unerwähnt bleiben dürfen (vgl. BGH VersR 1984, 46). Anstoßstelle und Reparaturaufwand lassen bestehen bleibende Zweifel - auch evtl. Kaufinteressenten - als nicht völlig unberechtigt erscheinen, ob die Herstellung völliger Neuwertigkeit gelungen ist. Nach dem entscheidenden Maßstab der Erheblichkeit der Beschädigung ist es der Klägerin nicht zuzumuten, sich mit Reparatur und Zuzahlen eines Geldbetrages für den verbleibenden Minderwert zu begnügen.

15

dass für die Beklagten bei der Neuwagenabrechnung ein unverhältnismäßig hoher Verlust zu gewärtigen gewesen wäre, wird nicht behauptet; im Gegenteil beharren sie gerade darauf, dass der Wagen in seinem Wert nach Instandsetzung nicht nennenswert gemindert sein würde.

16

Weitere Umstände, die dem Verlangen nach Neuwagenabrechnung auf Grund des Anspruchs auf volle Wiederherstellung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Es verbleibt daher dabei, dass aus der Sicht eines verständigen Fahrzeughalters ein so instand gesetzter Pkw nicht dieselbe Wertschätzung entgegenzubringen ist wie gegenüber einem Neuwagen.

17

Ein Abschlag vom Neupreis wäre bei einer geringen Fahrleistung von unter 1000 km nicht in Betracht gekommen (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O. m.w.N.). Bei der nunmehr angegebenen Laufleistung von 6500 km sind nach den Grundsätzen des Senats für eine Bemessung der Nutzungsentschädigung (DAR 1993 467) bei einer gem. § 287 ZPO geschätzten Restkilometerlaufleistung von 200000 km und dem Neuwagenpreis 0,18 DM/km - mithin 1.170,- DM - in Abzug zu bringen. Zusätzlich war die erfolgte Auszahlung des angenommenen Reparaturbetrages war von der Klageforderung abzusetzen.

18

Die gewünschte Abrechnung ist darüberhinaus nicht im Streit.

19

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.