Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.09.1990, Az.: 3 (2) Sa 1791/89

Wirksamkeit einer Kündigung; Anspruch auf Weiterbeschäftigung und die Zahlung einer Vertragsstrafe; Arbeitnehmereigenschaft eines Mitarbeiters im Werbeaußendienst eines Versicherungsunternehmens ; Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung; Berufsbild des selbständigen Handelsvertreters

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.09.1990
Aktenzeichen
3 (2) Sa 1791/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 10513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1990:0907.3.2SA1791.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 06.09.1989 - AZ: 2 Ca 248/89

Verfahrensgegenstand

Feststellung und Forderung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 07.09.1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Frohner und
die ehrenamtlichen Richter Bunge und
Rohrsen
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 6. Sept. 1989 - 2 Ca 248/89 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 6. Febr. 1989 zum 30. Juni 1989 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Der Weiterbeschäftigungsantrag wird abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu 3/4.

Hinsichtlich der Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages wird die Revision zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in Klage und Widerklage um die Wirksamkeit einer Kündigung, Weiterbeschäftigung und die Zahlung einer Vertragsstrafe.

2

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

3

Durch dieses Urteil vom 13. Oktober 1989 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover die Klage abgewiesen, auf die Widerklage den Kläger verurteilt, an die Beklagte 500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.08.1989 zu zahlen. Es hat die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt sowie den Streitwert auf 4.912,00 DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe wiederum verwiesen.

4

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Rechtsbegehren nach näherer Maßgabe der Berufungsbegründung vom 26. Januar 1990 weiter.

5

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 02. April 1990.

Entscheidungsgründe

8

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

9

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 1989 zum 30. Juni 1989 nicht aufgelöst worden, sondern besteht weiterhin fort. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt aus § 102 Betriebsverfassungsgesetz 1972. Nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG 1972 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat ist zu der streitgegenständlichen Kündigung nicht gehört worden. Dies führt alsdann zu der genannten Rechtsfolge. Dabei ist davon auszugehen, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht; der Kläger ist kein selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB.

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Sie ist weiterhin erfolgreich, soweit sie sich gegen die Verurteilung aufgrund der Widerklage der Beklagten wendet. Der Kläger schuldet keine Vertragsstrafe.

11

Allerdings ist die Berufung des Klägers unbegründet, soweit sie sich auf einen materiell-rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch bezieht. Ein solcher ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

12

1.

Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis.

13

Nach Auffassung der Kammer ist ein Mitarbeiter im Werbeaußendienst eines Versicherungsunternehmens - Einfirmenvertreter - Arbeitnehmer, wenn er in einer spezifisch persönlichen Abhängigkeit fremdnützige Tätigkeiten verrichtet und nicht selbständig ist, es also an der freiwilligen Übernahme des Unternehmerrisikos fehlt.

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Auf der Grundlage eines grundsätzlich dualen Modells von fremdbestimmter oder selbstbestimmter Erwerbstätigkeit besteht die spezifische Abhängigkeit der Arbeitnehmer ("persönliche Abhängigkeit") darin, daß sie ihre Arbeitskraft nicht - wie ein Unternehmer - per selbst gesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt verwerten können, sondern daß sie darauf angewiesen sind, persönliche Arbeit innerhalb einer fremdbestimmten Organisation zu leisten und dadurch ihre Arbeitsleistung fremdnützig (BAG AP Nr. 36 zu § 611 BGB Abhängigkeit) der anderen Vertragspartei (Arbeitgeber) zu überlassen.

15

Diese spezifische Abhängigkeit drückt sich als Rechtsfolge in einer gegenüber anderen Vertragsverhältnissen gesteigerten Weisungsgebundenheit aus, die dann mittels des Direktionsrechts des Arbeitgebers durchgesetzt wird. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn deren Organisation dem Arbeitgeber obliegt und sie objektiv der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes dient.

16

Mitarbeiter im Versicherungsaußendienst sind daher in der Regel Arbeitnehmer.

