Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 28.01.2021, Az.: VgK-50/2020

Preis als einziges Zuschlagskriterium i.R.d. Ausschreibung der Abholung und Verwertung von Altholz im offenen Verfahren; Vergabe von öffentlichen Aufträgen an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
28.01.2021
Aktenzeichen
VgK-50/2020
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 19199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Stichworte:

§ 166 GWB, § 128a ZPO, § 102 VwGO

Die mündliche Verhandlung kann im Konsens digital durchgeführt werden.

§ 57 Abs. 1 Satz 1 VgV, § 46 VgV

Ein Ausschluss kann nicht auf fehlende Eignung, insbesondere fehlende Referenzen, gestützt werden, wenn in der Bekanntmachung keine Eignungsanforderungen gesetzt wurden.

§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

Bei dessen Anwendung müssen sich Vertragsverletzung und Rechtsfolge auf denselben Vertrag beziehen. Für die Geltendmachung genügt eine dem Altvertrag zuzuordnende Aufrechnung. Bei streitigem Fehlverhalten muss der Auftraggeber nicht warten, bis die Justiz zu einer Entscheidung gekommen ist.

§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB und § 125 Abs. 1 Nr. 3 GWB

sind zusammenzulesen, wenn der Bieter sein Fehlverhalten eingesteht. Dann hat der Auftraggeber dem potentiellen Auftragnehmer auch aufzuzeigen, ob die von ihm eingeleiteten Schritte zur Wiederherstellung der Zuverlässigkeit ausreichend sind. Diese Informationen zur Leistungsverbesserung muss der Bieter nach EuGH nicht unaufgefordert vorlegen. Der Auftraggeber muss sie erfragen.

Ohne Eingeständnis kann der Auftraggeber sich auf eine Rückschau des alten verletzten Vertrags beschränken.

§ 182 GWB

Billigkeitsentscheidung erfolgt nur bei den Kosten der Vergabekammer, bei den Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten besteht nur im Fall einer Erledigung eine Ermächtigungsgrundlage zu einer Billigkeitsentscheidung.

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren xxxxxx - Verwertung Altholz A I - A III 2021, Referenznummer der Bekanntmachung: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer MR Weyer auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2021 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor Beginn der Wertung zurückversetzt. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Wertung erneut durchzuführen und die aus der Begründung ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu 1/4, die Antragstellerin zu 3/4 zu tragen. Der Antragsgegner ist von der Entrichtung seines Kostenanteils persönlich befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu ersetzen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin erforderlich.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2020 die Abholung und Verwertung von Altholz der Kategorien A I bis A III für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2021 im offenen Verfahren ausgeschrieben. Nebenangebote waren nach Ziffer II.2.10) der Auftragsbekanntmachung nicht zulässig. Nach Ziffer II.2.5) ist der Preis einziges Zuschlagskriterium.

In der Bekanntmachung sind keine Angaben zu "Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben"dargestellt. Hinsichtlich der Teilnahmebedingungen wurden nach der Bekanntmachung daher keine Nachweise zur Befähigung zur Berufsausübung einschließlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister, der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit verlangt.

Nach dem Leistungsverzeichnis (Seite 3) wird zur Leistungserbringung u.a. ausgeführt:

... Diese Menge soll einer Verwertung durch den Auftragnehmer (AN) zugeführt werden. Der AN hat dabei auch die jeweils geltenden Anforderungen des bzw. der Systembetreiber/s an Dokumentation, Entsorgungsnachweis und Verwertungsverfahren mit einzukalkulieren und zu erfüllen. [...]

Bei der Verwertung des Altholzes AI-AIII hat der Auftragnehmer den gesetzlichen Mindeststandard einzuhalten. Dies bedeutet, dass eine ordnungsgemäße Verwertung im Einklang mit den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat.

Die Verwertung hat in vorhandenen und zugelassenen Anlagen zu erfolgen, die nach dem Stand der Technik errichtet, betrieben und entsprechend überwacht werden. Die Verwertungsanlage hat die sichere und störungsfreie Verarbeitung des Altholzes AI-AIII des Auftraggebers auch unter Berücksichtigung der saisonabhängigen Mengen und Qualitätsschwankungen des Altholzes AI-AIII zu gewährleisten. Der Auftragnehmer hat sicherzustellen, dass im Falle einer Betriebsstörung bzw. -sanierung die Entsorgungssicherheit nicht gefährdet wird.

Zudem werden als Eignungskriterien (Seite 4/5) gefordert:

- Nachweis über das Verfügungsrecht (z.B. mittels eines Entsorgungsvertrages oder Eigentumsnachweises über die Entsorgungsanlage) über die vorgesehene(n) genehmigte(n) und betriebene(n) Anlage(n) für das Altholz A l - A III mit ausreichender Kapazität,

- Nachweis über die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb für die Verwertung von Altholz A I - A III oder gleichwertige Nachweise,

- Jahresumsatz in den letzten drei Jahren, der die Jahresangebotssumme nicht unterschreitet,

- Nachweis über die Verwertung von Altholz A I - A III mindestens in der dieser Ausschreibung zu Grunde gelegten Jahresmenge jeweils in den letzten drei Jahren und der damit gebotenen Zuverlässigkeit.

Gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (Formblatt 631 EU) sind unter anderem folgende Anlagen benannt, die mit dem Angebot einzureichen sind:

- Erklärung wirtschaftliche-finanzielle-technische und berufliche Leistungsfähigkeit - VgV.pdf

- Erklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach 123, 124 GWB.pdf

- Erklärung zur Selbstreinigung nach 125 GWB.pdf

Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 03.12.2020 teilte der Antragsgegner mit, dass das Angebot der Antragstellerin nicht berücksichtigt werde, weil das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt habe und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadenersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge führte. Somit erfolgte der Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB).

Mit Schreiben vom 10.12.2020 rügte die Antragstellerin die Auswahlentscheidung sowie die zugrunde liegende Wertung der Angebote, einschließlich der Ausschlussentscheidung, als Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften.

Die Informationspflicht des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB sei nicht erfüllt, wenn sich die Vorabinformation in einer formelhaften Begründung erschöpft. Zudem werde angenommen, dass sich die Ausschlussentscheidung darauf stütze, dass ein vorheriger Auftrag nicht vertragsgemäß ausgeführt worden sei. Der dort durch den Auftraggeber geltend gemachte Schadenersatz sei jedoch streitig. Der Auftraggeber sei diesbezüglich seiner Nachweispflicht nicht nachgekommen, so dass keine vergaberechtskonforme Ausschlussentscheidung vorliegen könne.

Zudem könnten untergeordnete Schadenersatzansprüche im Verhältnis zum Auftragswert nicht ausreichen, um einen Ausschluss nach

-§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu rechtfertigen. Der geltend gemachte Schadenersatz betrage lediglich ca. 5 % des Auftragswertes. Es fehle auch an einer Prognoseentscheidung, ob zukünftig eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung zu erwarten sei.

Letztlich sei es nicht nachvollziehbar und verstoße gegen den Transparenzgrundsatz, wenn die Antragstellerin am 13.11.2020 zur Nachreichung einer Erklärung zur Selbstreinigung nach § 125 GWB aufgefordert worden sei, diese Frist dann vom Antragsgegner aufgehoben wird, um letztlich mit dem Schreiben vom 03.12.2020 die Ausschlussentscheidung bekannt zu geben.

Mit Schreiben vom 11.12.2020 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Rüge nicht abgeholfen werde.

Der dargelegte Ausschlussgrund sei in der Tat verkürzt dargestellt und genüge möglicherweise nicht den Anforderungen des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB.

Im Jahr 2019 habe die Fa. xxxxxx von der xxxxxx des xxxxxx den Auftrag zur Abholung und Verwertung von Altholz der Kategorien A I - A III sowie der Kategorie A IV von den kreiseigenen Deponien erhalten. Hierbei sei es zu erheblichen Schwierigkeiten gekommen, zu dem, neben unzähligen Telefonaten und Ortsterminen, ein intensiver Schriftverkehr geführt worden sei. Im Ergebnis sei die xxxxxx aufgrund der fehlenden Leistungsfähigkeit der Antragstellerin hinsichtlich der Abholung und Verwertung der Altholzabfälle der Kategorien A I - A III sowie A IV gezwungen gewesen, die Altholzabfälle durch einen anderen Entsorgungsfachbetrieb abholen und verwerten zu lassen. Hierdurch seien Mehrkosten von insgesamt mindestens xxxxxx € entstanden. Für die ausgeschriebene Leistung wären aufgrund der geringen Lagerkapazitäten des Auftraggebers mehrere Abholungen täglich sowie wöchentlich durch den Bieter zu erbringen. Dies erfordere eine äußert hohe Zuverlässigkeit seitens des Bieters, die durch die Antragstellerin nicht gewährleistet sei. Der Tatbestand der Schlechtleistung gemäß. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei in jeder Hinsicht erfüllt, die ausgeschriebene Leistung sei vergleichbar und identisch.

