Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.05.2006, Az.: 1 W 5/06

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.05.2006
Aktenzeichen
1 W 5/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 42159
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0522.1W5.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 19 O 295/04

Fundstellen

  • ArztR 2007, 310 (Kurzinformation)
  • DS 2006, 323-324
  • MedR 2007, 229 (Kurzinformation)

In der Beschwerdesache

1. H. K., K., E.,

2. L. K., G., H.,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:

Rechtsanwälte M. M., R., K.,

gegen

H. G., L., H.,

Beklagter und Beschwerdegegner,

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Dr. V., A. d. T., H.,

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. H. sowie die Richter am Oberlandesgericht

S. und Dr. G. am 22. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. März 2006 geändert.

    Der Befangenheitsantrag der Kläger gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. wird für begründet erklärt.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den im Tenor genannten Beschluss des Landgerichts Hannover, mit dem der Ablehnungsantrag der Kläger gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. zurückgewiesen worden ist, ist begründet.

2

Gem. § 406 ZPO kann ein Sachverständiger aus den selben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Richter unterliegt gem. § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit der Ablehnung, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung eines Richters zu begründen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden kommen dafür nicht in Betracht. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist auch, ob er sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Voreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Zu den objektiven Gründen, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können, gehört z. B. auch ein Kollegialitätsverhältnis zwischen dem Richter und einer Prozesspartei, sofern darüber hinausgehende nähere berufliche oder private Beziehungen des Richters zu seinem Kollegen hinzutreten (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 42 Rnn. 9 und 12 a mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).

3

Gemessen daran ist hier die Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. gerechtfertigt. Zwar sieht der Senat keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Es liegen jedoch Gründe vor, die vom verobjektivierten Standpunkt der Kläger zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen Anlass geben. Diese Zweifel folgen daraus, dass der Sachverständige einräumen musste, mit dem Beklagten nicht nur des Öfteren bei Fortbildungsveranstaltungen zusammengetroffen zu sein und mit ihm "im Rahmen der kollegialen Zusammenarbeit", wie sie zwischen einem Klinikdirektor und einem niedergelassenen Kollegen üblich seien, verbunden gewesen zu sein, sondern sich auch "vor etlichen Jahren" mit dem Beklagten geduzt zu haben, "wie das zwischen Kolleginnen und Kollegen häufig und üblicherweise der Fall ist". Könnte man noch Zweifel haben, ob das beschriebene kollegiale Verhältnis bereits für sich genommen den Ablehnungsantrag zu rechtfertigen vermag, so werden diese Zweifel dadurch beseitigt, dass der Sachverständige das beschriebene Kollegialitätsverhältnis erst auf eingehende Nachfrage der Kläger offenbart hat, und das auch nur "scheibchenweise". Dies ist ein Gesichtspunkt, der auch bei einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Misstrauen weckt und Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen zu zweifeln. Das muss einem Ablehnungsantrag zum Erfolg verhelfen, auch wenn für eine tatsächliche Voreingenommenheit des Sachverständigen keine greifbaren Anhaltspunkte bestehen.