Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.06.2023, Az.: 14 U 146/22

Bahnunfall; Bahnübergang; Zusammenstoß von Zug und Lkw; Betriebsgefahr; Verkehrssicherungspflicht; Haftungseinheit; Zurechnungseinheit; Haftungsverteilung; Vorhaltekosten; Schuldhafter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 4 und § 19 Abs. 3 StVO aufgrund Haltens auf einem Bahnübergang bei Sichtbeeinträchtigungen; zu den Anforderungen einer Bahnübergangssicherungsanlage; Haftungs- und Zurechnungseinheit zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.06.2023
Aktenzeichen
14 U 146/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 22715
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0607.14U146.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 07.11.2022 - AZ: 5 O 281/20

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Nur derjenige Verkehrsteilnehmer, der mit Gewissheit jenseits des Gleisbereichs genügend Platz zum Anhalten oder Weiterfahren hat, darf in den Gleisbereich eines Bahnübergangs einfahren; dies gilt auch bei Sichtbehinderungen und Kenntnis von der Schaltung der Bahnübergangssicherungsanlage.

  2. 2.

    Eisenbahn- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen bilden grundsätzlich eine Haftungs- und Zurechnungseinheit (Senat, Urteil vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20).

  3. 3.

    Bei einem Bahnübergangsunfall kommt ein dem Eisenbahnverkehrsunternehmen zuzurechnendes Organisationsverschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, das sich im Unfallgeschehen ausgewirkt hat, in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass die vorhandene Signalsicherung von vornherein als Sicherung ungeeignet war und die Verantwortlichen des Eisenbahninfrastrukturunternehmens dies hätten erkennen müssen (hier verneint).

  4. 4.

    Eine Eigenschaft der Bahnübergangssicherungsanlage kann betriebsgefahrerhöhend zu Lasten des Eisenbahnverkehrsunternehmens zu berücksichtigen sein. 5. § 12 StVG findet im Rahmen einer verschuldensabhängigen Haftung keine Anwendung (Senat, Urteil vom 16. Mai 2007 - 14 U 56/06).

In dem Rechtsstreit
1. A. Versicherung AG, ...,
2. e. GmbH, ...,
Klägerinnen und Berufungsklägerinnen,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Anwaltsbüro ...,
D. N. AG, ...,
Streithelferin der Klägerinnen,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
1. Z. I. plc, ...,
2. A.-S. G. GmbH & Co. KG, ...,
3. J.-P. W., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2 und 3:
Rechtsanwälte ...,
D. e.V. ...,
Streithelferin der Beklagten,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
Weitere Beteiligte:
Stadt W., ...,
beigetretene Streitverkündete,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. ..., die Richterin am Oberlandesgericht Dr. ... und den Richter am Oberlandesgericht Dr. ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 10. Oktober 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden <5 O 281/20> in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. November 2022 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 1.549.899,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 2) 302.590,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 1) zu 27,9 %, die Klägerin zu 2) zu 5,4 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 66,7 %. Die Klägerin zu 1) hat zudem 27,9 % und die Klägerin zu 2) 5,4 % der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen; im Übrigen trägt diese ihre Kosten selbst. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner 66,7 % der Kosten der Streithelferin der Klägerinnen zu tragen; im Übrigen trägt diese ihre Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1) zu 39 %, die Klägerin zu 2) zu 8 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 53 %. Die Klägerin zu 1) hat zudem 39 % und die Klägerin zu 2) 8 % der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen; im Übrigen trägt diese ihre Kosten selbst. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner 53 % der Kosten der Streithelferin der Klägerinnen zu tragen; im Übrigen trägt diese ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 2.000.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerinnen machen als Kaskoversicherer nach Forderungsübergang bzw. als Geschädigte Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am YYYY-MM-DD gegen hh:mm Uhr auf dem mit Halbschranken ausgestatteten Bahnübergang F. im Einmündungsbereich zur L 0123 bei der Siedlung B./W. ereignete. Dabei kollidierten ein von der Klägerin zu 2) gemieteter Triebwagen und ein Lkw mit Sattelauflieger der Beklagtenseite. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt der Beklagte zu 3) den von ihm geführten Lkw auf dem Bahnübergang an. Aufgrund eines Defekts des Lkw-Getriebes konnte er seine Fahrt nicht fortsetzen, als die Schranken schlossen. Dabei lag eine Halbschranke auf dem Lkw auf. Die Lichtzeichenanlage 400 m vor dem Bahnübergang zeigte dem Triebwagenführer der Klägerin zu 2) an, dass der Bahnübergang gesichert sei und befahren werden dürfe. Ca. 100 m vor dem Bahnübergang bemerkte der Triebwagenführer den Lkw und leitete eine Notbremsung ein. Gleichwohl kam es zur Kollision.

Wegen der Einzelheiten der örtlichen Gegebenheiten und zum näheren Hergang des Unfalls wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, dort S. 3f., verwiesen.

Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere um die Aktivlegitimation der Klägerinnen gestritten. Zur Haftung der Beklagten haben die Klägerinnen eine unzureichende Wartung und Instandhaltung des Getriebes des Lkw sowie einen Verstoß des Beklagten zu 3) gegen § 19 Abs. 3 StVO geltend gemacht. Die Beklagten haben dagegen eine Verschuldenshaftung auf ihrer Seite in Abrede genommen und die Ansicht vertreten, es seien lediglich die Betriebsgefahren abzuwägen; sie haben zudem auf die Haftungshöchstgrenze nach § 12 Abs. 2 StVG verwiesen. Die Streithelferin der Beklagten hat insbesondere geltend gemacht, die Klägerinnen müssten sich Versäumnisse ihrer Streithelferin, nämlich Verkehrssicherungspflichtverletzungen, zurechnen lassen.

Mit am 10. Oktober 2022 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach Beiziehung der Ermittlungsakten zum streitgegenständlichen Verkehrsunfall, Az. 948 Js 56723/17 (Staatsanwaltschaft Verden), und Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage lediglich nach den auf Feststellung der Haftung gerichteten Hilfsanträgen und dabei beschränkt auf eine Ersatzpflicht in Höhe von 50 % stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht insbesondere Folgendes aus:

Die im Hauptantrag gestellten Zahlungsansprüche seien aufgrund der Deckelung der Schadensersatzansprüche nach § 12 Abs. 2 StVG mangels nachgewiesenem Verschulden der Beklagten am Zustandekommen des Verkehrsunfalls unbegründet.

Die Klägerinnen seien aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) ergebe sich nach Beweis des Bestehens der Kaskoversicherung für den beschädigten Triebwagen und nach bewiesener Erstattung der Reparaturkosten aus dem Anspruchsübergang nach § 86 VVG und hinsichtlich der Selbstbeteiligung aus der Abtretungserklärung vom YYYY-MM-DD. Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) ergebe sich aus der bewiesenen Anmietung.

Der Unfall sei bei dem Betrieb des Lkw entstanden. Ein Fall höherer Gewalt liege nicht vor. Ein Haftungsausschluss gemäß § 17 Abs. 3 StVG sei vorliegend für die Beklagten nicht gegeben, weil ein unabwendbares Ereignis dann nicht vorliege, wenn der Unfall - wie hier - auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder einem Versagen seiner Vorrichtungen beruhe.

Die Abwägung nach § 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 StVG führe zu einer Haftungsteilung zwischen den Parteien.

Die Klägerinnen hätten nicht bewiesen, dass sich das Versagen des Getriebes (Defekt der Kupplung) in einer Form angekündigt hat, die der Beklagte zu 3) oder ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2) hätte bemerken müssen, oder dass eine unzureichende Wartung für das Versagen des Getriebes verantwortlich gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei von einem spontanen Ausfall der Kupplung auszugehen. Des Weiteren hätten die Klägerinnen auch keinen Verstoß des Beklagten zu 3) gegen § 19 Abs. 3 StVO nachgewiesen. Wegen der beschränkten Sichtmöglichkeiten und der Länge des Lkw-Gespanns sei dem Beklagten zu 3) hier weder vorzuwerfen, über die Haltelinie vor dem Bahnübergang gefahren zu sein, noch nicht so weit vorgefahren zu sein, dass er die Bahngleise nicht mehr blockiert hätte. Wegen der ihm bekannten Ampelregelung auf der vorfahrtberechtigten L 0123 habe der Beklagte zu 3) annehmen dürfen, dass er den Gleisbereich gefahrlos würde verlassen können, wenn sich ein Zug nähert. Im Ergebnis komme daher eine Haftung der Beklagten nur aus Betriebsgefahr des Lkw in Betracht.