Eine Rechtsfolge müsse hinsichtlich ihres Schweregrades mit einer vorzeitigen Beendigung oder Schadensersatz vergleichbar sein. Die vorzeitige Beendigung sei hier als Rechtsfolge allein ausreichend. Grundsätzlich könne auch eine einmalige gravierende mangelhafte Leistung, die zu einer der genannten Rechtsfolgen geführt hat, einen Ausschluss begründen. Nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB könnten allerdings auch nicht erhebliche Mängel einen Ausschluss rechtfertigen, wenn Sie fortdauern. Dazu würden wie hier auch ständige Verspätungen und laufende Fristversäumnisse gehören.

Zudem würde erwogen in dem Schadensersatzvorgang eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Im Ergebnis sei die Eignungsprognose für zumindest diesen Auftrag negativ, daher sei die Antragstellerin von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden.

Nachdem der Antragsgegner mitgeteilt hatte, dass nicht abgeholfen werde, reichte die Antragstellerin am 11.12.2020 ihren Nachprüfungsantrag ein.

Der Antragsgegner habe die Antragstellerin unter Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen ausgeschlossen. Der Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei ein nicht ordnungsgemäßes Vergabeverfahren vorausgegangen.

Ergänzend zur Rüge wird vorgetragen, dass die Antragstellerin die Schadenersatzforderung immer als unberechtigt mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass es ihrerseits kein vertragswidriges Verhalten gegeben habe.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Begründung in dem Informationsschreiben nach § 134 GWB, die der Ausschlussentscheidung vorgelagerte Verfahrensweise des Antragsgegners verstoße gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz und letztlich könne die erst im Antwortschreiben auf die Rüge gegebene Begründung keinen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB rechtfertigen.

Zudem sei nicht erkennbar, ob der Antragsgegner den ihm zustehenden Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum ausgeübt oder ob er diesen verkannt habe. Es sei eine Prognoseentscheidung dahin gehend notwendig, ob von der Antragstellerin zukünftig eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung zu erwarten sei.

In dem Antwortschreiben auf die Rüge werde keine ordnungsgemäße Heilung gesehen, da das Vergabeverfahren insoweit nicht zurückversetzt und keine neuen ordnungsgemäßen Informationsschreiben versendet worden seien. Denn der Antragstellerin sei so die Möglichkeit genommen, sich mit den Gründen, die die Ausschlussentscheidung tragen sollen, in dem durch § 134 Abs. 2 GWB eingeräumten Zeitraum auseinanderzusetzen. Die Bekanntgabe der Ausschlussentscheidung, ohne der Antragstellerin die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen, verstoße gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz.

Ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei nicht gerechtfertigt. Das Schadenersatzverlangen der Antragsgegnerin sei zurückgewiesen worden und streitig. Der Nachweispflicht habe der Antragsgegner erst mit Schreiben vom 11.12.2020 versucht zu entsprechen. Der Antragstellerin sei durch die kurzfristig nachgeschobene Begründung die Möglichkeit genommen, den geltend gemachten Vorwürfen inhaltlich entgegenzutreten und diese zu widerlegen. Zudem müsse eine nachgeschobene Begründung unberücksichtigt bleiben. Auch müsse die Schadensersatzforderung im Verhältnis zum Auftragswert als unerheblich qualifiziert werden, in der Konsequenz wäre ein Ausschluss nicht gerechtfertigt.

Der Antragstellerin sei Akteneinsicht in die gesamte Vergabeakte zu gewähren. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten sei notwendig.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der xxxxxx zu erteilen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Antragstellerin durch Vergabeverstöße des Antragsgegners in Ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern,

  3. 3.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen,

  4. 4.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin Akteneinsicht nur unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Verfahrensbeteiligten zu gewähren,

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen sowie

  4. 4.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin habe mühelos erkennen können, auf welche Pflichtverletzungen aus früheren öffentlichen Aufträgen sich der Antragsgegner zur Begründung des Ausschlusses ihres Angebots gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB berufe. Zu den Pflichtverletzungen in zwei Vertragsverhältnissen ("Verwertung von Altholz der Kategorie IV und von verglasten Holzfenstern 2019 an den Standorten xxxxxx, xxxxxx, xxxxxx und xxxxxx" sowie "Abholung und Verwertung von Altholz der Kategorie A I bis A III für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2019"), die jeweils die Verwertung von Altholz zum Gegenstand hatten, habe es einen umfangreichen Schriftwechsel gegeben. Die Antragstellerin habe sich demzufolge bei den beiden Vertragsverhältnissen dazu verpflichtet, das Altholz innerhalb von zwei Tagen bzw. eines Kalendertags abzutransportieren und es anschließend zu verwerten. Aus dem Schriftverkehr ergebe sich eindeutig, dass die Antragstellerin gegen diese Vertragspflichten mehrfach und fortdauernd verstoßen habe.

Im Sommer 2019 habe es, entgegen der Ausführungen der Antragstellerin, entweder keinen "bundesweiten Aufnahmestopp" der Verwertungs- und Entsorgungsanlagen gegeben oder andere Unternehmen hätten über ausreichende Lagerkapazitäten verfügt. Das Altholz der Kategorie IV sei im Zeitraum vom 26.07.2019 bis 31.12.2019 von der Firma xxxxxx beanstandungslos abtransportiert und anschließend verwertet worden.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei nicht begründet. Das Bieterinformationsschreiben erfülle die Anforderungen des § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB und versetze die Antragstellerin in die Lage, ihre Position im Vergabeverfahren zu erkennen und die Sinnhaftigkeit eines Nachprüfungsverfahrens zu prüfen. In ihrer Rüge vom 10.11.2020 habe die Antragstellerin zudem selbst auf den Auftrag zur Verwertung von Altholz A IV Bezug genommen, so dass sie augenscheinlich erkannt habe, auf welche Pflichtverletzungen sich die Antragstellerin berufe. Der Antragsgegner habe sein Ermessen ausgeübt und vor einem möglichen Ausschluss mehrere Vermerke angefertigt. Darin habe er sich nicht nur mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auseinandergesetzt, sondern auch eine negative Prognoseentscheidung getroffen. Zudem könnte eine Pflichtverletzung in Bezug auf die Informationspflicht gemäß § 134 Abs. 1 GWB geheilt werden, wenn hierzu Gründe im Nachprüfungsverfahren nachgeschoben würden.

Der Nachprüfungsantrag sei hinsichtlich eines angeblich ungerechtfertigten Ausschlusses auf Grundlage des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB als unbegründet zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des fakultativen Ausschlussgrundes des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB seien erfüllt, da die Antragstellerin bei der Ausführung von früheren öffentlichen Aufträgen wesentliche Anforderungen erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt habe, was zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt habe. Die Antragstellerin habe sowohl das Altholz der Kategorie A l - III als auch der Kategorie A IV, unter Verletzung der vertraglichen Pflichten, wiederholt nicht fristgerecht oder gar nicht abgeholt.

Diese Pflichtverletzungen habe sie zu verschulden. Die von ihr zur Rechtfertigung genannten Gründe würden allesamt in ihren Verantwortungsbereich fallen, da sie weder für ausreichende Lagerkapazitäten noch für ausreichende Verwertungskapazitäten gesorgt habe und sich auch das Verschulden ihrer Nachunternehmer bzw. ihrer Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen müsse.

Dieser Verstoß habe auch zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB geführt. Als vergleichbare Rechtsfolge käme z.B. ein Rücktritt, eine Ersatzvornahme nach erfolgloser Fristsetzung oder eine Minderung der Vergütung in Betracht. Es sei nicht erforderlich, dass die Berechtigung der aus der Vertragspflichtverletzung gezogenen Rechtsfolge gerichtlich bestätigt wurde. Es genüge auch, dass der Bieter dies klaglos hingenommen habe.

Es bestehe Einigkeit, dass das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet worden sei, die Antragstellerin habe die Forderungen des Antragsgegners in ihrem Schreiben vom 25.03.2020 beispielsweise deshalb zurückgewiesen, weil er ihr "den Auftrag entzogen habe". Auch wenn sie sich weiterhin dagegen sträube, die zusätzlichen Kosten zu tragen, habe sie sich nicht dagegen gewehrt, dass ein anderes Unternehmen ihre vertraglichen Pflichten erfüllt habe.

