Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.03.2007, Az.: L 2 R 234/05

Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente wegen zu geringer jährlichen Rentenanpassung; Zulässigkeit eventueller Kürzungen der Rentenbruttobeträge; Nichterreichung des Inflationsfaktors durch die Rentenerhöhung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.03.2007
Aktenzeichen
L 2 R 234/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 30346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0321.L2R234.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - AZ: S 4 RA 163/04

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Altersrente.

2

Der im Dezember 1931 geborene Kläger bezieht ausweislich des Rentenbescheides vom 13. Januar 1997 ab 1. Januar 1997 Regelaltersrente. Nach dem Versicherungsverlauf wurden vom 2. April 1951 bis zum 31. Dezember 1961 Pflichtbeiträge und vom 1. Januar 1962 bis zum 31. Dezember 1996 mit Ausnahme der Jahre 1974 bis 1977 freiwillige Beiträge entrichtet. Die Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 2000, zum 1. Juli 2001 und zum 1. Juli 2002 focht der Kläger mit Widersprüchen an, die bezügliche der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juni 2000 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2001 und Urteil des SG Stade - S 4 RA 18/01 - vom 22. Oktober 2002 und bezüglich der Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 2001 bzw. 1. Juli 2002 mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2003 abschlägig beschieden wurden. Diese Entscheidungen sind bestandskräftig.

3

Gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2003 erhob der Kläger unter dem 10. Juli 2003 Widerspruch, weil die Rentenerhöhung nicht einmal den Inflationsfaktor erreiche. Die Beklagte wies den Widerspruch unter Hinweis auf die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung als Rentenanpassungsverordnung 2003 vom 4. Juni 2003 (BGBl. I S. 784) festgestellte Erhöhung des aktuellen Rentenwertes um 1,04% auf 26,13 EUR zurück. Mit Bescheid vom 8. März 2004 stellte die Beklagte den Zahlbetrag der Rente auf 1.392,60 EUR ab 1. April 2004 fest anstelle des zuvor ausgezahlten Betrages in Höhe von 1.405,56 EUR. Die Verringerung des auszuzahlenden Betrages beruhe auf der gesetzlichen Änderung dahingehend, dass ab 1. April 2004 der Beitrag zur Pflegeversicherung von den Rentnerinnen und Rentnern allein zu tragen sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, den er mit einer monatlichen Rentenverringerung von cirka 200,00 EUR seit 2002 trotz um cirka 4% gestiegener Lebenshaltungskosten begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 unter Hinweis auf die Alleintragung des Beitrages zur Pflegeversicherung durch den Rentenbezieher ab 1. April 2004 (§ 59 Abs. 1 SGB XI und das zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3012)) zurück. Die genannten Rechtsvorschriften seien zutreffend beim Kläger angewandt worden.

4

Mit Rentenbescheid vom 12. Mai 2004 berechnete die Beklagte den Auszahlungsbetrag der Altersrente des Klägers wegen Änderungen des Beitragssatzes zur Krankenversicherung auf 13,50% ab 1. Juli 2004 neu. Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die fortgesetzten Rentenkürzungen seit dem Jahre 2000 nicht mit den Artikeln 14 und 20 des Grundgesetzes (GG) vereinbar seien. Er sei als Rentenbezieher nicht verpflichtet, zur Sicherung der Renten späterer Rentner beizutragen, da er bereits mit seinen Beiträgen die Renten früherer Rentenbezieher gewährleistet habe. Der Gesetzgeber überschreite seine Gestaltungskraft, wenn die Rente eine 0 oder eine Minusrendite bezogen auf die eingezahlten Rentenbeiträge erkennen lasse. Er habe als Rentner mit 45jähriger Einzahlung von nahezu Höchstbeiträgen ab 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2004 eine Rentenminderung um über 200,00 EUR oder 13% hinnehmen müssen. Die zwischenzeitlich eingetretene Erhöhung um 3,05 EUR werde durch die vierteljährlich zu entrichtende Praxisgebühr zunichte gemacht, sodass in Wahrheit eine Rentenkürzung vorliege.