Die Klägerin zu 2) treffe ein Mitverursachungsbeitrag. Ein komplettes Zurücktreten der Mithaftung der Klägerinnen komme hier im Hinblick auf § 13 Abs. 3 HPflG nicht in Betracht, weil ein Führen der Schienenbahn innerhalb des Verkehrsraums vorliegend nicht gegeben sei. Der Klägerin zu 2) und damit auch der Klägerin zu 1) seien Versäumnisse ihrer Streithelferin im Bereich der Ausgestaltung und Sicherung von Bahnübergängen zuzurechnen, weil die Eigentümerin der Infrastrukturanlagen und die Betreiberin des Bahnbetriebs eine gemeinsame Betriebseinheit bilden würden. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Streithelferin der Beklagten hätten Sicherungsmöglichkeiten bestanden und seien nicht ergriffen worden, die den streitgegenständlichen Unfall verhindert hätten, nämlich die Möglichkeit, dem Zugführer eine Blockierung des Bahnübergangs durch entsprechende Sensoren an der Unterseite der Schrankenanlage oder Induktionsschleifen oder Lichtschranken bzw. Sensoren zu signalisieren und die Strecke entsprechend rechtzeitig zu sperren. Vortrag der Klägerinnen oder deren Streithelferin dazu, dass solche Maßnahmen unmöglich oder unverhältnismäßig seien, hätten diese nicht gehalten. Dadurch sei hier die im Vergleich zu Kraftfahrzeugen ohnehin erhöhte Betriebsgefahr eines Zuges weiter erhöht.

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer hälftigen Schadensteilung. Auf Seiten der Klägerinnen sei die erhöhte Betriebsgefahr eines Zuges sowie eine unzureichende Ausstattung des Bahnübergangs zu berücksichtigen. Auf Seiten der Beklagten sei die Betriebsgefahr des Lkw, die aufgrund des Versagens der Kupplung deutlich erhöht sei, zu berücksichtigen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung, mit der sie sich gegen die Abweisung der Hauptanträge und die Kürzung der Hilfsanträge um 50 % wenden. Zur Begründung machen sie Folgendes geltend:

Das Landgericht habe unzutreffend ein Verschulden auf Beklagtenseite verneint. Es habe § 19 Abs. 3 StVO falsch angewendet. Der Beklagte zu 3) habe nicht bis an die Sichtlinie der L 0123 fahren dürfen, um dort und damit auf den Bahngleisen zum Stehen zu kommen; er hätte vor dem Andreaskreuz warten müssen.

In Bezug auf die Absicherung des Bahnübergangs der Streithelferin der Klägerinnen habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin zu 2) ein Mitverursachungsbeitrag treffe, der der Klägerin zu 1) zuzurechnen sei. Der Bahnübergang entspreche den Regeln der Technik, er sei verkehrssicher und ausreichend technisch gesichert gewesen. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung aufgrund unzureichender Ausstattung sei nicht gegeben, entsprechenden Behauptungen der Gegenseite seien die Klägerinnen bereits mit Schriftsätzen vom 04.11.2020 und vom 07.10.2022 entgegengetreten. Es sei daher verfehlt, von einer Erhöhung der Betriebsgefahr auszugehen; vielmehr trete die Betriebsgefahr aufgrund des grob fahrlässigen Verstoßes des Beklagten zu 3) gegen § 19 Abs. 3 StVO vollkommen zurück. Jedenfalls müssten sich die Klägerinnen eine etwaige Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht zurechnen lassen. § 1 HPflG sei keine Zurechnungsnorm. Hier gehe es jedenfalls nicht um die Haftung aus § 1 HPflG. Die zivilrechtliche Zurechnung bedürfe einer eigenständigen Zurechnungsnorm, die vorliegend jedoch nicht erkennbar sei. Die Auffassung des OLG Hamm, auf die das Landgericht Bezug genommen hat, sei unzutreffend.

Die Abwägung der Verursachungsbeiträge durch das Landgericht stelle sich danach als nicht zutreffend dar.

Zu Höhe und Umfang des Schadens, hinsichtlich derer das Landgericht folgerichtig keine Feststellungen getroffen habe, werde auf das erstinstanzliche Vorbringen nebst Beweisangeboten Bezug genommen.

Die Streithelferin der Klägerin tritt den Berufungsangriffen bei. Sie meint ebenfalls, dass der Beklagte zu 3) gegen § 19 Abs. 3 StVO verstoßen habe. Zudem macht sie ebenfalls geltend, der streitgegenständliche Bahnübergang sei verkehrssicher gewesen. Er hätte nicht weitergehend gesichert werden können, und die getroffenen Sicherungsvorkehrungen hätten dem Stand der Technik entsprochen und seien nach den Umständen zumutbar gewesen. Eine besondere Gefahrträchtigkeit des Bahnübergangs sei nicht - sinngemäß: substantiiert - vorgetragen und auch nicht eine besondere Unfallhäufigkeit.

Die Klägerinnen und die Streithelferin der Klägerinnen beantragen,

  1. 1.

    das Urteil des Landgerichts Verden vom 10.10.2022 (Az. 5 O 281/20) soweit aufzuheben, als der Hauptantrag der Klägerin zu 1) abgewiesen wurde, und die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Berufungsklägerin zu 1) EUR 2.324.849,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. 2.

    das Urteil des Landgerichts Verden vom 10.10.2022 (Az. 5 O 281/20) soweit aufzuheben, als der Hauptantrag der Klägerin zu 2) abgewiesen wurde, und die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Berufungsklägerin zu 1) EUR 453.885,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten und deren Streithelferin beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung. Dazu machen sie insbesondere geltend, das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass den Beklagten zu 2) und 3) kein schuldhafter Verstoß gegen Verkehrs- oder Sicherheitsvorschriften zur Last zu legen sei. An der Haltelinie vor dem Bahnübergang seien die Sichtmöglichkeiten nicht ausreichend gewesen. Dem Beklagten zu 3) sei nicht vorzuwerfen, dass er über die Haltelinie hinaus vorgefahren sei, bis er die bevorrechtigte Straße einsehen konnte. Zudem habe das Landgericht zutreffend eine Mithaftung der Klägerin zu 2) wegen gravierender Sicherheitsmängel der Schrankenanlage festgestellt. Unstreitig hätten Sicherungsmöglichkeiten bestanden, die den Unfall verhindert hätten, etwa entsprechende Sensoren oder Induktionsschleifen oder Lichtschranken. Der Unfall wäre auch nicht eingetreten, wenn die Strecke erst nach dem Erreichen der Endlage beider Schranken freigegeben worden wäre. Die Klägerin zu 2) müsse sich nach § 1 HPflG die Versäumnisse der Streithelferin der Klägerinnen zurechnen lassen, weil Netzbetreiberin und Bahnbetreiberin sich in einer Haftungsgemeinschaft befänden.