Die Antragstellerin habe weder die vertraglichen Zeitvorgaben noch die ihr gesetzten angemessenen Nachfristen als verbindlich angesehen, sondern vielmehr den Eindruck vermittelt, dass sie selbst frei entscheiden dürfe, wann das Altholz abtransportiert werde, und dass es die Vertragspartner einfach hinnehmen müssten, wenn über Wochen und Monate kein Altholz abgeholt werde. Sie habe auch nicht den Eindruck vermittelt, als würde sie sich besonders darum bemühen, ihren vertraglichen Pflichten z.B. dadurch wieder gerecht zu werden, dass sie sich um zusätzliche Lagerkapazitäten kümmere.

Nach mehrfach verstrichenen Fristen habe der Antragsgegner von seinem Recht Gebrauch gemacht, ein anderes Unternehmen im Wege einer Ersatzvornahme zu beauftragen. Die Kosten der Ersatzvornahme werde der Antragsgegner zeitnah gerichtlich geltend machen. Der Schadenersatzanspruch in Höhe von xxxxxx € sei auch ausreichend, um den Ausschluss zu rechtfertigen. Zudem sei der Schadensersatzanspruch im Vergleich zum damaligen Auftragswert auch erheblich. Es komme hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit nicht allein auf die Schadenshöhe oder ihr Verhältnis zum Auftragswert, sondern auch auf die weiteren Umstände an. Vorliegend hätten die Pflichtverletzungen der Antragstellerin beispielsweise dazu geführt, dass der Antragsgegner über einen längeren Zeitraum bei seinen Daseinsvorsorgeaufgaben und in seiner Außendarstellung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern beeinträchtigt worden sei. Dies sei langfristig nicht hinzunehmen.

Der Antragsgegner bedurfte bereits wegen der Komplexität des das Nachprüfungsverfahren regelnden Vergaberechts sowie auch der Schwierigkeit des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung. Der Antragsgegner beschäftige überdies nur einen Justitiar, der sich nicht mit dem Vergaberecht beschäftige und den xxxxxx nicht in Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer vertreten würde.

Mit Schriftsatz vom 04.01.2020 hat die Antragstellerin ihren Vortrag ergänzt und vertieft. Der Antragsgegner könne nicht nachweisen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllt seien. Die geltend gemachten Vertragspflichtverletzungen hätten nicht zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt. Die Vertragspflichten, die von Antragstellerin nicht erfüllt, mithin verletzt worden seien, seien nicht wirksam vereinbart worden. Zudem sei das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden.

Eine Vertragspflichtverletzung müsse zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt haben. Dies müsse vor der Ausschlussentscheidung im Vergabeverfahren geltend gemacht werden und könne im Nachprüfungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden.

Ferner müsse auch das Vorbringen des Antragsgegners zu den angeblichen Pflichtverstößen der Antragstellerin differenziert nach den beiden zugrunde liegenden Verträgen erfolgen. Hier würden Forderungen allein in Bezug auf den öffentlichen Auftrag "Entsorgung Altholz der Kategorie A IV " geltend gemacht. Weder dem Vergabevermerk noch der Antragserwiderung sei zu entnehmen, dass hinsichtlich des öffentlichen Auftrages "Entsorgung Altholz der Kategorien A I - III" eigene Rechtspositionen geltend gemacht worden seien, die aufgelisteten Rechtsfolgen vorzeitige Beendigung, Ersatzvornahme und Schadensersatz würden sich allein auf den öffentlichen Auftrag "Entsorgung Altholz der Kategorie A IV"beziehen. Zudem fehle es an nachvollziehbaren Ausführungen zu den angeführten Logistikkosten, die unberücksichtigt bleiben müssten, weil sie nicht gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht worden seien.

Ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB aufgrund der vorgetragenen Vertragspflichtverletzungen sei auch nicht gerechtfertigt, da es an wirksam vereinbarten Vertragspflichten fehle. Die Antragstellerin sei nicht verpflichtet gewesen, im Jahr 2019 unbegrenzte Mengen an Altholz der Kategorie A IV von der Deponie xxxxxx abzuholen und zu verwerten. Zwar sei es richtig, dass nur eine Schätzmenge angegeben worden sei, was aber nicht bedeute, dass der Entsorgungsauftrag mengenmäßig unbegrenzt vergeben werden sollte. Dem würden auch die Feststellungen zu den Mengenangaben im Zuschlagschreiben widersprechen. Der öffentliche Auftraggeber dürfe zudem keine Vorgaben aufstellen, die den Bietern eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unzumutbar machen. Diese könne beispielsweise im Vorbehalt erheblicher, kalkulationsrelevanter Mengenschwankungen liegen. Bei einem Abfallentsorgungsvertrag sei obergerichtlich ein Mengenschwankungsvorbehalt von 20 - 25 % als "grenzwertig", aber noch hinnehmbar eingestuft worden. Zudem würde durch eine mündliche Auftragserweiterung vom 25.02.2019 die im öffentlichen Auftrag "Entsorgung Altholz der Kategorie A IV"geregelte Mengenbegrenzung auf 25 t pro Jahr für die Deponie xxxxxx bestätigt. Ungeachtet dessen können sich aus der mündlichen Auftragserweiterung keine wirksamen Verpflichtungen, auch kein Verstoß gegen solche Verpflichtungen, der Antragstellerin ergeben, da eine mündliche Vereinbarung gegen das Schriftformerfordernis des § 86 NKomVG verstoße.

Die Ausschlussentscheidung des Antragsgegners sei ermessenfehlerhaft und könne einer vergaberechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit sei ausschlaggebend, ob der Bieter für den konkreten Auftrag eine ordnungsgemäße und vertragsgerechte Ausführung der Leistung erwarten lasse. Der öffentliche Auftraggeber müsse sich fragen, inwieweit sich die Verfehlung zum einen auf den konkreten Auftrag auswirke, und zum anderen, ob der Bieter zwischenzeitlich Maßnahmen ergriffen habe, aus denen gefolgert werden könne, dass sich künftig ein unternehmensbezogenes Fehlverhalten nicht wiederholen werde. Hierzu seien keine Feststellungen getroffen worden. Zudem sei anhand der falschen Vergabevorschrift, nämlich der UVgO, geprüft worden. Auch seien die Eignungsanforderungen, damit auch die Referenzanforderungen, nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert worden, da in der Auftragsbekanntmachung die erforderlichen Angaben fehlen würden. Statt eine Prognoseentscheidung zu treffen und ordnungsgemäß zu begründen, habe der Antragsgegner tatsächlich begründet, warum er die Antragstellerin aufgrund unwirksam aufgestellter Referenzanforderungen ausschließe, was einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht tragen könne.

Der Antragsgegner hätte zudem vor dem Treffen einer Ausschlussentscheidung der Antragstellerin rechtliches Gehör gewähren müssen. Auch sei keine Prüfung erfolgt, ob die Voraussetzungen des § 125 GWB erfüllt seien, wonach ein Ausschluss nicht mehr in Frage gekommen wäre.

Der Antragsgegner trägt mit Schriftsatz vom 05.01.2020 ergänzend und vertiefend vor, dass auf die gerichtliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruches verzichtet worden sei, da die Schadensersatzforderung mit Forderungen der Antragstellerin verrechnet worden sei, so dass eine gerichtliche Geltendmachung obsolet wurde. Damit liege eine mit einer vorzeitigen Beendigung oder Schadensersatz vergleichbare Rechtsfolge vor.

Mit Hinweisschreiben vom 07.01.2021 fordert die Vergabekammer die Streitparteien auf zu einigen Gesichtspunkten vorzutragen und stellt Fragen.

Mit Schriftsatz vom 12.01.2020 ergänzt und vertieft die Antragstellerin sodann ihren Vortrag. Es sei durch den Antragsgegner keine Rechtsposition wegen vermeintlicher Vertragspflichtverletzungen geltend gemacht worden. Dementsprechend sei ein Ausschluss auch nicht gerechtfertigt. Die vorgetragene "Verrechnung"der Schadenersatzforderung sage nichts darüber aus, ob dies zu Recht erfolgt sei. Zudem stehe diese Aussage im Widerspruch zu der Aussage, dass die Forderung gerichtlich geltend gemacht werden solle. Durch die fehlende Dokumentation der "Verrechnung"von Schadenersatzforderungen, müsse dieses Vorbringen unberücksichtigt bleiben.

Unter Bezugnahme auf die Fragen der Vergabekammer führt die Antragstellerin aus:

Es seien nur Vertragspflichtverletzungen zu der Ausschreibung "Abholung und Verwertung von Altholz der Kategorie A IV"geltend gemacht worden. Nur dieser Leistungsteil sei Gegenstand der mündlichen Auftragserweiterung. Eine konkrete Menge zur Abholung und Verwertung sei nicht vereinbart worden, es sollten die bestehenden vertraglichen Regelungen gelten. Eine Austauschbarkeit der Kategorien A I - III und A IV sei nicht möglich, da die Stoffe nach Klasse A IV anders belastet seien und an die Entsorgung höhere Anforderungen gestellt werden.

