Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.12.2005, Az.: L 9 B 37/06 AS
Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Bettes und eines Kleiderschranks; Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Gewährung von Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung eines Arbeitslosengeld II Empfängers
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 14.12.2005
- Aktenzeichen
- L 9 B 37/06 AS
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 45245
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2005:1214.L9B37.06AS.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- SG Oldenburg - 14.12.2005 - AZ: S 45 AS 290/05
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II
- § 23 Abs. 1 SGB II
- § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II
- § 73a Abs. 1 S. 1 SGG
- § 114 ZPO
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichtes Oldenburg vom 14. Dezember 2005 wird aufgehoben.
Der Beschwerdeführerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren zum Az.: S 45 AS 290/05 ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. in Oldenburg bewilligt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zum Az.: S 45 AS 290/05 des Sozialgerichts Oldenburg geführte Klageverfahren. Die Beteiligten jenes Verfahrens streiten darüber, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Bettes und eines Kleiderschranks hat.
Die Beschwerdeführerin steht bei der Beklagten des Hauptsacheverfahrens in laufendem Bezug von Arbeitslosengeld II. Mit Schreiben vom 08. Dezember 2004 wies die Agentur für Arbeit D. die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die tatsächlichen Kosten ihrer Unterkunft die für ihren Ein-Personen-Haushalt geltende angemessene Höchstgrenze überschreiten würden, und forderte die Beschwerdeführerin auf, bis zum 31. März 2005 die Unterkunftskosten durch Untervermietung oder einen Wohnungswechsel zu senken. Am 20. Januar 2005 schloss daraufhin die Beschwerdeführerin mit ihrer bisherigen Vermieterin, der Wohnungsbaugesellschaft E., für die Zeit ab 01. April 2005 einen Mietvertrag über eine anderweitige Wohnung zu einem um 70,- EUR verringerten monatlichen Mietzins ab. Hiervon unterrichtete die Beschwerdeführerin anlässlich einer Vorsprache am 26. Januar 2005 das Job-Center D., das unter dem gleichen Datum zur Vorlage bei dem Diakonischen Werk D. eine Kostengarantie über Umzugskosten in Gestalt erforderlicher "Hilfe beim Umzug von der F.Straße 30 b zur G. Straße 216" abgab.
Den anlässlich einer weiteren Vorsprache am 09. März 2005 gestellten Antrag, die Kosten für die Beschaffung eines Bettes und eines Kleiderschrankes für die neue Wohnung abschließend, und nicht nur darlehensweise, zu übernehmen, lehnte das Job-Center D. mit Bescheid vom 21. März 2005 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies es mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2005 zurück. Am 09. Mai 2005 ist in der Hauptsache Klage zum Az.: S 45 AS 290/05 des Sozialgerichts Oldenburg erhoben worden, zu deren Begründung die Beschwerdeführerin geltend macht, entgegen der Rechtsauffassung des im Hauptsacheverfahren Beklagten stehe ihr ein Anspruch auf nicht nur darlehensweise Kostenübernahme aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II zu. Soweit danach Leistungen für die Erstausstattungen für die Wohnung gesondert erbracht würden, sei der Begriff der "Erstausstattung" nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen. Bei der gebotenen weiten Auslegung handele es sich bei der erforderlichen Beschaffung eines neuen Bettes und eines neuen Kleiderschrankes um einen solchen Erstausstattungsbedarf für die neue Wohnung. Es sei deshalb nicht rechtens, sie auf die Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Bett und Kleiderschrank, die in der bisherigen Wohnung genutzt worden seien, seien bei dem Umzug schwer beschädigt worden und nicht mehr brauchbar. Hierzu hat die Beschwerdeführerin eine Bescheinigung des Diakonischen Werks D. vom 04. Mai 2005 zu den Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens gereicht, nach der Bett und Kleiderschrank nicht hätten transportiert werden können; sie seien in einem Zustand (geleimt, geschraubt) gewesen, der nur eine Entsorgung zugelassen habe.
