Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.1990, Az.: 5 Sa 1164/89

Wirksamkeit einer Änderungskündigung; Anspruch auf Änderung der Arbeitsbedingungen; Erfordernis sozialer Rechtfertigung; Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.05.1990
Aktenzeichen
5 Sa 1164/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 15026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1990:0523.5SA1164.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 12.06.1989 - AZ: 1 Ca 156/89

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Redaktioneller Leitsatz

Sozial ungerechtfertigt kann eine Kündigung nur dann sein, wenn durch sie die Rechtstellung des Arbeitnehmers in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Rechtstellung des Arbeitnehmers unberührt lassen oder verbessern, bedürfen keiner sozialen Rechtfertigung.

In dem Rechtstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Dr. Rose und
der ehrenamtlichen Richter Rohrsen und Seckelmann
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 1990
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 12. Juni 1989 - 1 Ca 156/89 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung sowie um die Lage der Arbeitszeit der Klägerin.

2

Die Klägerin war zunächst ab 1. Januar 1976 als Angestellte im Schreibdienst bei der Beklagten beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 6. Oktober 1976 - Fotokopie Bl. 13 d.A.). Sie kündigte dieses Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1980, wurde jedoch "übergangsweise für 4 Wochen als Halbtagskraft weiter beschäftigt" (vgl. Fotokopie der Niederschrift über die Sitzung des Samtgemeindeausschusses vom 26. Juni 1980 - Bl. 14 d.A.). In der Sitzung des Samtgemeindeausschusses am 10. Juli 1980 teilte der Samtgemeindedirektor mit, daß mit der Klägerin ein Zeitvertrag zum 30.09.1980 abzuschließen sei und daß die Arbeitszeit für die Klägerin 20 Stunden wöchentlich betrage (Fotokopie Bl. 15 d.A.). Nachdem die Beklagte zum nächst möglichen Termin, spätestens zum 01.10.1980 eine Stelle für eine Sekretärin bzw. eine Schreibkraft ausgeschrieben und darauf hingewiesen hatte, daß für die ausgeschriebene Stelle auch Halbtagskräfte in Frage kämen, erläuterte der Samtgemeindedirektor H. in der Sitzung des Gesamtgemeindeausschusses der Beklagten am 28. August 1980 "die eingegangenen Bewerbungen und das Prüfungsergebnis für die Einstellung einer Sekretärin als Halbtagskraft". In der Niederschrift über diese Sitzung (Fotokopie Bl. 16 d.A.) heißt es sodann weiter, da sich die bisherige Sekretärin, Frau W., ebenfalls für eine Halbtagsstelle beworben habe, "sollte die Bewerbung angenommen werden und zusätzlich noch eine Halbtagskraft eingestellt werden". Dementsprechend wurde das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fortgesetzt und außerdem Frau L. als Halbtagskraft eingestellt.

3

Nachdem in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst am 23. März 1988 eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab 1. April 1989 von 40 auf 39 Stunden und ab 1. April 1990 von 39 auf 38,5 Stunden vereinbart worden war, bat die Beklagte die Klägerin um ihr Einverständnis zur Festsetzung der Arbeitszeit auf 19 1/2 Stunden wöchentlich ab 1. April 1989 und auf 19 1/4 Stunden wöchentlich ab 1. April 1990. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 27. Januar 1989, entgegen ihrer ursprünglichen Aussage bitte sie nun doch, ihre Arbeitszeit bei 20 Stunden wöchentlich zu belassen, da sie ihren Aufgaben sonst nicht gerecht werden könne (Fotokopie Bl. 18 R d.A.).

4

Nachdem der Samtgemeindeausschuß einstimmig einen entsprechenden Beschluß gefaßt hatte (Fotokopie Bl. 20 d.A.), sprach die Beklagte der Klägerin mit Zustimmung des Personalrats durch Schreiben vom 29. März 1989 eine Änderungskündigung aus. In dem Schreiben heißt es wie folgt:

Hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis mit der Samtgemeinde Ha. gem. § 57 BAT. Das Arbeitsverhältnis ist gem. § 53 Abs. 2 BAT mit Ablauf des 30.09.1989 beendet.