Die Einstufung nehme der Antragsgegner selbst vor. Da er als öffentlicher Auftraggeber die Richtigkeit der Angaben in der Leistungsbeschreibung zu verantworten habe, könne die Nichtabholung und -verwertung von xxxxxx zu entsorgendem Altholz der Kategorie A IV in dem Zeitraum vom 26.07.2019 bis zum 31.12.2019 der Antragstellerin nicht als vertragswidriges Verhalten angelastet werden.

Die Ausschlussentscheidung sei ermessensfehlerhaft, da der Antragsgegner den maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend ermittelt habe. Bei seiner Sachverhaltsermittlung habe der Antragsgegner verkannt, dass zwischen dem hier ausgeschriebenen Entsorgungsauftrag und den Entsorgungsaufträgen aus dem Jahr 2019 erhebliche Unterschiede bestehen, die eine Vergleichbarkeit ausschließen.

Zudem könne eine Vergleichbarkeit der Entsorgungsleistungen hinsichtlich des Altholzes der Kategorien A I - III und des Altholzes der Kategorie A IV nicht angenommen werden. Altholz der Kategorie A IV ist behandeltes Altholz und in der Regel gefährlicher Abfall, an dessen Lagerung, Aufbereitung und Verwertung deutlich höhere Anforderungen gestellt werden würden. Insbesondere könne und dürfe nicht jede Verwertungsanlage Altholz der Kategorie A IV verwerten.

Der Antragsgegner habe es vergaberechtsfehlerhaft unterlassen, die Antragstellerin anzuhören. Dies könne auch nicht mehr nachgeholt werden und würde demgemäß die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens erfordern.

Es seien auch ausreichende Abhilfemaßnahmen getroffen worden, dass sich künftiges Fehlverhalten nicht wiederholen könne. Durch die Einbindung von Nachunternehmern und der damit verbundenen Erhöhung der Leistungsfähigkeit sei für eine künftige Auftragsausführung sichergestellt worden, dass für die Auftragsausführung ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen würden und auch Überlastungen des Marktes auf Flächen der Antragstellerin abgefangen werden können.

Zudem stehe der Antragstellerin das sogenannte Recht auf eine zweite Chance zu. Da erforderliche Angaben in der Auftragsbekanntmachung fehlen, seien die Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert worden, was eine Rückversetzung des Verfahrens erfordern könne. Die ungenügende Bekanntgabe der Eignungskriterien als schwerwiegender und offenkundiger Mangel seien von Amts wegen aufzugreifen, wenn der Nachprüfungsantrag zulässig sei und die Antragstellerin dadurch, wie hier, in ihren Rechten verletzt sei. Insbesondere wende sich die Antragstellerin gegen die die unwirksam aufgestellten Referenzanforderungen, welche der Antragsgegner dazu genutzt habe, um eine auf Rechtsfolgeseite des § 124 Abs. 1 GWB notwendige Prognoseentscheidung zu Lasten der Antragstellerin begründen zu können.

Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht erkennbar wäre, weswegen die Antragstellerin bei einem erneuten Vergabeverfahren eine bessere Chance auf den Zuschlag haben sollte. Denn bei erneuter Beteiligung würde der Antragstellerin wiederum die Möglichkeit offenstehen, sich durch entsprechende Gegen- bzw. Abhilfemaßnahmen von dem Makel der Schlechtleistung bzw. der Unzuverlässigkeit zu befreien.

Mit Schriftsatz vom 12.01.2020 ergänzt und vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag dahin gehend, dass der Grund für das ungewöhnlich hohe Aufkommen der Altholzklasse IV darin gelegen habe, dass die Antragstellerin nicht ihrer Verpflichtung zur Abfuhr der Altholzklassen I - III nachgekommen sei. Dadurch sei es zu einer Überfüllung des Altholzlagers des Antragsgegners und infolgedessen zu einer Vermischung der vorsortierten Altholzklassen gekommen. Auf Grund dieser Vermischung der Altholzklassen I - III mit der Altholzklasse IV, hätte das gesamte Altholz als Klasse IV eingeordnet werden müssen.

Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Der überwiegend zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet.

Die Vergabekammer kann im Konsens der Verfahrensbeteiligten analog zu § 128a ZPO, § 102a VwGO die mündliche Verhandlung gemäß § 166 GWB auch in digitaler Form durchführen (im Folgenden 2.).

Bei der Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB müssen sich Vertragsverletzung und Rechtsfolge auf denselben Vertrag beziehen (im Folgenden 3.b).

Die Formulierung "eines früheren öffentlichen Auftrags"in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist weit gefasst, enthält weder eine Beschränkung auf europaweit bekanntzumachende Aufträge, noch auf inhaltsgleiche Aufträge (im Folgenden 3.c).

Die Annahme, dass ab 10 % Mengenüberschreitung eine Abnahmepflicht ende, ist unter Rückgriff auf § 132 Abs. 3 GWB vertretbar. Will ein Auftraggeber sich die Vertragsbindung auch bei größeren Abweichungen erhalten, bedarf es einer Klarstellung im Vertrag (im Folgenden 3.d).

Die Vergabekammer ist nicht verpflichtet, zur Aufklärung einer Sach- und Rechtsfrage zu § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB die Vergabeunterlagen einer bereits abgewickelten Vergabe beizuziehen. Prüfungsgegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist ausschließlich das aktuell zu vergebende Vertragsverhältnis. Soweit sich einer der Verfahrensbeteiligten auf ein früheres Vertragsverhältnis bezieht, obliegt es dem jeweils Beweispflichtigen, aufgrund der allgemeinen Nachweispflicht meist dem Auftraggeber, die entsprechenden Nachweise vorzulegen (im Folgenden 3.e).

Eine vollzogene Aufrechnung ist eine Geltendmachung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (im Folgenden 3.g, h).

Gesteht ein Anbieter inhaltlich ein, dass er gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB in einem früheren Vertrag eine wesentliche Anforderung erheblich oder fortlaufend mangelhaft erfüllt hat, muss der Auftraggeber ihm die Gelegenheit gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 3 GWB geben, die Maßnahmen darzulegen, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu verhindern (im Folgenden 3.i, j).

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt gemäß vorgelegter Kostenschätzung des Gesamtauftragswerts gemäß § 3 VgV deutlich den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne USt. die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 2020 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 214.000 € gilt.

Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse an dem Auftrag und fristgerecht ein Angebot abgegeben. Sie macht die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie die Beanstandungen gemäß Ziffer I erhebt. Der Antragsgegner habe ihr Angebot nicht ausschließen dürfen, weil sie den vorherigen Vertrag für das Jahr 2019 ordnungsgemäß erfüllt habe.

Die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erfordert, dass der Antragsteller einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Er muss diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. An diese Voraussetzungen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter ein ernstzunehmendes Angebot abgegeben hat und schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.04 - 2 BvR 2248/04; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 43 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Die Antragstellerin hat die geltend gemachten Verstöße bezüglich der Wertung gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig gerügt. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB muss der Bieter geltend gemachte Verstöße gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags gegenüber dem Auftraggeber rügen. Dazu setzt ihm § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB eine Frist von 10 Tagen, nachdem er den Verstoß gegen Vergabevorschriften erkannt hat. Der Antragsgegner informierte die Antragstellerin am 03.12.2020 darüber, dass ihr Angebot ausgeschlossen werde und die Beigeladene den Auftrag erhalten sollte. Erst ab diesem Tag konnte die Antragstellerin Kenntnis von den Ausschlussgründen erhalten. Daraufhin rügte die Antragstellerin am 10.12.2020, also vor Ablauf von 10 Tagen, ihren Ausschluss. Sie erhob ihre Rüge damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Die Rüge enthielt ein konkretes Verlangen, nämlich vom Ausschluss der Antragstellerin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB abzusehen und die Wertung zu wiederholen.

Die Antragstellerin rügte allerdings keine angeblich fehlerhafte Bekanntgabe der Eignungskriterien. Ein solcher, tatsächlich festzustellender Mangel der Vergabeunterlagen wäre gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1, 2 GWB deutlich früher, nämlich bis zur Angebotsabgabe, zu rügen gewesen. Mit ihrem diesbezüglichen Vortrag ist sie daher präkludiert.