Die Streithelferin der Beklagten tritt den Berufungsangriffen ebenfalls entgegen und verteidigt die landgerichtliche Entscheidung. Sie macht zunächst - sinngemäß - geltend, die Klägerin zu 2) sei verkehrssicherungspflichtig und hätte Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen an mit Lichtzeichen und Halbschranken gesicherten Bahnübergängen ergreifen müssen. Zudem meint die Streithelferin der Beklagten, die streitgegenständliche Schrankenanlage verfüge über keine Sicherungseinrichtungen; es sei technisch nicht nachvollziehbar, dass die Strecke ,frei' gemeldet und von der Klägerin zu 2) befahren werde, wenn die Schranke lediglich ihre oberste Position verlässt. Wie die Beklagten macht sie weiter geltend, der Unfall wäre vermieden worden, wenn die Strecke erst nach dem Erreichen der Endlage freigegeben worden wäre; vorliegend habe die Halbschranke jedoch auf dem Fahrerhaus aufgelegen. Auch über eine Induktionsschleife hätte ermittelt werden können, dass sich noch ein Fahrzeug im Schrankenbereich befindet.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Im Einzelnen:

1. Die Ansprüche der Klägerinnen gegen die Beklagten folgen dem Grunde nach aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 4, 18 Abs. 3 StVG, § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 12 Abs. 1 Nr. 4 und 19 Abs. 3 StVO, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, 421 BGB, für die Klägerin zu 1) außerdem i.V.m. § 86 VVG nach einer Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten.

a) Das Landgericht hat angenommen, dass die Klägerinnen erwiesenermaßen aktivlegitimiert seien, auf S. 11 bis 13 des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Diesen Feststellungen und Wertungen sind die Beklagten nicht entgegengetreten; durchgreifende Gründe für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Feststellungen oder für Fehler in der Rechtsanwendung, insbesondere konkrete Anhaltspunkte für eine unzutreffende Tatsachenfeststellung (§ 529 Abs. 1 ZPO), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Der Verkehrsunfall hat sich bei dem Betrieb der beteiligten Fahrzeuge i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet, ohne dass ein Fall höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) oder ein sonstiger Haftungsausschluss (insbesondere gem. § 8 StVG) vorgelegen hat oder sich eine Seite auf ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3, 4 StVG berufen kann. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu (LGU S. 13f.), die im Übrigen keine Partei angegriffen hat, sind nicht zu beanstanden.

c) Die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes im Verhältnis der Beteiligten zueinander hängt danach davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. In die gemäß § 17 Abs. 1, 2, 4 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung, die der Abwägung aus §§ 4, 13 HPflG vorgeht (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, Rn. 40 mwN, juris), ist, soweit es Verschuldensvorwürfe anbelangt, auf Beklagtenseite ein Verstoß gegen §§ 12 Abs. 1 Nr. 4; 19 Abs. 3 StVO einzustellen. Ein Verschulden auf Seiten der Klägerinnen steht nicht fest. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge sind auch die erhöhten Betriebsgefahren des Zuges und des Lkw-Gespanns zu berücksichtigen.

aa) Den Beklagten ist kein schuldhaftes Verhalten im Zusammenhang mit dem Defekt des Lkw-Getriebes anzulasten. Allerdings hat der Beklagte zu 3) den Unfall maßgeblich verschuldet, indem er auf dem Bahnübergang anhielt; das war ihm nicht erlaubt und ist ihm vorwerfbar.

(1) Das Landgericht hat auf Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. angenommen, dass sich das Versagen des Getriebes (Defekt der Kupplung) nicht in einer Form angekündigt habe, die der Beklagte zu 3) oder ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2) hätte bemerken müssen, oder dass eine unzureichende Wartung für das Versagen des Getriebes verantwortlich gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei von einem spontanen Ausfall der Kupplung auszugehen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

(aa) Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien, vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ergeben. Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Bei der Berufungsinstanz handelt es sich um eine zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen Entscheidung des Einzelfalls besteht. Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (zum Vorstehenden s. BGH, Beschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17, Rn. 11 mwN juris).

(bb) Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab liegen konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich des Getriebedefekts auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Streithelferin der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht vor; die Klägerinnen haben im Rahmen ihrer Berufungsbegründung die landgerichtliche Entscheidung insofern nicht weiter konkret angegriffen. Das Landgericht hat sich jedenfalls in den Entscheidungsgründen mit den zugrundeliegenden Umständen, dem Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakten, den Angaben des Beklagten zu 3) und insbesondere den Feststellungen und Erklärungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. auseinandergesetzt. Wegen der Erwägungen des Landgerichts im Einzelnen wird auf S. 14 bis 17 des angefochtenen Urteils verwiesen (insbes. LGU S. 15 mittig: "Vielmehr sei es so, dass das Spurenbild (...) zu dem Schluss führen, dass ein plötzlicher Defekt an der Kupplung aufgetreten sei, (...) so dass die Kupplung nicht mehr zu betätigen war (...)"; zudem LGU S. 16 mittig: "Schließlich sei das hier defekte Teil auch nicht einer gesonderten Wartung zugänglich."). Das Landgericht ist so in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Defekt des Getriebes unangekündigt spontan erfolgte und auch keine unzureichende Wartung des Lkw angenommen werden kann. Ein Verschulden auf Beklagtenseite ist danach in dieser Hinsicht nicht erwiesen.

(2) Allerdings hat der Beklagte zu 3) schuldhaft gegen §§ 12 Abs. 1 Nr. 4 und 19 Abs. 3 StVO verstoßen.

(aa) Das Verhalten von Benutzern öffentlicher Straßen an Bahnübergängen wird ausschließlich durch die Vorschriften der StVO geregelt, wobei in erster Linie die §§ 12 Abs. 1 Nr. 4; 19 StVO maßgebend sind. Beide Normen sollen der besonderen Gefahrenträchtigkeit von Schienenübergängen Rechnung tragen, die sich wiederum notwendig aus den speziellen Betriebsbedingungen des schienengebundenen Massenverkehrs ergibt. Dementsprechend ist gem. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO auf Bahnübergängen jeder Halt zu vermeiden, und gem. § 19 Abs. 3 StVO müssen Fahrzeuge den Bahnübergang zügig überqueren. Es darf nur derjenige Verkehrsteilnehmer, der mit Gewissheit jenseits des Gleisbereichs genügend Platz zum Anhalten oder Weiterfahren hat, in den Gleisbereich einfahren (zum Vorstehenden s. Senat, aaO, Rn. 41 mwN).

(bb) Diesen hohen Anforderungen ist der Beklagte zu 3) entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gerecht geworden.

(aaa) Das Landgericht hat sich hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten zu 3), der alternativen Fahrmöglichkeiten, hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten und insbesondere zu den Sichtverhältnissen und den anzunehmenden Zeiträumen für den vom Beklagten zu 3) geplanten Abbiegevorgang auf die L 0123 wiederum maßgeblich auf die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. gestützt; wegen der Einzelheiten der Erwägungen des Landgerichts wird auf LGU 17ff. verwiesen. Im Berufungsverfahren zeigt keine Partei durchgreifende konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen hierzu

auf; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Beklagten eingewandt haben, der Sachverständige habe nicht die Möglichkeit von Verkehr aus der 40 m entfernten Bushaltestelle und aus der dem Einmündungsbereich F. gegenüberliegenden Siedlung berücksichtigt, verfängt dies bereits deshalb nicht, weil diese Bereiche ausweislich der Fotoaufnahmen im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen im Sichtfeld des Beklagten zu 3) auch bei einem Halt unmittelbar vor dem Andreaskreuz lagen; zudem wird weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, wie diese Umstände sich sonst ausgewirkt haben sollten. Der Senat ist daher an die Feststellungen des Landgerichts gebunden (§ 529 Abs. 1 ZPO).

(bbb) Danach ist anzunehmen, dass der Beklagte zu 3) nicht an den Rand der Vorfahrtstraße L 0123 heranfahren konnte, ohne die Eisenbahngleise zu blockieren, weil der Abstand zwischen dem Fahrbahnrand der L 0123 und dem Bahngleis nur etwa 6 Meter betrug, das Lkw-Gespann aber etwa 14 Meter lang war. Weiter steht fest, dass bei einem Halt an der Haltelinie vor dem Bahnübergang nach links auf die L 0123 lediglich eine Sichtweite von etwa 50 Metern bestand, die nicht ausreichte, um vor einem sich von dort mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nähernden Fahrzeug nach links auf die L 0123 einzufahren, wie es der Beklagte zu 3) geplant hatte. Fest steht zudem, dass in Höhe des Andreaskreuzes kurz vor Auffahren auf das Gleisbett eine ausreichende Sichtmöglichkeit nach links auf die L 0123 bestand. Ein Halten in diesem Bereich war in einem Korridor von 1,5 bis 2 Metern möglich, ohne dass der Lkw von einer heruntergehenden Schranke touchiert worden wäre. Die Sichtmöglichkeit aus einer solchen Position wäre auch dann noch ausreichend für ein Einfahren des Lkw nach links auf die L 0123 gewesen, wenn sich auf der L 0123 ein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit von 100 km/h genähert hätte. Auf LGU S. 17f. wird ergänzend verwiesen.

