Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.12.2005, Az.: L 14 P 3/03

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.12.2005
Aktenzeichen
L 14 P 3/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 42598
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2005:1221.L14P3.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 02.10.2002 - AZ: S 13 P 4/01
nachfolgend
BSG - 06.09.2007 - AZ: B 3 P 3/06 R

In dem Rechtsstreit

...

hat der 14. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2005 in Bremen durch die Richter D. - Vorsitzender -, E. und die Richterin F. sowie die ehrenamtlichen Richter G. und H. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Braunschweig vom 2. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

  2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

  3. Die Revision wird zugelassen.

TATBESTAND

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für ihren Sohn einen 20-prozentigen Anteil für einen Stehtrainer zu zahlen.

2

Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht ein Vertrag über eine private Pflegeversicherung, der auch Leistungen für bei der Beihilfe berücksichtigungsfähige Kinder in Höhe von 20 % vorsieht. Der am 18. Mai 1981 geborene Sohn der Klägerin ist aufgrund einer Cerebralparese geistig und körperlich sehr stark behindert. Er leidet unter massiven Beugespastiken und Krampfanfällen. Die Beklagte gewährt der Klägerin Pflegegeld nach der Pflegestufe III. Außerdem besitzt der Sohn der Klägerin einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen "B.", "G.", "aG." und "H.". Die Klägerin beantragte bei der Beklagten für ihn am 17. März 2000 die Gewährung eines Zuschusses für den von ihr gekauften sogenannten Freistehbarren unter Beifügung eines Kostenvoranschlages vom 17. März 2000 und einer entsprechenden ärztlichen Verordnung des Orthopäden Dr. I. vom 21. Februar 2000. Am 15. Juni 2000 lehnte die Beklagte die Bezahlung eines Zuschusses mit der Begründung ab, der Stehtrainer sei kein Hilfsmittel im Sinne ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Auf den schriftlichen Einspruch der Klägerin vom 16. Juni 2000 hin erteilte die Beklagte am 23. November 2000 und 2. Februar 2001 weitere schriftliche Ablehnungen.

3

Mit ihrer Klage vom 7. Februar 2001 hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat behauptet, am 14. April 2000 eine telefonische Zusage über die Kostenbeteiligung von der Beklagten erhalten zu haben. Sie hat außerdem die Auffassung vertreten, dass das Pflege-Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung zwar nicht den Stehtrainer als Hilfsmittel enthalte, jedoch ergänzend gemäß Nr. 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten für die Pflegeversicherung - Teil II - das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Pflegeversicherung heranzuziehen sei, das unter Nr. 282901 001 den Stehtrainer als Hilfsmittel vorsehe. Es widerspreche außerdem § 110 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI), wenn die private Pflegeversicherung nicht denselben Leistungskatalog aufweise wie die gesetzliche. Darüber hinaus bestehe der geltend gemachte Anspruch bereits deshalb, weil § 4 Abs. 7 der AVB vorschreibe, dass ein Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel immer dann gegeben sei, wenn es zur Linderung der Beschwerden beitragen könne oder eine selbständigere Lebensführung ermögliche. Dies sei bei ihrem Sohn deshalb der Fall, weil der Stehtrainer der motorischen Beübung diene. Außerdem habe die Beihilfestelle ihres Mannes den Stehtrainer als Hilfsmittel anerkannt. Die Beklagte habe eine Erstattung für dieses Hilfsmittel im Rahmen des privaten Krankenversicherungsvertrages ausdrücklich mit Schreiben vom 1. Februar 2001 abgelehnt, weshalb sie hilfsweise beantrage, die Verurteilung der Beklagten aufgrund dieses Vertrages auszusprechen.

4

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie gemäß Teil II Nr. 4 der AVB nur dazu verpflichtet sei, eine anteilige Erstattung solcher Hilfsmittel vorzunehmen, die im Pflege-Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung aufgeführt seien. Der Stehtrainer sei aber darin nicht enthalten. Das Hilfsmittelverzeichnis der sozialen Pflegeversicherung sei hier nicht heranzuziehen, weil dies nach den AVB nur der Fall wäre, wenn es kein entsprechendes Verzeichnis der privaten Pflegeversicherung gäbe. Im Übrigen sei der Stehtrainer auch nicht in dem Pflege-Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Pflegekassen vorhanden, sondern nur in demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung, das hier aber nicht maßgeblich sei.

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat mit Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2002 die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Pflege-Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung den Stehtrainer nicht als Pflegehilfsmittel ausweise. § 110 SGB XI sei nicht verletzt, weil auch das Verzeichnis der gesetzlichen Pflegeversicherung keinen Stehtrainer als Hilfsmittel enthalte.