Die Kündigung erfolgt aus dem betrieblichen Grund, daß der Stellenplan für die von Ihnen besetzte Planstelle lediglich eine 0,5 Stelle ausweist. Auf Grund der Arbeitszeitverkürzung beträgt die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten ab 01.04.1989 19,5 Stunden. Da Sie mit der Reduzierung Ihrer vertraglich vereinbarten 20 Wochenstunden auf 19,5 Wochenstunden nicht einverstanden sind, weist Ihre Stelle mehr als eine 0,5 Planstelle aus.

Bei der Samtgemeinde Ha. steht jedoch kein Stellenrest bzw. keine freie Stelle zur Verfügung, unter der der die 0,5 Stelle übersteigende Stellenrest geführt werden kann.

Wir bieten Ihnen jedoch an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen (Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten) fortzusetzen.

Ich bitte Sie, innerhalb von 2 Wochen die Annahme oder Ablehnung der geänderten Vertragsbedingungen zu erklären. Bei Annahme der neuen Vertragsbedingungen erfolgt die Änderung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist, ohne daß es einer erneuten Willensäußerung bedarf.

5

Die Klägerin, die die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung angenommen hat, hält die Kündigung im Gegensatz zu der Beklagten für sozial nicht gerechtfertigt.

6

Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 12. Juni 1989 (Bl. 28-35 d.A.) Bezug genommen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin auferlegt, den Wert auf 175,00 DM festgesetzt und die Berufung zugelassen.

8

Gegen dieses Urteil, das ihr am 29. Juni 1989 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 31. Juli 1989, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie mit einem am 30. August 1989 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten begründet hat.

9

Die Klägerin führt aus, die Beklagte begehre eine Änderung der vertraglichen Beziehungen der Parteien in zweierlei Hinsicht: Zum einen solle die Wochenarbeitszeit auf 19,5 Stunden reduziert werden, zum anderen solle die Arbeitszeitlage dahin verändert werden, daß die Klägerin fortan ausschließlich vormittags arbeiten solle. Die mit der Änderungskündigung betriebene Verringerung der Wochenarbeitszeit werde mangels betriebsbedingter Gründe zurückzuweisen sein. Die Veränderung der Arbeitszeitlage sei bereits deshalb unzulässig, weil die Beklagte insoweit eine Änderungskündigung nicht erklärt, sondern rechtlich unzutreffend gemeint habe, qua Direktionsrecht eine diesbezügliche Dienstanweisung erteilen zu können.

10

Ein betrieblicher Grund für die in Rede stehende Änderungskündigung könnte, so meint die Klägerin, nur dann vorliegen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in der 20-Stunden-Woche entgegenstünden. Dies könnte der Fall sein, wenn durch entsprechende wirtschaftliche, technische oder organisatorische Maßnahmen, für die nach herrschender Meinung allein die Arbeitgeberseite kompetent sei, z.B. der von der Klägerin bearbeitete Arbeitsbereich reduziert worden wäre. Das Bundesarbeitsgericht habe für den öffentlichen Dienst das Vorliegen eines betrieblichen Grundes auch dann angenommen, wenn "durch den Haushaltsplan bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen ... gestrichen" würden. Derartige betriebliche Gründe gebe es in diesem Prozeß nicht, sie seien auch von der Beklagten nicht vorgetragen worden: weder habe die Beklagte "unternehmerische" Entscheidungen getroffen, in deren Folge etwa der Arbeitsumfang der Klägerin verringert worden sei, noch habe sie Änderungen im Haushaltsplan beschlossen, die den Arbeitsplatz der Klägerin tangiert hätten. An den tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Klägerin und dem Haushaltsplan der Beklagten habe sich überhaupt nichts geändert.