(ccc) Ausgehend davon war es zwar wegen der Sichtbehinderungen nicht möglich, dass der Beklagte zu 3) lediglich an der Haltelinie vor dem Bahnübergang hätte halten können, um sodann ohne Halt den Bahnübergang zu überqueren und auf die L 0123 einzufahren. Es ist aber entgegen der Ansicht des Landgerichts anzunehmen, dass der Beklagte zu 3) verpflichtet war, bis an das Andreaskreuz heranzufahren und dort anzuhalten, um anschließend bei freier Fahrt in die L 0123 einzubiegen und zugleich ohne Halt den Bahnübergang zu überqueren. Die Sichtmöglichkeiten auf die L 0123 waren selbst dann ausreichend, wenn sich auf der L 0123 ein Fahrzeug mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit genähert hätte, wie ausgeführt. Nach den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen vor dem Landgericht ändert sich auch nichts aufgrund der seinerzeit bestehenden Dunkelheit, weil zwar die Sicht einerseits eingeschränkt ist, andererseits Fahrzeuge aufgrund der Scheinwerfer frühzeitig zu sehen sind (vgl. Bl. 727 d.A.). Dabei ist auch zu berücksichtigen und machen die Klägerinnen zu Recht geltend, dass § 19 Abs. 3 StVO gerade Situationen wie die vorliegende, dass aufgrund unvorhergesehener Umstände der Bahnübergang nicht geräumt werden kann, verhindern will. Wie eingangs dargelegt, sollen Fahrzeuge, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, auf Bahnübergängen nicht zum Stehen kommen. So liegt es hier aber: Der Beklagte zu 3) hielt auf den Gleisen, hätte aber unmittelbar vor dem Andreaskreuz anhalten und den Verkehr auf der L 0123 beobachten können (zumal § 19 Abs. 3 StVO gerade das Andreaskreuz als diejenige Stelle bezeichnet, an der zu warten ist). Zu Recht machen die Klägerinnen hinsichtlich § 19 Abs. 3 StVO auch geltend, dass es für das Tatbestandsmerkmal "wegen des Straßenverkehrs" auf die Situation bei Erreichen des Andreaskreuzes ankommt und nicht die Situation, wenn das Fahrzeug bereits auf den Gleisen zum Stehen gekommen ist. Der Beklagte zu 3) kann sich also nicht damit entlasten, dass er am Fahrbahnrand der L 0123 anhalten musste, um den bevorrechtigten Verkehr zunächst passieren zu lassen, weil er dabei bereits auf dem Bahnübergang zum Stehen kam.

Dass der Beklagte zu 3) bei einem Heranfahren an den Fahrbahnrand der L 0123 und einem Halt dort auf den Bahngleisen zum Stehen kommen werde, musste ihm jedenfalls bekannt sein, weil er um die Ausmaße des von ihm geführten Lkw-Gespanns wissen musste und er in unmittelbarer Nähe wohnt (vgl. Bl. 652 d.A.), so dass ihm die örtlichen Gegebenheiten, hier also der geringe Abstand zwischen Bahnübergang und L 0123, bekannt waren. Unabhängig davon sind die örtlichen Gegebenheiten auch erkennbar.

Soweit der Beklagte zu 3) die Sichtverhältnisse wegen des Trafohäuschens und der Bewaldung sowie im Hinblick auf die Dunkelheit nicht für ausreichend hielt (vgl. Bl. 650f. d.A.; in diese Richtung auch LGU S. 20f.), führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn zum einen hat sich der Sachverständige mit der Frage der Dunkelheit befasst und seine Einschätzung der Sichtmöglichkeiten nachvollziehbar gerade nicht revidiert oder eingeschränkt (s.o.); zum anderen sind dies Umstände, die von den Pflichten aus §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO nicht entbinden. Aufgrund der Gefährlichkeit eines (An-)Haltens auf Bahnübergängen, dem die genannten Normen gerade Rechnung tragen sollen, hätte der Beklagte zu 3) die Situation anders lösen müssen als durch Fahren bis an den Fahrbahnrand der L 0123 und damit einem Anhalten auf dem Bahnübergang. Er führte das Lkw-Gespann, dessen Art und Ausmaße die Umstände, insbesondere die längere erforderliche Zeitspanne für ein Einbiegen auf die L 0123 im Vergleich zu einem Pkw, maßgeblich prägte. Gegebenenfalls hätte er sich einweisen lassen oder einen anderen Weg nehmen müssen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 8 Abs. 2 S. 2 und 3 StVO, auf die die Beklagten in ihrer Klagerwiderung verwiesen hatten. Denn zum einen hatte der Beklagte zu 3) den örtlichen Gegebenheiten und der zeitlichen Abfolge nach zunächst die Vorgaben der §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO zu beachten, die L 0123 lag für ihn erst hinter dem Bahnübergang; zum anderen kann die Regelung der § 8 Abs. 2 S. 2 und 3 StVO ohnehin nicht von der Beachtung der Vorgaben der §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO befreien. Vorliegend hätte der Beklagte zu 3) daher, wie dargelegt, im Bereich des Andreaskreuzes vor den Schranken halten können und müssen und sich notfalls einweisen lassen müssen, um die Anforderungen der §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO und gegebenenfalls (d.h. wenn er subjektiv sich nicht in der Lage sah, den Verkehr auf der L 0123 zutreffend einzuschätzen) auch der § 8 Abs. 2 S. 2 und 3 StVO zu erfüllen.

Soweit das Landgericht im Hinblick auf die Lichtzeichenanlagen am Bahnübergang und auf der L 0123 meint, damit sei es etwaigen auf den Bahngleisen wartenden Fahrzeugen möglich, dann noch auf die L 0123 einzufahren, wenn sich ein Zug nähert (vgl. LGU S. 19f.), führt dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Denn auch dies gab dem Beklagten zu 3) nicht die Erlaubnis, entgegen §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO zunächst auf den Gleisen zum Stehen zu kommen.

Vielmehr spricht nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts (vgl. LGU S. 3f.) und den Erläuterungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. (vgl. 726 d.A.) die Schaltung der Lichtzeichenanlagen, die dem Beklagten bekannt war (vgl. Bl. 650 d.A.), sogar dafür, im Bereich des Andreaskreuzes anzuhalten, weil der Beklagte zu 3) nach Rotlicht auf der L 0123 noch genügend Zeit gehabt hätte, vor Schließen der Schranken auf die L 0123 einzufahren. Die Schaltung soll dem Verkehr aus dem F. ein im Verhältnis zum Verkehr auf der L 0123 gefahrloses Einfahren ersichtlich gerade ermöglichen (vgl. auch LGU S. 3 unten). Es wäre dem Beklagten zu 3) angesichts der Art des von ihm geführten Fahrzeugs auch zumutbar gewesen, gegebenenfalls einen solchen Moment abzuwarten, wenn er sich das Abschätzen der Entfernung und der Geschwindigkeit auf der L 0123 herannahender Fahrzeuge nicht zugetraut hätte (s.o.).

Soweit die Streithelferin der Beklagten auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 1989 - 8 U 43/88, verweist, bleibt auch dies ohne Erfolg. Denn zum einen lag der Fall insofern anders, als dort im Bereich des Andreaskreuzes die Sichtmöglichkeit fehlte, weshalb das OLG Köln es für zulässig erachtete, so weit vorzufahren, bis die Straße eingesehen werden kann. Zum anderen hat das OLG Köln gleichwohl erklärt, dass die Fahrzeugführerin den Bahnübergang zügig hätte überqueren müssen und nicht stehenbleiben durfte. In der rechtlichen Würdigung ist kein Unterschied gegeben.

(cc) Im Ergebnis liegt danach ein objektiver Verstoß gegen §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO vor.

