Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 15.10.2021, Az.: VgK-36/2021

Rückversetzung eines Vergabeverfahrens in das Stadium vor Angebotswertung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
15.10.2021
Aktenzeichen
VgK-36/2021
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 54219
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
1. xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
3. xxxxxx,
- Beigeladene zu 3 -
wegen
Vergabeverfahren xxxxxx Unterhaltsreinigung für das xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer MR Gause und die ehrenamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Gottwald auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2021 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen. Sie wird bei fortbestehender Vergabeabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen, insbesondere die Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern und ihnen hierzu zeitgleich sämtliche Vergabeunterlagen einschließlich aller Zuschlagskriterien einschließlich Unterkriterien mit deren Gewichtung bereitzustellen. .

  2. 2.

    Die Höhe der Gebühr wird auf xxxxxx € festgesetzt. Auslagen sind nicht entstanden.

  3. 3.

    Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) trägt die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist von der Entrichtung der Kosten persönlich befreit.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2020 (Bekanntmachungsnummer: xxxxxx) und EU-Änderungsbekanntmachung (Bekanntmachungsnummer: xxxxxx) vom xxxxxx.2021 die Unterhaltsreinigung für das xxxxxx im offenen Verfahren ausgeschrieben.

Nach Ziffer VII.1.2) der Änderungsbekanntmachung beginnt die Laufzeit des Vertrages am 01.02.2022 und endet am 31.01.2025. Gemäß Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung kann der Vertrag nicht verlängert werden:

vk_lu_neburg_20211015_vgk362021_beschluss_as1

Dazu abweichend wird im Leistungsverzeichnis ausgeführt, dass eine Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils ein Jahr besteht:

vk_lu_neburg_20211015_vgk362021_beschluss_as2

Die Zuschlagkriterien werden nach Ziffer II.2.5) mit ihrer Gewichtung wie folgt dargestellt:

- Qualität: 45

- Preis: 55

Für das Zuschlagkriterium Preis können maximal 550 Punkte erreicht werden. Für das Zuschlagkriterium Qualität sind gesamt maximal 450 Punkte zu erreichen.

Nach der Bewertungsmatrix (Anlage 12) werden drei Unterkriterien für das Bewertungskriterium Qualität mit jeweils einer Prozentangabe für das Unterkriterium genannt:

Einarbeitungskonzept:15 %
Leistungswerte:15 %
Hygienekonzept:15 %

Je Unterkriterium können 150 Punkte erreicht werden.

Nach der Bewertungsmatrix (Anlage 12 zur Leistungsbeschreibung) werden die Kriterien in einer weiteren 2. Ebene wie folgt dargestellt:

Einarbeitungskonzept 15 % = 150 Punkte

A.Umsetzung und Durchführung Personaleinsatz50 Punkte
B.Umsetzung und Durchführung Objektübergabe50 Punkte
C.Umsetzung und Durchführung Einweisungskonzept50 Punkte

Leistungswerte 15 % = 150 Punkte

A.Umsetzung und Durchführung Vertretungsregelung50 Punkte
B.Umsetzung und Durchführung Leistungsverzeichnis50 Punkte
C.Umsetzung und Durchführung von Mängel, Reklamationen und Qualitätskontrolle50 Punkte

Hygienekonzept 15 % = 150 Punkte

A.Einsatz, Umsetzung sowie Durchführung der Geräte und Materialien50 Punkte
B.Angaben zur Reinigungschemie50 Punkte
C.Umsetzung und Durchführung von Hygienebestimmungen50 Punkte

Gesamtsumme (max. 450 Punkte)

Aus den in der Vergabeakte enthaltenen Bewertungstabellen (hier Excel-Arbeitsmappe "xxxxxx Präsentationstabelle Unterhaltsreinigung") ergeben sich zudem Wertungskriterien in einer 3. Ebene wie folgt:

Für die Bewertung "Einarbeitungskonzept" sind dies

A)Umsetzung und Durchführung Personaleinsatz
1.Vorarbeiter komplett freigestellt25 Punkte
2.Reinigungskräfte Jahresstundenleistung25 Punkte
B)Umsetzung und Durchführung Objektübergabe
1.Gibt es ein Konzept?30 Punkte
2.Sind viele Berufsgruppen beteiligt? (z. B. Technischer Leiter, Personalmanagement usw.)20 Punkte
C)Umsetzung und Durchführung Einweisungskonzept
1.Gibt es einen Verantwortlichen für die Einarbeitung?10 Punkte
2.Wie wird die Mitarbeitereinarbeitung durchgeführt?20 Punkte
3.Erweckt der Dienstleister den Eindruck die Mitarbeiter umfangreich zu schulen?20 Punkte

