Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.06.2023, Az.: 7 W 24/23 (L)

Geschäftswert; Zuständigkeit; Nicht-Abhilfeentscheidung; Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts im Abhilfeverfahren; Bemessung des Geschäftswerts betreffend die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben gemäß § 11 Abs. 1 Buchst. d HöfeVfO

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.06.2023
Aktenzeichen
7 W 24/23 (L)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 25687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0628.7W24.23L.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Rotenburg (Wümme) - 27.03.2023 - AZ: 11 Lw 42/22

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Über die Abhilfe oder die Vorlage an das Beschwerdegericht entscheidet nach § 83 Abs. 1 Satz 5, § 81 Abs. 3 Satz 1 GNotKG das Gericht in der Besetzung (Kollegium, Einzelrichter oder Vorsitzender), in der es die angefochtene Entscheidung getroffen hat.

  2. 2.

    Das Landwirtschaftsgericht kann die Nicht-Abhilfeentscheidung nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter treffen, wenn es von dem in § 20 Abs. 1 LwVG eingeräumten Ermessen in dem angefochtenen Beschluss dahin Gebrauch gemacht hat, den Wert unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu bestimmen.

  3. 3.

    Der Geschäftswert für das Verfahren betreffend die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben nach dem Tode des Eigentümers eines Hofes gemäß § 11 Abs. 1 Buchst. d HöfeVfO ist gemäß § 48 Abs. 1, 3 Nr. 1 GNotKG auf den vierfachen Einheitswert festzusetzen, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO vorliegen und die begehrte Feststellung dazu dient, dem Grundbuchamt die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben nachzuweisen.

In der Landwirtschaftssache
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 28. Juni 2023 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der mit Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Rotenburg (Wümme) vom 27. März 2023 festgesetzte Geschäftswert geändert:

Der Geschäftswert wird auf 175.475,40 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit notariellem Testament vom 7. Januar 2003 setzten der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau die Antragstellerin zur alleinigen Schlusserbin ein. Zu dem Nachlass gehört der in dem Grundbuch von B. auf Blatt 910 eingetragene Hof, den die Antragstellerin im Nebenerwerb fortführen will. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landwirtschaftsgericht den Geschäftswert für die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit der Antragstellerin auf den Verkehrswert der zu dem Hof gehörenden Grundstücke in Höhe von 1,05 Mio. € festgesetzt. Nach Ansicht der Antragstellerin ist der Geschäftswert hingegen auf den vierfachen Einheitswert von 175.475,40 € (43.868,85 € (= 35.381,40 € + 8.487,45 €) x 4) festzusetzen. Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der Senat entscheidet - gemäß § 81 Abs. 6 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter - in der Besetzung gemäß § 2 Abs. 2 LwVG und nicht gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG durch Einzelrichter, weil der angefochtene Beschluss nicht von einem Einzelrichter, sondern dem vollbesetzten Landwirtschaftsgericht erlassen worden ist.

III.

Die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Der Senat ist an einer Beschwerdeentscheidung nicht wegen des verfahrensfehlerhaften Abhilfeverfahrens gehindert.

a) Allerdings hätte das Landwirtschaftsgericht die Vorlageentscheidung nicht ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter treffen dürfen.

aa) Nach § 83 Abs. 1 Satz 5, § 81 Abs. 3 Satz 1 GNotKG entscheidet über die Abhilfe oder die Vorlage an das Beschwerdegericht das Gericht, dessen Entscheidung angefochten worden ist. Diese Entscheidung ist - nicht anders als bei § 572 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. August 2002 - 14 W 3/02, juris Rn. 4; OLG Dresden, Beschluss vom 28. Januar 2008 - 8 W 73/08, juris Rn. 4; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20. Juli 2022 - 5 W 8/22, juris Rn. 7; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8. August 2005 - 2 Ta 166/05, NZA-RR 2005, 601; BeckOK ZPO/Wulf [1.3.2023], § 572 Rn. 4; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 572 Rn. 6; Musielak/Voit/Ball, 20. Aufl., § 572 Rn. 3; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2010 - 2 WNB 7/10, juris Rn. 3 ff.) - von dem Spruchkörper in der Besetzung (Kollegium, Einzelrichter oder Vorsitzender) zu treffen, in der er die angefochtene Entscheidung getroffen hat. Das war hier in der Besetzung des § 2 Abs. 2 LwVG die berufsrichterliche Vorsitzende mit den zwei ehrenamtlichen Richtern.

