Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.03.2007, Az.: L 8 SO 38/06

Erstattungspflicht eines Sozialhilfeträgers gegenüber einem anderen für Sozialhilfeaufwendungen für einen Hilfebedürftigen nach dessen Umzug aus dem einen in den anderen Zuständigkeitsbereich; Erstattungsfähige Sozialhilfeaufwendungen i.S.d. § 107 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG); Berufungsbeschwerdewert bei einem Erstattungsstreit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts; Statthafte Klageart bei einem Erstattungsstreit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts; Verzinsung eines Erstattungsanspruchs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegenüber einer anderen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.03.2007
Aktenzeichen
L 8 SO 38/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 30426
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0322.L8SO38.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 19.04.2006 - AZ: S 23 SO 5/06

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 21.430,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der endgültige Streitwert wird auf 21.430,75 EUR festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte als Sozialhilfeträger nach dem Umzug einer Hilfebedürftigen aus ihrem Zuständigkeitsbereich in den Zuständigkeitsbereich des Klägers dessen Sozialhilfeaufwendungen für die Hilfebedürftige erstatten muss.

2

Die im Oktober 1957 geborene Hilfebedürftige G. wohnte bis zum 30. Oktober 2003 in H. in der I ... Bis zu diesem Zeitpunkt erhielt die Hilfebedürftige dort Sozialhilfe Hilfe zum Lebensunterhalt. Aufgrund psycho-physischer Beeinträchtigungen der Hilfebedürftigen war beabsichtigt, dass diese beim Verein J. e.V. - eine biologisch-dynamische Landwirtschaft -, gelegen in K. eine gemeinnützige Arbeit aufnimmt. Die Hilfebedürftige strebte diese Arbeit bei dem Verein J. e. V. an, um ihrer psychischen Beeinträchtigung Herr zu werden. Aus diesem Grund zog die Hilfebedürftige zum 1. November 2003 nach K., gelegen im Zuständigkeitsbereich des Klägers. Die Hilfebedürftige erhielt ab diesem Zeitpunkt Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - vom Kläger, und zwar bis zum 29. Februar 2004 (Einstellungsbescheid vom 17. Februar 2004).

3

Der Kläger schloss im Dezember 2003 mit dem Hof J. eine Vereinbarung, wonach dieser sich verpflichtete, die Hilfebedürftige für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2004 zur Verrichtung von gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten einzustellen; die Einstellung erfolge im Rahmen der Hilfe zur Arbeit nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und diene der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten im Sinne von § 19 BSHG. In der Vereinbarung war u.a. festgelegt die wöchentliche Arbeitszeit (38,5 Stunden) und ein monatlicher Bruttolohn von 1.579,85 EUR. Zwischen der Hilfebedürftigen und dem Hof J. wurde in Ausführung dieser Vereinbarung ein Arbeitsvertrag geschlossen, als Beginn des Arbeitsverhältnisses war der 1. Februar 2004 vereinbart, die regelmäßige Arbeitszeit mit 38,5 Stunden in der Woche und die monatliche Bruttovergütung von 1.579,85 EUR. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Hilfebedürftigen konnte der vorgesehene Arbeitsbeginn zum 1. Januar 2004 nicht eingehalten werden. Allerdings hat die Hilfebedürftige in den Monaten zuvor gemeinnützige Arbeit auf dem Hof J. geleistet, die Stunde mit 1,00 EUR vergütet. Der Arbeitsvertrag wurde bis Ende 2004 durchgeführt.

4

Der Kläger hatte bereits im November 2003 einen Kostenerstattungsantrag gemäß § 107 BSHG bei der Beklagten angemeldet, den diese dem Grunde nach anerkannt hat. Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte die Aufwendungen der Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - für die Hilfebedürftige erstattet. Abgelehnt wurde die Kostenerstattung für das gezahlte Arbeitsentgelt. Der Kläger hatte sich in der Vereinbarung aus Dezember 2003 verpflichtet, dem Hof J. den Arbeitslohn einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten.