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 28.11.1990 - 4 AZR 198/90; Urteil vom 02. Oktober 1990 - 4 AZR 106/90; Urteil vom 10. Mai 1990 - 2 AZR 607/89; Urteil vom 07. Februar 1990 - 5 AZR 89/99; Beschluß vom 25.10.1989 - 7 ABR 1/88; aus der älteren Rechtsprechung: Urteil vom 21.03.1984 - 5 AZR 461/82; AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Bundessozialgericht Urteil vom 18.03.1987 NZA 1987 Seite 500; LAG Düsseldorf Urteil vom 30.10.1990 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 17; LAG Frankfurt/Main Urteil vom 16.03.1990 - 13 Sa 151/89; LAG Hamm Urteil vom 13.10.1989 - LAGI § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 14; LAG Hamm Urteil vom 05.10.1989 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 13; LAG Hamm Urteil vom 30.08.1989 Der Betrieb 1990 Seite 739; LAG Hamm Urteil vom 20.07.1989 Der Betrieb 1990 Seite 691; LAG Niedersachsen Urteil vom 09.06.1989 ZPR 1990 Seite 161; Arbeitsgericht München Urteil vom 29.05.1990 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 33) unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Ob die geleistete Arbeit dabei in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, muß nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse beurteilt werden. Nicht maßgebend ist die bloße Bezeichnung (eine präzise Darstellung der BAG-Rechtsprechung findet sich bei Staudinger - Richardi, 12. Aufl. 1989, Vorbemerkungen 152 ff. zu §§ 611 ff., eine kritische Analyse ... bei Meyer, Handelsvertreterrecht, Stuttgart 1978, Seite 35 ff.).

18

Das Bundesarbeitsgericht hat häufig bei freier Einteilung der Arbeitszeit eine Arbeitnehmereigenschaft verneint (vgl. AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Vorbild bot die Unterscheidung zwischen Handelsvertretern und Handlungsgehilfen in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Nach der Legaldefinition in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist selbständig,

"wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und Arbeitszeit bestimmen kann".

19

Nach Ansicht des BAG enthält diese Bestimmung über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm darstelle, die Kriterien dafür enthalte. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht bereits in einer älteren Entscheidung (AP Nr. 2 zu § 92 HGB) ausgeführt:

"Soweit das Gesetz in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB insbesondere hervorhebt, daß derjenige selbständig sei, der seine Arbeitszeit im wesentlichen frei bestimmen kann, ist hieraus für den Versicherungsvertreter, vor allem bei Außendiensttätigkeit, nichts Entscheidendes zu entnehmen, wenn Arbeitszeit im Sinne fester Dienststunden verstanden wird. Denn auch für den Angestellten der Versicherungsvermittlung, der sich nach seinen Kunden richten muß, ist eine ... feste Einteilung der Arbeitszeit meist nicht möglich. Es kommt vielmehr auf die Weisungsfreiheit im übrigen an, die in erster Linie den Arbeitnehmer vom Selbständigen unterscheidet".

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So hat das Bundesarbeitsgericht in anderen Fällen genügen lassen, daß die Mitarbeiter "aus anderen Gründen fremdbestimmte Arbeit leisten" (AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit), der Arbeitnehmereigenschaft stehe nicht entgegen, daß diese Mitarbeiter weitgehend einer fachlichen Weisungsgebundenheit entzogen seien und sich ihre Tätigkeit auch nicht nach Zeit und Ort festlegen lasse. Im übrigen ist auch auf den Zweck des § 84 HGB hinzuweisen, wie er sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (BT - Drucksache, Erste Wahlperiode, Nr. 3856 vom 15.11.1952 Seite 9/10/14):