6

Gegen das ihr am 22. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 2003 Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2003 hat der zuvor für dieses Verfahren zuständige 3. Senat der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsfrist gewährt.

7

Sie vertritt die Auffassung, das SG habe zumindest unter dem Aspekt der privaten Krankenversicherung über ihren Antrag entscheiden müssen. Da die Beihilfestelle den Stehtrainer als Krankenhilfsmittel anerkannt habe und dieser auch in dem Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung zu finden sei, stehe einer entsprechenden Verurteilung nichts im Wege. Aufgrund des Stehtrainers habe ihr Sohn die Bein- und Fußgelenke so elastisch halten können, dass sowohl die Gabe von Schmerzmedikamenten als auch eine Operation überflüssig geworden seien.

8

Die Klägerin beantragt,

  1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Braunschweig vom 2. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 969,94 € für den Freistehbarren zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie vertritt die Auffassung, dass der Gerichtsbescheid des SG Braunschweig zutreffend sei. Das Gericht dürfe nicht über einen eventuellen Anspruch auf Erstattung aufgrund des privaten Krankenversicherungsvertrages entscheiden, weil dies nicht Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens sein könne. Außerdem sei der Stehtrainer kein medizinisches Hilfsmittel. Sie verweist dazu auf die entsprechende zivilgerichtliche Rechtsprechung. Darüber hinaus sei er auch im konkreten Fall für den Sohn der Klägerin nicht medizinisch notwendig. Da die Beklagte ihren Versicherten dieselben Leistungen wie gesetzlich Pflegeversicherten zur Verfügung stellen müsse, sei sie auch berechtigt, unter Hinweis auf § 40 Abs. 1 SGB XI auf die vorrangige Leistungspflicht anderer Träger zu verweisen. Der Freistehbarren sei Bestandteil des Hilfsmittelverzeichnisses der gesetzlichen Krankenversicherung und daher dort zu erbringen. Sie vertritt außerdem die Ansicht, dass der begehrte Stehtrainer die Pflege in keiner Weise erleichtere, denn es handele sich dabei um ein Trainingsgerät und kein Pflegehilfsmittel. Auch diene er nicht der Linderung der Beschwerden, denn die Gesetzesformulierung sei unklar: Der Gesetzgeber habe sicher nicht alle Geräte, die diesen Zweck erfüllten, ausgerechnet dem Verantwortungsbereich der Pflegeversicherung zuweisen wollen.

11

Der Senat hat im Wege der Beweisaufnahme von der ehemaligen Pflegedienstleiterin Elsbeth J. das Gutachten vom 4. Oktober 2005 eingeholt. Hinsichtlich ihrer Ausführungen und des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

12

Die Berufung ist zulässig, denn der zuvor für das Verfahren zuständige 3. Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 22. Oktober 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

13

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Die Klägerin hat auch die Klagefrist gewahrt. Gemäß § 12 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und der inhaltsgleichen Regelung des § 17 Abs. 1, der dem Versicherungsvertrag zwischen den Beteiligten zugrunde liegenden AVB für die private Pflegeversicherung (PPV)/Bedingungsteil MB/PPV 1995 beträgt die Klagefrist sechs Monate nach Ablehnung des Leistungsantrages. Die letzte Ablehnung der Beklagten datiert vom 2. Februar 2001, am 4. Februar 2001 hat die Klägerin Klage erhoben.

14

In der Sache ist die Berufung nicht begründet, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 969,94 € als Zuschuss für den Freistehbarren.

15

Anspruchsgrundlage ist § 178b Abs. 4 VVG, wonach der Versicherer in der Pflegekrankenversicherung im Falle der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen, haftet, in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag und den AVB, insbesondere § 4 Abs. 7 MB/PPV. Danach haben versicherte Personen gemäß Nr. 4 des Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Pflegehilfsmittel und technische Hilfen, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden der versicherten Person beitragen oder ihr eine selbständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist (im Wesentlichen textgleich mit § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI -). Nach Teil II der AVB betragen die Tarifleistungen für beihilfeberechtigte Kinder 20 % des Volltarifes.