5

Der Kläger hat am 5. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Er hat vorgetragen, dass die Beklagte auch Kostenerstattung für den übernommenen Arbeitslohn einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu leisten habe. Diese Kosten seien nach § 19 Abs. 2 BSHG entstanden und gehörten daher zu der an die Hilfebedürftige geleisteten Sozialhilfe. Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die Hilfebedürftige das Arbeitsentgelt aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages erhalten habe. Derartige Aufwendungen seien von der Kostenerstattung nach § 107 BSHG ausgenommen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. April 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kostenerstattung nach § 107 BSHG bereits deshalb ausgeschlossen sei, weil der Kläger die Hilfebedürftige nicht durch Verwaltungsakt zur Ableistung der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit nach § 19 Abs. 2 BSHG herangezogen habe. Ein solcher Heranziehungsbescheid sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nötig. Überdies sprächen gewichtige Gründe für die Rechtsansicht der Beklagten, wonach das gezahlte Arbeitsentgelt keine erstattungsfähige Sozialhilfeleistung im Sinne von § 107 BSHG sei. Das Urteil wurde dem Kläger am 5. Mai 2006 zugestellt.

6

Der Kläger hat am 22. Mai 2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass die der Hilfebedürftigen gebotene Arbeitsgelegenheit auf § 19 Abs. 2 BSHG beruhe. Die Ansicht des SG, es fehle an dem nötigen Heranziehungsbescheid, treffe nicht zu. Hier sei die Heranziehung durch mündliche Vereinbarung erfolgt, eine schriftliche Bestätigung sei nicht nötig gewesen. Die noch streitbefangenen Kosten das der Hilfebedürftigen geleistete Arbeitsentgelt sei erstattungsfähig. Dies sei bereits in der Spruchpraxis der Zentralen Spruchstelle zu § 111 BSHG anerkannt gewesen.

7

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2006 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - 21.430,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

10

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Insbesondere ist der Berufungsbeschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG von mehr als 5.000,00 EUR bei einem Erstattungsstreit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts überschritten, da der Kläger einen Erstattungsbetrag 21.430,75 EUR verlangt.

12

Die Berufung ist begründet. Der noch streitbefangene Betrag, der allein den der Hilfebedürftigen gezahlten Arbeitslohn erfasst, gehört zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne des § 107 Abs. 1 BSHG.

13

Der Kläger verfolgt sein Begehren zu Recht mit einer echten Leistungsklage, § 54 Abs. 5 SGG. Denn die Beteiligten stehen sich hier im Gleichordnungsverhältnis gegenüber, in welchem die begehrte Leistung nicht einseitig durch Verwaltungsakt festgesetzt werden kann. Streitiger Zeitraum ist nach dem Vorbringen des Klägers die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2004. Denn für diese Zeit hat die Hilfebedürftige das mit dem Hof J. vereinbarte Arbeitsentgelt erhalten, dessen Erstattung der Kläger verlangt. Die Zeit ab 1. Januar 2005 steht nicht mehr in Streit. Das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) enthält keine dem § 107 BSHG entsprechende Kostenerstattungsvorschrift. Ab diesem Zeitpunkt ist daher ein Kostenerstattungsanspruch nach Umzug ausgeschlossen. Das gilt natürlich nicht für Erstattungssachverhalte bis zum 31. Dezember 2004. Denn bis zu diesem Zeitpunkt galt das BSHG und damit auch § 107 BSHG. Nach dieser Vorschrift sind die bis zum 31. Dezember 2004 entstandenen Erstattungsstreitigkeiten abzuwickeln.

14

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 107 BSHG. Darin ist Folgendes bestimmt:

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Verzieht eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, ist der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. (Absatz 1)

16

Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Sie endet spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel. (Absatz 2).