Für die Bewertung "Leistungswerte" sind dies

A)Umsetzung und Durchführung Vertretungsregelung
1.Gibt es eine Vertretung für die Objektleitung?10 Punkte
2.Gibt es eine Vertretung für den Vorarbeiter?20 Punkte
3.Gibt es Vertretungsregelungen für die Reinigungskräfte und eingearbeitete Springer vor Ort?20 Punkte
B)Umsetzung und Durchführung Leistungsverzeichnis
1.Wird unser Leistungsverzeichnis umgesetzt? (Räumlichkeiten und Häufigkeiten der Reinigung)20 Punkte
2.Werden die Leistungswerte berücksichtigt? (qm Zahlen)20 Punkte
2.Wird aus dem Leistungsverzeichnis ein konkreter Arbeitsplan od. Revierplan erstellt?10 Punkte
C)Umsetzung und Durchführung von Mängel, Reklamationen und Qualitätskontrolle
1.Werden die Mängel dokumentiert?10 Punkte
2.Wie wird mit Reklamationen und Beschwerden umgegangen?20 Punkte
3.Wie oft werden die Qualitätskontrollen durchgeführt und ausgewertet?20 Punkte

Für die Bewertung "Hygienekonzept" sind dies

A)Einsatz, Umsetzung sowie Durchführung der Geräte und Materialien
1.Werden Geräte und Materialien für uns angeschafft?25 Punkte
2.Werden gängige Reinigungstechniken angewandt?25 Punkte
B)Angaben zur Reinigungschemie
1.Wird die Reinigungschemie sinnvoll angewendet? (50)
(Gibt es einen Plan? // Werden diese nach gesetzlichen Vorgaben angewendet? // Handelt es sich um Umweltfreundliche Produkte?) 50 Punkte
C)Umsetzung und Durchführung von Hygienebestimmungen
1.Gibt es ein Hygienekonzept?20 Punkte
2.Gibt es einen Reinigungs- und Desinfektionsplan?20 Punkte
3.Gibt es besondere Corona-Maßnahmen?10 Punkte

Zum gleichen Verfahren wurde bereits am 19.03.2021 ein Nachprüfungsantrag gestellt, in dem unter anderem beantragt wurde, den Zuschlag nicht wie vorgesehen und mit Informationsschreiben nach § 134 GWB angekündigt auf die jetzige Antragstellerin zu erteilen. Auf Hinweis der Vergabekammer, dass es die Antragsgegnerin versäumt habe, den Bietern bezüglich der festgelegten Qualitätskriterien Einarbeitungskonzept, Leistungswerte und Hygienekonzept die festgelegte Gewichtung der Unterkriterien mitzuteilen, hat die Auftraggeberin das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückversetzt, und die Bieter wurden, unter Beifügung überarbeiteter respektive ergänzter Vergabeunterlagen, erneut zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert.

Mit E-Mail vom 13.09.2021 übersandte die Antragsgegnerin die Information nach § 134 GWB. Demnach sei vorgesehen, auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Das Angebot der Antragstellerin liege auf Rang 3. Ihr Angebot habe in der Leistungsbewertung nach den veröffentlichten Bewertungskriterien und der Gewichtung eine kombinierte Punktzahl von 953 Gesamtpunkten erhalten. Davon für

- den Preis 550 Punkte,

- das Einarbeitungskonzept 123 Punkte,

- die Leistungswerte 140 Punkte und

- das Hygiene- und Reinigungskonzept 140 Punkte.

Das Angebot des Bestbieters habe 968 Gesamtpunkte (Preis 530 Punkte, Einarbeitungskonzept 148 Punkte, Leistungswerte 150 Punkte, Hygiene- und Reinigungskonzept 140 Punkte) erreicht.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.09.2021, dass die Bewertung ihres Angebotes nicht nachvollziehbar sei. Im Rahmen der ersten Ausschreibung habe sie für die eingereichten Module "Einarbeitungskonzept" und "Hygienekonzept" jeweils die volle Punktzahl von 150 Punkten erhalten. Daher sei das neue Angebot zu dem Einarbeitungskonzept und dem Hygienekonzept nicht geändert worden. Zudem habe, mit Ausnahme der Zusammenfassung einzelner Unterpositionen des Einarbeitungskonzeptes bzw. des Hygienekonzeptes, keine inhaltliche Veränderung der Wertungsmatrix zu diesen beiden Konzepten stattgefunden.