11

Die Beklagte berufe sich vielmehr auf den mit Wirkung vom 1. April 1989 in Kraft getretenen Tarifvertrag zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst und meine, die Arbeitszeit der Klägerin müsse verringert werden, da das tarifliche Normalarbeitsverhältnis von bislang 40 auf jetzt 39 Stunden pro Woche herabgesetzt worden sei. Das gehe nicht. Ein Tarifabschluß zur Regelung des tariflichen Normalarbeitsverhältnisses sei nicht betrieblicher Kündigungsgrund. Die tarifliche Arbeitszeitverkürzung führe im Gegenteil allenfalls dazu, daß im Haushaltsplan oder per Nachtragshaushalt eine Ausweitung des Stellenplans vorgenommen werden müsse, um die gleich gebliebenen Arbeitsaufgaben bei Verringerung des Arbeitszeitvolumens erledigen zu können. Gerade auch Teilzeitbeschäftigten sei in diesem Zusammenhang eine Erhöhung ihrer individualvertraglichen Arbeitszeit anzubieten. Mit der Entscheidung, wonach durch Stellenstreichung im Haushaltsplan unter bestimmten Voraussetzungen ein betrieblicher Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gegeben sein könne, habe das Bundesarbeitsgericht dem öffentlichen Arbeitgeber das gleiche Rationalisierungsinstrumentarium zugebilligt, über welches auch der Privatunternehmer verfüge. Dem Urteil (BAG AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung) habe zugrunde gelegen, daß eine Gemeinde die Privatisierung des Reinigungsdienstes beschlossen gehabt und dieser Entscheidung folgend die Planstellen der Raumpflegerinnen für das neue Haushaltsjahr gestrichen habe. Für diesen Fall habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß die Stellenstreichung im Haushaltsplan ein Indikator dafür sein könne, daß ein betriebliches Erfordernis gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gegeben sei.

12

Im vorliegenden Fall sei jedoch noch nichts dergleichen erfolgt; der Arbeitsbereich der Klägerin werde nicht privatisiert, es falle überhaupt keine Arbeit weg, der Stellenplan bleibe unverändert bestehen, der Haushalts-(Stellen-)plan könne demnach auch nicht Indikator für ein betriebliches Erfordernis gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sein. Im Gegenteil: Durch die tarifliche Arbeitszeitverkürzung falle mehr Arbeit an, da die Beklagte nicht durch eine entsprechende Ausweitung des Stellenplans für einen Ausgleich gesorgt habe.

13

Würde man demgegenüber der unzutreffenden Auffassung des Arbeitsgerichts folgen und das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bejahen, so könnte die Entscheidung des Arbeitsgerichts dennoch keinen Bestand haben, da das Gericht die sodann erforderliche Interessenabwägung, ob dieser betriebliche Grund so gewichtig sei, daß er die Änderungskündigung sozial rechtfertigen könne, vergessen habe. Automatische Kündigungsgründe kenne das Kündigungsschutzrecht nicht.

14

Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung zumindest ihres 20-Stunden-Vertrages sei evident. Eine Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden sei das Minimum; schon aus finanziellen Erwägungen wäre die Klägerin auch zu einer Ausweitung der Wochenarbeitszeit bereit. Eine Vollzeitstelle existiere bei der Beklagten für sie nicht. Andererseits habe sie sich in ihrer persönlichen Lebensführung inzwischen entsprechend eingerichtet, so daß sie eine Vollzeitarbeit auch nicht mehr erbringen könne.

