Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.09.1999, Az.: 7 K (III) 552/98
Erlass von Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierung einer Wohnungsbaugesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.09.1999
- Aktenzeichen
- 7 K (III) 552/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 17994
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0914.7K.III552.98.0A
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das beklagte Finanzamt verpflichtet ist, im Rahmen der Sanierung/Umstrukturierung eines XXXXKonzerns angefallene Grunderwerbsteuer zu erlassen.
Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft des XXXXXXXXXXXXKonzerns Hamburg (NHH). Im Rahmen der Sanierung der XXXXXXXXXXXX erfolgte eine Zerteilung und Regionalisierung des Konzerns, wobei die Aktiengesellschaft für Bauen und Wohnen (Gewoba) aus der NHH herausgelöst wurde. Die Klägerin verblieb im Verbund der XXXXXXXXXXXX Gruppe. Da nach der Sanierungs-/Umstrukturierungsplanung bei der Gewoba nur die Grundstücke verbleiben sollten, die in XXXXXX gelegen waren, wurden die mitübergegangenen in XXXXXXXXXXXXX gelegenen Grundstücke von der Gewoba an die Klägerin übertragen. Unter anderem wurden auch mehrere Grundstücke in Emden, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX an die Klägerin veräußert. Der Übertragungsvertrag datiert vom 30. September 1987.
Das beklagte Finanzamt setzte hierfür sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die Gewoba in 1988 Grunderwerbsteuer in Höhe von 15.313,00 DM fest.
Bereits am 2. August 1988 wurde die Grunderwerbsteuer von der Klägerin gezahlt.
Die Klägerin hält sowohl die Erhebung als auch die Einziehung der Grunderwerbsteuer für unbillig im Sinne der §§ 163 und 227 AO und hat einen entsprechenden Erlassantrag gestellt.
Diesen Erlassantrag hat der Beklagte mit folgender Begründung abgelehnt:
Eine sachliche Unbilligkeit, die einen Erlass rechtfertige, sei nicht gegeben. Das Grunderwerbsteuergesetz enthalte keine Regelung, wonach in Sanierungs-/Umstrukturierungsfällen Grunderwerbsteuer nicht zu erheben bzw. zu erlassen sei. Da in anderen Gesetzen, wie z.B. in § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz (EStG) eine Regelung für Sanierungsfälle getroffen sei, sei die Nichtregelung im Grunderwerbsteuergesetz als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu verstehen, Sanierungsfälle insoweit nicht zu privilegieren. Dies schließe die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit aus. Dies gelte selbst dann, wenn die Sanierung im öffentlichen Interesse liege und letztendlich die zu erbringende Steuer aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden müsse.
Weiterhin führte der Beklagte aus, dass auch keine persönlichen Erlassgründe gegeben seien. Zum einen sei die Klägerin nicht erlasswürdig, denn die Klägerin hätte bei ihren Sanierungs-/Umstrukturierungsplänen, den Anfall der Grunderwerbsteuer bedenken und in ihre finanziellen Planungen einbeziehen müssen, zumal bereits im Zusammenhang mit dem Abschluß der Kaufverträge ein genereller Erlass von Grunderwerbsteuer vom Niedersächsischen Finanzministerium abgelehnt worden sei.
Die Klägerin sei auch nicht erlassbedürftig, da die Erhebung der Grunderwerbsteuer nicht zu einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin führe bzw. geführt habe. Denn die Klägerin habe in den Jahren vorher Verluste in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet. Mögliche Existenzgefährdungen seien deshalb und nicht wegen der Zahlung von Grunderwerbsteuer gegeben. Im übrigen hätten die übrigen Gläubiger der Klägerin nicht auf ihre Forderungen verzichtet, sondern lediglich ein Stillhalteabkommen getroffen.
Gegen die Ablehnung des Erlasses wendet sich die Klägerin.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der Ansatz des beklagten Finanzamtes, mit dem der Erlass aus sachlichen Gründen abgelehnt worden sei, sei verfehlt. Denn es gehe nicht um die Frage, ob in Sanierungsfällen Grunderwerbsteuer zu erlassen sei, sondern um die Frage, ob Grunderwerbsteuer für die unmittelbar mit der Umstrukturierung erfolgten Übertragungen an die Klägerin zu erlassen sei.
Das beklagte Finanzamt habe bei seiner Entscheidung nicht beachtet, dass es sich bei dem Sanierungsobjekt um ein Tochterunternehmen des größten deutschen Wohnungsunternehmens, mit erheblicher Bedeutung für die Hansestadt XXXXXX und das XXXX XXXXXXXXXXXXX handele und dass diese Umstrukturierung/Sanierung für Tausende von Mietern von existentieller Bedeutung gewesen sei.