5

Die Nichtanhebung der Renten stelle einen Verstoß gegen den Generationenvertrag dar, soweit nicht einmal ein Inflationsausgleich gezahlt werde. Die Probleme der Finanzierung der Rentenversicherung beruhten einmal auf der hohen Arbeitslosigkeit, zum anderen aber auch darauf, dass in der jüngeren Generation häufig Kinderlosigkeit bestehe. Diese Tatsachen dürften nicht dazu führen, dass die älter werdenden Rentner keine Rentenerhöhung mehr erhielten. Es handele sich vielmehr um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das durch Sparanstrengung der gesamten Gesellschaft zu lösen sei.

6

Der Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 12. Mai 2004 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2004 zurückgewiesen. Der Kläger habe auf Fehler in der Rentenberechnung nicht hingewiesen. Es seien alle rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt worden und die Berechnung der Rente selbst entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Die Änderungen in der Krankenversicherung/Pflegeversicherung ergäben sich aus dem Zweiten Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3013).

7

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Aufhebung aller mit Wirkung für die Zeit ab 1. Juli 2003 erteilten Bescheide und höhere Rente begehrt. Seine Rentenanwartschaften und Renten unterfielen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. An der Konsolidierung der Finanzen der Rentenversicherung seien die Rentner nicht zu beteiligen, weil sie selbst bereits durch frühere Beitragszahlungen die Renten der vorangegangenen Arbeitnehmer gesichert hätten. Gegen eine solche Beteiligung der Rentner spreche auch, dass der Staat andere Gruppen, wie z.B. Topmanager, bevorzuge. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sei durch die Rentenversicherungsbeiträge nicht beeinträchtigt, wie sich aus deren Exportstärke ergebe. Außerdem würde ein Teilverzicht der Arbeitnehmer und Rentner auf Lohnerhöhungen bzw. Erhöhungen der Renten zu weiterer Konsumzurückhaltung führen. Die wegen hoher Sozialversicherungsbeiträge gegebene Abwanderung deutscher Unternehmen ins Ausland stelle lediglich ein Drohmittel zur Disziplinierung der Arbeitnehmerschaft dar. Grund für die schlechte Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung und damit die Nichterhöhung der Renten sei zum einen die hohe Arbeitslosigkeit zum anderen auch die Übernahme der Aussiedlerrenten und der Rentenanwartschaften aus dem Beitrittsgebiet durch die gesetzliche Rentenversicherung. Als Abwägungskriterium zwischen Gemeinschafts- und Individualinteresse komme die Gegenüberstellung von eingezahlten Beiträgen und bezogenen Renten in Betracht. Er habe von 1951 bis Ende 1996 cirka 139.000,00 EUR an Beiträgen gezahlt während er von 1997 bis zum 30. Juni 2004 nur cirka 129.000,00 EUR an Rentenleistungen erhalten habe, die zudem noch durch die zwischenzeitlich eingetretene Steigerung der Lebenshaltungskosten entwertet worden seien. Hierzu hätten auch die weiteren sozialpolitischen Aktivitäten des Gesetzgebers beigetragen, als da seien verminderter Kassenzuschuss, Praxisgebühr und Eigenbeteiligung an Medikamenten.

8

Die Beklagte hat den Widerspruch gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2003 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2004 zurückgewiesen. Die Rentenanpassungsverordnung 2003 vom 4. Juni 2003 (BGBl. I, S. 784) habe mit der Erhöhung des aktuellen Rentenwertes von 25,86 EUR auf 26,13 EUR eine 1,04%ige Rentenerhöhung erbracht. Die hiergegen am 19. Oktober 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht verfahrensmäßig mit den am 21. Juli 2004 erhobenen Klagen durch Beschluss vom 21. Februar 2005 verbunden.

9

Durch Gerichtsbescheid vom 18. April 2005 hat es die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die Rentenanpassung 2003 und der Ausfall einer Rentenanpassung 2004 auf gesetzgeberischen Maßnahmen beruhe, die aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden seien. Zwar unterfalle die lohn- und gehaltsorientierte Rentenanpassung dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG insoweit, als sie innerhalb der Systemgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung dem Schutz bereits erworbener geldwerter Rechte vor inflationsbedingten Einbußen, also dem Schutz des realen Geldwertes des Rechts auf Rente zu dienen bestimmt seien. Die konkrete Reichweite dieses Grundgesetzschutzes ergebe sich jedoch aus den vom Gesetzgeber auszufüllenden Inhalt und Schranken des Eigentums. Die Rentenanpassung sei 2004 nur für die Dauer eines Jahres ausgesetzt worden und nicht auf Dauer. Diese Regelung unterfalle der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, denn das Versicherungsverhältnis beruhe nicht auf reinem Versicherungsprinzip, sondern auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs. So sollten die im Zweiten SGB VI-Änderungsgesetz getroffenen Maßnahmen zur Dämpfung des Beitragssatzes der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung dienen. Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung müsse permanent den sich verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst werden. Zwischen dem Kläger und dem Rentenversicherungsträger bestehe kein Rentenversicherungsvertrag, der ihm eine bestimmte bzw. angemessene Rendite zusichere. Er habe keinen Anspruch auf die Auszahlung angesparter Rentenversicherungsbeiträge zuzüglich Verzinsung, sondern die Finanzierung seiner Rente unterliege im Rahmen des Umlageverfahrens ständiger Neujustierung durch den Gesetzgeber. Dieser habe bei der Aussetzung der Rentenanpassung 2004 den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