Die Antragstellerin erhob ihren Nachprüfungsantrag auch innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Nach der Rügezurückweisung vom 11.12.2020 erhob sie ihren Nachprüfungsantrag am selben Tage, hielt also die Frist von 15 Tagen nach Rügezurückweisung ein. Der Nachprüfungsantrag ist somit überwiegend zulässig.

2. Die Vergabekammer kann im Konsens der Verfahrensbeteiligten analog zu § 128a ZPO, § 102a VwGO die mündliche Verhandlung gemäß § 166 GWB auch in digitaler Form durchführen (vgl. Ahlers, NZBau 2020, 628, Kieselmann, vergabeblog 28/5/2020). Der Ablauf der Verhandlung hat gezeigt, dass die mündliche Verhandlung erheblichen Erkenntnisgewinn gebracht hat. Die mündliche Verhandlung als essentieller Bestandteil des Nachprüfungsverfahrens darf daher auch in Corona-Zeiten nicht entfallen, ist vielmehr unter Nutzung der inzwischen vorhandenen technischen Möglichkeiten umzusetzen.

3. Der Nachprüfungsantrag erweist sich aufgrund der mündlichen Verhandlung als begründet.

Der Antragsgegner war mangels tragfähiger Prognose nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auszuschließen. Nach dieser Vorschrift können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.

Voraussetzung ist daher zunächst, dass das Unternehmen bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags eine wesentliche Anforderung mangelhaft erfüllt hat. Dazu beruft sich der Antragsgegner sowohl auf die europaweit bekannt gemachte Beauftragung mit der Entsorgung des Altholzes der Klassen I - III, als auch auf die vermutlich gemäß § 3 Abs. 9 VgV nicht europaweit bekannt gemachte Entsorgung des Altholzes der Klasse IV, jeweils bezogen auf das Jahr 2019.

a. Der Antragsgegner kann den Ausschluss der Antragstellerin nicht gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1, § 46 VgV auf deren fehlende Eignung, insbesondere fehlende Referenzen stützen, weil er in der Bekanntmachung keine Eignungsanforderungen gesetzt hat. Der Vermerk vom 23.11.2020 ist insoweit fehlerhaft. Der Antragsgegner hat sich in der Bieterinformation gemäß § 134 GWB auch nicht mehr darauf berufen. Der öffentliche Auftraggeber ist gemäß § 122 GWB bzw. den diese Vorschrift konkretisierenden §§ 45 ff. VgV in dem dort erläuterten Umfang berechtigt, unternehmensbezogene Kriterien festzulegen, um die Eignung der Bieter für die fachkundige und leistungsfähige Auftragsausführung sicherzustellen. Wörtlich heißt es in § 122 GWB: Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich betreffen: Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit, technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind gemäß § 122 Abs. 4 GWB in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, § 122, Rn. 47). Die frühe Information über die Eignungskriterien soll für die an einem Auftrag interessierten Unternehmen rechtzeitig, also vor der aufwändigen Erstellung eines Angebotes, Transparenz schaffen. Die Unternehmen sollen anhand der Eignungskriterien bereits feststellen können, ob sich die Erarbeitung eines Angebotes für sie lohnt, also ob ihr Unternehmen die Eignungskriterien erfüllt oder ob es bereits die Eignungsvoraussetzungen verfehlt (OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018, 13 Verg 8/17). Es sei erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignungskriterien klar und unmissverständlich benenne. In den Vergabeunterlagen dürften keine neuen Kriterien benannt, sondern nur die in der Bekanntmachung genannten Kriterien konkretisiert werden. Der Verweis aus der elektronischen Bekanntmachung auf den Inhalt der Vergabeunterlagen ist hier nicht erfolgt, wäre ggf. auch nur als Deep link (OLG Dresden, Beschluss vom 15.02.2019 - Verg 5/18; OLG München, Beschluss vom 25.02.2019 - Verg 11/18; OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 - Verg 02/18, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 - Verg 24/18; VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2019, Z 3-3-3194-1-44-11/18) unmittelbar auf den betreffenden Text aus den Vergabeunterlagen zulässig. Aus dem Fehler des Antragsgegners folgt wegen der zum gebotenen Zeitpunkt versäumten Rüge des erkennbaren Unterschieds zwischen den Anforderungen der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen allerdings kein Anspruch auf Zurückversetzung des Vergabeverfahrens.

b. Die Vergabekammer reduziert die weitere Prüfung eines Ausschussgrundes nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auf den Sachverhalt der Entsorgung des Altholzes der Klasse IV, weil der Antragsgegner hinsichtlich der angeblich mangelhaften Entsorgung des Altholzes der Klassen I - III keine Konsequenzen im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorgetragen hat. Daher scheidet ein Angebotsausschluss insoweit aus. Vertragsverletzung und Rechtsfolge müssen sich auf denselben früheren Vertrag beziehen.

c. Der Antragsgegner war nach dem Sachstand der mündlichen Verhandlung nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB von der Wertung auszuschließen. Nach dieser Vorschrift können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortlaufend mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.

Hinzu tritt aber das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass der hier zu vergebende Auftrag der Entsorgung des Altholzes der Klasse I - III mit dem früheren Auftrag, in dem die Vertragsverletzung stattgefunden haben soll, vergleichbar sein muss.

Der Vertrag zur Abnahme des Altholzes der Klasse IV 2019 ist nicht identisch mit dem hier zu vergebenden Auftrag der Verwertung der Altholzklassen I - III. Er ist auch nur teilidentisch mit dem Auftrag des Jahres 2019 für die Entsorgung der Altholzklassen I - III (vgl. nachfolgend zu d). Die Entsorgung des Altholzes der Klasse IV wurde auch nicht europaweit vergeben, vermutlich gemäß § 3 Abs. 9 VgV. All dies hindert den Antragsgegner jedoch nicht daran, die behauptete Vertragsverletzung zum Anlass für den Angebotsausschluss zu nehmen, denn die Formulierung "eines früheren öffentlichen Auftrags"in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist weit gefasst, enthält weder eine Beschränkung auf europaweit bekanntzumachende Aufträge, noch auf inhaltsgleiche Aufträge. Es genügt, dass der für den Ausschluss herangezogene Vertrag sich auf einen vergleichbaren Leistungsgegenstand bezieht, und zwar vor allem inhaltlich, darüber hinaus auch zeitlich und örtlich (VK Bund, Beschluss vom 29.12.2017, VK 1-145/17). Die VK Bund hat aber in jener Entscheidung den Maßstab der Vergleichbarkeit eher weit gezogen, weil sie die Erfahrungen aus einem Bauvertrag auf einen Dienstvertrag übertrug, mit der zutreffenden und fallbezogen aufgebauten Begründung, die Pflichten seien vergleichbar. Das gilt auch hier für zwei Verträge zur Altholzentsorgung.

d. Der Antragsgegner hält der Antragstellerin vor, im Jahr 2019 das Altholz der Annahmestelle xxxxxx über einen Zeitraum von mehreren Wochen nicht in dem vereinbarten Turnus abgeholt zu haben. Die Antragstellerin entgegnet, die an dieser Annahmestelle anfallenden Mengen hätten das vereinbarte Volumen um ein Vielfaches überschritten, sie sei daher aufgrund des geschlossenen Rahmenvertrages nicht verpflichtet gewesen, diese Zusatzmengen abzunehmen.

Die Argumente der Antragstellerin zum vereinbarten Volumen können nicht überzeugen, weil der Vertragsgegenstand im Februar 2019 einvernehmlich und wirksam verändert worden war.

Die Antragstellerin beschreibt zutreffend, dass ein Vertrag den Auftragnehmer nicht verpflichte, grenzenlos Mengenüberschreitungen hinzunehmen. Ein Wert von 10 % findet sich auf Seite 3 des Leistungsverzeichnisses. Die Annahme, dass ab 10 % Überschreitung eine Abnahmepflicht ende, ist unter Rückgriff auf § 132 Abs. 3 GWB vertretbar (vgl. VK Bund, Beschluss vom 29.07.2019, VK2-48/19) Der vom OLG München (OLG München, Beschluss vom 06.08.2012, Verg 14/12) entschiedene Fall betraf noch das ungewöhnliche Wagnis, dessen Fortbestand nach Abschaffung fraglich ist. Will ein Auftraggeber sich die Vertragsbindung auch bei größeren Abweichungen erhalten, bedarf es einer ausdrücklichen Klarstellung im Vertrag.