Die Klägerin weist ferner auf die Vorschrift des § 4 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz hin. Zwar sei diese Vorschrift nicht analog anwendbar, aus dieser Vorschrift sei aber der Wille des Gesetzgebers deutlich erkennbar, auf die Art der von den Steuerpflichtigen wahrgenommenen Aufgaben bei Erlass bzw. Nichterhebung von Grunderwerbsteuer abzustellen.
Das Finanzamt sei auch verpflichtet, aus persönlichen Gründen die Grunderwerbsteuer zu erlassen, denn bereits im Zusammenhang mit dem Abschluss der Kaufverträge sei ein Antrag auf Erlass der Grunderwerbsteuer für die Umstrukturierung beim XXXXXXXXXXXXXXXXX Minister der Finanzen beantragt worden und im Juli 1987 unter Anheimgabe, Erlassanträge bei den jeweils zuständigen Finanzämtern zu stellen, abgelehnt worden.
Die Erlassentscheidung des beklagten Finanzamtes habe ihre wirtschaftliche Situation nicht hinlänglich berücksichtigt. In den Jahren 1985 bis 1987 habe sie jeweils Jahresfehlbeträge in mehrstelliger Millionenhöhe erwirtschaftet. ...
...
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Zusammenfassend sei ihre wirtschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragungen äußerst prekär gewesen, und ein Zusammenbruch sei nur durch Leistungen Dritter, insbesondere des Mutterkonzerns, vermieden worden. Auf Grund dieser Leistungen habe sie im Jahr 1988 einen Jahresüberschuss erzielt und sei nun ab 1988 existenzfähig.
Da das beklagte Finanzamt auf die Besonderheiten ihrer wirtschaftlichen Situation, zu der sie umfänglich vorgetragen habe, nicht substantiiert eingegangen sei, sei schon aus diesem Grunde die ablehnende Entscheidung des Finanzamtes aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 18. September 1989, das beklagte Finanzamt zu verpflichten, die durch den Bescheid vom 11. August 1988 festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 15.313,00 DM zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und bezieht sich im Wesentlichen auf seinen Vorbringen im vorgerichtlichen Verfahren.
...
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht haben der Beklagte und die Oberfinanzdirektion Hannover den beantragten Erlass von Grunderwerbsteuer abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 227 Abgabenordnung (AO), wonach die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, liegen nicht vor. Unbilligkeit in diesem Sinne kann sowohl in der Sache als auch in der Person des Steuerpflichtigen begründet sein.
Die Belastung mit Grunderwerbsteuer ist nicht unbillig.
Unbilligkeit in der Sache, die einen Steuererlass rechtfertigt, um ungewollten Überhängen gesetzlicher Tatbestände abzuhelfen, die es auch bei den Verkehrssteuern geben kann, ist dann gegeben, wenn die Anwendung des Gesetzes im Einzelfall zu einer vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollten Härte führt (Boruttau - Viskorf, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 15. Auflage, § 15, Rz. 34 pp. mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Ob ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes vorliegt, kann nur aus den in den Steuergesetzen selbst gesetzten Maßstäben abgeleitet werden (Boruttau - Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, § 15, Rz. 36).
Aus dem Grunderwerbsteuergesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Grundstücksübertragungen in Sanierungs- bzw. Umstrukturierungsfällen nicht der Grunderwerbsteuer unterwerfen wollte bzw. dass Grunderwerbsteuer in den Fällen nicht entrichtet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber das Grunderwerbsteuerrecht so ausgestaltet, dass für die Festsetzung der Grunderwerbssteuer allein der Rechtsvorgang als solcher und nicht die ihm zu Grunde liegenden Motive des Erwerbers oder die von diesem mit dem Erwerb beabsichtigten wirtschaftlichen Folgen maßgebend sind (Boruttau - Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, § 15 Rz. 39). Gerade diese vom Gesetzgeber gewollte Unabhängigkeit der Grunderwerbsteuerfestsetzung von Motiven und wirtschaftlichen Hintergründen des Rechtsgeschäfts schließt es aus, Motive und wirtschaftliche Hintergründe, sei es im Festsetzungsverfahren oder Erlassverfahren, grunderwerbsteuerliche Relevanz beizulegen.
Hiergegen kann die Klägerin nicht einwenden, dass in ihrem Fall eine besondere Umstrukturierung bzw. eine besondere Sanierung mit weitreichenden sozialen und sozialpolitischen Konsequenzen gegeben sei. Denn die Entscheidung des Gesetzgebers ist eindeutig und lässt eine Differenzierung nach dem jeweils behaupteten Bedeutungsgrad des Erwerbsgeschäftes nicht zu.
