Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.06.2023, Az.: 14 U 137/22

Bahnunfall; Vorhaltekosten; Betriebsreserve; Nutzungsausfallentschädigung; Vorhaltekosten als Teil des Schadens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.06.2023
Aktenzeichen
14 U 137/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 21325
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0509.14U137.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 26.09.2022 - AZ: 2 O 111/18

Fundstellen

  • NJW-Spezial 2023, 425
  • ZAP EN-Nr. 405/2023
  • ZAP 2023, 646
  • r+s 2023, 734-737

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug sind, soweit sie im gegebenen Fall erforderlich und geeignet waren, einen Ausfallschaden zu vermeiden, ersatzfähig, soweit der Geschädigte die Reservehaltung allgemein mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht hatte und sich diese Vorsorge dann schadensmindernd ausgewirkt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199-205).

  2. 2.

    Bei Vorhaltekosten handelt es sich um tatsächlich entstandene Kosten des Geschädigten. Sie sind konkret darzulegen.

  3. 3.

    Die Nutzungsausfallentschädigung ist demgegenüber abstrakt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280).

  4. 4.

    Ein Anspruch auf Erstattung von Vorhaltekosten scheidet aus, wenn der Geschädigte zur Überbrückung der Reparaturzeit nicht auf seine Betriebsreserve zurückgegriffen hat. In diesem Fall hat sich Betriebsreserve nicht schadensmindernd ausgewirkt.

In dem Rechtsstreit
m. E. mbH, ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
D. AG, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2023 durch den Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade - 2 O 111/18 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Stade sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.283,33 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht als Eisenbahnverkehrsunternehmen nach einem Bahnbetriebsunfall wegen der Beschädigung zweier Doppelstock-Mittelwagen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Eisenbahninfrastrukturunternehmen geltend. Unter Anrechnung der Betriebsgefahr ihres Bahnfahrzeugs in Höhe von einem Drittel und unter Berücksichtigung einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten begehrt die Klägerin Ersatz für Reparatur- und Vorhaltekosten. Die Parteien haben erstinstanzlich zum Grund und zur Höhe gestritten.

Eine erste Entscheidung des Landgerichts (Urteil vom 9. November 2018) hat der Senat mit Urteil vom 8. Mai 2019 - 14 U 5/19 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil vom 8. Mai 2019 verwiesen.

Mit am 26. September 2022 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nunmehr nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung von Sachverständigengutachten der Klage zu einem geringen Teil hinsichtlich der Reparaturkosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht insbesondere Folgendes aus:

Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG zu, im Rahmen einer Abwägung nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 HPflG treffe die Beklagte eine Haftung zu 2/3.

Im Hinblick auf Reparaturkosten unter Berücksichtigung der Mithaftung von 1/3 und der vorprozessualen Zahlung bestehe der Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.205,06 Euro.

Ersatz für Vorhaltekosten stehe der Klägerin nicht zu. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihr durch den Vorhalt einer Betriebsreserve von zwei Zugverbänden im konkreten Schadensfall Vorhaltekosten entstanden seien. Zwar hätten die beiden Zeugen bestätigt, dass die Klägerin grundsätzlich eine Betriebsreserve vorhalte und zwar jeweils einen Zugverband für die Betriebsreserve und einen für die Instandhaltung bzw. den Reparaturfall. Der Zeuge K. habe aber erklärt, dass sich die Klägerin im vorliegenden Fall aus dem separat betriebenen Reservepool bedient habe und kein Fahrzeug aus der Betriebsreserve genommen worden sei. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die von der Klägerin vorgehaltene Betriebsreserve nicht für den streitgegenständlichen Schadensfall eingesetzt worden sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin den Ausgleich von Vorhaltekosten begehrt. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts komme es von vornherein nicht darauf an, ob seinerzeit tatsächlich einer der als Reserve vorgehaltenen Wagen aus der Betriebsreserve als Ersatz eingesetzt oder ob der Ausfall anderweitig aufgefangen worden sei. Es sei für die Berechnung der Entschädigung auf die entsprechenden Vorhaltekosten für das beschädigte und durch den Unfall vorübergehend nicht nutzbare Fahrzeug abzustellen.

Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung zunächst - unter ausdrücklichem Vorbehalt einer Erweiterung der Berufung - Ausgleich von Vorhaltekosten für vier Tage je beschädigtem Wagen unter Berücksichtigung einer Mithaftung von einem Drittel begehrt und beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Stade vom 26.09.2022 teilweise abzuändern und die Beklagte auch zu verurteilen, an die Klägerin über den bereits ausgeurteilten Betrag in Höhe von 1.205,06 € nebst Zinsen hinaus weitere 2.133,34 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2016 sowie

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stade zurückzuverweisen.

Mit Schriftsatz vom 18. April 2023 hat die Klägerin die Berufung erweitert. Sie begehrt nunmehr Ausgleich der gesamten bereits erstinstanzlich geltend gemachten Vorhaltekosten. Sie beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Stade vom 26.09.2022 insgesamt abzuändern und die Beklagte auch zu verurteilen, an die Klägerin weitere 24.283,33 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2016;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stade zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung. Dazu macht sie geltend, es fehle an einem ersatzfähigen Schaden der Klägerin im Hinblick auf den Ausfall der beschädigten Fahrzeuge. Denn unfallbedingte Vorhaltekosten seien der Klägerin im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfall nicht entstanden, Mietkosten seien der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag in der Berufungsbegründung ebenfalls nicht entstanden, und einen entgangenen Gewinn habe die Klägerin weder behauptet noch dargelegt. Mangels Mietkosten und keinen mit dem Unfall in Beziehung zu bringenden Vorhaltekosten fehle es an einem kausalen und ersatzfähigen Schaden. Die Klägerin habe keine eigenen Fahrzeuge, weshalb auch keine Kosten einer Reservevorhaltung existieren würden. Die Klägerin habe erst recht keine im Hinblick auf fremdverschuldete Zugausfälle messbar erhöhte Betriebsreserve, wie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlich. Schließlich habe die Klägerin nicht nachgewiesen, eine etwa vorgehaltene Betriebsreserve überhaupt für den streitgegenständlichen Schadensfall eingesetzt zu haben. Hilfsweise bestreite sie (die Beklagte) die behaupteten Vorhaltekosten von 400,00 Euro pro Tag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. Die Klägerin war hier auch nicht gehindert, das landgerichtliche Urteil zunächst nur teilweise anzufechten und mit Schriftsatz vom 18. April 2023, dem in der Berufungsbegründung enthaltenen ausdrücklichen Vorbehalt entsprechend, den Berufungsantrag zu erweitern.

a) Die Teilanfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch die Klägerin hat die Rechtskraft dieses Urteils insgesamt gehemmt (§ 705 ZPO). Hat ein Urteil mehrere prozessuale Ansprüche zum Gegenstand, erstreckt sich die Hemmungswirkung des Rechtsmittels grundsätzlich auf das gesamte Urteil. Sie erfasst insbesondere auch diejenigen Teile, die ausweislich der Berufungsanträge nicht angefochten werden (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2021 - VI ZR 1173/20, Rn. 18 mwN, juris). Einer Erweiterung der Berufungsanträge hätte nur dann die teilweise Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils entgegengestanden, wenn ein Schriftsatz der Klägerin eine Beschränkung im Sinne eines teilweisen Rechtsmittelverzichts enthalten hätte (vgl. BGH, aaO mwN). Weder der Berufungsschrift noch der Berufungsbegründung ist ein Verzicht der Klägerin auf weitergehende Ansprüche zu entnehmen, vielmehr hat sich die Klägerin in der Berufungsbegründung ausdrücklich vorbehalten, den Berufungsantrag zu erweitern.

b) Wird der Berufungsantrag - wie hier - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erweitert, ist er nur dann zulässig, wenn er durch die fristgerecht eingereichten Berufungsgründe (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO) gedeckt ist (BGH, aaO, Rn. 21 mwN, juris). Dies ist hier der Fall. Denn die Angriffe der Klägerin in der Berufungsbegründung gegen das landgerichtliche Urteil richten sich gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der erstinstanzlich geltend gemachten Vorhaltekosten. Die Klägerin beschränkte ihr Begehren zunächst lediglich dem Umfang nach (jeweils vier Tage Ausfallzeit), mit der Erweiterung des Berufungsantrags macht sie - wie erstinstanzlich - Ausgleich der Vorhaltekosten für die gesamte Ausfallzeit der bei dem Unfall beschädigten Wagen geltend.

c) Der erweiterte Berufungsantrag ist danach zulässig, über ihn ist zu befinden gewesen.

2. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 1, 13 HPflG bejaht. Das steht im Berufungsverfahren nicht weiter im Streit. Soweit die Beklagte erstinstanzlich die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede genommen hatte, wird auf die Ausführungen des Landgerichts hierzu unter Ziff. I. 2. der Entscheidungsgründe verwiesen. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen zeigt die Beklagte nicht auf (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin ist Geschädigte des streitgegenständlichen Unfalls, jedenfalls soweit es die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Schäden anbelangt.

3. Soweit das Landgericht eine Mithaftung der Klägerin in Höhe von einem Drittel angenommen hat, ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu Lasten der Beklagten zu beanstanden.

a) Die Klägerin ist durch diese Entscheidung des Landgerichts von vornherein nicht belastet, weil sie sich selbst einen Haftungsanteil von einem Drittel anrechnet und nur Ausgleich von zwei Dritteln ihrer Schäden geltend macht (vgl. ausdrücklich etwa Schriftsatz vom 30.11.2018, Bl. 97f. d.A.).

b) Die Beklagte ist durch die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht belastet, weil der Unfall nach den Feststellungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen P. für den Zugführer der Klägerin unvermeidbar war (vgl. GA P. vom 06.12.2019, S. 6), so dass bei der nach § 13 Abs. 1, 2 HPflG vorzunehmenden Abwägung auf Klägerseite nur die - erhöhte - Betriebsgefahr des Zuges (vgl. insofern aktuell z.B. Senat, Urteil vom 29. März 2023 - 14 U 132/22, Rn. 51, juris) Berücksichtigung finden kann, während auf Seiten der Beklagten, wie vom Landgericht angenommen, im Hinblick auf eine unzureichend von Fremdkörpern gereinigte Oberleitung eine Verkehrssicherungspflichtverletzung in die Abwägung einzustellen ist. Es ist daher auf jeden Fall nicht unangemessen, die Haftung der Beklagten für das streitgegenständliche Unfallgeschehen im Umfang von zwei Dritteln anzunehmen.

4. Im vorliegenden Berufungsverfahren stehen lediglich noch die geltend gemachten Vorhaltekosten im Streit. Im Ergebnis bleibt das Begehren der Klägerin erfolglos. Im Einzelnen:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug, soweit sie im gegebenen Fall erforderlich und geeignet waren, einen Ausfallschaden - etwa durch Verlust von Einnahmen, durch Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs oder durch arbeitsaufwendige und kostenaufwendige Behelfsmaßnahmen - zu vermeiden, ersatzfähig, soweit der Geschädigte die Reservehaltung allgemein mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht hatte und sich diese Vorsorge dann schadensmindernd ausgewirkt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199-205, Rn. 10, juris; s. auch BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, Rn. 15 mwN, juris). Auch der Senat hat kürzlich unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Geschädigte, wenn er über ein Reservefahrzeug verfügt und den Verlust durch Rückgriff auf diese Betriebsreserve auffangen kann, in der Regel die Vorhaltekosten des Reservefahrzeugs als Schadensersatz ersetzt verlangen kann, wobei Vorhaltekosten nur insoweit erstattungsfähig sind, als die Reservehaltung mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle erfolgt und damit ihr prozentualer Anteil an einer allgemeinen Betriebsreserve auf fremdverschuldete Unfälle betroffen ist (Senat, Urteil vom 10. Februar 2021 - 14 U 12/20, Rn. 32, juris).

Soweit die Beklagte auf BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, verweist, ändert dies im Ausgangspunkt nichts. Der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dieser Entscheidung lediglich ausgeführt, dass bei erwerbswirtschaftlicher Nutzung der beschädigten Sache keine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung verlangt werden könne (dazu nachfolgend lit. b)). Weiter hat er angenommen, der dortige Kläger könne seine Forderung nach einer Nutzungsausfallentschädigung nicht mit den Vorhaltekosten des Kippladers mit Kran begründen, die er bezogen auf die Ausfallzeit vergeblich aufgewendet habe; die Vorhaltekosten seien unabhängig vom haftungsbegründenden Schadensereignis angefallen und zu diesem nicht kausal (BGH, aaO, Rn. 32). Das betrifft also lediglich die in jenem Fall geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung und deren Begründung bzw. Berechnung. Es ändert daher nichts an der eingangs genannten Rechtsprechung, dass konkrete Vorhaltekosten erstattungsfähig sein können. Andernfalls hätte der 7. Zivilsenat des Bundesgerichts wegen der Divergenz auch den Großen Senat anrufen müssen, was er indes nicht getan hat. Auf die im Termin am 9. April 2019 im Berufungsverfahren zu 14 U 5/19 erteilten Hinweise (vgl. Bl. 166f. d.A.) sowie die Ausführungen im Senatsurteil vom 8. Mai 2019, dort S. 10f. (Bl. 174R f. d.A.), wird ergänzend verwiesen.