Gegenstand des Ende 2018 für 2019 geschlossenen Vertrags war die Entsorgung eines an insgesamt vier Abnahmestellen anfallenden Volumens. Geschätzt war ein Volumen von insgesamt 100 t Altholz der Klasse IV und weiteren 120 t verglasten Holzfenstern. Die Antragstellerin trägt vor, diese geschätzte Menge sei bereits im Februar 2019 erreicht worden. Der Antragsgegner habe daher den Auftrag mündlich erweitert. Dies bestätigt dessen Vermerk vom 25.02.2019, der allerdings nur intern verwendet, nicht der Antragstellerin zur Abstimmung vorgelegt wurde. Die Antragstellerin wiederum hat die Möglichkeit, den Inhalt der Erweiterung mit einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben zu fixieren, versäumt. Daraus ist vermutlich ein Teil der Unstimmigkeiten entstanden. Die Vergabekammer hat nun keine andere Möglichkeit mehr, als das als Vertragsinhalt anzunehmen, was unstreitig ist und entweder im Vermerk des Antragsgegners festgehalten wurde oder zumindest bis zum Sommer 2019 einvernehmlich umgesetzt wurde. Damit ist eine neue vertragliche Grundlage entstanden.

Soweit die Antragstellerin meint, die Vergabekammer dürfe diese Erweiterung nicht berücksichtigen, weil sie formwidrig vereinbart worden und nicht ausreichend dokumentiert sei, kann dies nicht überzeugen. Was als Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne des § 86 Abs. 4 NKomVG anzusehen ist, ergibt sich aus einer Kombination von Hauptsatzung und einzeln erteilten Vollmachten. Wenn ein Geschäftspartner die Vollmacht anzweifelt, steht es ihm frei, das rechtzeitig von der xxxxxx als HVB prüfen zu lassen. Ihre Berufung auf Formnichtigkeit 2 Jahre nach Vereinbarung und nach längerer Vertragsausführung hat die Antragstellerin nach Treu und Glauben verwirkt.

Es ist daher auf den im Februar 2019 erweiterten Vertrag abzustellen. Dessen Abschluss wurde aufgrund einer Fehlentwicklung erforderlich, welche die Vergabekammer nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen und der mündlichen Verhandlung nicht der Antragstellerin anlasten kann. Die Verpflichtung der Antragstellerin durch den Ende 2018 erhaltenen Auftrag für das Jahr 2019 war mengenmäßig wie dargestellt begrenzt.

Unstreitig war im Februar 2019 im Zusammenhang mit der Sperrmüllsammlung ein Sachstand eingetreten, durch den Altholz der Klassen I - III mit Altholz der Klasse IV vermischt war. Dadurch entstand auf den Deponiestandorten des Antragsgegners ein Lagerüberhang von 200 t Altholz. Eine strikte terminlich definierte Pflicht zur Abfuhr an bestimmten Tagen, wie vom Antragsgegner dargestellt, findet sich jedenfalls im Leistungsverzeichnis der aktuellen Vergabe nicht. Nach der unwidersprochenen Darstellung der Antragstellerin zur Aufgabenverteilung war die Sammlung des Sperrmülls und die Aufteilung des von Gewerbetreibenden oder Privatpersonen unmittelbar angelieferten Holzes Aufgabe der Mitarbeiter des Antragsgegners. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass schon geringfügige Fehlwürfe zu einer Abstufung des Holzes führen können. Der Antragsgegner verwendet Betonboxen, in die von der einen Seite Altholz der Klasse III und von der anderen Seite Altholz der Klasse IV eingebracht wird. Das kann Vermengungen Vorschub leisten, insbesondere dann, wenn dem Auftragnehmer ein Ermessen bei der Bestimmung der Abfuhrtermine eingeräumt wird. Die Vergabekammer muss daher mit dem ihr nur eingeschränkt möglichen Einblick in den Sachstand des Februar 2019 annehmen, dass der Antragsgegner der Vermischung der Althölzer verschiedener Klassen bezogen auf die konkret entstandene Situation nicht ausreichend sicher vorgebeugt hat.

Der Auftrag wurde dann hinsichtlich der Althölzer Klasse IV deutlich erweitert und zwar ohne Obergrenze. Tatsächlich abgefahren wurde im Jahr 2019 eine Menge zwischen xxxxxx t (Schriftsatz des Antragsgegners vom 12.01.2021, Blatt 3) oder xxxxxx t (Schreiben der Antragstellerin vom 15.10.2020). Aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 15.10.2020 ergibt sich auch deutlich, dass die gestiegene Menge Altholz der Klasse IV zumindest überwiegend durch die auch im weiteren laufenden Jahr 2019 notwendige Umdeklarierung des Altholzes I - III entstanden ist. "Den Mehrmengen von xxxxxx t Altholz IV stünden Mindermengen Altholz I - III von xxxxxx t gegenüber".

Der Antragsgegner hat sich bereit erklärt, für diese im Ergebnis xxxxxx t den gegenüber der Entsorgung des Altholzes der Klassen I - III deutlich höheren Tonnage-Preis für die Entsorgung des Altholzes Klasse IV zu zahlen. Die Antragstellerin hat einen Preis von xxxxxx € je Tonne genannt. Die Entsorgungspreise für das Altholz der Klasse I - III im Jahr 2019 sind nicht bekannt, die aktuell angebotenen Preise der Bieter liegen sehr deutlich unter diesem Wert. Der Antragsgegner hat daher erhebliche Mehrkosten akzeptiert, auch wenn er im Vermerk vom 25.02.2019 ein nicht näher benanntes preisliches Entgegenkommen festgehalten hat. Nach dieser Gemengelage, bestand bis zum Februar 2019 kein Anlass, der in der hier zu entscheidenden Vergabe für das Jahr 2021 eine Maßnahme nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gerechtfertigt hätte.

Es ist daher weiter zu prüfen, ob die Abwicklung des Vertrags in der geänderten Fassung vom Februar 2019 in der Zeit von Februar 2019 bis Dezember 2019 Anlass für ein erhebliches Fehlverhalten der Antragstellerin enthält. Der Inhalt der geänderten Vereinbarung bestand nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung darin, die erhöhten Mengen Altholz Klasse IV im Laufe des Jahres zu den dafür vorgesehenen Preisen fristgerecht abzunehmen, ohne dass Obermengen hierfür vereinbart worden sind. In der mündlichen Verhandlung konnte zumindest aufgeklärt werden, dass die Getrennthaltung von Altholz Klasse I und Klasse II auch weiterhin einvernehmlich gelang, sodass die Vermengung nur zwischen dem Altholz Klasse III und Klasse IV stattfand.

Die ursprüngliche Argumentation der Antragstellerin, sie habe im Juli ihre Abnahmeverpflichtung des Jahres erfüllt, kann daher nicht überzeugen. Diese Darstellung bezieht sich auf den ursprünglichen Auftrag. Für den geänderten Auftrag zeigte sie noch mit Schreiben vom 25.03.2020 ihre Leistungsbereitschaft an, weil sie ausführte, der Antragsgegner habe keine Leistungen mehr abgefordert.

Der Auftragnehmer muss kurzzeitige Abnahmeschwächen auffangen. Das gilt insbesondere für jahreszeitlich bedingte und daher vorhersehbare Engpässe bei der Abnahme von Altholz durch Entsorger, die im Sommer, bei z.B. durch vermehrte Bautätigkeit steigendem Brennstoffangebot witterungsbedingt weniger thermische Energie vermarkten können. Er kann sich nicht darauf berufen, dass seine Lagerkapazitäten erschöpft seien. Der Einwand, es handele sich um einen bundesweiten Abnahmenotstand wurde durch die von der Beigeladenen ausgeführte Ersatzvornahme entkräftet.

e. Somit liegt für den geänderten Vertrag vom Februar 2019 eine Vertragsverletzung vor, weil die Antragstellerin die Abnahme des Altholzes Klasse IV im Sommer 2019 nicht mehr zeitgerecht gewährleistete. Hinzu kommt die beim Antragsgegner entstandene Wahrnehmung, dass die Antragstellerin sich über einen längeren Zeitraum hinweg nicht ernsthaft um Abhilfe bemüht habe. Es ist nicht erforderlich, dass die Vergabekammer die Vergabeunterlagen für den Vertrag des Jahres 2019 beizieht. Prüfungsgegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist ausschließlich das aktuell zu vergebende Vertragsverhältnis. Soweit sich ein Verfahrensbeteiligter auf ein früheres Vertragsverhältnis bezieht, obliegt es ihm, die entsprechenden Nachweise vorzulegen. Aufgrund der allgemeinen Nachweispflicht trifft diese Pflicht meist den Auftraggeber.

f. Die Vertragsverletzung geschah nach Überzeugung der Vergabekammer sowohl erheblich als auch fortdauernd. Aufgrund der mit Rechnungen vom 20.11.2019 und 16.01.2020 geltend gemachten Zeiträume erstreckte sich der Leistungsausfall auf einen Zeitraum vom 26.07.2019 bis zum Jahresende, also auf 5 von 12 Monaten Vertragszeit. Nach unwidersprochener Darstellung des Antragsgegners, er habe xxxxxx t Altholz IV im Wege der Ersatzvornahme von der Beigeladenen abholen lassen, handelte es sich bei Annahme eines Gesamtvolumens der Altholzklassen I - III von xxxxxx t in etwa um 1/6 des angefallenen Volumens.