17

Die Voraussetzungen dieser Kostenerstattungsvorschrift sind erfüllt. Die Hilfebedürftige hatte bis zum 30. Oktober 2003 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Denn sie wohnte dort und erhielt dort Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt. Ab dem 1. November 2003 hatte die Hilfebedürftige nach ihrem Umzug ihren gewöhnlichen Aufenthalt in K., im Zuständigkeitsbereich des Klägers, von dem sie ab dem 1. November 2003 Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - erhielt. Aufgrund des Vorliegens dieser Voraussetzungen hat die Beklagte auch die Aufwendungen der Sozialhilfe - bis auf das streitbefangene Arbeitsentgelt - erstattet.

18

Zu den erstattungsfähigen Sozialhilfeaufwendungen des § 107 Abs. 1 BSHG gehört ebenso das der Hilfebedürftigen ab Februar 2004 vom Hof J. gezahlte Arbeitsentgelt, so dass die Beklagte diesen Betrag erstatten muss. Soweit das SG davon ausgeht, dass ein Heranziehungsbescheid zur Ableistung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit fehle, so dass bereits deshalb der Erstattungsanspruch nicht begründet sei, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG (Urteil vom 13. Oktober 1983 - 5 C 66/82 - BVerwGE 68, 97 = FEVS 33, 45) entschieden, dass die Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit ein Verwaltungsakt sei. Eine derartige Regelung der Heranziehung fehlt hier nicht. Die Initiative zur Ableistung der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit ging von der Hilfebedürftigen aus. Die Heranziehung wurde daher in Absprache zwischen der Hilfebedürftigen, dem Hof J. und dem Kläger geregelt; aus dieser Form ergeben sich keine rechtlichen Bedenken. Denn gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Aus den Gesamtumständen ergibt sich, dass hier offenbar von den beiden letzten Möglichkeiten der Vorschrift Gebrauch gemacht worden ist.

19

Die Heranziehung der Hilfebedürftigen geschah hier nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG. Wird danach für den Hilfesuchenden Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen - wie hier , kann ihm entweder das übliche Arbeitsentgelt (1. Möglichkeit) oder Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt werden (2. Möglichkeit). Hier hat der Kläger ab Februar 2004 von der ersten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Denn zwischen dem Hof J. und der Hilfebedürftigen wurde ein individual-rechtlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, in welchem die üblichen arbeitsvertraglichen Leistungen vereinbart waren und insbesondere die monatliche Vergütung von 1.597,85 EUR. Bei einer derartigen Fallgestaltung entsteht ein Arbeitsverhältnis mit allen rechtlichen Folgen, also auch mit der Sozialversicherungspflicht. Es liegt ein Arbeitsvertrag vor. Der Vertrag regelt keine sozialhilferechtlichen Tatbestände, sondern begründet ein normales Arbeitsverhältnis, bei dem sich die Beteiligten nicht als Sozialhilfeträger und Hilfesuchender, sondern als Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber treten (vgl BVerwG, Urteil vom 22. März 1990 - 5 C 63/86 - FEVS 41, 45; Oestreicher/Schelter/Kunz, Kommentar zum BSHG, Loseblattsammlung Stand Juni 2003, § 19 Rdnr 13). Zwar besteht die Besonderheit, dass dieses Arbeitsverhältnis durch Entstehung und Durchführung als Maßnahme der Sozialhilfe in das Sozialhilferecht eingebunden ist, nicht zuletzt wegen der besonderen Voraussetzungen gemeinnützig und zusätzlich (vgl Schellhorn/Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl. 2002, § 19 Rdnr 15). Doch bleibt es dabei, dass sich dieses Arbeitsverhältnis primär nach dem Arbeitsrecht ausrichtet und der Hilfebedürftige als Entlohnung für seine Tätigkeit keine Sozialhilfe mehr erhält, sondern den vereinbarten Arbeitslohn. Dies trifft ebenso auf die Hilfebedürftige zu, die ab Wirksamkeit des mit dem Hof J. geschlossenen Arbeitsvertrages Arbeitsentgelt erhielt, so dass auch folgerichtig die Gewährung der Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - eingestellt wurde.

