Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.05.2006, Az.: 16 U 13/06

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.05.2006
Aktenzeichen
16 U 13/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 42168
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0530.16U13.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 04.01.2006 - AZ: 10 O 107/05
LG Hannover - 01.09.2004 - AZ: 11 O 17/04

In dem Rechtsstreit

...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Würfel, den Richter Schrader und die Richterin Wortmann-Obst für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 4. Januar 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. September 2004 mit dem Aktenzeichen 11 O 17/04 wird hinsichtlich eines Betrages von 20 000 € für zur Zeit unzulässig erklärt, bis eine Zahlungsverweigerung durch die C.... AG nachgewiesen ist.

  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 71 % und die Beklagte zu 29 % zu tragen.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  6. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

  7. Streitwert: 35 000€.

Gründe

1

I.

Die Klägerin hat für die Beklagte Fußbodenarbeiten in deren Produktionsstätte ausgeführt. Es sollte ein Bodenbeschichtungssystem, welches bauartzugelassen nach § 19 WHG war (im Allgemeinen flüssigkeitsdicht, ableitfähig und säurebeständig), Verwendung finden. Das von der Klägerin für die Arbeiten benutzte und von der in der Schweiz ansässigen C.... AG erworbene Abdichtungssystem C.... AS wies nicht die notwendige Dichtigkeit und Beständigkeit auf, wodurch es zu Rissen und Undichtigkeiten im Fußbodenbelag kam. Die hiesige Beklagte hat die Klägerin im Vorprozess des Landgerichts Hannover, Geschäftsnummer 11 O 17/04, nach einem zuvor durchgeführten selbständigen Beweisverfahren (11 OH 5/03) auf Ersatz der Kosten, die für eine mangelfreie Fußbodenbeschichtung aufgewandt werden müssen, erfolgreich in Anspruch genommen und deren rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung von 35 000 € nebst Zinsen erreicht. Der C.... AG ist im dortigen Verfahren der Streit verkündet worden.

2

Nach dem Abschluss des Vorprozesses haben die Parteien am 27. Oktober 2004 eine Vollstreckungsvereinbarung getroffen. Die Klägerin hat der Beklagten ihren Regressanspruch gegenüber der C.... AG abgetreten. Diese hat erklärt, auf Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Urteil für die Zeit der Inanspruchnahme zu verzichten und die Obliegenheit übernommen, die Forderung bei der C.... AG, gegebenenfalls auch durch Klage, geltend zu machen. Bei Erfolglosigkeit sollte der Anspruch rückabgetreten werden und die Vollstreckung aus dem Urteil wieder zulässig sein.

3

Die Beklagte hat von einer Klageerhebung abgesehen, da sie diese als aussichtslos ansieht. Mit Schriftsatz vom 23. September 2005 hat sie die Rückabtretung der Ansprüche aus der Vereinbarung vom 27. Oktober 2004 erklärt. Sie ist der Auffassung, die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Vorprozesses sei wieder statthaft und hat aufgrund des Titels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Montabaur zu Lasten der Klägerin erwirkt.

4

Gegen diese Zwangsvollstreckung wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage. Sie ist der Auffassung, eine Erfolglosigkeit der Forderungsdurchsetzung gegenüber der C.... AG stehe nicht fest, weshalb die Vollstreckung aus dem Urteil unzulässig sei.

5

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Hannover vom 4. Januar 2006 verwiesen.

6

Dieses hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen zur Rückabtretung der Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber der C.... AG seien gegeben und die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil nicht mehr unzulässig. Nachdem die Beklagte habe feststellen müssen, dass keine schriftlichen Vertragsunterlagen zwischen der Klägerin und der Co.... AG existieren und diese eine Mitarbeit verweigert habe, sei es der Beklagten nicht zumutbar, gegen die C.... AG vorzugehen.

7

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

8

Da die C.... AG in einem Schreiben vom 13. März 2006 ihre Einigungsbereitschaft signalisiert hat, sei eine Durchsetzung des der Beklagten abgetretenen Anspruchs weiterhin erfolgversprechend.

9

Durch den mit der Vollstreckungsabwehrklage befassten Senat sei nicht darüber zu befinden, wie ein anderes Gericht über eine Klage gegen die C.... AG entscheiden werde, insbesondere hinsichtlich des anzuwendenden Rechts. Auf das Vertragsverhältnis zur C.... AG sei aber deutsches Recht anzuwenden.