Die Beklagte des Hauptsacheverfahrens tritt dieser Auffassung entgegen; sie macht geltend, dass es sich um Folgebeschaffungen handele, deren Kosten grundsätzlich aus der Regelleistung zu entnehmen seien und ggf. lediglich als Darlehen gem. § 23 Abs. 1 SGB IIübernommen werden könnten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, des beim Sozialgericht Oldenburg zum Az.: S 45 AS 290/05 geführten Verfahrens der Hauptsache sowie die Leistungsakten Bezug genommen, die dem Senat bei seiner Beschlussfassung vorgelegen haben.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Beschwerdeführerin ist unter Aufhebung des entgegenstehenden erstinstanzlichen Beschlusses vom 14. Dezember 2005 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. zu bewilligen.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Verfahrensbeteiligter Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind im Falle der Beschwerdeführerin erfüllt. Als arbeitslose Empfängerin von Arbeitslosengeld II erfüllt sie die einkommensbezogenen Bewilligungsvoraussetzungen. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichtes fehlt es der Rechtsverfolgung im erstinstanzlichen Klageverfahren aber auch nicht an der hinreichenden Erfolgsaussicht. Hinreichend in diesem Sinne sind die Erfolgsaussichten einer Klage nicht etwa erst dann, wenn bei der notwendigerweise prognostischen Beurteilung der Möglichkeiten eines Klageerfolgs ein späteres Obsiegen bereits wahrscheinlicher erscheint als ein Unterliegen. Vielmehr genügt es für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn die Klage auf der Grundlage eines vorläufig vertretbaren, diskussionswürdigen Rechtsstandspunkts schlüssig begründbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die gute Möglichkeit der Beweisführung besteht (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 73 a, Rdnr. 7).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht mit seinem angefochtenen Beschluss hinreichende Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu Unrecht verneint. Wie schon die Verfahrensbeteiligten selbst hat es nämlich den Fokus seiner rechtlichen Betrachtung zu sehr auf die Frage verengt, ob der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein neues Bett und einen neuen Schrank als Bestandteil einer Erstausstattung ihrer neuen Wohnung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II) zur Seite steht. Dies erscheint allerdings zweifelhaft. Auch wenn der Begriff der Erstausstattung in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II weit auszulegen und nicht zeit-, sondern bedarfsbezogen zu verstehen ist, besteht ein Leistungsanspruch nach dieser Vorschrift gleichwohl nur für einen erstmaligen Bedarf. Dieser kann im Zusammenhang mit dem Umzug in eine neue Wohnung etwa dann auftreten, wenn sich die Bedarfsgemeinschaft vergrößert hat und mit dem Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum auch der Bedarf nach dessen erstmaliger Möblierung einhergeht. Von einem solchen Fall unterscheidet sich indessen der vorliegende dadurch, dass der Umzug der Beschwerdeführerin nicht etwa durch einen veränderten Bedarf an Wohnraum ausgelöst worden ist, sondern einer Senkung der Unterkunftskosten auf den nach Auffassung der im Hauptsacheverfahren Beklagten angemessenen Betrag gegolten hat. Die Beschwerdeführerin hat somit ihren Bedarf nach einer angemessenen Ausstattung der neuen Wohnung prinzipiell unter Verwendung der vorhandenen Möbel aus der alten Wohnung decken können. Die hieraus vom Sozialgericht gezogene Schlussfolgerung, dass es sich unter solchen Umständen bei Ersatzbeschaffungen für bereits in der ersten Wohnung vorhandene Möbel regelmäßig nicht um eine Erstausstattung handele, ist hiernach grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Im vorliegenden Fall lässt diese Auffassung allerdings unberücksichtigt, dass nach der vom Diakonischen Werk D. ausgestellten Bescheinigung vom 04. Mai 2005 das Bett und der Kleiderschrank aus der bisherigen Wohnung nicht in die neue Wohnung haben transportiert werden können, weil sie verleimt und verschraubt gewesen sind. Von einem solchen Sachverhalt ausgehend steht durchaus in Frage, ob die Anschaffung eines Bettes und eines Schrankes für die neue Wohnung tatsächlich lediglich unter dem allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkt einer Ersatzbeschaffung für vorhandene Möbelstücke zu würdigen ist. Die Bescheinigung des Diakonischen Werkes und der Umstand, dass die Beschwerdeführerin diesbezügliche Leistungen nicht bereits vor ihrem Umzug beantragt hat, deuten nämlich darauf hin, dass das Bett und der Kleiderschrank zum Zeitpunkt des Auszuges aus der alten Wohnung dort an sich noch verwendungsfähig gewesen sind und der konkrete Bedarf für eine Neuanschaffung dadurch verursacht worden ist, dass eine beschädigungsfreie Zerlegung beider Möbelstücke als Voraussetzung für eine Wiederverwendung in der neuen Wohnung wegen ihrer Verleimung und Verschraubung nicht möglich gewesen ist. In diesem Fall kommt aber nicht bloß ein Anspruch der Beschwerdeführerin aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II (Erstausstattung für die Wohnung) in Betracht, sondern auch ein Anspruch aus § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II auf Übernahme der Wiederbeschaffungskosten als Bestandteil der Umzugskosten. Umzugskosten im Sinne dieser Vorschrift sind nämlich nicht lediglich die Kosten des Transports von Möbeln und Hausrat von der einen in die andere Wohnung, sondern alle im Zusammenhang mit und wegen des Umzugs anfallenden Kosten (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 84). Der Senat hält es - mit der Folge hinreichender Erfolgsaussichten der Klage - für naheliegend, hierunter auch die Kosten einer solchen Ersatzbeschaffung von Möbeln zu subsumieren, die durch einen genehmigten oder gar, wie vorliegend, zur Verringerung der Unterkunftskosten angeordneten Umzug verursacht worden sind.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.