16

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfüllt der Stehtrainer die genannten Anforderungen an ein Pflegehilfsmittel nicht. Der Senat bezieht sich dazu auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten der Sachverständigen J.. Trotz der Regelungen des § 64 Abs. 1 VVG und § 6 Abs. 2 MB/PPV war er berechtigt, selbst medizinische Ermittlungen anzustellen, weil die Beklagte es nach entsprechendem Hinweis abgelehnt hat, zu dem Tatsachenvortrag der Klägerin - im gerichtlichen Verfahren - ein eigenes Gutachten einzuholen (vgl. BSG, Az. B 3 P 6/03 R). Der Stehtrainer dient in Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen J. nicht der Erleichterung der Pflege. Zwar hat sie festgestellt, dass der Sohn der Klägerin mittels des Gerätes in eine stehende Position gebracht werde und in dieser auch eine Weile verbleiben könne. Ohne Einsatz dieses Gerätes müsste der Kläger von zwei Pflegepersonen unterstützt werden, um stehen zu können. Eine weitere Pflegeerleichterung bewirkt der Stehtrainer hinsichtlich des Umlagerns. Da der Kläger aufgrund der Cerebralparese nicht in der Lage ist, seine Extremitäten selbst zu bewegen, hält er sich auch tagsüber überwiegend im Liegen auf. Dies erhöht das Risiko der Entstehung eines Dekubitus. Der Aufenthalt in dem Stehtrainer dient mithin der Prophylaxe eines solchen Druckgeschwüres. Der Stehtrainer trägt demnach zwar teilweise zur Erleichterung der Pflege bei. Nach der Überzeugung des Senates reicht dies aber nicht aus, um ihn zu einem Hilfsmittel der Pflegeversicherung zu machen. Denn über diese Eigenschaften verfügt ein Großteil aller Hilfsmittel, die (außerdem) dem Behinderungsausgleich dienen und deshalb als Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu leisten sind ( BSGE 51, 268, 271 [BSG 01.04.1981 - 5a/5 RKn 12/79]; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 und Nr. 13). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, wonach es sich bei einem Hilfsmittel nur dann um ein Pflegehilfsmittel handelt, das der Pflegeversicherung statt der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen ist, wenn es allein oder doch jedenfalls schwerpunktmäßig der Erleichterung der Pflege dient (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 47; SozR 4-2500 § 33 Nr. 5). Der Senat ist aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass der Stehtrainer bei dem Kläger vielmehr ganz wesentlich der Behandlungspflege dient. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu lindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden ( BSGE 82, 27 [BSG 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R]; BSGE 83, 254 [BSG 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R] ). Nach den Angaben der Sachverständigen fördert das Aufrichten in die stehende Position die Mobilisation des Sohnes der Klägerin, weil vorhandene Spastiken gelöst werden und Kontrakturen und Muskelabbau vorgebeugt wird. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil die Pflege von kontrakten und spastischen Extremitäten äußerst zeitintensiv ist, da sie nur mit größter Vorsicht und behutsam gelöst werden können. Dies gilt verstärkt für Spastiken im Bereich der Hand- und Kinngelenke. Bei dem gewaltsamen Spreizen von Gelenken besteht die Gefahr von Brüchen und Verletzungen. Ein weiterer Aspekt ist die Stabilisierung des Kreislaufs, denn das Aufrichten in dem Stehtrainer fördert die gesamte Durchblutung. Solche Maßnahmen der Behandlungspflege sind nur dann ausnahmsweise der Pflegeversicherung zuzuordnen, wenn sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung des § 14 Abs. 4 SGB XI sind oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen ( BSGE 82, 27 [BSG 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R] ). Nach den Angaben der Sachverständigen stehen weder die Lösung bzw. Verhinderung von Beugespastiken noch die Kreislaufstabilisierung in zeitlichem oder sachlichem Zusammenhang mit einer der Pflegeverrichtungen. Vielmehr ergibt sich aus ihren Ausführungen, dass der Stehtrainer in der jetzt vom Sohn der Klägerin besuchten Tagesförderstätte im Rahmen der Ergotherapie und während des früheren Aufenthalts in einem privaten Pflegeheim im Rahmen der Krankengymnastik eingesetzt wird bzw. wurde. Im vorliegenden Fall sind die Maßnahmen der Behandlungspflege daher der Krankenversicherung zuzurechnen.