10

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger Widerspruch gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2005 mit unverändertem Rentenwert, in der die Beklagte auf die an sich erforderliche Absenkung des aktuellen Rentenwertes und die dagegen vom Gesetzgeber zugunsten der Rentner geschaffenen Schutzbestimmung hingewiesen hat, Widerspruch erhoben. Dieser Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2005 zurückgewiesen. Auch gegen den unveränderten Rentenzahlbetrag ab 1. Juli 2006 hat der Kläger wegen Nichtberücksichtigung der Erhöhung der Lebenshaltungskosten "Widerspruch" eingelegt. Dieser "Widerspruch" ist mit "Widerspruchsbescheid" vom 16. November 2006 unter Hinweis auf früheren Verschiebungen der Rentenanpassung durch den Gesetzgeber zurückgewiesen worden.

11

Im Berufungsverfahren wiederholt der Kläger seinen Vortrag zur "Minusrendite" durch die unzulänglichen bzw. ausgefallen Rentenanpassungen der Jahre 2003 bis 2006 ergänzt um den Hinweis auf die Abnahme des Wertes der Rentenauszahlungen von 1997 bis 2003 unter Gegenüberstellung des der in diesem Zeitraum getätigten Rentenanpassungen einerseits und des höheren Inflationssatzes andererseits.

12

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. April 2005 und den Bescheid betreffend die Rentenanpassung zum 1. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2004, den Bescheid vom 8. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2004, den Bescheid vom 12. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2004, den Bescheid betreffend die Rentenanpassung ab 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2005 und den "Widerspruchsbescheid" vom 16. November 2006 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 2003 höhere Altersrente zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie hält die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für verfassungsgemäß.

15

Außer der Gerichtsakte haben die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

16

Die nach § 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig. Der Senat hat hierüber durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 SGG; vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 15. Februar 2007 und den der Beklagten vom 8. Dezember 2005).

17

Die Berufung und die Klage gegen die Entscheidungen zur Nichtanpassung der Renten in den Jahren 2005 und 2006 sind nicht begründet. Letztere sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

18

a)

Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig.

19

Jedenfalls in der maßgeblichen Fassung der Widerspruchsbescheide vom 14. Oktober 2004 und 19. August 2005 weisen auch die Mitteilungen über die Rentenanpassungen zum 1. Juli 2003 und 2005 Regelungscharakter und damit Verwaltungsaktsqualität auf.

20

Der als "Widerspruchsbescheid" ausgewiesene Bescheid vom 16. November 2006 ist der Sache nach als Ausgangsbescheid zu qualifizieren, mit dem die Beklagte erstmals ausdrücklich eine Rentenerhöhung zum 1. Juli 2006 abgelehnt hat. Auch als solcher nimmt der Bescheid jedoch in Anwendung des § 96 SGG an der Überprüfung im vorliegenden Verfahren teil.

21

b)

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten in der Gestalt der Widerspruchsbescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat die einfachgesetzlichen Vorgaben zutreffend umgesetzt. Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Vorgaben des SGB VI, so dass von vornherein kein Anlass für eine Vorlageentscheidung nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG besteht.

22

Ergänzend zu den zutreffenden Begründungen der angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide weist der Senat auf Folgendes hin:

23

aa)

Die Bescheide vom 8. März und 12. Mai 2004 betreffen lediglich eine Neuberechnung des Rentenzahlbetrags aufgrund einer geänderten Heranziehung zu Beiträgen zur Pflege- bzw. Krankenversicherung.