20

Die Vorschrift des § 107 Abs. 1 BSHG erfasst auch derartige Entgelte. Denn sie beruhen auf der Gewährung von Sozialhilfe, und zwar Hilfe zum Lebensunterhalt in der Form der Hilfe zur Arbeit, §§ 18 ff BSHG, so dass sich das Arbeitsentgelt letztlich als eine besondere Form der Sozialhilfegewährung § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Möglichkeit BSHG - darstellt.

21

Zwar ließe sich die Ansicht vertreten, dass bei dieser Betrachtungsweise nicht ausreichend unterschieden würde zwischen den Leistungen, die der Hilfebedürftige erhält - das Arbeitsentgelt - und den Leistungen an den Arbeitgeber, dessen Aufwendungen für den Arbeitslohn in vollem Umfang vom Sozialhilfeträger subventioniert werden. Die Vorschrift des § 107 Abs. 1 BSHG stelle ab auf die Person, die Hilfe bezogen hat - hier also die Hilfebedürftige - und nicht auf den Arbeitgeber, der den Hilfebedürftigen im Rahmen einer Heranziehung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Möglichkeit BSHG gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Dies könnte als Argument dafür herangezogen werden, im Hinblick auf das streitbefangene Arbeitsentgelt einen kostenerstattungspflichtigen Tatbestand i.S. des § 107 Abs. 1 BSHG zu verneinen.

22

Tatsächlich kann es aber im Hinblick auf die Erstattungspflicht nicht darauf ankommen, ob der Sozialhilfeträger selbst oder ein Dritter - hier der Hof J. als Arbeitgeber - das Arbeitsentgelt an den Hilfebedürftigen auszahlt. Denn nach § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Möglichkeit BSHG hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, den Hilfebedürftigen bei der Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit selbst einzustellen und das Arbeitsentgelt aufgrund eines Arbeitsvertrages selbst zu zahlen. Hierbei erhielte der Hilfebedürftige Sozialhilfe durch Zahlung des privat-rechtlich vereinbarten Arbeitsentgelts - durch den Sozialhilfeträger und es kann nicht zweifelhaft sein, dass bei dieser Gestaltungsform das Arbeitsentgelt unter die Erstattungspflicht des § 107 Abs. 1 BSHG fällt. Diese Betrachtungsweise verdeutlicht, dass es für die Frage der Erstattungspflicht nicht darauf ankommen kann, ob der Sozialhilfeträger selbst oder ein Dritter das Arbeitsentgelt auszahlt. Der Arbeitgeber lässt sich insoweit als bloße Zahlstelle auffassen, der das Arbeitsentgelt mittelbar aus Mitteln der Sozialhilfe an den Hilfeempfänger auszahlt. Diese Rechtsansicht wurde - soweit ersichtlich - überwiegend in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu diesem Problemkreis angenommen (vgl Oberverwaltungsgericht OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. November 2004 - 12 A 11512/04 - FEVS 56, 534; VGH Kassel, Beschluss vom 29. Juni 2004 - 10 VZ 1463/03 - FEVS 56, 56; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2002 - 4 L 4201/00 - FEVS 54, 171; Verwaltungsgericht - VG - Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2005 - 22 K 8735/03 ; VG Göttingen, Urteil vom 10. November 2004 - 2 A 410/03 ; anderer Ansicht: VG Minden, Urteil vom 20. Juli 2004 - 6 K 3953/02 - ZFSH/SGB 2005, 279). In der sozialhilferechtlichen Kommentierung wurde die Ansicht vertreten, dass ein kostenerstattungspflichtiger Träger auch die Kosten zu erstatten habe, die bei Maßnahme der Hilfe zur Arbeit im Rahmen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses anfallen, da es eine Maßnahme der Sozialhilfe bleibe (vgl Schellhorn/Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Auflage 2002, § 111 Rdnr 8b - unter Hinweis auf die Auffassung der Zentralen Spruchstelle).