17

Eine Verpflichtung der Beklagten, sich dennoch an den Kosten für den Stehtrainer zu beteiligen, folgt auch nicht daraus, dass sie im konkreten Fall entsprechende Leistungen aufgrund des Krankenversicherungsvertrages nicht zu erbringen hat. Teil III Nr. 2.3 der AVB/MB Private Krankenversicherung enthält einen abschliessenden Katalog bestimmter Hilfsmittel, zu denen der Stehtrainer nicht gehört. Zwar bestimmt § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI - der hier aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XI anzuwenden ist -, dass der Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln besteht, "soweit" die Hilfsmittel nicht von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Das BSG, dem sich der Senat auch insoweit anschließt, hat dazu ausgeführt (Urteil vom 10. November 2005, Az.: B 3 P 10/04 R, noch keine Fundstellen), dass diese Gesetzesformulierung aber nicht bedeutet, dass zwischen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung ein Verhältnis von Vorrang und Nachrang in der Weise besteht, dass ein Hilfsmittel sowohl der Pflege- wie der Krankenversicherung zugeordnet werden könne und nur die Leistungspflicht der Pflegekasse subsidiär zu anderen Versicherungsträgern ist. Obwohl der Wortlaut der genannten Vorschrift eine solche Auslegung nahelegt, ist sie aufgrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift von den Gesetzgebern nicht beabsichtigt worden. Das BSG hat a.a.O. dazu ausgeführt, dass doppelte Zuständigkeiten für Sozialleistungen nur ausnahmsweise anzunehmen sind und auch ausdrücklich im Gesetz angeordnet werden. § 13 SGB XI regelt den Nachrang der Pflegeversicherung gegenüber bestimmten Entschädigungsleistungen und den grundsätzlichen Vorrang gegenüber Fürsorgeleistungen. Bei Leistungen der Eingliederungshilfe, die ebenfalls zu Letzteren zählen, ordnet § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ausdrücklich ihre Gleichrangigkeit mit der Möglichkeit von Überschneidungen mit Leistungen der Pflegeversicherung an. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift sollen die Leistungsträger dann den zuständigen Leistungsträger bestimmen und eine Kostenteilung vereinbaren. Ein Überschneidungsbereich im Verhältnis zur Krankenversicherung ergibt sich aus § 13 SGB XI dagegen nicht. Abs. 2 dieser Vorschrift stellt dies mit der Erwähnung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V nur ausdrücklich klar. Die Verwendung des Wortes "soweit" in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ist vom Gesetzgeber nur gewählt worden, um deutlich zu machen, dass es auch bei den Hilfsmitteln nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung bei der bisherigen Leistungsverpflichtung anderer Leistungsträger (mit Ausnahme der Sozialhilfe) bleiben sollte (BSG, a.a.O.).

18

Entgegen der Auffassung der Klägerin existiert auch keine Verpflichtung der Beklagten, sich an den Kosten für den Stehtrainer deshalb zu beteiligen, weil ein solcher Anspruch hier aus dem privaten Krankenversicherungsvertrag nicht folgt. Es trifft zwar zu, dass der Sohn der Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit einem Stehtrainer gemäß § 33 SGB V hätte, wäre er gesetzlich krankenversichert. Der Grund dafür, dass die Klägerin für ihren Sohn keinen solchen Anspruch gegen die Beklagte hat, liegt in dem insoweit eingeschränkten Leistungsumfang des privatrechtlichen Krankenversicherungsvertrages. Die so entstandene Versorgungslücke ist nicht durch Eintreten der privaten Pflegeversicherung zu schließen. Zwar bestimmt § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, dass der (privat)vertraglich vereinbarte Versicherungsschutz Leistungen vorsehen muss, die dem der sozialen Pflegeversicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XI nach Art und Umfang gleichwertig sind. Das darin niedergelegte Gebot der Gleichwertigkeit der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung einerseits und der privaten Pflegeversicherung andererseits bezieht sich indessen nur auf die Gleichwertigkeit der Pflegeleistungen. Wie oben bereits dargestellt, wäre auch ein Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht zur Gewährung des Stehtrainers verpflichtet.

19

Zwar hat die Sachverständige in ihrem Gutachten auch ausgeführt, dass der Einsatz des Stehtrainers zur Linderung von Beschwerden des Klägers beitrage. Abgesehen davon, dass auch dieser Zweck des Stehtrainers hinsichtlich seiner Bedeutung hinter diejenige der Behandlungspflege zurücktritt, ist die Linderung von Beschwerden ein typischer Versicherungsfall der Krankenversicherung, der in § 27 Abs. 1 Satz1 a.E. SGB V geregelt ist. Es erscheint daher widersprüchlich, dass ausgerechnet ein Versicherungsfall, der Leistungen der Krankenversicherung auslöst, Grund für die Gewährung eines Pflegehilfsmittels sein soll. Es liegt daher auch insoweit nahe, die Formulierung des § 40 Abs. 1 SGB XI nicht wörtlich anzuwenden. Der Grund für diese Formulierung mag darin gelegen haben, dass der Gesetzgeber meinte, dass sich die Linderung von Krankheitsbeschwerden häufig pflegeerleichternd auswirken würde.

20

Der Stehtrainer dient schließlich auch nicht der eigenständigen Lebensführung des Sohnes der Klägerin. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass er sowohl körperlich als auch geistig so stark behindert ist, dass er bereits deshalb nicht in der Lage ist, in nennenswertem Umfang sein Leben selbst zu bestimmen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

22

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG deshalb zugelassen, weil im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Urteil des BSG vom 10. November 2005 (Az.: B 3 P 10/04  R) noch nicht vorlag und er deshalb die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht hat.