(dd) Dieser Verkehrsverstoß ist dem Beklagten zu 3) auch vorwerfbar, insbesondere weil er die örtlichen Gegebenheiten kannte und sein Fahrzeug und die damit bedingten Schwierigkeiten - die Länge bedingte bei Halt am Fahrbahnrand der L 0123 ein Anhalten auf dem Bahnübergang, zudem war ein größerer Zeitbedarf für einen Abbiegevorgang erforderlich - kennen musste. Im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ist insofern festzuhalten, dass hier ein entscheidender Unterschied etwa im Vergleich zu dem Fall besteht, den der Senat mit Urteil vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, zu entscheiden hatte. Der dortigen Busfahrerin war nicht nachzuweisen, dass sie bereits bei Einfahrt in den Gleisbereich nicht wusste, dass sie dahinter nicht ausreichend Platz für die Weiterfahrt haben werde (vgl. Senat, aaO, Rn. 46, juris). Hier war dem Beklagten zu 3) dagegen bewusst, dass er den Bahnübergang nach dem ersten Halt an der Haltelinie vor der Schrankenanlage wegen der mangelhaften Sichtmöglichkeiten und der Größe des Lkw-Gespanns nicht gewiss in einem Zug ohne neuerlichen Halt werde passieren können und dass bei einem Halt am Fahrbahnrand der L 0123 das Lkw-Gespann auch auf dem Bahnübergang zum Stehen kommen werde (vgl. Bl. 650f. d.A.).

(ee) Entgegen der von der Beklagten im Schriftsatz vom 23.05.2023 offenbar vertretenen Auffassung liegt die streitgegenständliche Situation nicht außerhalb des Schutzzwecks der Norm; auf die Ausführungen unter (aa) wird verwiesen.

(3) Neben dem Verschulden des Beklagten zu 3), das den Beklagten zu 1) und 2) zuzurechnen ist, ist eine erhöhte Betriebsgefahr des Lkw-Gespanns zu berücksichtigen. Aufgrund der Größe des Lkw-Gespanns kam es trotz Vorfahrens bis zum Fahrbahnrand der L 0123 auf dem Bahnübergang zum Stehen, was etwa bei einem Pkw nicht der Fall gewesen wäre. Nur deshalb kam es letztlich auch zur Kollision mit dem Zug. Die im Vergleich zu einem Pkw erhöhte Betriebsgefahr des Lkw-Gespanns hat sich damit auch im Unfallgeschehen ausgewirkt.

Hinzu kommt auch noch der Getriebe-Defekt, der zwar nicht vorwerfbar ist (s.o.), aber dem Lkw anhaftete und maßgeblich zum Unfallgeschehen beigetragen hat, weil der Beklagte zu 3) wegen des Defekts den Lkw nicht mehr von den Gleisen fortbewegen konnte. Die Betriebsgefahr war auch hierdurch deutlich erhöht.

bb) Auf Seiten der Klägerinnen steht ein Verschulden nicht fest und kann daher keine Berücksichtigung finden.

(1) Soweit die Streithelferin der Beklagten sinngemäß eine eigene Verkehrssicherungspflicht der Klägerin zu 2) als verletzt ansieht, im Hinblick auf eine unzureichende Ausstattung des Bahnübergangs, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb die Klägerin zu 2) als Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Eisenbahninfrastruktur der Streithelferin der Klägerinnen aus eigener Verpflichtung heraus verantwortlich sein sollte.

(2) Nicht weiter angegriffen haben die Beklagten die Entscheidung des Landgerichts, soweit es einen Mitverursachungsbeitrag der Klägerinnen im Hinblick darauf verneint hat, der Zugführer habe den Lkw frühzeitig sehen können (vgl. LGU S. 21f.). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass oder weshalb die Wertung des Landgerichts unzutreffend sein sollte.

(3) Soweit das Landgericht auf fehlende, aber mögliche (andere) Sicherungsmöglichkeiten abgestellt hat (vgl. LGU S. 22f.), ist zunächst nicht klar, ob das Landgericht darin einen betriebsgefahrenerhöhenden Umstand sieht oder gar ein Verschulden annimmt. Die Ausführungen sind insofern nicht eindeutig. Jedenfalls kann nicht ohne Weiteres aus dem Fehlen bestimmter anderer Sicherungsmöglichkeiten auf ein Versäumnis und damit auf eine schuldhafte Mitverursachung, hier in Form eines Organisationsverschuldens, geschlossen werden. Maßstab für die Bewertung ist vielmehr die vorhandene Sicherung und ob diese ausreichend war oder nicht. Wenn eine vorhandene Sicherung nach den Umständen nicht als unzureichend anzusehen ist, kommt es nicht darauf an, ob es (theoretisch) noch bessere Sicherungsmöglichkeiten gibt; ein schuldhaftes Handeln bzw. Unterlassen wäre dann zu verneinen.

(4) Soweit die Beklagten und ihre Streithelferin anderweitige Sicherungsmöglichkeiten vortragen, zeigen sie nicht auf, und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass mit der vorhandenen Sicherungsanlage gegen Vorschriften verstoßen worden wäre. Das machen die Beklagten und ihre Streithelferin auch nicht geltend, von ihnen ist ausdrücklich nur von "Möglichkeiten" die Rede (vgl. z.B. Berufungserwiderung der Beklagten, dort S. 5 = Bl. 984 d.A.).

(5) Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sicherungsanlage am Bahnübergang im Unfallzeitpunkt einen Defekt aufwies. Die Klägerinnen haben von Anfang vorgetragen, die Sicherungsanlage habe technisch einwandfrei funktioniert.

(6) Es kommt danach allenfalls ein Organisationsverschulden der Streithelferin der Klägerinnen, das sich im vorliegenden Unfallgeschehen ausgewirkt hat, in Betracht, wenn anzunehmen wäre, dass die vorhandene Signalsicherung von vornherein als Sicherung ungeeignet war und die Verantwortlichen der Streithelferin der Klägerinnen dies hätten erkennen müssen. Ein Verschulden im Bereich der Streithelferin der Klägerinnen wäre nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. hierzu Urteile vom 29. März 2023 - 14 U 132/22, und vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, jew. juris) der Klägerin zu 2) zuzurechnen und damit im Ergebnis auch bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigen. Im Ergebnis steht ein solches Organisationsverschulden der Streithelferin der Klägerinnen aber nicht fest.

(aa) Unstreitig war der Bahnübergang durch Halbschranken gesichert. Zudem waren Andreaskreuze und eine Lichtzeichenanlage vorhanden. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts auf Grundlage des polizeilichen Unfallbefundberichts (vgl. LGU S. 3) schaltet automatisch die Anlage des Bahnübergangs ein, wenn ein von H. kommender Personenzug noch 1.000 Meter vor dem Bahnübergang entfernt ist. Es wird zunächst der Verkehr auf der L 0123 gestoppt. Danach schaltet die Lichtzeichenanlage nebst Andreaskreuz auf Rot und die Halbschranken schließen sich. 400 Meter vor dem Bahnübergang befindet sich eine Lichtzeichenanlage, die dem Triebfahrzeugführer signalisiert, ob die Anlage bei Durchfahren ordnungsgemäß geschaltet hat oder nicht. Eine zusätzliche Einrichtung, ob die Halbschranken ordnungsgemäß verschlossen sind, ist nicht vorhanden.

Danach und so auch nach dem Vortrag der Klägerinnen in der Klagschrift (dort S. 8, Bl. 28 d.A.), wird dem Lokführer des herannahenden Zuges lediglich signalisiert, ob die Halbschranken am streitgegenständlichen Bahnübergang ordnungsgemäß ausgelöst worden sind. Ist dies der Fall, wird ihm dies mit weißem Dauerlicht signalisiert mit der Bedeutung, der Bahnübergang sei durch Absenken der Halbschranken gesichert und dürfe befahren werden. So war es im vorliegenden Fall (unangegriffen LGU S. 4). Die Klägerinnen haben ausdrücklich vorgetragen, dass die Lichtzeichenanlage technisch einwandfrei funktioniert habe und Mängel nicht vorgelegen hätten (so bereits Klagschrift S. 8; s. auch etwa Schriftsatz vom 04.11.2020, dort S. 11 = Bl. 217 d.A.).

(bb) Danach stellte sich die Frage, ob diese Sicherung von vornherein unzureichend ist, weil dem Lokführer des herannahenden Zuges bereits bei ordnungsgemäßem Auslösen der Schranken die Fahrt freigegeben wird, auch wenn - wie im vorliegenden Fall - die Schranken bzw. eine der Schranken nicht (vollständig) geschlossen sind. Auf den Einwand der Klägerinnen und deren Streithelferin, dass die Sicherungsanlage dem Stand bzw. den Regeln der Technik entspreche (vgl. nur SS vom 04.11.2020, dort S. 11, und SS vom 06.03.2023, dort S. 5 = Bl. 977 d.A.), kommt es insofern nicht entscheidend an, weil es der Wertung des Senats unterliegt, ob die Sicherung als ausreichend anzusehen ist, und, wenn nein, ob ein zumindest fahrlässiges Verhalten oder Unterlassen anzunehmen ist.