b) Danach ist zunächst festzustellen, dass die Erstattungsfähigkeit von Vorhaltekosten tatsächlich entstandene Kosten des Geschädigten betrifft. Dagegen liegt der Nutzungsausfallentschädigung kein konkreter materieller Schaden zugrunde, der auszugleichen ist. Die Nutzungsausfallentschädigung ist abstrakt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280). Bereits der Große Senat des Bundesgerichtshofs hatte entschieden, dass es einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, wenn der Eigentümer einer von ihm selbst genutzten Sache infolge eines deliktischen Eingriffs in das Eigentum die Sache vorübergehend nicht benutzen kann, ohne dass ihm hierdurch zusätzliche Kosten entstehen oder Einnahmen entgehen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 1986 - GSZ 1/86 -, BGHZ 98, 212-226).

Diese Unterscheidung ist hier deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin Vorhaltekosten als "eine Unterart der Entschädigung für den Nutzungsausfall" ansieht (Berufungsbegründung S. 4 = Bl. 436 d.A.) und die geltend gemachten täglichen 400 Euro mit Üblichkeit und Angemessenheit begründet (vgl. Klagschrift S. 6 = Bl. 6 d.A.; ebenso Schriftsatz vom 10.09.2018, dort S. 4 = Bl. 75 d.A.). Es sind allerdings Nutzungsausfallentschädigung und Ersatz für Vorhaltekosten im Hinblick auf die voranstehenden Ausführungen verschieden (s. auch bereits lit. a)). Vorhaltekosten sind nicht abstrakt zu "berechnen" wie etwa der Nutzungsausfallentschädigungssatz eines verunfallten Pkw, sondern anhand von konkreten Kosten für die Reservehaltung.

Eine (abstrakte) Nutzungsausfallentschädigung könnte die Klägerin im Übrigen nicht verlangen, weil es sich bei den beschädigten Wagen nicht um private, eigenwirtschaftlich, sondern ausschließlich erwerbswirtschaftlich genutzte Sachen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280). Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 31.05.2023 auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu VI ZR 366/13 und VI ZR 241/06 verweist, verhilft ihr das hier deshalb nicht zum Erfolg, weil es nach ihrem eigenen Vorbringen an der erforderlichen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - VI ZR 366/13, Rn. 1, und Urteil vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 241/06, Rn. 10, jew. juris) fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung fehlt aufgrund des Rückgriffs auf den Reservepool (dazu s.u. lit. g). Zudem hat der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 21. Januar 2014 - VI ZR 366/13 ausdrücklich und unter Bezugnahme auf das Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199, 203 festgehalten, dass der Geschädigte in den Fällen, in denen das beschädigte Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, den Ertragsentgang konkret berechnen muss. Die Entscheidung des 7. Zivilsenats des Bundesgerichthofs vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, die auf den Beschluss vom 21. Januar 2014 - VI ZR 366/13 im Übrigen Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, Rn. 20), steht zu der Auffassung des 6. Zivilsenats des Bundesgerichthofs nicht im Widerspruch.

Die Klägerin hat konkrete Vorhaltekosten nicht dargelegt. Insbesondere ist die Angabe zur Miete im Mietvertrag über die angemieteten Zugverbände und Wagen geweißt (vgl. Anlage BB 2, Bl. 124ff. d.A., dort § 3 = Bl. 126 d.A.). Im Hinblick auf die Beweiserhebung des Landgerichts (Ziff. 4 des Beweisbeschlusses vom 5. September 2019, Bl. 198f. d.A.) musste die Klägerin allerdings auch keinen Anlass sehen, zu konkreten Vorhaltekosten vorzutragen.