24

(Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungs-)Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, sind nach § 255 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und (zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Krankenversicherungsbeiträgen) an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen (mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen) zu zahlen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet alle Pflegeversicherungsbeiträge aus Rentenleistungen der allgemeinen Rentenversicherung am fünften Arbeitstag des Monats, der dem Monat folgt, in dem die Rente fällig war, an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung, d.h. an das vom Bundesversicherungsamt nach § 65 SGB XI verwaltete Sondervermögen, weiter (§ 60 Abs. 4 S. 1 SGB XI).

25

Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich (§ 255 Abs. 1 S. 2 SGB V i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI).

26

Aus der vorstehend erläuterten Regelung des § 255 Abs. 1 S. 2 SGB V ergibt sich die Ermächtigung für die Träger der Rentenversicherung, die Höhe der von ihnen aus der Rente abzuführenden Beiträge zur (Kranken- und) Pflegeversicherung durch Bescheid festzustellen. Indem der Gesetzgeber klargestellt hat, dass bei einer Änderung in der Höhe dieser Beiträge die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung "nicht erforderlich" sei, hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die Rentenversicherungsträger gleichwohl zum Erlass solcher Bescheide berechtigt sind. Dies verdeutlicht auch der Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (Drs 15/4751) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drs 15/4228 - für das Verwaltungsvereinfachungsgesetz, ausweislich dessen die Neuregelung dem Rentenversicherungsträger zur Verfahrenserleichterung die Möglichkeit eröffnet soll, dass von einer besonderen Bescheiderteilung "abgesehen werden kann" (vgl. Drs 15/4751, S. 46).

27

Die erläuterte gesetzliche Klarstellung verdeutlicht zugleich, dass der Rentenbezieher jedenfalls nach Erlass eines entsprechenden Bescheides durch den Rentenversicherungsträger auch gegenüber diesem die fehlerhafte Berechnung der einbehaltenen Beiträge geltend machen kann (vgl. demgegenüber für isolierte Feststellungsklagen Landessozialgericht Baden-Württemberg, U. v. 16. Februar 2006 - L 7 R 3772/05 -).

28

Im vorliegenden Fall greift der Kläger die genannten Bescheide vom 8. März und 12. Mai 2004 allerdings in der Sache nicht aus dem Grunde an, weil er die in diesen Bescheiden im einzelnen erläuterte Neuberechnung der Beiträge zur Pflege bzw. Krankenversicherung als solche beanstanden will. Vielmehr hat er diese Bescheide in seine Klage aus dem Grunde mit einbezogen, weil auch sie - ebenso wie auch die weiteren angefochtenen Bescheide - das aus der Sicht des Klägers insgesamt unzureichende Rentenniveau zum Ausdruck bringen.

29

bb)

In der Sache vermag der Senat die geltend gemachte fehlerhafte Berechnung der Rentenhöhe jedoch nicht festzustellen.

30

Mit Bescheid vom 13. Januar 1997 hat die Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab dem 1. Januar 1997 die Regelaltersrente zuerkannt. Dabei hat sie ausgehend insbesondere von den vom Kläger entrichteten Beiträgen insgesamt 58,3417 persönliche Entgeltpunkte ermittelt. Unter Berücksichtigung des zutreffend ermittelten Rentenartfaktors von 1,0 und des damals geltenden Rentenwertes von 46,67 DM ergab sich ein anfänglicher Bruttobetrag von monatlich 2.722,81 DM. Diesen Wert hat die Beklagte nachfolgend im Zuge der Rentenanpassungen und unter Berücksichtigung von Änderungen betreffend die Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung fortgeschrieben, und zwar zuletzt mit den angefochtenen Bescheiden.

31

Auch von Seiten des Klägers wird nicht geltend gemacht, dass die Beklagte dabei die einfachgesetzlichen Vorgaben über die Rentenberechnung und -anpassung missachtet haben könnte. Entsprechende Bedenken sind auch nicht aus der Sicht des Senates ersichtlich. Namentlich begehrt auch der Kläger keine Überprüfung der im - bestandskräftigen - Bescheid vom 13. Januar 1997 ermittelten Summe der persönlichen Entgeltpunkte in Höhe von insgesamt 58,3417.

32

Ebenso wenig rügt der Kläger, dass die Beklagte den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 65, 68, 255e SGB VI über die - unter der Voraussetzung einer Neufestsetzung des Rentenwertes jeweils zum 1. Juli eines Jahres vorzunehmende - Anpassung der Renten fehlerhaft angewandt habe.

33

Der Kläger stützt sein Begehren vielmehr darauf, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen zu einer weitergehenden Anhebung der Renten im streitigen Zeitraum verpflichtet gewesen sei. Diesem Ansatz vermag der Senat nicht zu folgen.

34

Zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen können grundsätzlich auch öffentlichrechtliche Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gehören (vgl. BVerfGE 53, 257 (289 f.)). Sie genießen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (BVerfG, B. v. 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271). Insbesondere Altersrentenansprüche stehen damit unter dem Schutz der Eigentumsgarantie.

35

Dies bedeutet allerdings schon nicht, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen generell daran gehindert wäre, Kürzungen der Rentenbruttobeträge vorzusehen. Rentenansprüche und Anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf. Zugleich stehen sie jedoch in einem ausgeprägt sozialen Zusammenhang. Deswegen verleiht Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber auch die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (BVerfG, B. v. 29. Dezember 1999 - 1 BvR 679/98 - SozR 3-2600 § 158 Nr. 2).

36

Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eventueller Kürzungen der Rentenbruttobeträge muss im vorliegenden Zusammenhang allerdings schon deshalb nicht vertieft werden, weil es zu einer solchen Kürzung nicht gekommen ist (vgl. auch §§ 68 Abs. 6, 255e Abs. 5 SGB VI). Der Bruttorentenbetrag ist vielmehr zum 1. Juli 2003 (geringfügig) erhöht worden und nachfolgend gleich geblieben.

37

Die erläuterte prinzipiell in Betracht zu ziehende Vereinbarkeit selbst einer Rentenkürzung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben verdeutlicht aber im Umkehrschluss, dass die Verfassung und namentlich die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf eine konkrete Erhöhung zuerkannter Renten verleiht. Art. 14 GG kann umso weniger in einem solchen Sinne ausgelegt werden, als bei Inkrafttreten des Grundgesetzes noch nicht einmal das Prinzip einer dynamischen Rente bekannt war. Nach dem damaligen Rechtsverständnis standen Rentenerhöhungen im freien Belieben des Gesetzgebers. Obwohl die damit einhergehenden Härten für die Rentenbezieher gerade in den Inflationsjahren vor der Währungsreform und damit unmittelbar vor Inkrafttreten des Grundgesetzes augenscheinlich geworden waren, hat der Grundgesetzgeber von der Normierung konkreter verfassungsrechtlicher Vorgaben für die Rentenhöhe auch nur im Sinne der Gewährleistung einer Minimalabsicherung abgesehen.

38

Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für eine Interpretation der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Sinne des Klägers. Soweit sich dies seinem nur wenig substantiierten Vorbringen entnehmen lässt, will er Art. 14 GG offenbar in dem Sinne interpretieren, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, die Renten jährlich entsprechend der Bruttolohnentwicklung oder jedenfalls entsprechend der Änderung der allgemeinen Lebenshaltungskosten anzupassen. Von der Einführung einer solchen Garantie hat der Grundgesetzgeber aber gerade abgesehen.

39

Der Umstand, dass nach den wiederholt geänderten einfachgesetzlichen Vorgaben entsprechende jährliche Rentenerhöhungen in vergangenen Jahrzehnten üblich waren (vgl. wegen der Einzelheiten: Verbandskommentar, Kommentierung zu § 68 SGB VI, S. 17 - 38), berührt nicht die vorstehend erläuterte verfassungsrechtliche Ausgangslage. Auch mit einer langjährigen Praxis geht keine Selbstbindung des Gesetzgebers in dem Sinne einher, dass den betroffenen Versicherten ein Anspruch auf Fortsetzung dieser Praxis zustände. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung insbesondere auch der finanziellen Interessen der Beitrags- und Steuerzahler und des kurz- und langfristigen Finanzbedarfs der Rentenversicherungsträger und unter Einbeziehung der demografischen Entwicklung darüber zu entscheiden, ob und ggf. mit welchen Modifikationen er an einer bisherigen Erhöhungspraxis festhalten will.

40

Erst recht verleiht die Verfassung dem Versicherten keinen Anspruch darauf, dass die an ihn zu erbringenden Rentenzahlungen gemessen an den persönlich erbrachten individuellen Beiträgen im Ergebnis eine bestimmte Rendite im Sinne etwa einer Garantieverzinsung beinhalten. Schon im Bereich der privaten Rentenversicherung sind entsprechende Renditegarantien (wobei von einer Rendite sowohl im Bereich der gesetzlichen wie auch in dem der privaten Rentenversicherung sinnvollerweise nur in Bezug auf eine durchschnittliche und nicht etwa auf die individuelle Rentenbezugsdauer gesprochen werden kann) nur in sehr eingeschränktem Maße und regelmäßig nur an den Nominalwert des Geldes anknüpfend üblich. Der Senat merkt nur an, dass im Bereich der privaten Kapitalbildung sich in den vergangenen Jahrzehnten keineswegs alle Renditehoffnungen erfüllt haben.

41

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beiträge keineswegs nur das Altersrentenrisiko, sondern namentlich auch das Risiko einer vorzeitigen Erwerbsminderung, der Versorgung von Hinterbliebenen und des Rehabilitationsbedarfes nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften abzudecken haben. Darüber hinaus wird in der Sozialversicherung das Versicherungsprinzip entscheidend durch Gesichtspunkte modifiziert, die der Privatversicherung fremd sind. Denn die gesetzliche Rentenversicherung beruht wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge (vgl. BVerfGE 76, 256 (301) [BVerfG 30.09.1987 - 2 BvR 933/82]). So werden beispielsweise mehr als 4 Prozentpunkte aus dem Beitragssatz auf die vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung der Hinterbliebenenrente verwandt, ohne dass dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (BVerfG, B.v.29.12.1999, a.a.O.).

42

Nur ergänzend merkt der Senat bei dieser Sachlage an, dass sich das Vorbringen des Klägers zu einer "Minusrendite" ohnehin bereits in tatsächlicher Hinsicht vor dem Hintergrund nicht nachvollziehen lässt, dass die Gesamthöhe der insgesamt von dem Kläger bereits bezogenen bzw. noch (unter Zugrundelegung der statistischen weiteren Lebenserwartung) zu erwartenden Rentenzahlungen rund 250% der Summe seiner Beiträge ausmacht (vgl. im einzelnen die Hinweisverfügung des Senates vom 7. Februar 2007).

43

Die vorstehenden Erläuterungen bedeuten nicht, dass die Verfassung den gesetzgeberischen Entscheidungsraum hinsichtlich der Festlegung des Renteniveaus überhaupt nicht limitiert. Aus Art. 14 GG i.V.m. mit den allgemeinen Verfassungsprinzipien des Rechts- und Sozialstaates und unter Berücksichtigung des damit verbundenen Vertrauensschutzes ist ein verfassungsrechtliches Verbot einer willkürlichen Benachteiligung der Rentner bei der Festlegung des jeweiligen Renteniveaus abzuleiten. Anlass für eine nähere Konkretisierung eines solchen Willkürverbots besteht im vorliegenden Zusammenhang umso weniger, als bislang keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Willkür ersichtlich sind.

44

Der Anteil des Bruttoinlandsprodukts, der jährlich für die Rentenzahlungen aufgewandt wird, hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. So wurden beispielsweise 1968 bei einem Bruttoinlandsprodukt von 529 Milliarden DM (bezogen auf die alten Bundesländer) ein Betrag von 32,95 Milliarden DM (entsprechend 6,2%) für Rentenleistungen der Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten aufgewandt (vgl. Statistisches Jahrbuch 1970, S. 362 f., 495). Im Jahre 2004 wurden hingegen bei einem gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukt von 2.216 Milliarden EUR 202 Milliarden EUR (entsprechend bereits 9,1%) für die genannten Rentenleistungen aufgebracht (vgl. Statistisches Jahrbuch 2006, S. 205, 641).

45

Schon vor diesem Hintergrund kann von einer willkürlichen Benachteiligung der Rentner nicht gesprochen werden. Die dieser Erhöhung zugrunde liegenden Entscheidungen des Gesetzgebers verdeutlichen vielmehr die Bedeutung, die auch die gegenwärtig im Erwerbsleben stehende Bevölkerung dem sog. Generationenvertrag beimisst.

46

Bezeichnenderweise hat sich auch die (Brutto-)Rente des Klägers seit 1997 um knapp 10% erhöht; ihre Erhöhung ist nur unwesentlich hinter dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten zurückgeblieben.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

48

Es liegt kein gesetzlicher Grund vor, die Revision zuzulassen.