10

Die Klägerin beantragt,

  1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Hannover vom 4. Januar 2006 die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. September 2004 mit dem Aktenzeichen 11 O 17/04 für unzulässig - hilfsweise für zur Zeit unzulässig - zu erklären.

11

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung abzuweisen.

12

Sie verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, auf das Vertragsverhältnis der Klägerin zur C.... AG sei das Recht der Schweiz anzuwenden, eine etwaige Schadensersatzforderung sei daher verjährt.

13

Der Mitarbeiter der C.... AG, der Zeuge R.... habe erklärt, es sei angedacht, sich im Hinblick auf die langjährige Geschäftsbeziehung zur Klägerin zu einem Anteil bis zu 20 000 € an der Urteilssumme von 35 000 € zu beteiligen.

14

Dieser Zeuge habe weiter erklärt, die C.... AG habe der Klägerin bereits vor der Ausführung der streitgegenständlichen Bodenbeschichtungsarbeiten mitgeteilt, dass das verwendete Produkt nicht gegen Azeton resistent ist.

15

II.

Die Berufung ist teilweise begründet. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. September 2004, Az. 11 O 17/04, ist derzeit hinsichtlich eines Betrages von 20 000 € unzulässig.

16

1. Entsprechend der Vereinbarung der Parteien vom 27. Oktober 2004 hat sich die Beklagte verpflichtet, auf eine Vollstreckung so lange zu verzichten, wie von einer erfolgversprechenden Möglichkeit der Inanspruchnahme der C.... AG auszugehen ist. Dies ist hinsichtlich eines Betrages von 20 000 € weiterhin der Fall.

17

Die C.... AG hat durch ihr Schreiben vom 13. März 2006 bekräftigt, an einer Einigung interessiert zu sein. Die Beklagte räumt ein, es sei freiwillig eine Zahlung von bis zu 20 000 € in Aussicht gestellt worden. Hinsichtlich dieses Betrages ist eine Realisierung gegenüber der Regressschuldnerin zur Zeit nicht aussichtslos.

18

2. Im Übrigen ist die Durchsetzung einer Forderung gegenüber der C.... AG nicht erfolgversprechend und die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Vorprozesses wieder zulässig, denn ein Mängelgewährleistungsanspruch aus dem zwischen der Klägerin und der C.... AG abgeschlossenen Kaufvertrag ist verjährt.

19

a) Da es sich um die interne Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Regressschuldnerin handelt, oblag es der Klägerin, die Einzelheiten des anzuwendenden Rechts vorzutragen. Eine vertragliche Abrede zur Rechtswahl hat sie nicht substantiiert dargelegt. Es ist daher davon auszugehen, dass eine solche nicht getroffen worden ist.

20

Auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in unterschiedlichen Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts-Übereinkommens (CISG) haben, ist dieses anzuwenden. Es enthält aber keine Regelung der Verjährung (vgl. auch Münchener Kommentar - Huber, Art. 3 CISG-Vertragsgesetz Rz. 2).

21

Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, ist bezüglich der Verjährung auf das Recht des Staates, zu dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist, abzustellen (Art. 28 Abs. 1 EGBGB). Es besteht dabei die Vermutung, dass der Vertrag diese mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihre Hauptverwaltung hat (Art. 28 Abs. 2 EGBGB). Beim Kaufvertrag bedeutet dies die Anwendung des Rechts des Staates des Verkäufers (vgl. Münchener Kommentar - Huber, Art. 3 CISG-VertragsG Rz. 2).

22

Demzufolge ist die Verjährung der Gewährleistungsansprüche nach dem Recht der Schweiz zu beurteilen.

23

b) Danach ist die Forderung verjährt.

24

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Rechtsanwalts A.... behauptet, nach dem Recht der Schweiz verjähre der Mängelgewährleistungsanspruch mit Ablauf eines Jahres nach der Ablieferung an den Käufer, selbst wenn der Mangel erst später entdeckt werde. Auch die im Zivilprozess vor dem Landgericht Hannover erfolgte Streitverkündung habe keine Unterbrechung bewirkt.

25

Beim Verjährungseintritt nach dem Recht der Schweiz handelt es sich nicht um eine vom Senat in eigener Kompetenz zu beurteilende Rechtsfrage, sondern eine der Beweiserhebung zugängliche Tatsachenbehauptung. Die Klägerin hat diese nicht in Abrede gestellt. Sie hat pauschal auf die EuGVVo Bezug genommen, ohne darzulegen, welche Rechtsfolge sie daraus ableite. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da der Umstand, ob die Streitverkündung eine Verjährungsunterberechung bewirkt hat, nach dem Recht der Schweiz zu beurteilen ist.

26

Es war daher kein Rechtsgutachten zu der Frage einzuholen, ob der Mängelgewährleistungsanspruch nach dem Recht der Schweiz verjährt, insbesondere, ob eine Unterbrechung der Verjährung durch die im Vorprozessdes Landgerichts Hannover 11 O 17/04 erfolgte Streitverkündung erfolgt ist.

27

c) Aus der Behauptung der Beklagten, die C.... AG habe die Klägerin bereits vor der Ausführung der streitgegenständlichen Arbeiten darüber informiert, dass eine ausreichende Beständigkeit des Beschichtungssystems nicht gegeben ist, kann entgegen der Ansicht der Klägerin auf ein arglistiges Verhalten der C.... AG mit der Folge, dass Gewährleistungsansprüche nicht verjährt wären, nicht geschlossen werden.

28

Die Verkäuferin hätte die Klägerin dann gerade im Gegenteil rechtzeitig über die dem Produkt fehlende Eigenschaft informiert, was einen Schadensersatzanspruch vollständig ausschließen würde.

29

d) Bei der Frage des Verjährungseintritts handelt es sich nicht mehr um ein typisches Prozessrisiko der Beklagten, welches ihr im Zeitpunkt des Abschlusses der Vollstreckungsvereinbarung bekannt war und von ihr daher zu tragen ist, sondern um einen die Aussichtslosigkeit der Forderungsrealisierung begründenden Umstand.

30

Selbst wenn nach dem Recht der Schweiz der Verjährungseintritt nicht von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, ist als sicher davon auszugehen, dass sich die C.... AG, die insoweit eine freiwillige Zahlung über 20 000 € hinaus ablehnt, auf diese Tatsache beruft. Alles andere wäre bei der unternehmerisch nach Gewinnmaximierungsgrundsätzen handelnden Regressschuldnerin lebensfremd.

31

3. Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, die C.... AG sei nur bereit, bis zu 20 000 € zu zahlen, ist dies unerheblich, denn grundsätzlich ist aufgrund des Eintritts der Verjährung der Versuch einer Realisierung des Anspruchs unzumutbar. Die Klägerin hätte daher eine dennoch bestehende Leistungswilligkeit der Schuldnerin darlegen und beweisen müssen.

32

4. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass weitere als kaufvertragliche Ansprüche gegenüber der ... AG begründet wären.

33

Ein Anspruch nach dem Produkthaftgesetz besteht nicht.

34

Im Fall der Sachbeschädigung besteht eine Ersatzpflicht des Herstellers bei Sachschäden nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- und Verbrauch bestimmt ist (§ 1 Produkthaftgesetz). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

35

5. Die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 27. Oktober 2004 ist nicht weggefallen.

36

Die Beklagte behauptet, die Vereinbarung nur im Hinblick auf die ihr in Aussicht gestellte, unmittelbar bevorstehende Insolvenz der Klägerin abgeschlossen zu haben. Dieses Motiv ist in die Vereinbarung jedoch nicht mit aufgenommen und nicht zur beiderseitigen vertraglichen Geschäftsgrundlage geworden. Dies wird auch durch den Umstand verdeutlicht, dass Regelungen sowohl für den erfolgreichen als auch erfolglosen Versuch der Durchsetzung der Regressforderung getroffen worden sind. Solche wären überflüssig, wenn von einer sicheren kurzfristigen Insolvenz und daraus folgend von der endgültigen Unmöglichkeit einer Vollstreckung gegenüber der Klägerin ausgegangen worden wäre.

37

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Kostenquote ist berücksichtigt worden, dass die Klägerin den - allerdings wenig sinnvollen und kaum begründeten - Hauptantrag gestellt hat, die Zwangsvollstreckung auch hinsichtlich der 20 000 € für endgültig unzulässig zu erklären, so dass sie auch insoweit zur Hälfte unterlegen ist.

Streitwertbeschluss:

7. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Bei der Vollstreckungsabwehrklage ist der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs ohne Zinsen zugrunde zu legen.

8. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Dr. Würfel Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Schrader Richter am Oberlandesgericht Wortmann-Obst Richterin am Landgericht

Dr. Würfel
Schrader
Wortmann-Obst