Es sei objektiv nicht nachvollziehbar, warum nunmehr das Einarbeitungskonzept nur mit 123 Punkten und das Hygienekonzept nur mit 140 Punkten, anstelle von bisher 150 Punkten bewertet worden sei.

Mit E-Mail vom 17.09.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie der Rüge nicht abhelfe, da sich die Rangfolge in der Bewertung geändert habe, weil andere Bieter ihr Angebot im Vergleich zu ihrem nachgebessert hätten. Im Vergleich zur Beigeladenen würde die Vorarbeiterin bzgl. des Einarbeitungskonzeptes nicht komplett, sondern nur eingeschränkt freigestellt werden. Zudem würde im Hygienekonzept kein Pfandsystem angeboten, woraus sich ein Punktabzug im Vergleich zu anderen Bietern ergebe.

Daraufhin reichte die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag ein.

In der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Bewertung der Qualitätskriterien liege ein Verstoß gegen den gesetzlichen Transparenzgrundsatz vor. In der ersten Ausschreibung seien die beiden Module "Einarbeitungskonzept" und "Hygienekonzept" mit der vollen Punktzahl von 150 Punkten bewertet worden. In der aktuellen Ausschreibung würden die beiden Module, trotz unveränderter Ausschreibung, mit weniger Punkten bewertet, nämlich das Einarbeitungskonzept mit 27 Punkten weniger, das heißt 123 Punkten und das Hygienekonzept mit 10 Punkten weniger, das heißt mit 140 Punkten. Eine Veränderung der Wertungsmatrix habe zu diesen beiden Konzepten inhaltlich nicht stattgefunden.

Die Begründung der Antragsgegnerin, wonach die anderen Bieter in diesen Bereichen ihre Angebote nachgebessert hätten, verfange nicht, da die Bewertung nach objektiven Kriterien stattzufinden habe. Die Antragsgegnerin sei bei unveränderten Bedingungen an die Ergebnisse der ersten Bewertung gebunden.

Das Bewertungskriterium des vollständig freigestellten Vorarbeiters sei weder in der ersten, noch in der aktuellen Ausschreibung aufgestellt worden. Es sei den Teilnehmern bisher nicht mitgeteilt worden. Es fehle bereits eine Angabe zur geforderten täglichen Arbeitszeit des Vorarbeiters, ebenso eine Angabe, ob eine teilweise Freistellung zu einer Abstufung führe. Dies verstoße gegen § 127 Abs. 5 GWB.

Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten sei notwendig, da die Antragstellerin nicht über das zur zweckentsprechenden Durchführung des Verfahrens notwendige Personal verfüge. Zudem seien die Rechtsfragen komplex, so dass von der Antragstellerin nicht erwartet werden könne, dass sich diese in dem bestehenden engen zeitlichen Rahmen selbst mit hinreichender Klarheit zu vertreten vermag.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, keinen Zuschlag auf das Angebot der Firma xxxxxx zu erteilen;

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren auf den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen;

  3. 3.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

  4. 4.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  5. 5.

    der Antragsgegnerin die Kosten für das Verfahren einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    die Beschwerde der Beschwerdeführerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Dass die Antragstellerin in dem zurückversetzten Stand des Vergabeverfahrens, abweichend zum früheren Stand, bei manchen Kriterien nur eine Teilpunktzahl in der Bewertung erreicht habe, erkläre sich damit, dass sie ihr Konzept und den Vortrag gegenüber dem seinerzeitigen Vergabeverfahren vor Zurückversetzung nicht verändert habe.

Andere Teilnehmer am Vergabeverfahren hätten die Konzepte überarbeitet und ihren Vortrag dieser Überarbeitung angepasst. Hieraus ergab sich bei der Wertung, dass sich die Rangfolge geändert habe. Die Gründe seien in der Antwort vom 17.09.2021 mitgeteilt worden. Im Vergleich zur Firma xxxxxx habe die Beschwerdeführerin ihre Vorarbeiterin nur eingeschränkt freigestellt, beim Hygienekonzept habe sie kein Pfandsystem angeboten. Hieraus habe sich ein Punktabzug im Vergleich zu anderen Bietern ergeben, die hier im Rahmen der neuen Wertung durch ihre Erweiterungen bessere Angebote gemacht hätten.