23

Diesen Ansichten ist zuzustimmen. Maßgeblich ist darauf abzustellen, dass der Hilfebedürftigen Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Arbeit geleistet wurde. Nach § 18 Abs. 2 BSHG ist darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet; Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, sind zur Annahme einer für sie zumutbaren Arbeitsgelegenheit nach §§ 19 oder 20 BSHG verpflichtet. Die Hilfebedürftige selbst konnte in der streitbefangenen Zeit Arbeit nicht finden. Aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung und deren Folgewirkungen konnte sie als Dipl. Psychologin nicht tätig sein. Diesen Beruf hatte sie zuletzt vor ihrer Erkrankung ausgeübt. Es liegen weiterhin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Hilfebedürftige eine andere entlohnte Arbeit hätte ausüben können. Die Beklagte, in deren Zuständigkeitsbereich die Hilfebedürftige sich bis Ende Oktober 2003 aufgehalten hat, hat hierzu keinerlei Hinweise geben können. Vielmehr hat die Hilfebedürftige in H. Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - bezogen. Der Kläger hat daher seiner gesetzlichen Pflicht genügt und der Hilfebedürftigen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Möglichkeit BSHG Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit auf dem Hof J. verschafft.

24

Hieraus wird ersichtlich, dass maßgebliche Grundlage für den Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Hof J. und der Zahlung des von dem Kläger subventionierten Arbeitsentgeltes die Gewährung der Sozialhilfe an die Hilfebedürftige war, so dass das gezahlte Arbeitsentgelt gleichsam die Fortsetzung der Gewährung der Sozialhilfe mit anderen Mitteln war. Mithin handelt es sich bei dem gezahlten Arbeitsentgelt um die erforderliche Hilfe i.S. des § 107 Abs. 1 BSHG. Damit gehört auch das gezahlte Arbeitsentgelt zu den erstattungsfähigen Sozialhilfeaufwendungen i.S. des § 107 Abs. 1 BSHG.

25

Die Regelung des § 111 Abs. 1 BSHG steht einer Erstattung nicht entgegen. Danach sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht. Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass dies der Fall ist. Denn der Kläger hat der Hilfebedürftigen die erforderliche Hilfe zur Arbeit gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Möglichkeit BSHG gewährt. Die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG greift ebenfalls nicht, weil der geltend gemachte Erstattungsbetrag den Bagatellbetrag von 2.560,00 EUR erheblich übersteigt.

26

Die Höhe des Erstattungsbetrages hat der Kläger zutreffend berechnet. Es handelt sich um das für die Monate Februar bis Dezember 2004 gezahlte Bruttoentgelt zuzüglich des Arbeitgeberanteils für die gesetzliche Sozialversicherung.

27

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB (vgl dazu BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61= FEVS 53, 433; BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 3 KR 6/05 R - SGb 2006, 753). Danach ist die Geldschuld ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, wobei der Zinssatz für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt. Der Basiszinssatz ist geregelt in § 247 BGB. Vom 1. Januar bis 30. Juni 2004 betrug der Basiszinssatz 1,14%, für die Folgezeit bis zum 31. Dezember 2004 1,13% (vgl Schmidt-Kessel/ Telkamp in Prütting/Wegen/Weinreich, Kommentar zum BGB, 2. Auflage 2007, § 247 Rdnr 3).

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.

29

[siehe Streitwertbeschluss]

30

Die Revision bedarf der Zulassung (§ 160 SGG). Diese ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von höchstrichterlichen Entscheidungen abweicht.

Streitwertbeschluss:

Der endgültige Streitwert wird auf 21.430,75 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz.