Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.05.2006, Az.: 16 U 230/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.05.2006
- Aktenzeichen
- 16 U 230/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 42138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0509.16U230.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 1 O 65/05
Fundstellen
- BauR 2007, 156-157 (amtl. Leitsatz)
- BauR 2007, 563-565 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2006, 669 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- MDR 2008, 486
In dem Rechtsstreit
B. Versicherung a. G., vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
H. AG, vertreten durch die Niederlassung H., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter ..., den Richter ... und die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 22. Juli 2005 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 36. 432 €.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Schadensersatz aufgrund einer behaupteten arglistigen Täuschung über das Vorhandensein eines Mangels des Innenputzes des Objektes S...straße ... in H.
Dieses Bürogebäude wurde 1992 durch die H. AG erbaut. Die vertraglich vereinbarte fünfjährige Gewährleistungsfrist begann am 1. Mai 1993. Die Klägerin hat die Immobilie im Jahr 1995 erworben. Seit Frühjahr 2002 wurden Risse und großflächige Abplatzungen/Ablösungen des Innenputzes wahrnehmbar.
Die Klägerin hat behauptet, diese Erscheinungen beruhten darauf, dass der Putz auf einen nicht ausreichend abgetrockneten Untergrund aufgebracht worden sei. Die Art dieses Mangels sei ein Indiz für ein Organisationsverschulden der Generalunternehmerin, da es sich um einen gravierenden Mangel an einem besonders wichtigen Gewerk handele. Jedenfalls liege ein augenfälliger Mangel an einem weniger wichtigen Bauteil vor. Da die Kenntnis bezüglich der Mangelhaftigkeit des Werkes aufgrund des Organisationsverschuldens vermutet werde, gelte der Fehler als bei der Abnahme arglistig verschwiegen. Sie habe daher einen Anspruch auf Ersatz der von ihr zur Schadensbeseitigung bisher aufgewandten und der zukünftig noch aufzuwendenden Kosten in Höhe von insgesamt 36.432,92 €.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie weiterer Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts Hannover vom 22. Juli 2005 verwiesen.
Dieses hat die Klage abgewiesen. Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Die Klägerin sei für die behauptete Kenntnis der Generalunternehmerin vom Mangel beweisfällig geblieben. Es bestehe keine Vermutung für diese Annahme. Auch die Ursächlichkeit mangelhafter Arbeiten der Generalunternehmerin für die später aufgetretenen Risse und Abplatzungen sei nicht schlüssig dargelegt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Das Landgericht habe verkannt, dass ein Organisationsverschulden der Beklagten substantiiert vorgetragen worden sei. Dazu sei es ausreichend, wenn mitgeteilt werde, der Unternehmer habe die Überwachung des Herstellungsprozesses nicht oder nicht richtig organisiert, wodurch der Mangel nicht erkannt worden sei. Allein die Tatsache, dass zehn Jahre nach Fertigstellung großflächig Putzschäden festgestellt worden sind, reiche als Indiz aus. Hieraus sei der Rückschluss auf die mangelhafte Organisation zu ziehen. Andernfalls hätte bei großen Teilen des Gebäudes eine elementare Vorgabe beim Verputzen (trockener Untergrund) nicht unbeachtet bleiben können. Es werde vermutet, dass die festgestellten Schäden auf eine unzureichende Organisation zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 22. Juli 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 36.432,92 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 25. April 2006 Beweis erhoben durch Einholung einer mündlichen Stellungnahme des Sachverständigen M. zu den Ursachen der Putzabplatzungen und zu der Frage, wie leicht eine eventuell noch nicht erfolgte Austrocknung bzw. Unsauberkeit des Untergrundes für den Bauunternehmer erkennbar war.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Zahlungsanspruch zu, da die Mängelgewährleistungsrechte verjährt sind. Eine arglistige Täuschung ist nicht erwiesen.
1. Arglistig verschweigt, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entscheidung des anderen von Erheblichkeit ist, er nach Treu und Glauben diese Tatsache mitzuteilen hat und sie trotzdem nicht offenbart. Neben der Kenntnis des Unternehmers (Bauleiters) kommt es nur auf eine solche des mit der Ablieferung des Werkes betrauten Erfüllungsgehilfen an, da sich erst in diesem Zeitpunkt das "arglistige Verschweigen" verwirklicht. Ein Wissen des bei der Herstellung Tätigen ist unbeachtlich ( BGHZ 62, 63 ff. ).
Ein solches arglistiges Verschweigen kommt in Betracht, wenn der Unternehmer sich seiner Offenbarungspflicht dadurch entzieht, dass er sich hinsichtlich des Mangels unwissend hält ( BGHZ 117, 318 ff. ).
Entsprechend den Umständen des Einzelfalls kann die Art des Mangels ein so überzeugendes Indiz für eine fehlende oder nicht richtige Regelung der Aufgabenverteilung sein, dass es einer weiteren Darlegung der Organisation des Überprüfungsprozesses nicht bedarf. Ein gravierender Fehler an besonders wichtigen Gewerken oder ein besonders auffälliger Mangel an einem weniger wichtigen Bauteil kann den Schluss auf eine mangelhafte Organisation von Überwachung und Überprüfung zulassen (BGH, a. a. O.).
Solche Tatsachen hat die Klägerin nicht bewiesen.
2. Es handelt sich bei dem Defekt des Putzes nicht um einen gravierenden Mangel an einem besonders wichtigen Bauteil.
Da besonders wichtige Bauteile die Ausnahme darstellen müssen, weil andernfalls fast jeder erhebliche nicht benannte Defekt als arglistig verschwiegen gelten würde, können nur herausragende Teilgewerke als besonders gewichtig angesehen werden. Die Anwendung muss auf solche beschränkt bleiben, bei deren Fehlen oder Mangel die Funktionsfähigkeit aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Es sind zwar große Flächen betroffen und die Abplatzungen wirken sich sehr kostenintensiv aus. Die Funktionsfähigkeit des Bürogebäudes ist aber theoretisch auch ohne eine Innenverputzung gewährleistet. Durch deren Defekt entsteht auch keine besondere Gefährdung, da abfallende Putzteile nur ein geringes Eigengewicht haben und daher keine gravierenden Schäden verursachen können.
Der Gutachter M. hat auch überzeugend ausgeführt, der Innenputz stelle kein so wichtiges Bauteil dar, dass eine Besichtigung des Betonuntergrunds durch den bauleitenden Architekten vor der Ausführung der Putzarbeiten notwendig sei.
3. Eine besondere Augenfälligkeit des Mangels liegt ebenfalls nicht vor.
Es kommt nur auf die besondere Erkennbarkeit im Zeitpunkt der Fertigstellung an, da auf die für den Werkunternehmer leichte Wahrnehmbarkeit, welche seine Kenntnis vom Mangel indiziert, abgestellt wird. Unerheblich ist es daher, ob die großflächigen Abplatzungen nunmehr nach zehn Jahren augenfällig sind.
a) Der Sachverständige M. hat erklärt, sowohl für die im Objekt verbauten Fertigbetonteile als auch die vor Ort gegossenen Elemente könne davon ausgegangen werden, dass die Trocknung im Normalfall nach zwei bis vier und unter schlechten Bedingungen (ungünstiger Witterung) nach sechs bis acht Wochen erreicht ist. Es sei plausibel, anzunehmen, der Putz werde erst ziemlich am Ende des Baus danach sind nur noch Maler und Teppichverleger tätig aufgebracht. Bei einem fünfstöckigen Gebäude sei üblicherweise von einer mehrmonatigen Bauzeit auszugehen. Insofern liege die Annahme nahe, dass der Beton im Zeitpunkt der Ausführung der Putzarbeiten normalerweise ausgetrocknet sei.
Aufgrund der Feststellungen des Gutachters ist die Behauptung, für die Generalunternehmerin sei bei Ausführung der Putzarbeiten augenfällig gewesen, dass der Untergrund nicht ausreichend abgetrocknet sei, nicht erwiesen. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer auf eine vom üblichen Ablauf abweichende Errichtung des Gebäudes und Ausführung der Putzarbeiten zu schließen wäre.
b) Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, nach so langer Zeit könne nicht mehr gesagt werden, ob der Beton zu feucht gewesen oder ob der Putz auf zu glatten Beton aufgebracht worden sei. Auch die Frage, ob ein fehlerhafter Haftgrund zuvor aufgetragen worden sei, lasse sich heute kaum mehr nachweisen, weil sich dieser teilweise zersetzt habe. Da die Putzabrisse erst nach zehn Jahren sichtbar wurden, spreche einiges dafür, dass der Beton jedenfalls nicht sehr nass gewesen sei. Letztlich hat der Gutachter erklärt, er hätte eine spezielle Feuchtigkeitsmessung nicht für erforderlich gehalten, wenn die Betonteile schon monatelang vor den Putzarbeiten eingebaut waren.
Neben einer unzureichenden Abtrocknung des Untergrunds kommen auch andere Umstände als Ursache der Putzabplatzungen in Betracht, wobei sich heute nicht mehr feststellen lässt, auf welchem konkreten Grund der Defekt beruht. Damit hat die Klägerin schon ihre Behauptung, der Mangel sei entstanden, weil der Putz auf zu nassem Untergrund verarbeitet worden sei, nicht bewiesen, erst recht nicht das Verschulden des Bauunternehmens.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.