Angesichts des einfachen Sachverhalts sei die Beiordnung eines Anwalts für die Beschwerdeführerin nicht geboten. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet. Es gibt zwar keinen geschützten Vertrauenstatbestand, dass eine wiederholte Wertung eines unveränderten Angebotes nach erneuter Aufforderung zur Angebotsabgabe zu demselben Ergebnis führen muss. Das unveränderte Angebot muss sich im Umfeld auch veränderter Angebote erneut bewähren (vgl. nachfolgend zu 2a). Die Antragstellerin ist aber in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB§ 127 Abs. 5 GWB, § 41 VgV verletzt, weil die Antragsgegnerin nachträglich Zuschlagskriterien einführte, die sie nicht vor Abgabe der Angebote allen Bietern mitteilte (vgl. nachfolgend zu 2b). Die dokumentierte Angebotswertung wäre vergaberechtlich nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Antragsgegnerin die Unterkriterien der 3. Ebene nebst Gewichtung mit erneuter Angebotsaufforderung den Bietern bekannt gemacht hätte (vgl. nachfolgend zu 2c). Bei einer vergleichenden Bewertung der Angebote, kann ein Auftraggeber die Zuschlagskriterien abstrakt fassen, so dass ein Angebot aufgrund einer vom Auftraggeber ursprünglich nicht vorausgesehen Leistung in einem bestimmten Zuschlagsunterkriterium Höchstpunkte erhält (vgl. nachfolgend zu 2d).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragsgegnerin ist Auftraggeber i. S. des § 99 Nr. 2a GWB. Die xxxxxx ist gemäß § 1 Abs. 3 ihrer Satzung in der Fassung der 5. Änderung vom 07.12.2012 eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, also eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllt. Sie unterliegt der Rechtsaufsicht des Landes und ist damit eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB.

Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Die Antragsgegnerin vergibt hier einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB gilt gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU und der delegierten VO (EU) 2019/1828 der Kommission vom 30.10.2019 zur Änderung der RL 2014/24/EU in der seit 01.01.2020 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 214.000 €. Dieser Wert wird überschritten. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse am Auftrag und beschreibt die Verletzung von Rechten, weil Vergabevorschriften nicht beachtet worden seien, indem sie die unter I. dargestellten Beanstandungen erhebt. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob der Nachprüfungsantrag der Vergabekammer ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können.

Behauptete Verstöße gegen drittschützende Verfahrensvorschriften, hier die intransparente Wertung, weil ein identisches Angebot in der wiederholten qualitativen Wertung weniger Punkte erhalten habe, sind für die Schadensdarlegung geeignet. Ob der Antragstellerin durch die angeblichen Vergabefehler tatsächlich ein Schaden zugefügt worden ist, bleibt der Prüfung der Begründetheit vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Die Antragstellerin hat den angeblichen Vergabeverstoß vor Erhebung des Nachprüfungsantrags gegenüber der Auftraggeberin gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt. Nach dieser Vorschrift ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von 10 Kalendertagen gerügt hat. Hier erhielt die Antragstellerin durch die Vorabinformation nach § 134 GWB vom 10.09.2021 Kenntnis darüber, dass die Beigeladene zu 1 für den Zuschlag vorgesehen sei. Daraufhin erhob sie am 15.09.2021, also innerhalb von 10 Tagen, eine Rüge und hielt die obige Frist somit ein. Gleiches gilt für die Frist gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB, wonach der Nachprüfungsantrag verfristet ist, wenn er nicht binnen 15 Tagen nach Rügezurückweisung erhoben wird. Die Antragstellerin stellte ihren Nachprüfungsantrag am 20.09.2021 und damit nur 3 Tage nach Erhalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 17.09.2021. Folglich ist der Nachprüfungsantrag zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

a. Die Antragstellerin kann allerdings keine Rechtsverletzung im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB aus ihrer Auffassung ableiten, ein unverändertes Angebot müsse bei einer wiederholten Vergabe unter der Annahme unveränderter Zuschlagskriterien in der qualitativen Wertung dieselbe Punktzahl erhalten, wie in der ersten Wertung.

Auch wenn die qualitative Wertung anders als die Preiswertung im geschlossenen System durchgeführt wird, steht dem Auftraggeber nach seiner bereits durchgeführten Zurückversetzung des Vergabeverfahrens eine Neubewertung anhand der angebotenen Leistungen des Bieterfeldes offen.

Eine Festlegung der Bewertung im offenen System führt zu einer immer gestaffelten Wertung der eingehenden Angebote. Der auch nur geringfügig günstigere Wert führt zu einer besseren Wertung. Gängiges Beispiel für die offene Wertung ist die Preiswertung, für die der Auftraggeber vorher festlegt, dass das im Verhältnis zu den anderen Angeboten günstigste Angebot die beste Bewertung erhalten wird. Alle anderen Preise werden nach einer vorgegebenen Formel abgestuft gewertet.