Dann stellte sich auch die Frage, ob es technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, das Freigabe-Signal nicht an das Auslösen der Halbschranken, sondern an das vollständige ordnungsgemäße Schließen der Schranken zu koppeln. Das wäre aber aufzuklären. Letztlich kommt es hier darauf aber nicht an.

Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass es z. B. ausweislich einer im Internet abrufbaren Statistik der D. B. (§ 291 ZPO, mit den Parteivertretern in der mündlichen Verhandlung erörtert) im Jahr 2018 allein in ihrem Bereich 16.391 Bahnübergänge gab, wovon 62% technisch gesichert waren. Im Jahr 2018 gab es 146 Unfälle an Bahnübergängen, davon sollen über 95 % aufgrund von Verstößen gegen die StVO entstanden sein. Nun ist zwar weder vorgetragen noch sonst bekannt, ob die Zahlen zu den Unfällen und deren Ursachen verlässlich sind. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass einer Zahl von über 10.000 gesicherten Bahnübergängen mit demnach einer Anzahl von gewiss mehreren Millionen Schrankenvorgängen pro Jahr (wenn an jedem gesicherten Bahnübergang die Schranken im Durchschnitt nur einmal pro Tag schlössen, ergäben sich bereits 3,65 Mio. Schrankenvorgänge pro Jahr; höchstwahrscheinlich liegt der Durchschnitt pro Schrankenanlagen sogar sehr deutlich höher, wenn man die - gerichtsbekannte - häufig stündliche Taktung jedenfalls im Nahverkehr von frühmorgens bis spätabends berücksichtigt) eine im Vergleich dazu verschwindend geringe Anzahl an Unfällen an Bahnübergängen gegenübersteht, zumal davon zweifellos ein Teil der Unfälle allein auf ein Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen ist (z.B. Fälle, in denen Fußgänger oder auch Fahrzeugführer Halbschranken umfahren).

Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB) setzt Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des pflichtwidrigen Erfolgs voraus (vgl. und näher zB Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 276, Rn. 12, 20 und 21 mwN). Für die Frage, ob die hier eingerichtete Sicherung von vornherein ungeeignet war, hätte also bereits bei Einrichtung dieser Sicherheit voraussehbar sein müssen, dass es zu Fällen wie dem vorliegenden kommen werde. Hierfür ist weder Entsprechendes vorgetragen oder auch nur ersichtlich.

Nichts anderes gilt im Hinblick auf später eingetretene Erkenntnisse. Dafür, dass es in der Vergangenheit jedenfalls so viele vergleichbare Fälle gegeben hätte, dass infolgedessen eine Ungeeignetheit bzw. eine Erkenntnis einer Ungeeignetheit anzunehmen wäre, gibt es keinen Vortrag und ist auch nichts gerichtsbekannt. Soweit die Streithelferin der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.09.2021 (Bl. 751ff. d.A.) einen Untersuchungsbericht des Eisenbahn-Bundesamts 07.04.2014 (Bl. 767ff. d.A.) zu einem Unfallereignis auf einem Bahnübergang in D. verweist, spricht zwar einiges dafür, dass die Fälle vergleichbar sind, und im Bericht heißt es auch ausdrücklich, dass vor dem Hintergrund des Gefahrenpotentials, das von im Gefahrenraum des Bahnübergangs liegengebliebenen Straßenfahrzeugen ausgehen kann, insbesondere bei dem Neu- oder Umbau von automatischen BÜSA, der Einsatz von "Gefahrenraum - Freimeldeeinrichtungen" nicht nur bei der technischen Sicherungsart "Lichtzeichen mit Schranke" zur Anwendung kommen sollte, sondern diese oder auch ähnlich wirkende Einrichtungen auch bei den weiteren technischen Sicherungsarten in Betracht gezogen werden sollten (vgl. dort S. 22 = Bl. 788 d.A.). Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich zum einen um den einzigen dargelegten ähnlichen Fall handelt, zum anderen zwischen dem Bericht und dem streitgegenständlichen Unfall nur rund dreieinhalb Jahre liegen - ein Zeitraum, in dem die angeratenen Maßnahmen aufgrund dieses Berichtes angesichts der Vielzahl an Bahnübergängen offensichtlich nicht umsetzbar waren; ohnehin hatte der Bericht, wie erwähnt, nur zu Maßnahmen im Rahmen von Um- und Neubauten geraten. Soweit in dem Bericht (vgl. dort S. 21 = Bl. 787 d.A.) auf 16 weitere Bahnübergangsfälle seit 2009 hingewiesen wird, bleiben dazu Einzelheiten offen, so dass die Vergleichbarkeit nicht feststeht; zudem hatte der Bericht diese Fälle bei der genannten Schlussfolgerung berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund fehlt es für einen Fahrlässigkeitsvorwurf in Bezug auf die hier vorliegende Sicherung an belastbaren Umständen. Dabei ist auch zu bedenken, dass für die gebotenen Vorkehrungen ohnehin nicht verlangt werden kann, dass sie alle abstrakt denkbaren Risiken beseitigen. Dass bei der vorliegenden Sicherung ein Freigabe-Signal übermittelt wird, obgleich eine Halbschranke auf einem Fahrzeug zum Liegen gekommen ist, erfordert ganz außergewöhnliche Umstände, wie gerade der vorliegende Fall zeigt: Nicht nur musste sich das Beklagtenfahrzeug genau dann auf dem Bahnübergang befinden und sogar stehen, als sich ein Zug näherte; es musste ein solcher Fehler am Fahrzeug genau in dem Moment auftreten, so dass der Lkw genau in diesem Zeitpunkt nicht mehr die Gleise verlassen konnte. Selbst wenn die Schranke bereits auf dem Lkw zum Liegen gekommen wäre, der Lkw dann aber noch hätte weiterfahren können, wäre praktisch überhaupt nichts passiert (abgesehen von etwaigen Kratzern am Lkw und einer beschädigten Halbschranke).

Soweit der Senat in jüngster Vergangenheit Bahnübergangsunfälle zu entscheiden hatte (Urteile vom 31. Januar 2023 - 14 U 133/22, vom 29. März 2023 - 14 U 132/22, und vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, jew. juris), unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als in jenen Fällen andere Sicherungsanlagen bestanden bzw. besondere Umstände den streitgegenständlichen Bahnübergang betreffend vorlagen.

(7) Auf Seiten der Klägerinnen ist allerdings eine hohe Betriebsgefahr zu berücksichtigen.

(aa) Diese hohe Betriebsgefahr rührt zunächst aus der besonderen Gefahrenträchtigkeit des Zugverkehrs (vgl. auch Senat, Urteil vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, Rn. 64, juris). Dem Zug ist - technisch bedingt - jedes Ausweichmanöver verwehrt. Er muss aufgrund seiner Masse schon bei durchschnittlichen Reisegeschwindigkeiten überlange Bremswege zurücklegen. Hinzu kommt, dass die Masse des Zuges zusammen mit der gefahrenen Geschwindigkeit zu einer hohen Aufprallwucht führen, die sich in dem streitgegenständlichen Unfall auch realisiert hat, wie die Zerstörung des Lkw zeigt (vgl. Bildbericht in der Ermittlungsakte, dort Bd. II, Bl. 165ff.).

Die vorgenannten Aspekte führen dazu, dass die Betriebsgefahr eines Zuges auch diejenige einer Straßenbahn übersteigt (Senat, aaO, Rn. 65, juris). Die Betriebsgefahr einer Straßenbahn ist ihrerseits bereits im Vergleich zu einem Pkw erhöht (vgl. hierzu: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26. Februar 2009 - 12 U 145/08, Rn. 8, juris, das 30% Betriebsgefahr für eine Straßenbahn angesetzt hat; KG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2004 - 12 U 182/02, Rn. 5, juris, jedenfalls nicht über 50%; Senat, Urteil vom 27. November 2018 - 14 U 59/18 - ZfSch 2019, 316, 318, für eine deutliche Erhöhung der Betriebsgefahr einer Straßenbahn).