Auch der Hinweis der Klägerin auf § 4 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz, wonach der Erwerb eines Grundstücks durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen ist, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere Körperschaft übergeht, ist nicht stichhaltig. Denn diese Vorschrift, in der eine besondere Ausnahme von der Grunderwerbsbesteuerung festgeschrieben ist, ist nur auf Erwerbsvorgänge durch Körperschaften des öffentlichen Rechts anwendbar. Diese Tatbestandsvoraussetzung erfüllt die Klägerin unstreitig nicht.
Darüber hinaus kann unter Hinweis auf eine spezielle Ausnahmevorschrift nicht die grundlegende gesetzgeberische Wertung in Zweifel gezogen werden, nämlich dass Motive und wirtschaftliche Hintergründe eines Erwerbsvorganges bei der Grunderwerbsbesteuerung irrelevant sind.
Unbilligkeit in der Person, die sowohl Erlassbedürftigkeit als auch Erlasswürdigkeit voraussetzt, kann bei der Grunderwerbsbesteuerung nur in Ausnahmefällen vorliegen. Solche Ausnahmefälle setzen besondere Umstände voraus. Hierher gehört insbesondere die Existenzgefährdung des Steuerpflichtigen (Boruttau - Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, § 15, Satz Ziffer 56), sofern diese einen unverschuldeten steuerlichen Bezug hat.
Der Senat hat schon erhebliche Bedenken, ob die Klägerin überhaupt in ihrer Existenz gefährdet war. Zwar hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Sanierung/Umstrukturierung Schulden in mehrfacher Millionenhöhe. Dennoch lag eine Existenzgefährdung der Klägerin nicht vor. Denn aus dem Umfang und der Art der Hilfe, die die Klägerin vom Mutterkonzern und den Banken erhalten hat, ergibt sich eindeutig, die politische und wirtschaftliche Entscheidung der Beteiligten, insbesondere des Mutterkonzerns, die Klägerin in ihrer neuen Struktur in Zukunft am Wirtschaftsleben teilnehmen zu lassen. Da diese Entscheidungen auch durch die im Tatbestand wiedergegebenen Maßnahmen umgesetzt und abgesichert worden ist, bestand für die Klägerin keine Existenzgefährdung.
Aber selbst, wenn eine Existenzgefährdung der Klägerin gegeben sein sollte, würde diese einen Grunderwerbsteuererlass nicht rechtfertigen. Denn hierzu ist erforderlich, dass die Existenzgefährdung durch außergewöhnliche, unvorhersehbare Umstände, die zu einem unverschuldeten Vermögensverfall geführt haben, entstanden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Mai 1972, II 57/64, BStBl 1972, 649).
Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein. Vielmehr hat die Klägerin ausweislich des notariellen Vertrages bei Abschluss des Übertragungsvertrages die Nichtzahlung der Grunderwerbsteuer eingeplant bzw. sich verpflichtet, im Rechtsbehelfs- und Klageverfahren die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer zu verfolgen.
Die Klägerin hat somit bewusst bei ihren Planungen die Belastung mit Grunderwerbsteuer unberücksichtigt gelassen. Eine solche einseitige, zum Nachteil des Fiskus ausgerichtete Planung kann nicht mit einem Erlass von Grunderwerbsteuer prämiiert werden.
Im Hinblick auf die o.g. Entscheidung der wirtschaftlich und politisch von der Neustrukturierung Betroffenen, für die wirtschaftliche Zukunft der Klägerin einzustehen und den Umfang der gewährten Vorteile, ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass dieses Konzept an einer Grunderwerbsteuerzahlung von 15.313,00 DM scheitern könnte.
Dies gilt auch für die gesamte Grunderwerbsteuerbelastung, die im Rahmen der Umstrukturierung angefallen ist und deren Höhe sich auf rund 8 Millionen DM beziffert.
Schließlich, selbst wenn die Abwicklung des gesamten Umstrukturierungs- und Sanierungskonzeptes von der Zahlung der Grunderwerbsteuer abhängig gewesen sein sollte, rechtfertigt auch dies keinen Erlass. Denn die wirtschaftliche Krise des XXXXXXXXXXX Konzerns ist nicht durch ein plötzlich auftretendes, unvorhergesehenes Ereignis entstanden, sondern durch eine über Jahre hinweg Verluste erwirtschaftende Geschäftsführung. Von einem unvorhersehbaren Ereignis i.S.d. o.g. Urteils des BFH kann nicht die Rede sein.
Die ablehnende Erlassentscheidung des Beklagten, die das Gericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen hatte, ist somit nicht zu beanstanden.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.