Bei der Festlegung der Kriterien für die qualitative Wertung ist ein solches Vorgehen unüblich. Der Auftraggeber ist nicht nur am qualitativ besten Angebot interessiert, er will unter dem Begriff der Wirtschaftlichkeit ein ausgewogenes Verhältnis von Qualität und Leistung festlegen. Der öffentliche Auftraggeber möchte sich von keinem Bieter eine besonders hochwertige, damit aber nur noch eingeschränkt wirtschaftliche Leistung aufdrängen lassen. Deshalb erfolgt die Bewertung der Qualität regelmäßig im geschlossenen System. Das kann der Auftraggeber offenlegen, indem er vorab technische Leistungsoberwerte für die qualitativen Anforderungen festlegt. Eine Steigerung darüber hinaus führt dann nicht zu einer verbesserten Bewertung. Die Bewertung der Reinigungsqualität bietet sich für eine solche eher technische Vorgabe nur teilweise an.

Die Schulnotenrechtsprechung des BGH (Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17, Rn. 46), erlaubt es, vorab abstrakte Leistungsanforderungen zu setzen, die in der Dokumentation der Wertung konkret zugeordnet werden. Damit erhält der Auftraggeber die Möglichkeit, bei den Zuschlagskriterien vorab nur allgemeine Anforderungen zu setzen. Die damit entstehenden Unwägbarkeiten muss er in der Dokumentation ausgleichen, die erläutert, warum Angebot 1 die Anforderungen gut und Angebot 2 die Anforderungen nur befriedigend erfüllt hat. Die Vergabestelle und im Falle eines Nachprüfungsverfahrens auch die Nachprüfungsinstanzen untersuchen, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17, Rn. 53). Daher besteht hier durchaus die Möglichkeit, dass ein ursprünglich als gut angesehenes Angebot in der erneuten vergleichenden Bewertung gegenüber mehreren anderen nachgebesserten Angeboten etwas abfällt, weil die Angebotsänderungen der Konkurrenten das Angebotsniveau insgesamt angehoben haben.

Hier war die erste Bewertung im bereits zurückversetzten Verfahren möglicherweise nicht völlig frei von Fehlern. Das Angebot der Antragstellerin hatte in der "Einarbeitung" Höchstpunkte erzielt, obwohl die Antragsgegnerin ihren und einen weiteren Namen in der Datei "Bewertung_xxxxxx Leistungsbeschreibung" bei "Einarbeitungskonzept/Objektübergabe" nicht erwähnt, sie also möglicherweise übersehen hat. Eine neue Wertung erfordert die inhaltliche Auseinandersetzung mit allen Angeboten, muss daher auch das Überdenken einer vorherigen Angebotswertung erlauben.

b. Die Antragsgegnerin hat in der neuen Wertung gegen § 97 Abs. 1, § 127 Abs. 5 GWB verstoßen. Gemäß § 97 Abs. 6 GWB haben Unternehmen einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren vollständig einhält, wozu auch § 97 Abs. 1 GWB und § 127 Abs. 5 GWB gehören.

Sie hat für die Wertung des Zuschlagskriteriums "Qualität" auf der dritten Ebene zu spät, weil nach Abgabe der Angebote, Bewertungsunterkriterien aufgestellt. Sie hat diese nachträglichen Bewertungskriterien den Bietern nicht mitgeteilt. Diese Unterkriterien weisen voneinander abweichende Gewichtungen auf, so dass einige wichtiger sind als andere. Damit können die Bieter ihre bereits abgegebenen Angebote nicht mehr auf die Zuschlagskriterien einstellen. Wenn die Bieter die Zuschlagskriterien nicht vor Angebotsabgabe vollständig erhalten, können sie nicht abschließend erkennen, worauf sie den Schwerpunkt ihrer Darstellung im Konzept legen müssen, um die beste Bewertung zu erhalten. Nach § 97 Abs. 1 GWB "werden öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Es werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt." Diese Transparenz fehlt hier, weil die Antragsgegnerin die Bieter nicht vorab umfassend darüber informiert, was sie von ihnen fordert.

Die vollständige Benennung aller Unterkriterien und ihrer Gewichtung bereits zum Zeitpunkt der Bereitstellung der Vergabeunterlagen ist erforderlich, damit die Antragstellerin, wie jeder Bieter, eine sichere Chance auf leistungsgerechte Bewertung ihres Angebotes erhält. Gemäß § 97 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge im transparenten Verfahren vergeben. Die Transparenz wird durch § 127 Abs. 5 GWB konkretisiert. Danach müssen die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. § 41 Abs. 1 VgV definiert als einzigen Bereitstellungszeitpunkt eine zeitgleiche Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen mit der Bekanntmachung.