(bb) Betriebsgefahrerhöhend ist zudem zu berücksichtigen, dass die Art und Weise der Sicherung durch Halbschranken, bei denen das Freigabe-Signal für den Lokführer an das Auslösen der Halbschranken gekoppelt ist, anstatt an das vollständige ordnungsgemäße Schließen der Schranken, gefahrenträchtiger ist, als wenn das Freigabe-Signal nur übermittelt werden würde, wenn die Schranken ordnungsgemäß vollständig geschlossen sind.

Dieser Umstand ist auch zu Lasten der Klägerinnen zu berücksichtigen. Denn sie stellen insoweit mit dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine Haftungs- und Zurechnungseinheit dar, die das Bestehen einer Sonderverbindung (§ 278 BGB) zwischen den beteiligten Personen nicht voraussetzt (vgl. Senat, Urteile vom 29. März 2023 - 14 U 132/22, Rn. 49, und vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, Rn. 73; OLG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2015 - I-6 U 145/14, Rn. 36; jew. juris). Die Zurechnung des Verursachungsbeitrages des Eisenbahninfrastrukturunternehmens zu demjenigen der Klägerinnen folgt daraus, dass diese eine gemeinsame Betriebseinheit bilden und dass § 1 HPflG eine Haftung des Schienenbahnbetreibers normiert, ohne zwischen den verschiedenen Teilbereichen des Bahnbetriebes zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass sich die Gefährlichkeit des Bahnbetriebes nicht nur auf die dem Verantwortungsbereich des Eisenbahninfrastrukturunternehmens unterstellte Bahnanlage, sondern in gleicher Weise auf den von der Klägerin unterhaltenen Betrieb des Schienenfahrzeugs ausgewirkt hat. Ohne den Zugbetrieb wäre es nicht zu dem streitgegenständlichen Unfall gekommen (vgl. und noch näher u.a. Senat, Urteil vom 10. Mai 2023 - 14 U 36/20, Rn. 74f. mwN, juris)

cc) Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge sind die vorstehend genannten Punkte abzuwägen, also einerseits auf Seiten der Beklagten das Verschulden des Beklagten zu 3) und die im Vergleich zu einem Pkw erhöhte Betriebsgefahr des Lkw-Gespanns, andererseits auf Seiten der Klägerinnen eine hohe Betriebsgefahr, auch aufgrund der Art und Weise der Sicherung des Bahnübergangs. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die maßgebliche Ursache für den Unfall auf Beklagtenseite zu verorten ist: Der Beklagte zu 3) hat durch seine Entscheidung, auf dem Bahnübergang anzuhalten, die Gefahrenlage überhaupt erst geschaffen, und der Getriebe-Defekt am Lkw bewirkte, dass der Beklagte zu 3) das Fahrzeug nicht mehr von dem Bahnübergang entfernen konnte. Demgegenüber erscheint der Verursachungsbeitrag auf Seiten der Klägerinnen erheblich geringer.

Der Senat erachtet danach im Ergebnis eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten für sachgerecht und angemessen.

2. Aufgrund des Verschuldens auf Beklagtenseite, wie ausgeführt, haften die Beklagten aus Delikt (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 3 StVO). § 12 StVG ist im Rahmen einer (auch) verschuldensabhängigen Haftung (§ 823 BGB) nicht anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 16. Mai 2007 - 14 U 56/06, juris). Daher war über die Hauptanträge der Klägerinnen zu befinden.

3. Zur Schadenshöhe gilt danach Folgendes:

a) Die Klägerin zu 1) begehrt Zahlung von 2.324.849,40 Euro. Im Ergebnis kann sie von den Beklagten als Gesamtschuldner entsprechend der Haftungsquote 1.549.899,60 Euro verlangen.

aa) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts sind der Klägerin zu 2) Reparaturkosten entstanden, die zwischen Mai 2018 und Februar 2020 in Höhe von insgesamt 2.128.274,75 Euro von der Klägerin zu 1) und den Mitversicherern erstattet wurden; zudem sind Kosten in Höhe von 12.730,45 Euro für die Schadensfeststellung angefallen, die die Klägerin zu 1) und ihre Mitversicherer getragen haben (vgl. LGU S. 12). Das Landgericht hat sich dabei auf die schriftlichen Zeugenaussagen der Zeugen T. und J. (vgl. Bl. 553 bzw. 561 d.A.) berufen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen könnten, zeigen die Beklagten nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zu Recht und im Berufungsverfahren nicht weiter angegriffen hat das Landgericht einen Anspruchsübergang auf die Klägerin zu 1) gemäß § 86 VVG angenommen, soweit die Klägerin zu 1) und ihre Mitversicherer die Kosten übernommen haben (vgl. LGU S. 12).

bb) Aufgrund des unbestrittenen Reparaturvertrags (Anlage K 2) sollten sich die Reparaturkosten auf 2.293.205 Euro (netto) belaufen.

Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen unter aa) ist auch davon auszugehen, dass jedenfalls in Höhe von 2.128.274,75 Euro von der Klägerin zu 2) an den Reparaturbetrieb, die ATD GmbH, eben dieser Betrag (insgesamt) gezahlt, wurde, wie erstinstanzlich vorgetragen. Denn andernfalls hätten die Klägerin zu 1) und ihre Mitversicherer in dieser Höhe keine Erstattung an die Klägerin zu 2) vorgenommen, wie erwiesen (s.o.). Das Landgericht hatte auch festgehalten, dass die Kosten zunächst von der Klägerin zu 2) bezahlt worden waren (vgl. LGU S. 12), was die Beklagten nicht weiter angreifen.

Danach war zudem ebenfalls ohne Weiteres in Zusammenschau mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Kaskoversicherungsvertrag anzunehmen, dass bei der ersten Abschlagszahlung der Klägerin zu 2) an das Reparaturunternehmen wie vorgetragen ein Abzug von 50.000 Euro im Hinblick auf den Selbstbehalt der Klägerin zu 2) (vgl. Anlage K 1, hier Bl. 45 d.A.). erfolgte, in diesem Umfang allerdings also der Klägerin zu 2) ein Schaden entstanden ist. Der entsprechende Erstattungsanspruch ist nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts von der Klägerin zu 2) an die Klägerin zu 1) und ihrer Mitversicherer abgetreten worden (vgl. LGU S. 13).

cc) Nach dem Vorbringen im Schriftsatz vom 26.04.2021, dort S. 2 (Bl. 397 d.A.), hat die Klägerin zu 2) darüber hinaus noch eine letzte Zahlung in Höhe von 103.720,25 Euro an die ATD GmbH geleistet. Die Beklagten sind diesem Vorbringen nicht weiter entgegengetreten, wie insbesondere der Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2021, Bl. 550f. d.A., zeigt. Im Übrigen ist diese Zahlung auch durch den als Anlage K 24 vorgelegten, nicht weiter angegriffenen Zahlungsbeleg (vgl. Bl. 412 d.A.) in Zusammenschau mit dem weiteren Vorbringen der Klägerinnen zur letzten Abschlagsrechnung (Bl. 397, Anlagen K 22 und K 23) erwiesen. Die Klägerinnen hatten insofern weiter vorgetragen, dass diese Kosten der Klägerin zu 2) erstattet worden seien (vgl. Bl. 397f. d.A.). Auch dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten, so dass das Landgericht hierüber zu Recht nicht Beweis erhoben hat und dies auch nicht durch den Senat erfolgen musste.