Im Ergebnis kommt es hierauf nicht weiter an.

c) Ihre behauptete Betriebsreserve von zwei Zugverbänden (vgl. bereits Schriftsatz vom 12.07.2018, dort S. 5 = Bl. 40 d.A., und Schriftsatz vom 10.09.2018, dort S. 5 = Bl. 76) hat die Klägerin allerdings beweisen können. Denn die vom Landgericht vernommenen Zeugen N. und K. haben jedenfalls übereinstimmend bekundet, dass die Klägerin eine Betriebsreserve und eine Instandhaltungs-/Werkstattreserve vorhalte, wobei es sich um komplette Zugverbände handele (vgl. Protokoll der Sitzung vom 31.05.2022, dort S. 3 bis 5). Das Landgericht ist dem insoweit gefolgt (vgl. LGU 8 unten). Insofern zeigt die Beklagte im Berufungsverfahren nicht auf, dass die Beweiswürdigung fehlerhaft oder unvollständig wäre; der Senat hat die Feststellungen des Landgerichts insofern zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Soweit die Zeugen auf die Poolreserve bzw. einen Reservepool verwiesen haben, handelt es sich insoweit um weitere Zugverbände, auf die die Klägerin ggf. zugreifen könnte, die aber nichts mit der Reservevorhaltung (Betriebs- und Instandhaltungsreserve) zu tun haben. Jedenfalls für die Frage, ob die Klägerin an sich eine Vorhaltung betreibt, kommt es auf die "Poolreserve" danach nicht an.

d) Die Ausfallzeiten der beschädigten Wagen beliefen sich auf drei bzw. zumindest 87 Tage (vgl. Klagschrift S. 6, als solche nicht angegriffen, vgl. Klagerwiderung S. 4f.). Soweit die Beklagte eine unangemessene Reparaturdauer gerügt hat, verfängt dies nicht; auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu, LGU S. 9f., denen die Beklagten im Berufungsverfahren nicht weiter entgegengetreten ist, wird verwiesen.

e) Maßgeblich kommt es - wie die Beklagte zu Recht geltend macht - nicht auf die Reservehaltung an sich oder etwa im Hinblick auf die ständige Verfügbarkeit zur jederzeitigen Gewährleistung des öffentlichen Personennahverkehrs (vgl. Schriftsatz vom 12.07.2018, dort S. 5 = Bl. 40 d.A.) an. Entscheidend ist nach der eingangs genannten Rechtsprechung unter lit. a), ob die Reservehaltung auch im Hinblick auf fremdverschuldete Unfälle erfolgte; nur insoweit sind die Vorhaltekosten erstattungsfähig.

Nach dem eigenen Vortrag und den Bekundungen der Zeugen (s.o.) ist jedenfalls ein Reserve-Zugverband lediglich im Hinblick auf Wartung und Inspektion vorgehalten; insoweit geht es also nicht um eine Vorhaltung im Hinblick auf fremdverschuldete Unfälle (in diesem Sinne s. auch bereits Schriftsatz der Klägerin vom 22.10.2021, dort S. 1f. = Bl. 284f. d.A.).

Dagegen ist der als "Betriebsreserve" bezeichnete Zugverband für Ausfälle vorgesehen. Dies hatte die Klägerin im Schriftsatz vom 22.10.2021 ausdrücklich vorgetragen, in diesem Sinne sind die Bekundungen der Zeugen auch zu verstehen.

Allerdings hat die Klägerin, wie die Beklagte zu Recht rügt, nicht vorgetragen oder wäre sonst geklärt, in welchem Umfang diese Betriebsreserve im Hinblick auf fremdverschuldete Unfälle erfolgt.

Im Ergebnis kommt es aber auch hierauf nicht weiter an.

f) Entgegen der ausweislich der Berufungserwiderung von der Beklagten offenbar vertretenen Auffassung kommt es nach den eingangs genannten Grundsätzen jedenfalls nicht darauf an, dass die Betriebsreserve aus eigenen, also im Eigentum der Geschädigten stehenden Fahrzeugen bestehen muss. Soweit aus anderen Verfahren vor dem Senat ersichtlich, ist es wohl auch üblich, dass die Betriebsreserve aus Mietfahrzeugen besteht, die allerdings langfristig und deshalb zu günstigeren Preisen angemietet sind. Von Rechts wegen erscheint es jedenfalls unerheblich, ob die Betriebsreserve aus eigenen oder fremden, angemieteten Fahrzeugen besteht; etwas anderes ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s.o.) auch nicht zu entnehmen.