Das OLG Celle (Beschluss v. 07.11.2013, 13 Verg 8/13), die erkennende Vergabekammer (VK Niedersachsen, Beschluss v. 10.07.2020, VgK-12/2020; VK Niedersachsen, Beschluss v. 15.10.2020, VgK-37/2020) und die VK Bremen (Beschluss v. 24.04.2020, 16 VK 2/20) haben schon das inhaltliche Offenlassen konkreter Unterkriterien als vergaberechtlich unzulässig angesehen. Das gilt erst recht, wenn die Unterkriterien wie hier überhaupt nicht gegenüber den Bietern benannt werden. Das OLG Celle hat erst kürzlich entschieden (OLG Celle, Beschluss v. 02.02.2021, 13 Verg 8/20), dass der öffentliche Auftraggeber Zuschlagskriterien einschließlich der Unterkriterien in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufführen muss.

Wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien informieren, anhand deren das wirtschaftlichste Angebot ermittelt wird, sind sie nicht mehr vor der abstrakten Möglichkeit einer willkürlichen und/oder diskriminierenden, d.h. einer der die Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz verletzenden Angebotswertung geschützt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.06.2013 - VII - Verg 8/13, juris, Rn. 21; VK Lüneburg, Beschluss v. 29.10.2014, VgK-38/2014). Die beabsichtigte Wertung der Antragsgegnerin wird daher für den Bieter zur nicht mehr vorhersehbaren "Blackbox".

Die von der Antragsgegnerin verwendeten Zuschlagskriterien der 3. Ebene sind alle sachverhaltsbezogen, nachvollziehbar und auch geeignet eine abgestufte Wertung durchzuführen. In der mündlichen Verhandlung hat sich gezeigt, dass das Unterkriterium der Freistellung des Vorarbeiters aus Unklarheiten in der Angebotsdarstellung resultierte. Insofern war sehr deutlich erkennbar, dass die Antragsgegnerin ausschließlich in der Absicht handelte, ihre Entscheidung bestmöglich vorzubereiten. Die von ihr verwendete Darstellung wäre ohne Vorgabe der Punkte als unterstützende Gliederung zur Vorbereitung einer möglichst transparenten Dokumentation der Wertung durchaus verwendbar gewesen. Nur die Darstellung und Verwendung als Zuschlagskriterium der 3. Ebene widerspricht dem Vergaberecht.

Auch die Vergabekammer hat das Konzept der Antragstellerin auf Blatt 11 zunächst so aufgefasst, dass sie ihre Vorarbeiterin 6 Stunden am Tag als Vorarbeiterin und daher von Reinigungsarbeiten freigestellt einsetzen möchte. Tatsächlich beabsichtigte die Antragstellerin, die Vorarbeiterin 4 Stunden mit Reinigungsarbeiten zu beauftragen und nur während weiterer 2 Stunden freizustellen. Die Antragsgegnerin hat daher ihre Prüfung nach Durchsicht der Konzepte und vor der mündlichen Präsentation dieser Konzepte berechtigterweise vertieft und aktualisiert. Solche erweiterten Prüfungen stehen dem Auftraggeber nach § 15 Abs. 5, § 56 VgV anlassbezogen zu.

Wenn die Antragsgegnerin solchen Erkenntnissen in der Angebotsprüfung nachgeht, darf sie allerdings nicht die Zuschlagskriterien erweitern. Sie muss dann vielmehr ihre Wertungsentscheidung aus den ursprünglich gesetzten Zuschlagskriterien ableiten, hier also dem Kriterium 1. Einarbeitungskonzept: A Umsetzung und Durchführung Personaleinsatz. Das erfordert einen etwas längeren Text in der Dokumentation, die dann in Worten umschreiben muss, warum mehr freigestellte Vorarbeiterstunden hier ein überzeugenderes Einarbeitungskonzept darstellen. Die Genauigkeit, die den Zuschlagskriterien fehlt, muss die Dokumentation ausgleichen. .

Es ist gut nachvollziehbar, wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber in dem erkennbaren Bemühen, seine Entscheidung möglichst objektiv zu treffen, weitere Unterkriterien setzt. Das darf allerdings nur zu Beginn des Vergabeverfahrens geschehen und muss den Bietern mit den Vergabeunterlagen mitgeteilt werden.