"Namentlich nach 1919 wurden Personen in die Rechtstellung eines Handelsvertreters gedrängt, die abhängig wie Angestellte waren. Sie gingen dadurch der sozialen Vorteile verlustig, die sie als Angestellte genossen hätten. Dieser Weg konnte beschritten werden, da die arbeitsuchenden Personen, um die Stellung zu erlangen, bereit waren, auf die Anstellung als Handlungsgehilfe zu verzichten und sich mit der Beschäftigung als Handelsvertreter zu begnügen, auch wenn sie nicht die selbständige Stellung eines solchen erhielten ... Solche Mißbräuche werden sich zwar niemals völlig ausschalten lassen. Eine Begriffsbestimmung, die positiv festlegt, daß Handelsvertreter nur ist, wer im Verhältnis zum Geschäftsherrn selbständig ist, kann aber die Gefahr verringern, daß im Wirtschaftsleben Personen als "Handelsvertreter" beschäftigt werden, die ihrer tatsächlichen Lage nach völlig von den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig sind... Die wirtschaftliche Selbständigkeit oder Unselbständigkeit kann aber im Gegensatz zu der persönlichen nicht als begriffliches Unterscheidungsmerkmal verwandt werden. Sowohl Handelsvertreter wie Angestellte sind wirtschaftlich von einem Dritten irgendwie abhängig. Aus der wirtschaftlichen Lage kann sich allerdings im Einzelfall ein Indiz für die persönliche Abhängigkeit oder Unabhängigkeit ergeben."

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Nach dem Verständnis des Berufungsgerichts drückt sich in dem Merkmal der "persönlichen Abhängigkeit" mit der Rechtsfolge einer spezifischen Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers jene Tatbestandsvoraussetzung aus, die die Anwendung des Arbeitsrechts - im Gegensatz zum Selbständigenrecht - rechtfertigt (vgl. im einzelnen Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, München 1988, Seite 117 ff.). Dieser Dualismus ist in Artikel 12 Grundgesetz angelegt.

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Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich:

23

Er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Arbeit, für die er sich geeignet glaubt, als "Beruf zu ergreifen, d.h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. In dieser Deutung rät Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz weiter als die - von ihm freilich umfaßte - Gewerbefreiheit." (Bundesverfassungsgericht E 50 Seite 290, 362).

24

Entscheidend wird in dieser Sicht alsdann, ob der Mitarbeiter - unverzichtbar für einen selbständigen Handelsvertreter - ein "Unternehmen" hat, mit eigener Kundschaft, selbstbestimmter Innen- und Außenorganisation, eigenem Kapitaleinsatz, um damit seine Arbeitskraft wie ein Unternehmer nach selbst gesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt verwerten zu können, oder ob der Mitarbeiter nicht vielmehr darauf angewiesen ist, höchstpersönlich innerhalb einer fremdbestimmten Organisation zu arbeiten.

25

Letzteres ist bei Mitarbeitern im Versicherungsaußendienst regelmäßig der Fall (vgl. zur tatsächlichen Situation: Mayer/Paasch, Anschein von Selbständigkeit, Ein-Personen-Unternehmen als neue Form der Abhängigkeit, Köln 1990, "Fallstudie Versicherungsaußendienst" Seite 45 ff.; Staudt, Neue Technologien und deren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, Versicherungswirtschaft 1982 Seite 1172 ff., 1233 ff.; Biermann/Wittiger, Zentralisation oder Dezentralisation?, Versicherungswirtschaft 1986 Seite 1308 ff.; Ludwig, Außendienst-Personal-Marketing - nur ein neuer Begriff?, Versicherungswirtschaft 1986 Seite 408 ff.; Stehle/Hartmann, Zur Situation der Einarbeitung neuer Mitarbeiter im Versicherungsaußendienst, Versicherungswirtschaft 1987 Seite 366 ff.; Geissler, Arbeitsunzufriedenheit ins Positive wenden!, Ansätze zu einer Problemlösung für den Versicherungsaußendienst, Versicherungswirtschaft 1987 Seite 182 ff.; Geissler/Schulze, Führungskräfteentwicklung im Versicherungsaußendienst, Versicherungswirtschaft 1987 Seite 246 ff.; Assländer/Grosse/Kreul, Auf dem Weg zum Computer Aided Selling, Versicherungswirtschaft 1988 Seite 551 ff.; Martens/Siemens. Ansätze für eine zeitgemäße Agentursteuerung, Versicherungswirtschaft 1988 Seite 1483 ff.; Kurtz/Campe, Erfolgreiche Rekrutierungswege im Außendienst, Versicherungswirtschaft 1988 Seite 1250 ff.; ohne Verfasser, Modernisierungstendenzen im Außendienst, 5. Internationales Management-Seminar für Privatversicherungen, Versicherungswirtschaft 1988 Seite 1441 f. unter Hinweis auf Allfinanz-Strategien sowie den Einsatz von Informationstechnologie für den Außendienst; Thies, Agenturverträge: Kriterien der Selbständigkeit, Versicherungswirtschaft 1990 Seite 646 ff.; ohne Verfasser, Außendienst: Zur Weisungsbefugnis des Unternehmers gegenüber dem selbständigen Vertreter, Versicherungswirtschaft 1990 Seite 859; zur rechtlichen Situation informativ: Mayer, Rechtsprechungsübersicht zum Recht der Handelsvertreter, Arbeitsrecht im Betrieb 1989 Seite 71 ff.; derselbe, Angestellte im Außendienst - Rechtsprechungsübersicht. Arbeitsrecht im Betrieb 1990 Seite 64 ff.).