g) Letztlich scheitert der geltend gemachte Anspruch daran, dass die Klägerin

zur Überbrückung der Reparaturzeit der beiden bei dem streitgegenständlichen Unfall beschädigten Wagen nicht auf ihre Betriebsreserve zurückgegriffen hat, sondern (unentgeltlich) auf Fahrzeuge aus einem "Reservepool" der L. Dies hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellt.

aa) Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien, vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ergeben. Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Bei der Berufungsinstanz handelt es sich um eine zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen Entscheidung des Einzelfalls besteht. Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (zum Vorstehenden s. BGH, Beschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17, Rn. 11 mwN, juris).

bb) Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab liegen konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich der Überbrückung der Ausfallzeit der beschädigten Wagen auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht vor. Der Zeuge K. hatte ausdrücklich bekundet, der streitgegenständliche Unfall sei mittels Wagen aus dem Reservepool überbrückt worden (Bl. 353 d.A.). Hierauf hat das Landgericht seine Entscheidung maßgeblich gestützt. Zwar macht die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend, der Zeuge habe sich geirrt. Das bezieht sich aber ersichtlich nur auf die Frage der Entgeltlichkeit (vgl. Berufungsbegründung S. 5). Der Zeuge N. hatte von zu schließenden Extra-Verträgen bei Zugriff auf den Reservepool gesprochen (vgl. Bl. 351 d.A.), der Zeuge K. hatte bekundet, der Reservepool stehe grundsätzlich mietfrei zur Verfügung, ab Einsatz eines Wagens falle dann aber Miete an (vgl. Bl. 353 d.A.). Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung, dort S. 5, lediglich erklärt, hier sei keine Miete gezahlt worden. Dies steht der Feststellung, die Ausfallzeit sei mit Fahrzeugen aus dem Reservepool überbrückt worden, nicht entgegen. Danach ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, weshalb die Feststellungen des Landgerichts falsch oder unvollständig sein sollten. Der Senat ist daher gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden, weil die Klägerin keine Fehler aufzeigt und auch keine zuzulassenden neuen Tatsachen vorträgt (§ 531 Abs. 2 ZPO), aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Angaben des Zeugen K., der streitgegenständliche Unfall sei mittels Wagen aus dem Reservepool überbrückt worden, falsch sein könnten.

cc) Zwar ließe sich vertreten, dass eine Betriebsreserve im Hinblick auf fremdverschuldete Ausfälle von vornherein nicht einzelfallbezogen ist und daher auch die Frage, ob sich die Betriebsreserve schadensmindernd ausgewirkt hat, losgelöst vom Einzelfall betrachtet werden müsste. Hiergegen spricht allerdings, dass der Bundesgerichtshof verlangt, die Reservehaltung müsse allgemein mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht sein, und diese Vorsorge müsse sich dann schadensmindernd ausgewirkt haben (BGH, Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199-205, Rn. 10, juris). Zudem hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass ein Rückgriff auf das vorgehaltene Reservefahrzeug zur Vermeidung bzw. Reduzierung des Ausfallschadens erfolgt sein müsse (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199-205, Rn. 10, juris, BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280, Rn. 15, BGH, Urteil vom 26. März 1985 - VI ZR 267/83, Rn. 13, juris).

Danach kommt es entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sehr wohl darauf an, ob gerade das vorgehaltene Reservefahrzeug eingesetzt wurde oder nicht.

dd) Da hier, wie ausgeführt, ein Rückgriff auf den neben der Betriebsreserve vorhandenen "Reservepool" erfolgt ist, ist nicht ersichtlich, dass bzw. inwiefern die Betriebsreserve sich hier schadensmindernd ausgewirkt hätte. Demzufolge sind die Vorhaltekosten für die Betriebsreserve hier nicht erstattungsfähig. Zwar käme dann grundsätzlich ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf Reservepool-Mietzahlungen in Anspruch; solche hat es hier aber nach dem eigenen ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung, dort S. 5, nicht gegeben.

5. Mangels Hauptanspruchs besteht auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht.

6. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 31.05.2023 (Bl. 484f. d.A.) hat der Senat bei der Entscheidungsfindung im Übrigen berücksichtigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO. Es wird insofern auch auf die Ausführungen unter II. 4. b) verwiesen.

VI.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.