In der mündlichen Verhandlung wurde angesprochen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht hat, dass die im vorherigen Auftrag bereitgestellten freigestellten Vorarbeiterstunden nicht ausreichend bemessen waren. Solche Erfahrungen aus Voraufträgen sind für die öffentlichen Auftraggeber ein wichtiger Grund, um durch die Vorgaben der Leistungsbeschreibung eine Wiederholung der Mängel zu vermeiden. Hier bietet es sich insbesondere an, die Freistellung der Vorarbeiter in einen bestimmten, aufgrund der Vorerfahrungen als notwendig erkannten Umfang als Mindestanforderung zu setzen. Das führt zu qualitativ vergleichbaren Angeboten, so dass kein weiteres Zuschlagskriterium erforderlich ist. Die Rangfolge ergibt sich dann aus dem Preis. Eine hohe Zahl qualitativer Zuschlagskriterien führt häufig nicht zu einer besonders ausgewogenen Bewertung, sondern zu eher zufälligen Ergebnissen, weil die Gefahr besteht, dass sich die Qualitätsmerkmale gegenseitig in der Gewichtung aufheben.

Die Entscheidung bietet Anlass, auf die Verfahrensförderpflicht der Verfahrensbeteiligten nach § 167 Abs. 2 GWB hinzuweisen. Es ist innerhalb des grundsätzlich in 5 Wochen abzuwickelnden Vergabenachprüfungsverfahrens notwendig, dass die Verfahrensbeteiligten ihren Vortrag so früh wie möglich, spätestens aber bis zur mündlichen Verhandlung einbringen. Die Vergabekammer kann nur in seltenen Ausnahmefällen von Amts wegen Vergabemängel aufgreifen, nämlich wenn die Mängel so schwerwiegend sind, dass die Fortsetzung des fehlerbehafteten Vergabeverfahrens unmöglich erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.05.2019 - VII Verg 47/18, Rn. 41, NZBau 2019, 666, (668); OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.07.2018 - VII Verg 24/18, Rn. 42, NZBau 2019, 64, (67) [EuGH 07.11.2018 - C-171/17], fehlerhafte Bekanntmachung der Eignungsanforderungen durch Link auf die Vergabeunterlagen rechtfertigt Aufgreifen von Amts wegen; OLG Celle, Beschluss v. 17.11.2011 - 13 Verg 6/11; Beschluss v. 08.11.2001 - 13 Verg 9/01; OLG Schleswig, Beschluss v. 15.04.2011 - 1 Verg 10/10; a.A. OLG Naumburg, Beschluss v. 18.08.2011 - 2 Verg 3/11 unter 2c).

Hier liegt kein Fehler vor, der ein Aufgreifen von Amts wegen rechtfertigen würde. Die Antragstellerin wäre vermutlich erstinstanzlich (vgl. OLG Celle Beschluss v. 10.10.2018, 13 Verg 6/18, zur prozessualen Flucht in die Beschwerde) unterlegen, wenn sie den ihr erkennbaren Sachvortrag nicht bis zur mündlichen Verhandlung eingeführt hätte. Tatsächlich hat sie erstmals in einem einen Werktag vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz die ihr aus der Akteneinsicht seit dem 28.09.2021 erkennbare Einfügung weiterer Unterkriterien geltend gemacht.

c. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass die dokumentierte Angebotswertung im Übrigen vergaberechtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre, wenn die Antragsgegnerin die Unterkriterien der 3. Ebene nebst Gewichtung mit erneuter Angebotsaufforderung den Bietern bekannt gemacht hätte. Im Einzelnen:

- Hinsichtlich der Bewertung des Unterkriteriums "Reinigungskräfte Jahresstunden Leistung" hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin durch die Art und Weise der Wertung nicht in ihren Rechten verletzt. Die Antragstellerin erhielt 23 von 25 möglichen Punkten (siehe Datei "210805_xxxxxx Anlage 12_Bewertungsmatrix", Tabellenblatt "Bewertung Einarbeitungskonzept"). Nach der Tabelle "210827_Bewertung TOP4_xxxxxx Anlage 12_Bewertungsmatrix.x 210826ls" sei die kalkulierte Jahresstundenzahl geringer als die beim höchsten Angebot. Es fehlt zwar an einer vorab erfolgten Festlegung, dass eine Abweichung zu der höchsten angebotenen Stundenzahl zu einer Abwertung führt. Eine solche Festlegung würde auch eher der Wertung im offenen System als im geschlossenen System entsprechen.