Die Vertragsverletzung wird mit der geltend gemachten Schadenssumme nur unzureichend erfasst, weil sie nicht das Volumen der Vertragsverletzung erfasst, sondern wegen der vom Antragsgegner ordnungsgemäß beachteten Schadensminderungspflicht nur die Mehrkosten der Ersatzvornahme umfasst. Die Vergabekammer sieht in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB keine vorab am Auftragsvolumen berechenbare Bagatellgrenze, unterhalb derer Vertragsverletzungen nicht als mangelhafte Vertragserfüllung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB angesehen werden dürften. Vielmehr kommt es immer auf die Prüfung des Einzelfalls an. Es geht gerade bei einem kleineren, beengten Deponiegelände wie dem des Antragsgegners nicht nur um die Verpflichtung, die geforderten Mengen irgendwann abzunehmen, sondern auch um die zeitliche Komponente.

Der ebenfalls genannte Betrag von xxxxxx € netto kann allerdings nicht herangezogen werden, weil es sich bei ihm um das 2018 geschätzte Auftragsvolumen handelt. Daher ist bei dem genannten Preis je Tonne und dem im einzelnen streitigen Volumen des nicht abgeholten Altholzes der Klasse IV sowohl die Schwelle der Erheblichkeit bezogen auf das Gesamtauftragsvolumen überschritten als auch die Schwelle des fortdauernden Fehlverhaltens bezogen auf die Vertragsdauer.

g. Der Antragsgegner hat auch im Nachprüfungsverfahren vortragen können, dass er mit seiner Aufrechnung am 20.09.2020 aus dem Fehlverhalten der Antragstellerin im Altvertrag 2019 die in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorgesehene Folge gezogen hat.

Die Vergabekammer muss eine rechtmäßige Folge des Antragsgegners der Abwicklung des alten Vertragsverhältnisses zuordnen können. Muss sie feststellen, dass der öffentliche Auftraggeber die Verletzung des früheren Vertrags zunächst nicht als wesentlich angesehen hat, sein Verhalten mehr der Verhinderung des Zuschlags auf ein Angebot dieses Bieters in dem künftigen Vertragsverhältnis dient, wäre das nicht mehr von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gedeckt.

Dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hier gab es seit November 2019/Januar 2020 eine fortlaufende streitige Diskussion um die Folgen des Altvertrags. Das spricht für eine Zuordnung zum Altvertrag. Ergänzend kann die Vergabekammer eine eindeutige Zuordnung nur nach dem Datum der Bekanntmachung des aktuellen Auftrages treffen. Die Aufrechnungserklärung des Antragsgegners stammt vom 18.02.2020. Sie wurde gegenüber einem Dritten, nämlich einem Vertragspartner der Antragstellerin erklärt, der gegenüber dem Antragsgegner an ihn abgetretene Forderungen der Antragstellerin geltend macht. Der Antragsgegner vollzog die Aufrechnung erst am 20.09.2020. In der mündlichen Verhandlung konnte aufgeklärt werden, dass diese erhebliche Verzögerung dadurch begründet wurde, dass Antragstellerin und Antragsgegner gemeinsam in einer wohl aufwändigen Untersuchung Klarheit und Einvernehmen darüber erlangen wollten, in welchem Umfang die Forderung begründet war. Das spricht für eine Zuordnung zum Altvertrag. Die Vergabe des Auftrags für das Jahr 2021 wurde am xxxxxx.2020 bekannt gemacht. Der Anspruch wurde nicht überraschend aufgerechnet, vielmehr war die Aufrechnung Folge der streitigen Korrespondenz. Die Vergabekammer stellt daher wegen der frühen Aufrechnungserklärung und wegen der in der mündlichen Verhandlung erkennbaren sachlichen Begründung des Verzugs bei der Aufrechnungshandlung fest, dass die Aufrechnung eindeutig der Abwicklung des Altvertrages 2019 zuzuordnen ist.

h. Der Antragsgegner hat den Anspruch durch die vollzogene Aufrechnung hinreichend geltend gemacht. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Berechtigung des Anspruches ist nicht Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatz. Das verbietet schon ein Abgleich der allgemein eher kurzen Vergabezyklen mit der Verfahrensdauer eines über mehrere Instanzen gezogenen Zivilprozesses. Das übersieht die Antragstellerin.

Der Verweis auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 7/18), überzeugt aus zwei Gründen nicht. Zum einen war der dort entschiedene Fall aufgrund der vielen voneinander abweichenden Feststellungen der Gutachter nicht mit der hier vorliegenden Situation zu vergleichen. Zum anderen würde es der Intention des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB widersprechen, wenn sich ein Auftragnehmer erfolgreich so lange in die nächsten zu vergebenden Aufträge hineinklagen könnte, bis die Justiz zu einer Entscheidung gekommen ist. Die Beharrlichkeit eines Unternehmens darf dem Auftraggeber nicht das Instrument des Bieterausschlusses wegen vorhergehender Vertragsverletzung entwinden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017, 13 Verg 9/16; zuvor VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.11.2016/, VgK-44/2016).

Es genügt daher, dass der Auftraggeber konkrete Indizien von einigem Gewicht für die Geltendmachung seiner Ansprüche vorweisen kann (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß GWB Vergaberecht § 124 Rn. 76; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 7/18). Der Antragsgegner ist nicht gezwungen, anstelle der ihm zustehenden einfachen Aufrechnung ein aufwändiges, langwieriges und mit Kostenrisiken verbundenes Klageverfahren durchzuführen. Die Antragstellerin hat im Juli 2020 gegenüber dem Antragsgegner zwar noch bestritten, dass die Aufrechnung zulässig sei, ihm aber ein Zurückbehaltungsrecht über die Summe der Aufrechnung zugestanden. Diese erst in der mündlichen Verhandlung offengelegte Wendung sieht die Vergabekammer als den Versuch an, ein Fehlverhalten ohne Gesichtsverlust einzugestehen.

i. Der Antragsgegner hat insbesondere vor dieser Wendung die Prognose künftiger Zuverlässigkeit nicht mit der gebotenen Differenzierung gegenüber der Antragstellerin erstellt.

Die Vergabekammer hat in vereinfachter Prüfungstiefe die Prognose des Antragsgegners im Vermerk vom 23.11.2020 daraufhin zu überprüfen, ob das konkrete streitige Fehlverhalten der Vergangenheit in Zukunft Unzuverlässigkeit erwarten lasse und sich in einem Zivilprozess voraussichtlich als Grundlage eines Ausschlusses im laufenden Vergabeverfahren erweisen wird. Die Befugnis zu einer solchen Entscheidung hat das OLG Celle mit Einschränkungen (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017, 13 Verg 9/16) bestätigt. Die Vergabekammer ist nicht verpflichtet, in der kurzen ihr zur Verfügung stehenden Zeit einen zivilrechtlichen Streit in der Tiefe einer Beweisaufnahme vorab durchzuführen und verbindlich zu entscheiden. Sie hat allerdings ähnlich wie bei der Glaubhaftmachung eines Anspruchs in der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 920, 921 ZPO oder der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO kritisch zu prüfen, ob der Antragsgegner seine Ansprüche aus sachfremden Gründen verfolgt, ob er den zugrundeliegenden Sachverhalt falsch verstanden hat und ob er die Entscheidung gegenüber der Vergabekammer glaubhaft gemacht hat. Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber keine Entscheidung vorgeben, sie muss seinen Ermessenspielraum (nach der Wortwahl des OLG Celle, Beschluss vom 13.05.2019, 13 Verg 2/19 Beurteilungsspielraum) beachten.