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In diesem Sinne ist der Kläger persönlich abhängig gewesen. Er hat fremdbestimmte Arbeit geleistet. Das Produkt seiner Arbeit stand letztlich nicht ihm zu. Vielmehr hat die Beklagte nach ihrem unternehmerischen Ermessen über die Verwertung des Produktes befinden können. Der Kläger hat kein unternehmerisches Marktrisiko getragen. Er ist berichtserstattungspflichtig gewesen. Es bestanden eine Reihe von unterrichtungspflichten. Urlaub mußte von ihm beantragt werden, bzw. er hatte die Beklagte zumindest darüber zu unterrichten. Er war insgesamt abhängig von der von der Beklagten aufgebauten Organisation. Ein eigener Kundenkreis stand ihm nicht zur Verfügung. Damit war er bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung abhängig von dem allein von der Beklagten und damit für den Kläger in fremder weise bestimmten Leistungssubstrat. Dies alles macht ihn zum Arbeitnehmer (vgl. zur Literatur außerdem: Berger-Delhey/Alfmeier, NZA 1991 Seite 257; Hilger, Zum "Arbeitnehmer-Begriff", Recht der Arbeit 1989 Seite 1 ff.; Reuter, Die Arbeitsaufgabe und der Arbeitnehmerbegriff, Frankfurt am Main 1985; Rosenfelder, Der arbeitsrechtliche Status des freien Mitarbeiters, Berlin 1982, hierzu: Wank, Recht der Arbeit 1988 Seite 375; Heuberger, Sachliche Abhängigkeit als Kriterium des Arbeitsverhältnisses, Königstein 1982).

27

2.

Ein materiell-rechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nicht.

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Der Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zum arbeitsvertraglichen weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungschutzprozesses stellt eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung dar. Außerhalb der Regelungen der §§ 102 Abs. 5 BetrVG 1972, 79 Abs. 1 BPersVG kann nach geltendem Recht legitimen Beschäftigungsinteressen gekündigter Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses im Wege einer Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO, die keinen materiell-rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch voraussetzt, sachgerecht Rechnung getragen werden (LAG Niedersachsen LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14, 16, 21, 22, 27). Mit diesem gerade in der Literatur weitaus überwiegend in Übereinstimmung mit der Kammer bejahten Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsfortbildung hat sich das Bundesarbeitsgericht bislang nicht auseinandergesetzt (vgl. AP Nr. 96 zu § 626 BGB). Damit hält die Kammer weiterhin an ihrer Rechtsansicht fest.

29

3.

Die Widerklage ist unbegründet, ein Anspruch auf Vertragsstrafe besteht nicht.

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Diese ist nicht verwirkt.

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Ein Verstoß gegen § 6 des Vertrages vom 25. Oktober 1984 liegt nicht vor. Nach Auffassung der Kammer hat die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Folglich ist der Kläger auch nicht verpflichtet gewesen, irgendwelche Ansprüche aus der "Beendigung des Vertragsverhältnisses" zu erfüllen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO.

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Die - beschränkte Zulassung der Revision (lediglich hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrages) - Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, im übrigen liegen Gründe, die Revision zuzulassen, nicht vor.