Nach der Excel-Tabelle "210921_xxxxxx Berechnung Personaleinsatz" ist die Bewertung des angebotenen Jahresstundensatz sachlich abgeleitet und vertretbar, weil die Orientierung am vorgegebenen Stundensoll bei 11 der Angebote zur gleichen hohen Bewertung führte. Nur ein Angebot, das nicht aus dem Kreis der Verfahrensbeteiligten stammt, erhielt wegen deutlich höherer Stunden eine bessere Bewertung in diesem Unterkriterium. Da die Antragsgegnerin keine lineare Interpolation oder eine vergleichbare mathematische Abstufung zwischen den Angeboten durchgeführt hat, die in etwa eine vergleichbare Jahresstundenzahl angaben, nahm sie die Bewertung erkennbar im geschlossenen System vor, nicht wie von der Antragstellerin angenommen im offenen System.

- Hinsichtlich der Bewertung der Leistungswerte, C Umsetzung und Durchführung von Mängel, Reklamationen und Qualitätskontrolle verlor die Antragstellerin 10 von 50 möglichen Punkten, weil sie die Qualitätskontrollen nicht so häufig durchführte, wie die Beigeladene zu 1.

Die Antragstellerin kontrolliert im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1 (Blatt 12, Blatt 18 Angebot Beigeladene zu 1) tatsächlich seltener. Insofern war es berechtigt, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1 schlechter bewertet hatte. Der Umfang des Punktabzugs erscheint im Vergleich der Angebote nachvollziehbar.

d. Die Vergabekammer sieht keine konkrete Rechtsverletzung der Antragstellerin aufgrund der Bewertung des Hygienekonzepts B Angaben zur Reinigungschemie. Hier gibt es keine nachträglichen Unterkriterien der dritten Ebene, die Bewertung erfolgte gemäß der Matrix aus Anlage 12 der Vergabeunterlagen. Der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1 wurden in gleichem Maße Punkte abgezogen, weil ein anderer Bieter angab, die Gebinde für Reinigungsmittel wiederzubefüllen. Ob das berechtigt war, oder ob viele Anbieter Mehrwegsysteme nutzen, konnte in der mündlichen Verhandlung und durch Schriftsatznachlass nicht abschließend aufgeklärt werden.

Die Berücksichtigung der vorab nicht geforderten Mehrwegbehälter in der Wertung ist zulässig. Hier handelt es sich um einen typischen Effekt der vom BGH ausdrücklich zugelassenen vergleichenden Bewertung der Angebote. Da der Auftraggeber die Zuschlagskriterien abstrakt fassen kann, ist es durchaus möglich, dass ein Angebot aufgrund einer vom Auftraggeber ursprünglich nicht vorausgesehen Leistung in einem bestimmten Zuschlagsunterkriterium Höchstpunkte erhält. Das hat zur Folge, dass andere Angebote mit "nur pflichtgemäßem Inhalt" geringfügig schlechter bewertet werden. Da abstrakte Zuschlagskriterien ausdrücklich vom BGH zugelassen wurden, der Punktabzug die Antragstellerin im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1 nicht benachteiligt, sieht die Vergabekammer unter der Annahme, dass Antragstellerin und Beigeladene keine Mehrwegbehälter nutzen, keine konkrete Rechtsverletzung der Antragstellerin.

3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Hier hat die Antragsgegnerin nachträglich Zuschlagskriterien in das Vergabeverfahren eingeführt. Da die Vergabeunterlagen nach § 41 Abs. 1 VgV mit Bekanntmachung zur Verfügung zu stellen sind, ist eine Zurückversetzung in das Stadium vor Angebotsabgabe erforderlich, um der Antragsgegnerin eine, für die Bieter transparente, neue Entscheidung über die Gestaltung der Zuschlagskriterien zu ermöglichen. Den Anbietern ist eine neue angemessene Frist gemäß § 15 VgV zur Angebotsabgabe zu setzen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin für 2 Jahre xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Verlängerungsoptionen folgt die Vergabekammer der höherrangigen Darstellung in der Bekanntmachung, berechnet daher keine Verlängerungsoption mit 50 % hinzu.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss v. 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung v. 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung v. 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu III. Ziffer 3. Ausgeführte.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.

Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 bis 3 sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss v. 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle Beschluss v. 29.06.2010, 13 Verg 4710 zit. nach ibr-online). Hier haben die Beigeladenen zu 1 - 3 keine Sachanträge gestellt. Es gibt daher keinen Grund, die Beigeladenen in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.

IV. Rechtsbehelf

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Gaus
Gause
Gottwald