15

Die Klägerin müsse auch befürchten, daß bei einer Fortschreibung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung ihr individuelles Arbeitszeitvolumen immer weiter in Stundenbruchteilen verringert werde und sie damit in immer kürzerer Zeit den gleichen Arbeitsumfang zu erledigen habe. Der Klägerin sei aber nicht zuzumuten, dieser Arbeitsverdichtung tatenlos zuzusehen, zumal die Beklagte offenkundig nicht bereit sei, die tarifliche Arbeitszeit durch die Schaffung neuer Stellen auszugleichen. Eine Interessenabwägung würde mithin zu der Feststellung führen, daß das Interesse der Klägerin am Fortbestand ihrer alten Arbeitszeit überwiege. Die dadurch entstehende finanzielle Mehrbelastung der Beklagten sei bereits bei Abschluß des Tarifvertrages insoweit berücksichtigt worden, als wegen der durch die Arbeitszeitverkürzung hervorgerufenen Kostenbelastung der öffentlichen Arbeitgeber eine entsprechend maßvolle Erhöhung der Vergütungen vereinbart worden sei.

16

Die von der Beklagten weiter ausgesprochene Veränderung der Arbeitszeitlage der Klägerin sei unwirksam. Die Klägerin arbeite nahezu 10 Jahre "Schicht", nämlich eine Woche vormittags und eine Woche nachmittags. Ihre private Lebensführung sei darauf zugeschnitten. Vor allem aber sei diese Arbeitszeitlage Bestandteil des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages. Davon könne sich die Beklagte, da die Klägerin die Arbeitszeitlage unverändert beibehalten möchte, nur durch Erklärung einer weiteren Änderungskündigung lösen. Eine solche liege nicht vor. Die Änderung der Arbeitszeitlage sei daher unwirksam, da ihr der vertragliche Anspruch der Klägerin entgegenstehe.

17

Weiteres Vorbringen der Klägerin ist in ihren Schriftsätzen vom 16. Oktober 1989 (Bl. 56 f. d.A.), vom 9. Januar 1990 (Bl. 66 f. d.A.) und vom 2. Februar 1990 (Bl. 74 f. d.A.) enthalten. Darauf wird Bezug genommen.

18

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 12. Juni 1989 zu ändern und festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 29. März 1989 (Verringerung der Wochenarbeitszeit) und einem weiteren Schreiben vom 29. März 1989 (Änderung der Dienstzeiten) unwirksam ist.

19

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Sie widerspricht der Klageerweiterung. Die Klägerin habe in erster Instanz laut Klagantrag allein die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung angegriffen, nicht aber die Änderung der Lage der Arbeitszeit. Entsprechend habe das Arbeitsgericht entschieden. Das Arbeitsgericht habe sich mit dieser Frage nicht zu beschäftigen brauchen, so daß bei der Beurteilung in der Berufungsinstanz eine Tatsacheninstanz verlorengehen würde.

21

Die Änderungskündigung habe zur Folge, daß die Klägerin zwar zeitlich in geringerem Umfang arbeite. Sie erleide aber keine geldliche Einbuße, sondern erhalte weiterhin die Hälfte der tariflichen Vergütung einer Vollbeschäftigten. Sie falle weiterhin unter den Geltungsbereich des BAT; denn beide Parteien seien tarifgebunden.

22

Die Klägerin sei laut Haushaltsplan auf einer Halbtagsstelle beschäftigt. Die Stelle sei im Stellenplan als halbe Planstelle ausgewiesen und als 0,50-Stelle bezeichnet worden. Eine volle Planstelle betrage seit der Arbeitszeitverkürzung ab 1. April 1989 39 Wochenstunden, eine halbe Planstelle entsprechend 39/2, also 19 1/2 Wochenstunden.

23

Zwischen den Parteien sei vereinbart gewesen, daß die Klägerin nach ihrer Eigenkündigung auf einer Halbtagsstelle befristet weiterbeschäftigt wurde, sie habe sich um eine Halbtagsstelle beworben und sei entsprechend weiterbeschäftigt worden. Die Wiedereinstellung sei als Halbtagskraft erfolgt, wie sich aus der Niederschrift der Sitzung des Samtgemeindeausschusses der Beklagten vom 1. September 1980 ergebe. Entsprechend sei dann eine Arbeitsleistung von 20 Wochenstunden, die damalige halbe Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten, vereinbart worden.