bb) Das Landwirtschaftsgericht konnte die Vorlageentscheidung auch nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter treffen. Im Ausgangspunkt geht es zwar zutreffend davon aus, dass die Festsetzung des Geschäftswerts zu den dort genannten Angelegenheiten von geringer Bedeutung gehören kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Mai 2023 - 10 W 25/22, juris Rn. 10). Es hat jedoch zum einen übersehen, dass es von dem in § 20 Abs. 1 LwVG eingeräumten Ermessen in dem Beschluss vom 27. März 2023 dahin Gebrauch gemacht hat, den Wert unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu bestimmen. Zum anderen gehen nach § 1 Abs. 6 GNotKG die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Da das Abhilfeverfahren bereits Teil des Beschwerdeverfahrens ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 462/16, juris Rn. 13; Beschluss vom 7. Oktober 2020 - BLw 1/19, juris Rn. 17; Beschluss vom 22. September 2021 - XII ZB 93/21, juris Rn. 15; Beschluss vom 1. Februar 2023 - XII ZB 166/21, juris Rn. 5), richtet sich die Besetzung des Gerichts für das Abhilfeverfahren nach §§ 81, 83 GNotKG.

b) Dies hindert eine Entscheidung des Senats aber nicht, weil Mängel des amtsgerichtlichen Abhilfeverfahrens der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 13/10, juris Rn. 11; Beschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 462/16, juris Rn. 13).

2. Der Geschäftswert für das Verfahren betreffend die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben nach dem Tode des Eigentümers eines Hofes gemäß § 11 Abs. 1 Buchst. d HöfeVfO ist gemäß § 48 Abs. 1, 3 Nr. 1 GNotKG auf den vierfachen Einheitswert festzusetzen, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO vorliegen und die begehrte Feststellung dazu dient, dem Grundbuchamt die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben nachzuweisen.

a) Für die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben gemäß § 11 Abs. 1 Buchst. d HöfeVfO sieht das Kostengesetz - anders als für die Feststellung nach § 11 Abs. 1 Buchst. g HöfeVfO mit § 76 Nr. 1 GNotKG - keine eigenständige Wertvorschrift vor, weshalb der Geschäftswert nach den allgemeinen Wertvorschriften zu bestimmen ist (vgl. BeckOK Kostenrecht/ v. Selle [1.4.2023], § 76 GNotKG Rn. 11 Sommerfeldt in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt/, GNotKG, 4. Aufl., § 76 Rn. 4; Korintenberg/Wilsch, GNotKG, 22. Aufl., § 76 Rn. 3 f.; Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 46; Volpert/Giers in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 76 GNotKG Rn. 36). Zu den allgemeinen Wertvorschriften in diesem Sinne gehört § 48 GNotKG. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GNotKG beträgt der Wert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens im Sinne des Bewertungsgesetzes im Zusammenhang mit der Übergabe oder Zuwendung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle an eine oder mehrere natürliche Personen einschließlich der Abfindung weichender Erben höchstens das Vierfache des letzten Einheitswertes, wenn die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist und der Betrieb unmittelbar nach Vollzug der Übergabe oder Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers bildet. Nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden, wenn es um die Bewertung eines Hofs im Sinne der Höfeordnung geht.

b) Zu den mit dem Begriff der "Zuwendung" in § 48 Abs. 1 GNotKG erfassten begünstigten Geschäften gehört insbesondere auch die Zuwendung von Todes wegen, gleich ob im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge oder durch Verfügung von Todes wegen (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 169). Nach ihrem Zweck, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 179), ist die Vorschrift gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG auch in Verfahren entsprechend anzuwenden, welche die Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben gemäß § 11 Abs. 1 Buchst. d HöfeVfO zum Gegenstand haben (vgl. Volpert/Giers in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 76 GNotKG Rn. 36). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO vorliegen und gegenüber dem Grundbuchamt lediglich die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben nachzuweisen ist (vgl. hierzu Imre in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 2. Aufl. § 35 GBO Rn. 16; Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 46). Denn in einem solchen Fall, in dem die Erbfolge nicht in Zweifel steht, entspricht die aus Kostengründen (dazu Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 46 f.) beantragte Feststellung der Wirtschaftsfähigkeit in ihrem Ergebnis der nach § 11 Abs. 1 Buchst. g HöfeVfO begehrten Feststellung. Für Feststellungsverfahren nach § 11 Abs. 1 Buchst. g HöfeVfO hat der Senat bereits entschieden, dass die Privilegierung des § 48 GNotKG entsprechende Anwendung findet, obwohl Verfahrensgegenstand eine Feststellung und nicht unmittelbar das Übertragungsgeschäft oder eine gerichtliche Zuweisung ist (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Januar 2016 - 7 W 64/15 (L), juris Rn. 15; Beschluss vom 12. Oktober 2020 - 7 W 30/20 (L); Beschluss vom 5. Juni 2023 - 7 W 23/23 (L)). Für die hier zu entscheidende Konstellation gilt nichts anderes.

c) Die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 GNotKG - unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber und der Betrieb bildet unmittelbar nach Vollzug der Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers - liegen hier vor. Die Antragstellerin beabsichtigt, den Betrieb im Nebenerwerb zu führen. Auf die daraus erzielten Einnahmen ist sie nach ihrem Bekunden, an dessen Richtigkeit der Senat nicht zweifelt, angewiesen.

IV.

Gemäß § 83 Abs. 3 GNotKG ist das Verfahren gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.