Falsche Sachverhaltswahrnehmung und sachwidrige Gründe können hier ausgeschlossen werden. Allerdings bezieht sich der Vermerk des Antragsgegners ausschließlich auf die Rückschau des alten Vertrags. Das ist solange richtig und ausreichend, wie die Antragstellerin ihre Vertragsverletzung nicht eingesteht. Nach dem ihm bekannten Eingeständnis vom Juli 2020 würdigt der Antragsgegner den Sachverhalt damit aber nur noch unvollständig. Ein Angebotsausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist wegen § 125 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht nur die Strafe für früheres Fehlverhalten. Bei eingestandenem früheren Fehlverhalten hat der Auftraggeber dem potentiellen Auftragnehmer auch aufzuzeigen, ob die von ihm eingeleiteten Schritte zur Wiederherstellung der Zuverlässigkeit ausreichend sind oder in welchem Umfang noch Nachbesserungen erforderlich sind, um wieder uneingeschränkt an weiteren Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Diese differenzierte Wertung fehlt hier.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung zwar erstmals, aber unwidersprochen vorgetragen, dass sie durch die mündliche Zustimmung zum Einbehalt der Schadenssumme einen Weg in Richtung eines Eingeständnisses ihrer Defizite in der Erfüllung des Altvertrages eingeschlagen habe. Damit ist der Weg zu § 125 Abs. 1 Nr. 3 GWB eröffnet. Nach dieser Vorschrift schließen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen nachgewiesen hat, dass es konkrete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu vermeiden. Diese Prüfung fehlt hier.

Zwar hat die Durchsicht der Vergabeakte den Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht vollständig bestätigen können. Der auch gegenüber dem Angebot neue Vortrag, es seien seit 2019 interne Lagermöglichkeiten organisatorisch verdoppelt worden und weitere 500 t externe Lagerkapazität gesichert worden, wird aus den beiden Immissionsschutzbescheiden zu den Lagerplätzen von 2003 und von 2010 nicht bestätigt. Wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen dürfen nur solche Lagerflächen berücksichtigt werden, die nach BImSchG für den vorgesehenen Einsatzzweck und -umfang genehmigt sind (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.01.2020 Vgk-41/2019). Das ist von der Antragstellerin nachzuweisen. Inwieweit die Antragstellerin sich externe Lagerflächen hat vertraglich sichern können, wird aus dem Angebot nicht deutlich.

Die Antragstellerin hat das Formblatt: Erklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach § 123, § 124 GWB ausgefüllt. Zu einem Verstoß gegen § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss man sich dort aber nicht ausdrücklich äußern. Eine weitere Aufklärung des Antragsgegners unterblieb. Die Darstellung, sie habe im Angebot nun zwei Nachunternehmer benannt, wird aus den Angebotsunterlagen bestätigt. Ob und inwieweit die Hinzuziehung dieser Nachunternehmer einschließlich der Eignungsleihe eine andere Einschätzung zur künftigen Zuverlässigkeit der Antragstellerin erlaubt, kann die Vergabekammer nicht beurteilen. Es handelt sich um eine Prüfung, die vom Antragsgegner durchzuführen und zu verantworten ist. Erst wenn dieser den Sachverhalt vollständig zusammengetragen hat, um die künftige Leistungsfähigkeit aufgrund der bisher getroffenen Maßnahmen zu prüfen, kann die Vergabekammer diese Darstellung auf Plausibilität prüfen. Die bisherigen Ausführungen im Vermerk vom 27.11.2020 beschränken sich auf die Sachverhalte der Vergangenheit, die, wie unter Ziffer 3c - f erörtert, keineswegs belanglos sind.

j. Die Antragstellerin kann sich daher mit Erfolg darauf berufen, sie sei nicht eigens angehört worden. Die vom EuGH (EuGH, Urteil vom 03.10.2019, C - 267/18, Rn. 38) geforderte Kommunikation über Fehler vor dem Ausschluss bezieht sich darauf, dass ein öffentlicher Auftraggeber die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses durch einen anderen öffentlichen Auftraggeber nicht ungeprüft übernehmen solle. Er soll den Auftragnehmer zum Ausschluss anhören, was hier nicht erforderlich ist, weil hier der alte und neue Auftraggeber identisch sind. Wenn der Ausschluss gerechtfertigt gewesen sei, soll der Auftraggeber den Auftragnehmer auch zu den von ihm getroffenen Abhilfemaßnahmen anhören, bevor er ihn ausschließt. Daran fehlt es hier. Mit dem erstmals am Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Urteil des EuGH (EuGH, Urteil vom 14.01.2020, Rn. 42, 50) hat die Antragstellerin die Auffassung des EuGH belegt, dass diese Informationen zur Leistungsverbesserung nicht unaufgefordert vom Bieter vorzulegen sind, sondern entweder in einer Rechtsvorschrift enthalten sein müssen oder vom Auftraggeber zu erfragen sind.

k. Der Antragsgegner hat wegen der unvollständigen Prognose unverhältnismäßig gehandelt. Dieses Tatbestandsmerkmal ergibt sich aus § 124 Abs. 1 Satz 1 GWB (können .... unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit). Daraus fordert die Rechtsprechung berechtigterweise eine Ermessensausübung des öffentlichen Auftraggebers. Dies setzt voraus, dass die getroffene Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Die Eignung ist gegeben, wenn die getroffene Maßnahme das Ziel einer künftigen gesicherten Vertragserfüllung zu erreichen vermag. Dies ist der Fall, wenn die Antragstellerin bis auf Weiteres keine Aufträge mehr erhält.

Die getroffene Maßnahme ist nach der mündlichen Verhandlung nicht sicher erforderlich, also von mehreren geeigneten Mitteln das mildeste, um den Erfolg zu sichern. Als milderes Mittel kommt die Abmahnung in Betracht, wenn sich die Zustimmung zum Einbehalt der aufgerechneten Schadenssumme dahin verdichtet, dass die Antragstellerin die Vertragswidrigkeit ihres Verhaltens im Sommer 2019 eingesteht. Bis dahin bleibt offen, ob bereits eine Abmahnung der Antragstellerin die Abholung künftig fristgerecht sicherstellen werde.

l. Der Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, er habe das Vertragsverhältnis mit der Antragstellerin vorzeitig beendet. Die Vergabekammer sieht, dass der Vertrag zur Entsorgung des Altholzes Klasse IV faktisch im Sommer 2019 endete. Einem Entzug hat der Antragsgegner allerdings noch im Schreiben vom 20.05.2020 widersprochen, obwohl die Antragstellerin bereits am 25.03.2020 von einer Auftragsentziehung sprach. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB meint die klar ausgesprochene vorzeitige Vertragskündigung. Daran fehlt es hier.

4. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Zurückversetzung auf den Zeitpunkt vor Beginn der Wertung ist das mildeste der geeigneten Mittel, um die Rechtsverletzungen zu heilen. Die festgestellten und zuvor gerügten Fehler liegen nur im Angebotsausschluss und damit in der Wertung. Es obliegt dem Antragsgegner, nach weiterer Angebotsprüfung zu entscheiden, ob er für die Antragstellerin unter den erschwerten Bedingungen in dieser Deponie eine Prognose zur hinreichenden Leistungsfähigkeit abgeben kann.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens gemäß § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Nach dem Angebot der Antragstellerin geht die Vergabekammer von einem Wert von xxxxxx € brutto aus. Dieser Betrag entspricht dem mutmaßlichen Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Vergabesumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast berücksichtigt § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst sowohl die Gebühren, als auch die Auslagen der Vergabekammer. Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist. Nur in untergeordnetem Maße und ohne Auswirkung auf den Umfang der getroffenen Maßnahme war der Nachprüfungsantrag unzulässig. Die Vergabekammer trifft aber gemäß § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, nach billigem Ermessen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Laufe des Nachprüfungsverfahrens ihren Vortrag weitgehend umgestellt hat, und zwar beginnend mit der Darstellung im vorletzten Schriftsatz vom 12.01.2021 ab Blatt 11, vor allem aber mit dem mündlichen Vortrag nach der Sitzungsunterbrechung in der mündlichen Verhandlung. Hatte sie im Nachprüfungsantrag noch behauptet, der Antragsgegner halte ihr eine unwesentliche Bagatelle vor, stützt sie ihren Vortrag nun auf ihr ernsthaftes Abhilfebemühen nach eingestandener wesentlicher Vertragsverletzung. Das ließe es auch zu, ihr die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Davon sieht die Vergabekammer ab, weil der erste Adressat des Vergaberechts immer der öffentliche Auftraggeber ist. Die überwiegende Kostenlast bei der Antragstellerin entspricht der Billigkeit.

Der Antragsgegner ist von der Pflicht zur Entrichtung seines Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner der Antragstellerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB zu erstatten. Hier ist nur auf den Umfang des Unterliegens abzustellen. Die Vergabekammer hat bei den Aufwendungen nur im Fall einer Erledigung eine Ermächtigungsgrundlage zu einer Billigkeitsentscheidung.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Die Beigeladene hat hier keinen Sachantrag gestellt, das Verfahren nicht schriftsätzlich betrieben. Es gab daher keinen Grund Aufwendungen der Beigeladenen aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Parteien aufzuerlegen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

x x x x x x

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

Gaus
Tiede
Weyer