24

Es liege in der Organisationsgewalt des Arbeitgebers, wie viele Stellen in welchem Umfang er einrichte. Die Entscheidung, welche Arbeitsleistung in welchem Zeitraum und in welchem Umfang erbracht werden solle, liege in der Entscheidung des Unternehmers. Diese Entscheidung des Arbeitgebers sei allein daraufhin überprüfbar, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Keine dieser Voraussetzungen sei gegeben. Die Beklagte habe die Klägerin als Halbtagsbeschäftigte eingestellt gehabt, entsprechend sei die Stelle im Stellenplan ausgewiesen. Die Beklagte beabsichtige nicht, den Stellenschlüssel in diesem Bereich zu verändern. Diese unternehmerische Entscheidung sei Grundlage der Änderungskündigung.

25

Die Befürchtung der Klägerin, sie würde ihre Arbeit in der um eine halbe Stunde verringerten Arbeitszeit nicht erbringen können, spiele bei der Beurteilung für den Kündigungsgrund keine Rolle. Die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Angestellten und Arbeiter sei ebenfalls verringert worden. Auch hier gebe es keinen Anspruch auf Weiterleistung einer 40. Wochenstunde.

26

Raum für eine soziale Auswahl gebe es nicht. Im zentralen Schreibdienst sei neben der Klägerin eine Vollzeitbeschäftigte tätig. Die Klägerin mache in der Berufungsbegründung nochmals deutlich, daß sie nicht ganztägig arbeiten wolle. Durch die Änderungskündigung werde die Klägerin in ihrem sozialen Status nicht beeinträchtigt. Sie erhalte nach wie vor die Vergütung einer mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigten Angestellten. Sie werde auf ihrem angestammten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt. Durch die Änderungskündigung werde allein die Möglichkeit eines Mehrverdienstes beseitigt, daß sie für die halbe Stunde Mehrarbeit eine weitere halbe Stunde vergütet erhalte.

27

Vorsorglich trägt die Beklagte vor, sie habe im Wege des Direktionsrechts mit Zustimmung des Personalrats die Lage der Arbeitszeit ändern können. Die Zustimmung des Personalrats liege vor. Die Lage der Arbeitszeit sei zwischen den Parteien arbeitsvertraglich nicht konkretisiert worden. Der reine Zeitablauf reiche nicht aus, um zu einer Konkretisierung zu führen.

28

Die Beklagte sei bei der Entscheidung der Festsetzung der Arbeitszeit im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens geblieben. Durch Umorganisation und Aufgabenwegfall sei im zentralen Schreibdienst eine Halbtagskraft entfallen. Die Klägerin habe in der Vergangenheit im Wechsel mit dieser Halbtagskraft einmal nachmittags und einmal vormittags gearbeitet. Durch diese Zeiteinteilung sei sichergestellt gewesen, daß vormittags neben der Vollzeitkraft immer noch eine weitere Kraft vorhanden gewesen sei. Gewechselt worden sei, damit beide Seiten nicht nur vormittags oder nur nachmittags hätten arbeiten müssen. Es sei erforderlich, daß vormittags bei dem erhöhten Aufgabenanfall eine weitere Kraft im Vorzimmer vorhanden sei, die die Vollzeitkraft bei Ausfällen vertreten könne. Da in der zweiten Woche vormittags das zentrale Schreibbüro neben der Vollzeitkraft bei Beibehaltung der alten Arbeitszeitregelung nicht ständig zusätzlich mit der Halbtagskraft besetzt wäre, habe die Beklagte die Arbeitszeit für die Klägerin neu festgesetzt.