dd) Hinsichtlich der danach im Vergleich zum mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Schadensersatzbetrag verbleibenden 30.123,95 Euro (2.324.849,90 Euro abzüglich erwiesener Erstattungen zzgl. den Selbstbehalt in Höhe von insgesamt 2.294.725,45 Euro) gibt es weiteren Vortrag der Klägerinnen im Schriftsatz vom 26.04.2021, dort 3f. (=Bl. 398f. d.A.), wonach allerdings nach den o.g. Zahlungen weitere 76.298,52 Euro der Klägerin zu 2) erstattet, zudem weitere Gutachtenkosten von 3.825,55 Euro gezahlt worden seien. Auch diesem Vorbringen sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Dass das Vorbringen der Klägerinnen aus dem Schriftsatz vom 26.04.2021 Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 10.05.2021 war, zeigt auch der Schriftsatz vom 11.05.2021 (Bl. 547f. d.A.), mit dem unter Bezugnahme auf einen Hinweis in der mündlichen Verhandlung die Anlage K 40, die bei dem Schriftsatz vom 26.04.2021 gefehlt hatte, nachgereicht wurde; zudem hatte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung u.a. die Anträge aus dem Schriftsatz vom 26.04.2021 gestellt. Auch die Protokolle der Verhandlungen vom 03.03.2022 und vom 12.09.2022 enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Beklagten das Vorbringen der Klägerinnen zur Schadenshöhe im Schriftsatz vom 26.04.2021 bestritten haben. Das Vorbringen der Klägerinnen zur Schadenshöhe im Schriftsatz vom 26.04.2021, soweit es Vorbringen anbelangt, das die Beklagten nicht zuvor bereits bestritten hatten, war danach als unstreitig zu behandeln (§ 138 Abs. 3 ZPO). Da die vorgetragenen Zahlungen die noch "offenen" 30.123,95 Euro übersteigen, waren jedenfalls diese zuzuerkennen (§ 308 Abs. 1 ZPO).

b) Die Klägerin zu 2) begehrt Zahlung von 453.885,-- Euro. Im Ergebnis kann sie von den Beklagten als Gesamtschuldner entsprechend der Haftungsquote 302.590,-- Euro verlangen.

aa) Die Klägerin begründet den von ihr geltend gemachten Anspruch mit Vorhaltekosten sowie Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs.

(1) Die Klägerin zu 2) hat hierzu im Einzelnen zu den Vorhaltekosten, insbesondere zur Höhe und zur Dauer, vorgetragen und sie mittels Rechnungen belegt (vgl. Schriftsatz vom 26.26.04.2021, dort S. 4f. = Bl. 399f. d.A. i.V.m. Anlagenkonvolut K 28). Dem Vorbringen sind die Beklagten nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Vorhaltekosten sind nach der Rechtsprechung des Senats, die derjenigen des Bundesgerichthofs folgt und auf die die Klägerinnen im Übrigen Bezug nehmen (vgl. Bl. 400 d.A.), grundsätzlich erstattungsfähig. Verfügt der Geschädigte über ein Reservefahrzeug und kann er den Verlust durch Rückgriff auf diese Betriebsreserve auffangen, kann er in der Regel die Vorhaltekosten des Reservefahrzeugs als Schadensersatz ersetzt verlangen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, Rn. 15, juris; Senat, Urteil vom 10. Februar 2021 - 14 U 12/20, juris).

Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs sind allerdings nur insoweit erstattungsfähig, als ihr prozentualer Anteil auf fremdverschuldete Unfälle betroffen ist (Senat, aaO). Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin zu 2) hält sie ihre Reservefahrzeuge sowohl im Hinblick auf technische Probleme als auch im Hinblick auf "von außen kommende Schadensereignisse" (vgl. Bl. 399 d.A.). Weitere Ein- bzw. Abgrenzungen sind nicht erfolgt. Es besteht hier aber kein weiterer Aufklärungsbedarf, denn die Klägerin hat - ebenfalls unwidersprochen - vorgetragen, ständig zwei bis drei Reservefahrzeuge vorzuhalten, für die vorliegende Angelegenheit macht sie jedoch lediglich die Kosten für ein Ersatzfahrzeug geltend. Es ist daher ohne Weiteres, auch unter Berücksichtigung des fehlenden Bestreitens der Beklagten (s.o.), davon auszugehen, dass die Klägerin zu 2) jedenfalls dieses eine Fahrzeug für einen Fall wie den vorliegenden vorhält. Danach sind die Kosten für eines der vorgehaltenen Ersatzfahrzeuge erstattungsfähig.

Dass die Kosten von 480 Euro / Tag aufgrund der langfristigen Anmietung erheblich niedriger sind als die Kosten für kurzfristige Anmietungen, zeigen die Anmietungen ab dem 15. Dezember 2018 zu deutlich höheren Preisen (vgl. Bl. 400ff. d.A.). Diesem Vortrag der Klägerin zu 2) zu den weiteren Anmietungen und den Preisen sowie dem Vortrag, die Anmietungen seien erforderlich geworden, weil ab dem 15. Dezember 2018 der Reservefuhrpark erschöpft gewesen sei, sind die Beklagten ebenfalls nicht entgegengetreten. Dass die Preise bei langfristigen Anmietungen erheblich niedriger ausfallen, ist dem Senat im Übrigen aus früheren Verfahren bereits bekannt (vgl. insbesondere Urteil vom 10. Februar 2021 - 14 U 12/20, juris).

(2) Neben den Vorhaltekosten macht die Klägerin zu 2) auch Kosten im Hinblick auf Anmietungen geltend. Wie erwähnt, sind die Beklagten dem Vorbringen nicht entgegengetreten; das Vorbringen der Klägerin wird im Übrigen auch durch die vorgelegten Rechnungen (Anlagen K 29 bis K 31) bestätigt.

bb) Vor diesem Hintergrund ist von einem Schaden der Klägerin zu 2) in Höhe von insgesamt 453.885,-- Euro auszugehen. Die Beklagten haften entsprechend der Haftungsquote.

4. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Zinsansprüche sind jeweils aus §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO nach Zustellung der Klagschrift bzw. des Schriftsatzes vom 26. April 2021 begründet.

5. Die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 07.05.2023 (Bl. 312f. d.A.) und 23.05.2023 (Bl. 316ff. d.A.) und 06.06.2023 (Bl. 322 ff. d. A.) hat der Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 101 ZPO. Die unterschiedlichen Kostenquoten für die beiden Instanzen beruhen auf den unterschiedlichen Streitwerten (dazu s.u. Ziff. VI) und dem daher verschiedenen Obsiegens- und Unterliegensanteilen.

Die Klägerin zu 1) unterliegt im Hinblick auf den erstinstanzlichen Streitwert i.H.v. 27,9 %; die Klägerin zu 2) unterliegt im Hinblick auf den erstinstanzlichen Streitwert i.H.v. 5,4 %; die Beklagten unterliegen zu 66,7 %. Die Quotierung hinsichtlich der Kosten der Streithelferinnen folgt dem.

Im Berufungsverfahren unterliegt die Klägerin zu 1) unter Berücksichtigung ihres Teilsiegs vor dem Landgericht und bezogen auf den Streitwert des Berufungsverfahrens (dazu s.u. Ziff. VI.) i.H.v. 39 %; die Klägerin zu 2) unterliegt im Hinblick auf den Berufungsstreitwert i.H.v. 8 %; die Beklagten unterliegen zu 53 %. Die Quotierung hinsichtlich der Kosten der Streithelferinnen folgt dem.

Ein Kostenerstattungsanspruch der Streitverkündeten besteht mangels Beitritts auf Seiten einer Partei nicht (vgl. Schriftsatz vom 20.08.2020, Bl. 154f. d.A.).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO. Insbesondere weicht der Senat, wie dargelegt, nicht von der Rechtsprechung des OLG Köln ab.

VI.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG. Wie in der mündlichen Verhandlung kurz erörtert, ergibt sich der Berufungsstreitwert im Ansatz zunächst aus der Differenz der geltend gemachten Beträge und dem Höchstbetrag gemäß § 12 Abs. 2 StVG, der hier auch bei 50%-iger Haftung, wie vom Landgericht ausgesprochen, erreicht wird, (vgl. insofern auch die Begründung der Kostenentscheidung LGU S. 24); allerdings kann dem zuerkannten Teil nicht ein Wert von 1 Mio. Euro zugewiesen werden, weil es weitere Geschädigte gibt (vgl. LGU S. 11), so dass ein Abschlag von dem Höchstbetrag des § 12 Abs. 2 StVG vorzunehmen war, den der Senat mangels bekannter konkreter Schadensbeträge anderer Geschädigter mit 20 % bemisst. Insgesamt erscheint daher die Annahme eines Streitwerts für das Berufungsverfahren von bis 2 Mio. Euro angemessen. Die angehörten Parteivertreter hatten keine Einwände erhoben.