29

Weiteres Vorbringen der Beklagten ist in den Schriftsätzen vom 18. Januar 1990 (Bl. 64 f. d.A.), vom 29. März 1990 nebst Anlage und vom 10. Mai 1990 (Bl. 76-80 d.A.) enthalten. Darauf wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

31

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden.

32

Die von der Beklagten mit der Änderungskündigung vom 29. März 1989 angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne der §§ 2, 1 KSchG. Sozial ungerechtfertigt kann eine Kündigung nur dann sein, wenn durch sie die Rechtstellung des Arbeitnehmers in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Rechtstellung des Arbeitnehmers unberührt lassen oder verbessern, bedürfen keiner sozialen Rechtfertigung. Durch die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Kündigung wird ihre arbeitsrechtliche Position nicht negativ berührt. Insbesondere werden ihre Arbeitsbedingungen nicht verschlechtert. Die Klägerin erhält für eine Arbeitszeit von 19,5 Stunden wöchentlich das gleiche Gehalt, das sie zuvor für eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden erhalten hatte. Art und Umfang der von ihr vertraglich geschuldeten Dienste ändern sich nicht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach wie vor der BAT Anwendung (§ 3 Buchst. q BAT). Die von der Beklagten angestrebte Veränderung der Arbeitsbedingungen vollzieht die für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nach harten Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelte "Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich" für die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin nach. Schon aus diesem Grunde wirkt die Vorstellung, daß zur Erreichung dieses Ziels eingesetzte Mittel müsse sozial gerechtfertigt sein, befremdlich. Vor die Notwendigkeit, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen und der Klägerin anzubieten "das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen (Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten) fortzusetzen", sah sich die Beklagte nämlich nur deswegen gestellt, weil sie entsprechend der damals üblichen 40-Stunden-Woche mit der Klägerin als Halbtagskraft eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden ausdrücklich vereinbart hatte. Das entsprach damals dem Willen beider Parteien, ein Arbeitsverhältnis im Wege der Halbtagsbeschäftigung zu begründen bzw. fortzusetzen. Die Klägerin selbst führt aus, bei Begründung des Vertragsverhältnisses sei "eine Planstelle im Wege des Jobsharing auf zwei Arbeitnehmer aufgeteilt worden". In der Tat hatte die Beklagte in der Stellenausschreibung (Fotokopie Bl. 79 d.A.) darauf hingewiesen, daß für die ausgeschriebene Stelle auch Halbtagskräfte in Frage kommen sollten. Dieser Sachlage entspricht es, daß im Stellenplan der Beklagten für die Teilzeitbeschäftigten mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich jeweils 0,5 Planstellen ausgewiesen sind. Das mit der Änderungskündigung von der Beklagten angestrebte Ergebnis ergibt sich unter den gegebenen Umständen bereits durch die Auslegung der Partei Vereinbarungen.

33

Auch dann, wenn die mit der Änderungskündigung der Beklagten angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen an den Kriterien des Kündigungsschutzgesetzes zu messen wäre, wäre die Klage unbegründet, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung des Arbeitsgerichts an und macht sich seine Begründung zu eigen.

34

Die von der Klägerin weiter begehrte Feststellung, daß die in dem Schreiben der Beklagten vom 29. März 1989 angeordnete Änderung der Dienstzeiten unwirksam sei, kann ebenfalls nicht getroffen werden, weil ein vertraglicher Anspruch auf Beibehaltung der bis zum 31. März 1989 geltenden Dienstzeiten nicht besteht. Es mag sein, daß sich die Klägerin in ihrer privaten Lebensführung auf die bisherige Arbeitszeitlage eingestellt hat. Zu einer vertraglichen Fixierung der Arbeitszeitlage ist es deswegen jedoch nicht gekommen. Vielmehr richtete sich die Lage der Arbeitszeit nach den bei der Beklagten bestehenden Notwendigkeiten der Verwaltung, denen die Beklagte unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats Rechnung getragen hat.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

36

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.